Ist Tüpflischeissen eigentlich ein Schweizer Nationalsport?
Februar 24th, 2011(reload vom 26.04.07)
Neulich war ich auf dem Weg zu einem Interview mit einer grossen Schweizer Illustrierten, die auch von Familien gelesen wird. Ich fuhr mit dem Zug zum Treffpunkt am Zürcher Hauptbahnhof und las auf dem Weg einen Leserbrief, der einen Fehler des Tages-Anzeigers richtig stellte. Der Tagi hatte geschrieben, warum das Schweizer Nationalgetränk „Ovomaltine“ im englischen Sprachraum einen anderen Namen hat:
Nach der Expansion ins Ausland merkte man, dass die vielsilbige O-vo-mal-tine nicht richtig ausgesprochen werden konnte. Das war nach 1913, als die erste Ovo-Fabrik in England in Betrieb ging. Deshalb heisst das Pulver im englischsprachigen Ausland und in Asien verkürzt Ovaltine (sprich: «Oveltain»).
(Quelle: Tages-Anzeiger vom 10.03.07)
Die Leserbriefschreiberin Marcia Schoenberg wies dann am 16.04.07 darauf hin, dass die Aussprache von „Ovaltine“ nicht „Oveltain“ sei, wie im Tagi beschrieben, sondern „Ovalteen“.
Ich fand diesen Einwand bemerkenswert und äusserst löblich, denn gerade hatte ich darüber nachgedacht, ob es nicht einmal an der Zeit sei, ein eigenes Posting zum Thema „Tüpflischeisser“ zu schreiben. Nun, ich schob den Gedanken beiseite und ging zum Interview. Das Erste, was mir vorgelegt wurde, war ein Posting der Blogwiese, in dem ich „Schulpflegschaftspräsident“ mit einem „-schaft“ zu viel geschrieben hatte. Es heisst nämlich „Schulpflegepräsident“. Viel kürzer und knapper, als ich es je mit meiner Deutschen Weitschweifigkeit zu hoffen wagte. Nicht mal ein klitzekleines Fugen-S passt noch zwischen die „Schulpflege“ und dem „Präsidenten“.
Ich freute mich, dass ich wieder etwas gelernt hatte und erfuhr kurz darauf noch, wie man „lisme“ richtig ausspricht, denn das hatte ich auch falsch artikuliert. Es ist mehr so ein „ä“ im Laut, also „läsme“.
Dann erzählte ich der Journalistin — wie war ich bloss auf das Thema gekommen? — von der Idee mit dem Posting zum Thema „Tüpflischeisser“, und wie sehr ich mich gefragt hatte, ob diese Art von kleinkarierter Kritik und Korrektheit eigentlich etwas typisch Schweizerisches sei. Es ging dann irgendwie etwas unterkühlt weiter im Gespräch.
Nun, das Wort „Tüpflischeisser“ ist bestimmt Schweizerisch, denn wir lernen aus dem Variantenwörterbuch:
„Der bundesdeutsche Korinthenkacker ist bei den Österreichern ein Tüpferlreiter und den Schweizer Nachbarn ein Tüpflischeisser.“
(Quelle: Pressemitteilung de Gruyter Verlag)
Seltsamer Weise findet sich zwar ein „Korinthenkacker“ im Duden:
Korinthenkacker, der (derb, abwertend): kleinlicher, pedantischer Mensch.
(Quelle: duden.de)
Die anderen beiden Varianten „Tüpferlreiter“ und „Tüpflischeisser“ jedoch nur bei de Gruyter.
Noch einmal möchte ich betonen, wie sehr ich es wichtig finde, genau zu sein und alle Fehler korrekt zu bezeichnen. Auf der Blogwiese konnte so eine Menge verbessert werden. Das Wort „Tüpflischeisser“ ist übrigens bei Google-CH nur 65 Mal belegt. Wie oft das Standarddeutsche Wort „Korinthenkacker“ erwähnt wird, verschweige ich besser. Zu ihm weiss Wikipedia noch mehr:
Während dieser Begriff hauptsächlich in der Bundesrepublik Deutschland Verwendung findet, betitelt man derartige Menschen in Österreich als I-Tüpferlreiter, in der Schweiz und in Südwestdeutschland auch als Tüpflischisser oder Dippelschisser. Synonyme für Korinthenkacker sind „Erbsenzähler“, „Kümmelspalter“, „Beckmesser“, in der Berliner Mundart „Krümelkacker“ und in der bayerischen „Gscheidhaferl“. Eine ähnliche Bedeutung hat auch „Haarspalter“, dabei wird allerdings (Über-)Genauigkeit betont, wohingegen rechthaberische Pedanterie allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt.
Im Niederländischen hat das Wort eine andere Konnotation. Hier bedeutet die wörtliche Übersetzung, „Krentenkakker“, etwa so viel wie „Geizhals“
(Quelle: Wikipedia Korinthenkacker)
Darum auch für die Zukunft die Bitte: Wenn Sie einen Fehler sehen, bitte sofort melden. Vor allem wenn sie beim Lesen das Gefühl haben, ich würde ein Schweizerdeutsches Wort falsch aussprechen, bitte gleich die korrekte Aussprache zuschicken. Am besten in phonetische Schreibweise gemäss IPA, dem Internationalen Phonetischen Alphabet. Hier zur Erinnerung eine kleine Gedächtnisstütze, wie im IPA Vokale verschriftet werden.
(Quelle Foto: Wikipedia)
Warum haben eigentlich die Schweizer nicht längst diese Zeichen als allgemeingültige Schriftsprache eingeführt, damit endlich nicht mehr auf die lästige Fremdsprache Hochdeutsch zur Verschriftung des Schweizerischen ausgewichen werden muss. Alle Unklarheiten wären beseitigt, wenn die Kinder bereits in der Primarschule nur in IPA schreiben lernen würden, auf Schweizerdeutsch natürlich.