Wie wird man eine Kirmes-Bratwurst in Bern? — Nur per Ufnahmeverfahre
Die Berner gründen gern Vereine wenn sie nicht in Bern verweilen, darüber hatten wir schon berichtet: Was machen die Berner im Zürcher Unterland? Einen Verein gründen. bzw. hier Was machen die Berner in Zürich? Auch einen Verein gründen.
Die in Bern verbliebenen Berner lieben die Bratwurst und gründen daher den „Verein Bärner Chiubigigle“, der sich statt mit „u“ am Ende mit einem „le“ schreibt. Wir haben ja inzwischen gelernt, dass das die übliche Mehrzahl ist. Ein Verein der Bratwürste also? Oder doch der „Kirmes-Deppen“?
(Quelle Foto: chiubigigle.ch)
Was genau dieser Verein eigentlich macht, war auf der lehrreichen und informativen Homepage, die ziemlich komplett auf Berndeutsch geschrieben ist, erst nach langem Suchen und Berndeutsch Entziffern zu lesen. Genau gesagt war der entsprechende Passus merkwürdiger Weise in der Katastrophensprache Hochdeutsch verfasst. Krisenanweisungen und Vereins-Statuten bitte nicht auf Bärndütsch? So lasen wir:
„Sinn und Zweck des Vereins ist die Erhaltung einer guten Freundschaft, das Erleben von gemeinsamer Freizeit und das Pflegen sozialer Aspekte.“
(Quelle: chiubigigle.ch )
Die „Erhaltung“, nicht der „Erhalt“, so wie „die Betreibung“ und nicht „der Betrieb“ oder „die Entscheidung“ und nicht „der Entscheid“, ach nee, das war ja anders herum.
Das „Ufnahmeverfahre“ (Titel auf Schweizerdeutsch) enthält einen interessanten Absatz, der wiederum auf Hochdeutsch geschrieben wurde:
Im November des laufenden Jahres werden alle Neubewerber zu einem Altstadtkehr eingeladen. Während dem Altstadtkehr muss jeder Neubewerber mindestens 10 Müntschis von verschiedenen Serviertöchtern der Altstadtkneipen einsammeln.
(Quelle: Ufnahmeverfahren)
Trotz der betont lässigen Verwendung des Schriftdeutschen hier rätselten wir doch über den „Altstadtkehr“ und die „Müntschis“. Sind das unter Umständen „Münzensammler“, die in der Altstadt mit Besen für den Kehraus sorgen? Vielleicht weil so viel Kleingeld im Trubel auf die Strasse fällt, dass sich der Einsatz von Kehrbesen lohnt.
Oder ist das Einsammeln von „Müntschis“ eben dieses „Pflegen sozialer Aspekte“, welches in den Statuten so deutlich als Vereinszweck bezeichnet wird? Fragen über Fragen. Gäste aus München werden die „Müntschis“ auch kaum sein, und „Schiss münt“ sie auch keinen haben, die „Müntschis“, so hoffen wir wenigstens.
Gönner-Werbung liest sich auf Berndeutsch übrigens so:
O das Jahr si mir wider uf dr Suechi nach Lüt, wo üs miteme chline finanzielle Bitrag unger d’Arme griife u üs mit däm z’einte oder angere Feschtli tüe ermögleche. Säubschtverschtändlech tüe mir üs o wider revangschiere, idäm mir o hür wider e Gönnerevent wärde organisiere. Mir fröie üs über jede u jedi, wo üs, sigs zum erschte oder aber o zum widerhoute Mau, tuet ungerschtütze. Im Gönner-Beriich finget dir aui nötige Ahgabe wo dr bruchit, zum Gönner wärde.
(Quelle: chiubigigle.ch)
Säubtschtverschtändlech braucht man auf Berndeutsch ein paar Buchstaben mehr, um sich auszudrücken. Auch die „üs“ und „ös“ sollten locker vom Hocker aus dem Handgelenk kommen.
Singen können diese lustigen Brodwurst-Fans übrigens auch, hören Sie selbst: Mir si d’Bärner Chiubigigle (189kb)
P. S.: Obwohl „Die Bratwurst“ weiblich ist, dürfen in diesen Bärner Verein nur Männer eintreten.
P. P.S: Falls sich genügend Mitglieder finden wollen wir uns demnächst als die „Verein der Unterländer Currywürste“ eintragen lassen gründen, aber bitte mit scharfer Sosse.
Juni 29th, 2007 at 8:12
„Altstadtkehr“ ist das selbe wie „Beizenkehr“: man besucht ein Gasthaus nach dem anderen. „Müntschi“ ist ein Kuss, nicht mit „Mütschli“ zu verwechseln.
Juni 29th, 2007 at 8:39
Ich als Ostschweizerin verbinde das berndeutsche „Müntschi“ mit einem „Küsschen“, sei es auf Wange oder Lippen. Aber bestimmt weisst Du das bereits, ich habe es sogar überlesen oder ich liege völlig daneben 😉 Die Altstadtkehr hätte ich als Beizentour in der Altstadt interpretiert.
Juni 29th, 2007 at 10:02
also ‚Berner Müntschi‘ ist auch ein Bier der Brauerei Felsenau.
Und somit will ich von Serviertöchtern also mindestens 2 Müntschis…
Beizencher ist ne Sauf. äh, äxgüsi, Beizentour. Wir sagen ja auch wir gehen einkehren => mir gö go iichere um auszudrücken, dass wir eins schnappen gehen.
Juni 29th, 2007 at 10:06
Im Berner Seeland gibt es eine Ortschaft Müntschemier. Das könnten Dialektanfänger wohl durchaus als „Küssmich“ verstehen. Für diese wäre wohl im schwierigen Dialekt selbst eine so komische Deklinationsform keine Überraschung.
Weiss jemand, von welchem ursprünglich französischen Namen sich der Ortsname nahe der Sprachgrenze ableitet?
Juni 29th, 2007 at 11:01
@solar
http://www.muentschemier.ch/page6.html
Das zur Geschichte vom Dorf ( interessiert eventuell auch andere Blogwieseleser)
Mais je viens de chercher sur tout l’internet et je n’ai RIEN trouvée de tout a cause de la source du nom de Monsmier:)
U i ga itz nid uf Müntschemier go Müntschi fah,derfür uf Biu a Braderie go bradiere:-) wär wott wüsse was es isch chas uf mim blog nacheläse:)
Juni 29th, 2007 at 11:17
@solar
Die französische Bezeichnung für Müntschemier ist Monsmier.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCntschemier
Juni 29th, 2007 at 13:05
Ich hatte mich letztens mit nem Argauer so ueber düt un dat unterhalten – und da tauchte immer wieder das Wort „butze“ auf. Auf meine ausschweifende Frage: „Haeh?“, konnte er mir das Wort nicht erklaeren. Nein, mit „putzen“ haddes auch nix zu tun gehabt….
Ich kannte – von der „Butze“ mal abgesehen nur noch „bütze“, wat de Köllsche Jong ja järn mal macht 😉 Als ich ihm erklaerte, was „bützen“ ist, musste er laecheln: Ach, „Müntschis machen“? – nein, das hat nix mit „butze“ zu tun….
Und ich war genauso schlau wie vorher.
Juni 29th, 2007 at 13:20
@Diti
Butze? Bräuchte man schon einen zusammenhängenden Sachverhalt. Butze = günne = gewinnen?
Juni 29th, 2007 at 13:33
Zu Müntschemier:
Siehe auch die Website vom Dorf: http://www.muentschemier.ch
Unter „Geschichte“ heisst es, dass es wahrscheinlich von dem keltischen Wort für Berg „monchem“ abgeleitet ist.
Alles Nähere auf der Website.
Gruss aus dem Seeland
Juni 29th, 2007 at 14:09
In dr Schwiz ka me e Verein nid iitrage loo. Drum stoht hinter em Vereinsname au nid e e.V. Wenns also drum goht, asses in dr Schwiz wältwiit am meischte Verein heigi, denn berueht das immer uf Schätzige.
Gruess vomene exil-… (?)
Juni 29th, 2007 at 15:31
öbberem eis butze => jemandem eine runterhauen.
es hed mer eis butzt => einen elektrischen Schlag erhalten haben
Juni 29th, 2007 at 16:11
@graxel: Das stimmt so nicht ganz, Vereine können eingetragen werden (im Handelsregister) und müssen sogar, wenn sie einen kommerziellen Zweck verfolgen oder z.B. zu Spenden aufrufen. Allerdings trifft dies natürlich nur auf einen verschwindend kleinen Teil der Vereine zu.
Ich glaube aber zu wissen, dass Vereine bei der Sitzgemeinde (Einwohnerkontrolle o.ä.) gemeldet werden? Daher könnten die Zahlen für die Statistik kommen.
Juni 29th, 2007 at 16:50
nicht zu vergessen:
„chum butz di“ => hau ab
Juni 29th, 2007 at 17:10
Danke fuer die Butzerklaerungen 🙂 Is vielleicht schon nen eigener Blogeintrag wert?
Das mit den Vereinen scheint hier wirklich so ne Sach zu sein. Als sportlich recht Aktiver habe ich festgestellt, dass die (Sport)Vereine hier alles „Clubs“ sind. Halt – einen „Verein“ kenne ich – der hat aber seinen Eintrag im Pütt, die Mitglieder hier haben alle nen deutschen Mitgliedsausweis und benutzt wird eine Turnhalle im Aargau. Der Trainer (nicht zu verwechseln mit dem -anzug 😉 ) ist auch n Deutscher….
Scho spannend…
Juni 29th, 2007 at 19:03
Auso, die Chiubigigle si äuä meh Gigle aus Chiubi. Sie wei zwar Müntschi sammle, aber Froue oder Meitschi chöi nid Mitglied wärde. Das tüecht mi de doch afe e chly schtotzig.
Es muess doch no Bärnervereine gäh wo e chly gschyderi Regle hei. Nume für desume z suufe bruchts nid äxtra e Bärnerverein.
Pesche
Juni 29th, 2007 at 20:51
@Diti:
Was ist ein Pütt (oder gibts sowieso nur einen?)?
Juni 29th, 2007 at 22:47
@Diti
hab noch einen : jez hätts än butzt => kaputt, zerplatzt
zB. eine glühbirne, ein ballon (oder ironisch für einen menschen 😉 )
Juni 29th, 2007 at 23:48
@Schnägge
nachtrag: danke für deinen tip von den song-verhörern 🙂 🙂
liege auch grad unterm pult 🙂
Juni 30th, 2007 at 11:19
Ein Hinweis an den geschätzten Administrator dieser Website:
Im Gegensatz zu Deutschland muss in der Schweiz ein Verein nicht eingetragen werden, damit er existiert. Tatsächlich braucht es nur den Willen mehrerer Menschen, einen Verein zu bilden, Statuten und die Bestellung der Organe (ja, das ist Juristensprache und nein, das hat nichts mit Organhandel zu tun) damit ein Verein besteht.
Dieses einfache Verfahren zur Vereinsgründung ist sicher mit ein Grund, warum es in der Schweiz so viele Vereine gibt. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um vollwertige juristische Personen!
[Anmerkung Admin: Danke für den geschätzten Hinweis! Ich glaube nicht, dass es in Deutschland ein Zwang ist, aber ein eingetragener Verein hat besondere Privilegien, wahrscheinlich darf niemand sonst den gleichen Namen verwenden und die Ausgaben sind dann steuerlich absetzbar etc..
Zitat Wikipedia:
wenn das in der Schweiz auch so geht, ist es doch umso einfacher! Wieder was gelernt. ]
Juni 30th, 2007 at 13:56
@Solar: Der Pütt ist eine nette Bezeichnung fuers Ruhrgebiet 🙂
[Anmerkung Admin:
Greife ungern korrigierend ein in diese Erklärung, aber in erste Linie ist „Pütt“ ein Wort für ein Schacht im Kohlebergwerk, vgl. Wikipedia:
]
Juni 30th, 2007 at 14:59
Soviel ich als Basler weiss, gibts in der Ostschweiz den Fasnachts-Butz. Verkleidete Person.
Juni 30th, 2007 at 23:19
ä Chiubi = ein Fest
(früher Kirchweihe)
Giele = Knaben
(berndeutsch Gyelä)
Beiz = Gasthaus
(berndeutsch Beytz)
Cher = Runde
Müntschi = Küsschen
Juli 1st, 2007 at 1:05
@ Diti
Vermutlich meint dein Argauer Gesprächspartner „büätzä“ = arbeiten 🙂
Juli 1st, 2007 at 17:19
@Raphael
sagst du wirklich „büätzä“ für arbeiten?? bei mir ist „büätzä“ nähen.
es heisst zwar „d‘ büäz“ die arbeit, aber „guslä, büglä,chnüttlä“ etc. für arbeiten.
aber wer weiss…..lerne gern dazu.
[Anmerkung Admin: Mehr zum Thema „büssen“ siehe hier auf der Blogwiese ]
Juli 2nd, 2007 at 22:12
Du solltest mal eine Umfrage machen, wie die Leute die Enden eines Brotlaibs bezeichnen. Du wirst Dutzende von Antworten erhalten! Ich beispielsweise verwende noch die beiden lautmalerischen Wörter „Mörggel“ oder „Aahöiu“.
[Anmerkung Admin: Du solltest einfach mal ein bisschen mehr auf der Blogwiese lesen, alles schon passiert und beschrieben, siehe hier: http://www.blogwiese.ch/archives/310 ]
Juli 2nd, 2007 at 23:20
Wow! Ich sollte wirklich mehr auf Blogwiese lesen! Ich habe erst heute entdeckt…