Die fünf Fettnäpfe, in die Sie als Deutscher in der Schweiz nicht hineintappen sollten

April 30th, 2009

(reload vom 10.5.06)

  • Fettnapf oder „faux pas“?
  • Falls Sie als Deutscher neu in die Schweiz kommen, gibt es eine paar Fettnäpfchen, vor denen Sie sich in acht nehmen sollten, damit Sie da nicht gleich hinein tappen. Sagte ich „Fettnäpfchen“? Schon falsch: In der Schweiz würde man eher von einem „faux pas“ sprechen, denn Sie begehen können. Einen „falsus passus“ oder falschen Schritt, wie der lateinversierte Frankreichkenner sagen würde. Die Deutschschweizer lieben ihre Landsleute von der anderen Seite des Röschtigrabens so sehr, dass sie bei jeder Gelegenheit deren Sprache üben und pflegen. Sie werden sich noch umschauen, wieviel Französisch Sie hier in kürzester Zeit automatisch lernen können. Beim „Merci vielmals“ geht es los, bei „excusez“ geht es weiter und bei der Frage nach der Plastiktüte, die in der Schweiz grundsätzlich als „sac“ im Idiom der Westschweiz bezeichnet wird, hört es noch lange nicht auf. Le „sac-à-dos“ ist darum auch kein Fluch, wie „Heilands-sak-rament“ in Oberschwaben, sondern einfach nur ein Rucksack in der Westschweiz. Et ceci n’est pas un Witz. Auch die Ostschweiz färbt sprachlich ab in der Westschweiz.

  • Fettnapf Nummer 1: Am Telefon nicht in die Luft gehen
  • Falls Sie mit einem Schweizer telefonieren, excusez, wir meinten natürlich: „Falls Ihnen ein Schweizer ein Telefon gibt“, dann sollten Sie dieses nicht „fortrühren“, unter langsamen Kreisbewegungen in den Abguss, sondern beantworten. So wie sie auch den „Beantworter“ benutzen, falls Ihr Schweizer „Kollege“, also Freund und nicht Arbeitskollege, nicht daheim ist und Sie ihm auf selbigen sprechen müssen. Ist er jedoch daheim und geht kurz weg vom Telefon, dann wird er Sie bei seiner Rückkehr fragen: „Bist Du noch da?“, und dann wäre es ganz falsch zu antworten: „Nein, ich bin geplatzt“, oder „das weiss ich gar nicht, Moment, ich schaue kurz nach. Kannst Du schnell warten?“. Da wären wir schon mitten drin im Dilemma: Sie warten so schnell Sie können, und es ist immer einfach nicht schnell genug für die Schweiz.

  • Fettnapf Nummer 2: Alle Inlaut-Is in Zür-i-ch vermeiden
  • Sprechen Sie niemals vom Züricher See oder Züricher Geschnetzelten. Das ist verboten und wird mit vielsagendem Schweigen bestraft. Nur Gottfried Kellers Verleger durfte seine Novellensammlung die „Züricher Novellen“ nennen. Heute würde der bekannteste aller Schweizer Dichter glatt des Landes verwiesen für diesen Fehler. „Glatt“ verwiesen passt „in dem Fall“ extrem gut, denn dort an „der Glatt“ wuchs er einst auf, der Gottfried Keller, bei seinem Onkel in „Glattfelden“. Eine glatte Sache, nicht wahr?

  • Fettnapf Nummer 3: Sie meinen, Emils Schwiizertüütsch gut zu verstehen
  • Erwähnen Sie niemals in Anwesenheit von Schweizern, dass Sie deren Schwiizertütsch recht gut verstehen während die Schweizer die ganze Zeit nur auf ihrem bestens hochpolierten Hochdeutsch mit Ihnen gesprochen haben. Passiert jedem Deutschen, der neu in die Schweiz kommt, am Anfang.

  • Fettnapf Nummer 4: Eine Tür zufallen lassen, wenn in 15 Meter Entfernung noch ein Schweizer naht
  • Ganz schlechtes Verhalten. Gehen Sie durch eine Tür, dann schauen Sie sich bitte drei mal um ob auch wirklich niemand naht, der auch durch diese Tür möchte, bevor Sie diese Tür hinter sich zufallen lassen. Besonders schwierig ist das bei einer Drehtür. Halten Sie die doch einfach offen für den nächsten Schweizer, der Ihnen auf dem Fusse folgt!

  • Fettnapf Nummer 5: „Was für ein hübscher Dialekt hier in der Schweiz!“
  • Vergessen Sie alles, was man ihnen je über Mundarten und Dialekte erzählt hat. Es stimmt nicht, bezogen auf die Sprache der Schweizer. Die Schweizer sprechen eine Sprache, mehr noch, eine eigene Sprache, mehr noch, eine „richtige“ eigene Sprache. Sie haben nur noch keine eigene Bezeichnung dafür. Die Bezeichnung „Schweizerdeutsch“ erinnert ja schon wieder ganz fatal an diese andere Sprache, die die Schweizer eben nicht sprechen, sondern nur schreiben, denn sie reden ja „ihre“ Sprache, die eine Sprache und auf gar keinen Fall, unter keinen Umständen, auch nicht in der grössten Not als „Dialekt“ bezeichnet werden darf. Haben Sie das verstanden? Begreifen Sie es auch?

    Ja, schon, aber jetzt sind sie „sprachlos“. Woran erkennt man, dass eine Sprache richtig und eigen ist? Ganz einfach: An den für sie vorhandenen Lehrwerken und Grammatiken. Davon gibt es einige für das Schwiizertüütsche. Folglich ist es eine richtige Sprache. Ein Wörterbuch für die Sprache der Schweizer gibt es auch, es gehört hier zur wichtigsten Grundausstattung jedes Deutschen in der Schweiz. Nehmen Sie also am besten gleich einen Kredit auf, kaufen sie sich eine Schubkarre oder einen Leiterwagen, gehen Sie in die nächste Buchhandlung und erstehen Sie das Schweizer „Idiotikon“. Sie brauchen sich nicht wie ein Idiot fühlen, wenn sie danach fragen. Idiotisch ist das Ding ganz bestimmt nicht, sondern eher schwer. Ziemlich schwer, weil bedeutungsgeladen und verantwortungsschwer:

    Ein Idiotikon (griech. Idio, Eigenes; Ausdruck, Begriff, Mundart) ist ein Wörterbuch, das mundartliche, dialektale, soziolektale oder fachsprachliche Ausdrücke erläutert. (auch Regionalismenwörterbuch)
    (Quelle: Wiki)

    Die Schweizer versuchen seit 1862, dieses Wörterbuch zu erstellen. Denn was man aufschreibt, vergisst man nicht:

    Am Ursprung des Idiotikons stand die Angst vor dem Sprachverlust. Friedrich Staub, der erste Chefredaktor des Idiotikons, befürchtete 1862, die schweizerdeutsche Mundart würde vom Hochdeutschen verdrängt. Die Korrespondenten begannen damals, „unter Beihülfe aus allen Kreisen des Schweizervolkes“, Mundartausdrücke aus Stadt, Land und Bergtälern zusammenzutragen. Systematisch wurden auch die Mundartliteratur bereits vorhandener Dialektwörterbücher, Chroniken, Rechtsprotokolle, Arznei- und Rezeptbücher und religiöse Schriften im Idiotikon erfasst.
    (Quelle: swissinfo.org)

    Ich vergass zu erwähnen, dass Sie zuvor noch eine Zeitmaschine kaufen sollten um in die Zukunft zu reisen. Denn momentan ist das Idiotikon leider noch nicht lieferbar. Der aktuelle Stand sind 15 Bände. Bei gleichbleibender echt schweizerisch-gründlichen Herausgabegeschwindigkeit von 9.6 Jahren pro Band müssten Sie im Jahr 2026 die Gesamtausgabe erwerben können. Sie können also ruhig schon mal anfangen mit sparen.

    Mit 15 Bänden und über 130’000 Stichwörtern ist das Schweizerdeutsche Wörterbuch schon vor seinem Abschluss das umfangreichste Regionalwörterbuch im deutschen Sprachraum. Es dokumentiert die deutsche Sprache in der Schweiz vom Spätmittelalter bis ins 21. Jahrhundert, die älteren Sprachstufen genauso wie die lebendige Mundart. Da der Grundstock des Mundartmaterials in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dank der Mitarbeit von gegen 400 Korrespondenten zusammengekommen ist, kann das Werk sonst kaum beschriebene und heute weitgehend verschwundene Bereiche der sprachlichen, geistigen und materiellen Kultur dieser Zeit besonders gut dokumentieren.
    (Quelle: sagw.ch)

    Vielleicht erleben Sie ja tatsächlich noch die Fertigstellung dieses Werkes ? Gut Ding will Weile haben.

    P.S.: Wir haben zwar schon die fünf Fettnäpfchen erläutert, ein sechstes wollen wir daber dennoch hinzufügen: Erwähnen Sie unter gar keinen Umständen, dass irgendetwas in Deutschland auch nicht schlecht ist. Das kommt gar nicht gut an. Sie sind hier im Land der besten Waschmaschinen, der besten Schokolade, der besten Demokratie, der besten Taschenmesser, der besten Käsesorten, der besten Biochemie, der besten Fussballer… na, Sie wissen jetzt sicherlich schon selbst weiter, einfach immer „der besten …“ davor setzen.

    Die illegale Gleis-Lotterie am Bahnhof Museumstrasse

    April 29th, 2009

    (reload vom 9.5.06)

  • Perron oder Bahnsteig, Gleis oder Ge-leis?
  • Am Bahnhof Museumsstrasse gibt es zwei Bahnsteige und vier Gleise. Schweizer dürfen diese Dinge gerne weiterhin „Perron“ (=Vortreppe, heute sagt man „quai“ in Frankreich) und „voie“ nennen, wie die Deutschen es vor der grossen Eindeutschung und Reichsgründung um 1870 auch taten, bei der die Schweizer natürlich nicht mitmachten. Meinetwegen sagen Sie als Schweizer auch „Ge-leise“, wie die Aufforderung, doch bitte „leise zu gehen“, also mit einem „e“ mehr als in Deutschland üblich, laut unserem Duden in der Schweiz noch möglich:

    Geleise, das; -s, – [mhd. geleis(e) = Radspur, Kollektivbildung zu: leis(e), ahd. (wagan)leisa = (Wagen)spur] (österr., schweiz., sonst geh.)

    Doch wo wir hinschauen, steht „Gleis“ angeschrieben, auch in der Schweiz. Wahrscheinlich hatte der Duden hier wieder Probleme mit der korrekten Einordnung von „schweizerisch“. Soll ja vorkommen.

  • Alles wirklich nur ein Zufall?
  • Wo genau auf welchem Gleis jetzt hier Ihr Zug halten wird, das weiss kein Fahrplan sondern wird jeweils fünf Minuten vor der Einfahrt des Zuges von einem Computer wahrscheinlich per Zufallsgenerator bestimmt. Wer das daheim mit seinem Microsoft Excel nachbauen will verwende am besten die Funktion „randomize“ zur Erzeugung einer Zufallszahl, im deutschen Excel als =WENN((ZUFALLSZAHL()*2+1)<2;21;22) zu haben, einfach in eine Excel-Tabelle kopieren und mit der F9-Taste aktualisieren. Egal was der Computer sagt, die Menschen auf diesem Bahnsteig starren wie gebannt auf die Anzeigetafeln. Müssen sie sich nun nach links oder nach rechts wenden? Manche versuchen die Röhre, aus der ihr Zug zu ihnen rollen wird, zu erahnen. Am Luftstrom die Ankunft des baldigen Zuges zu erspüren. Wie beim Roulette, wo manche Spieler auch versuchen, den Lauf der Kugel vorauszuberechnen: Wenn der Zug eben links ankam, und der Zug danach rechts, dann müsste mein Zug aller Wahrscheinlichkeit wieder links… doch halt, da hat ja ein Zug Verspätung! Es bleibt spannend bis zum Schluss, und die Menschen sind beschäftigt. Sind abgelenkt vom tristen Alltag, ihrem Weg zur Arbeit oder nach Hause. Für einen Moment werden alle zu Spielern. Warum auf den Anzeigentafeln eigentlich keine Werbeeinblendungen erfolgen, so wie beim Boxkampf im TV, in der kurzen Pause zwischen zwei Runden, ist uns schleierhaft.

  • Wetten Sie einfach mit!
  • Man sollte da unten am Bahnhof Museumstrasse eigentlich einen Croupier beschäftigen: „20 Franken für Ankunft auf Gleis 21, 10 Franken für Zieleinlauf auf Gleis 22, rien ne vas plus!“ aber solch nicht-staatliches Glückspiel ist illegal in der Schweiz. Auch der Discounter FUST bekam mächtig Ärger, als er im Rahmen einer Werbeaktion der Kauf eines neuen TV-Geräts mit dem Spielglück der Schweizer „Nati“ (=Nationalmannschaft ohne Parteiabzeichnen) bei der Weltmeisterschaft 2006 verband.

    28.04.2006 — Tages-Anzeiger Online
    Fust-Wettbewerb wird untersucht
    Die Fust AG verspricht in Inseraten und TV-Spots Gratis-Fersehgeräte, falls die Schweizer Fussball-Elf an der WM den Viertelfinal erreicht. Jetzt prüft die St. Galler Staatsanwaltschaft, ob dies gegen das Lotterie-Gesetz verstösst.

    Der Elektronik-Discounter Dipl. Ing. Fust AG mit Sitz in Oberbüren SG will den Kaufpreis für neu gekaufte TV-Geräte zurückerstatten, falls die Schweizer Fussballnationalmannschaft den WM-Viertelfinal erreicht. Allerdings muss der Käufer auch noch einen Tippschein korrekt ausfüllen.

    An Wettbewerb gekoppelt
    Weil die Teilnahme am Wettbewerb an den Kauf eines Fernsehgeräts gekoppelt ist, verstösst die Praxis der Fust AG laut dem St. Galler Finanzdepartement möglicherweise gegen das Lotterie-Gesetz. Es hat Fust aufgefordert, den Wettbewerb abzubrechen.
    (Quelle: tagesanzeiger.ch)

  • Und was passiert, wenn die Schweiz Vize-Weltmeister wird?
  • Unlauterer Wettbewerb? Genehmigungspflichtiges Glückspiel? Wer nur diesen Verdacht äussert, bezogen auf den programmierten Fussballerfolg der Schweizer Kicker, muss der sich nicht in der Schweiz gegen den Vorwurf des versuchten Landesverrats rechtfertigen?

    Renn wenn Du kannst — Was ist ein Turnschuhanschluss?

    April 28th, 2009

    (reload vom 8.05.06)

  • Das tägliche Fitnesstraining am Zürcher Hauptbahnhof
  • Die Zür(i)cher sind kreativ. Sie haben nicht nur einen enorm vielseitigen Namen, den man je nach Herkunft mal mit oder mal ohne Input-i schreiben kann, nein, sie machen sich auch intensiv Gedanken über die Fitness ihrer Tagesgäste, den Pendlern aus den Umlandgemeinden. Tagtäglich strömen diese aus den hintersten Ecken der Agglo zu ihnen per S-Bahn oder Zug. „Agglo“ nennen die Zürcher liebevoll ihr Umland. Der Kosename „Agglo“ von „Agglomeration“ kommt von Lateinisch „agglomerare“, und das heisst wörtlich „fest anschliessen„. Klingt irgendwie richtig zärtlich, so nach „fest in die Arme schliessen„. Man hat sie richtig lieb, die Menschen aus der Agglo, wenn man in Zürich lebt und täglich von diesen Gästen besucht wid.

  • Ich — ES — Über-Ich in ZürIch
  • Die Zürcher (jetzt ohne „i“) unterdrücken schüchtern ihren Binnen-Vokal „i“, denn der steht für „Intensiv“ , so intensiv wie sie das Leben an der Limmat in der heimlichen Hauptstadt der Schweiz täglich neu empfinden. Gibt es eigentlich überhaupt noch eine andere Stadt von ähnlicher Bedeutung in der Schweiz? Es ist diese spezielle Ich-Bezogenheit in ZürIch, von Französisch „sur„, dem Wörtchen für „über„, hier in dieser Stadt mit dem eingebauten „Über-Ich„, was sie bei den restlichen Schweizern so beliebt macht.

    Intensiv ist diese Stadt vor allem für den Herzschlag der Pendler. Diejenigen, die mit dem zugigen Zug von Zug her kommen, werden besonders gründlich bedacht. Für sie hat man sich in Zürich am Hauptbahnhof ein morgendliches Spezialtraining einfallen lassen: Den Turnschuhanschluss.

    Das wunderbare Wort hat es sogar schon in die heiligen Hallen von Hugo Egon Balders „Genial Daneben“ Studio in Köln-Hürth geschafft. Das Rateteam mit Hella von Sinnen, sonst immer voll bei Sinnen und Verstand, und Bernhard „Der Streber“ Hoëcker, hat nicht herausgefunden, welche Bedeutung sich dahinter verbirgt. Es wurde gemutmasst und theoretisiert, Ereignisse aus der Deutschen Geschichte wurden diskutiert, in welcher das Wörtchen „Anschluss“ eine unsägliche Rolle spielte, nämlich beim „Anschluss Österreichs“ 1938 an Nazideutschland. Das Wort kann in Deutschland zwar auch heute noch verwendet werden, in Zeiten von „Beziehungskisten“ und „Lebensabschnittspartnern“ können Menschen mitunter keinen „Anschluss finden“.

  • Weg mit dem Anschluss, es lebe die ReiseMöglichkeit
  • Im Zusammenhang mit der Deutschen Bahn, die sich selbst nur noch „Die Bahn“ nennt, als ob es auf der ganzen Welt keine andere mehr gäbe, hat das Wort „Anschluss“ jedoch ausgedient und wurde schon vor Jahren im Zeichen der Privatisierung durch die „Reisemöglichkeit“ ersetzt. Kein Witz: Wenn Sie in Deutschland zu später Stunde ankommen, sagen wir so zwischen Mitternacht und 0:30 Uhr, dann können Sie von Glück sagen, wenn es diese „ReiseMÖGLICHkeit“ für Sie noch gibt. Anschlüsse haben Sie bald darauf sicher keine mehr, bis zu den ersten Frühzügen ab 5.00 Uhr.

  • Was ist ein Turnschuhanschluss?
  • Ein notwendig gewordener Sprint, den Sie am besten mit angelegten Turnschuhen und angelegten Ohren bewältigen, um bei der Ankunft ihres Zuges von Luzern/Zug/Thalwil am neuen Zürcher Bahnhof Sihlpost die 1.200 Meter bis zum S-Bahn-Tiefbahnhof „Museumsstrasse“ zurückzulegen. Von dort geht es dann mit der S-Bahn weiter. Klingt zwar sehr beschaulich dieser Bahnhof „Museumsstrasse“, heisst aber nur so, weil er auf der Seite des Schweizer Landesmuseums unter dem Zürcher Hauptbahnhof gebaut wurde. Von dem Museum sehen Sie also gar nichts. Hier unten irgendwo gibt es auch ein Stück Autobahntunnel, vor vielen Jahren erstellt und dann nie genutzt für die Autos, denn das dazugehörige Stück Autobahn unter der Oberfläche von Zürich wurde nie fertiggebaut. Nur das Tunnelteilstück ist fertig und wird als Lagerhalle oder skuriller Ort für House-Parties genutzt.

  • Der ultimative Kick per Board
  • Es gibt noch eine Alternative für die Turnschuhe: Kaufen Sie sich einfach ein Kickboard, am besten gleich mit Helm und Schonern dazu, denn dann haben Sie ein reelle Chance, innerhalb der vorgeschriebenen 4-5 Minuten ihren Anschlusszug an der anderen Seite des Bahnhofs tatsächlich zu erreichen.
    Hier der Weg in rot eingezeichnet, den Sie zurücklegen müssen.
    Der lange Weg zu Fuss per Turnschuh
    Sie sollten unterwegs das Geräusch eines Rettungswagens imitieren, dann haben Sie garantiert freie Fahrt in den Menschenmassen. Alternativ können Sie auch laut „Vorsicht: Heiss und fettig“ rufen und damit die anderen Pendler so irritieren, dass sich sogleich ein Gasse für Sie auftut. Erfahrene Pendler und „unter der Erde Umsteiger“ laufen oder kick-boarden übrigens auf der rechten Gangseite. Sie fallen mächtig auf, wenn Sie jetzt einen auf Britisch machen, und den Linksverkehr einführen.

    Turnschuhanschluss
    Turnschuhanschluss mit Helm, Kickboard und Reflektoren an den Turnschuhen. So soll es sein!

    (Zweiter Teil morgen: Die illegale Gleis-Lotterie am Bahnhof Museumstrasse)

    Wie die Hinterhand vorderhand überhand nimmt

    April 27th, 2009

    (reload vom 7.5.06)

  • Vorderhand ist nicht vor der Hand
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger über Andreas Simmen, den ehemaligen Chef des kantonalen Steueramts, der in der Swissair-Affäre wegen Falschbeurkundung angeklagt wurde und deswegen erst freigestellt und kurz darauf entlassen worden ist:

    Gemäss TA-Recherchen soll der Amtschef nach Treffen mit gut situierten Steuerpflichtigen bei den zuständigen Steuerkommissären vorstellig geworden sein und sie aufgefordert haben, Kulanz walten zu lassen. Auch diese Vorwürfe sind vorderhand unbewiesen.
    (Tages-Anzeiger vom 01.04.06, S. 13)

    Wir hatten ja schon von manchen dunklen Geschäften gehört, die „unter der Hand“ abgewickelt wurden, oder über die man nur hinter „vorgehaltener Hand“ gesprochen hat, so ganz klar war uns dies „vorderhand“ jedoch nicht. Wir fanden es auf Anhieb bei Swissinfo:

    Vorderhand keine Evakuationen aus Tschad
    (Quelle swissinfo 13.04.06)

    Im Sportteil der NZZ:

    GC vorderhand ohne Lizenz
    (Quelle nzz.ch)

    Und in einer Pressmitteilung der Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft:

    Verwendung von GVO-Soja als Futtermittel ist vorderhand möglich
    (Quelle: admin.ch)

    Es muss also sehr beliebt sein, in der Schweiz, etwas „vorderhand“ zu tun. Und siehe da, wieder so ein Ausdruck, der für den Duden „veraltend“ ist, ausser in der Schweiz:

    vor|der|hand [auch:vorhand] (Adv.) (bes. schweiz., sonst veraltend):
    einstweilen, zunächst [einmal], vorläufig:
    das ist vorderhand genug; Dass es sich vorderhand lediglich um eine Absichtserklärung handelt, ging allerdings … etwas unter (NZZ 27. 8. 83, 25); Vorderhand habe ich keine Ahnung, wie ich es durchbringen soll (Broch, Versucher 39).

    Die „Vorhand“ hingegen, als Kurzform der „Vorderhand“, die kennt der Duden bei allen möglichen Tieren

    1. Vorhand .
    Ein anderer wieder tut das alles nicht einmal, reitet es (= das Pferd) dafür so auf der Vorhand, dass jeder Tritt das arme Tier bis in die Brust prellt (Dwinger, Erde 88).

    Dartmoor-Pony mit starker Vorderhand:
    Pony mit Vorderhand
    (Foto ponyfarm.de)
    74.700 Belege bei Google-Deutschland die mit Pferden, Hunden, Welpen, Hinterbeinen oder Vorderbeinen zu tun haben, und kein „einstweilen“ oder „vorläufig“ weit und breit zu erblicken.

    Was schlussfolgern wir daraus? Vorderhand erst mal gar nichts, denn einstweilen reicht es uns mit „veraltenden“ Ausdrücken. Wir machen auf der Vorderhand kehrt und gehen heim.

    „Einmal“ in Bern, „manches Mal“ auch im Oberland

    April 24th, 2009

    (reload vom 6.5.06)
    Wer als Deutscher in die Schweiz kommt und anfängt, sein Hörverständnis für die Schweizerdeutschen Dialekte (=Sprach-Varianten) zu trainieren, wird früher oder später über diese hübschen Wörter stolpern, die vor allem im Kanton Bern häufig zu hören sind:

  • „Einisch“ sind nicht die „Ein-heim-ischen“
  • Nein, das Wort ist wirklich keine ultraverkürzte Form, mit verschlucktem „heim“ in der Mitte. Ganz im Sinne der dichtbesiedelten Schweiz mit ihrem Gebot, sorgsam und platzsparend mit jeder Fläche umzugehen. „Einisch“ heisst „einmal“, und es wird auch nicht nur einmal geschrieben. So finden sich bei Google-Schweiz 21.000 Erwähnungen. Das Wort wird in der ganzen Schweiz verstanden, aber nicht überall gleich ausgesprochen. Schon im Berner Oberland mutiert es zu „iinisch“.

    Die Schreibweise mit „ei“ am Anfang hat gemäss Aussage eines Berners, den wir dazu befragten, rein gar nichts zu sagen. Er versichert uns, dass dies in Bern wie „ä“ ausgesprochen wird. „Wänn äs näch dän Bärner gänge, kännte män sowieso auf älle „Eis“ verzichtän und nur noch „äh“ sprächen und schräbän“, sagt der Berner und lächelte dabei. Natürlich mit „ä“. Der will uns bestimmt auf die Schippe nehmen. Wir wissen ganz genau, da sind noch jede Menge „ou“ und „u“ im Berndeutschen. Für uns klang das mehr nach dem „Seele-Fant“ aus der Augsburger Puppenkiste Serie „Urmel aus dem Eis„.

    Wir stellten fest, dass es ungefähr 12 Aussprachemöglichkeiten von Lauten zwischen e-ee-ei-ä-eä-iä gibt, die sich kaum mit dem beschränkten Lateinischen Alphabet niederschreiben lassen.

    Das Wörtchen „einisch“ dann konsequent auch mit „ä“ als „ähnisch“ zu schreiben, fiel den Bernern nicht ein. Denn das erinnerte dann doch wieder zu stark an „eher nicht“. Und „einisch“ ist doch „eher doch“ nämlich „ein Mal“ zumindest. Zu „einisch“ passt noch ein zweites Wort, dass ebenfalls aus Bern stammt:

  • Mängisch oder mänggisch in der Schweiz
  • Hat es was mit „Mengen“ der „Mengenlehre“ zu tun, oder mit „Männern“? Wenn Weiber „weibisch“ sein können, warum sollten in der Schweiz nicht auch Männer „mängisch“ werden? Solchen Ideen gehen uns als Deutsche durch den Kopf, bis wir das Wort endlich dank des Kontextes, in dem es permanent verwendet wird, verstehen können. Mani Matter sei Dank! So in seinem Lied „D Nase“:

    Loset mit was für Methode
    Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
    Loset mit was für Methode
    Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
    Zumnen Arzt isch eine cho dä
    Het e zlängi Nase gha
    Het e zlängi Nase gha
    (Quelle: geocities.com)

    Oder im Lied „Hemmig“:

    I weis, das macht eim heiss, verschlat eim d’Stimm
    Doch dünkt eim mängisch o s’syg nüt so schlimm
    S’isch glych es Glück, o we mirs gar nid wei
    Das mir Hemmige hei
    (Quelle: geocities.com)

    Und in „Mir hei e Verein“

    Mir hei e Verein, i ghöre derzue
    Und d’Lüt säge: Lue dä ghört o derzue
    Und mängisch ghören i würklech derzue
    Und i sta derzue

    Mänggisch sollte laut alter Berndeutsch Schreibung eigentlich mit zwei „g“ geschrieben werden, sagt unser Berndeutsch Spezialist. Bei Google-Schweiz finden sich jedoch fast nur Verwendungen der knappen Form „mängisch“, dass dafür sensationelle 49.800 Mal!

  • Berndeutsch nur gesprochen?
  • Wir erinnern uns an die ständig gehörte Feststellung, dass Schweizerdeutsch nur eine gesprochene Sprache ist, abgesehen von Liedtexten bei Mani Matter, SMS und E-Mail. Wie kommen dann die fast 50.000 Einträge in Google zustande? Gibt es Berner, die ihre E-Mails von Google erfassen lassen?

  • Mängisch oder mengmal
  • Nein, aber es gibt dafür Menschen, die statt mängisch lieber mengmal sagen. Die kommen dann in der Regel aus dem Berner Oberland. Die restlichen 23 regionalen Versionen von „manchmal“ im haben wir dann nicht mehr weiter gesucht.