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„Einmal“ in Bern, „manches Mal“ auch im Oberland

(reload vom 6.5.06)
Wer als Deutscher in die Schweiz kommt und anfängt, sein Hörverständnis für die Schweizerdeutschen Dialekte (=Sprach-Varianten) zu trainieren, wird früher oder später über diese hübschen Wörter stolpern, die vor allem im Kanton Bern häufig zu hören sind:

  • „Einisch“ sind nicht die „Ein-heim-ischen“
  • Nein, das Wort ist wirklich keine ultraverkürzte Form, mit verschlucktem „heim“ in der Mitte. Ganz im Sinne der dichtbesiedelten Schweiz mit ihrem Gebot, sorgsam und platzsparend mit jeder Fläche umzugehen. „Einisch“ heisst „einmal“, und es wird auch nicht nur einmal geschrieben. So finden sich bei Google-Schweiz 21.000 Erwähnungen. Das Wort wird in der ganzen Schweiz verstanden, aber nicht überall gleich ausgesprochen. Schon im Berner Oberland mutiert es zu „iinisch“.

    Die Schreibweise mit „ei“ am Anfang hat gemäss Aussage eines Berners, den wir dazu befragten, rein gar nichts zu sagen. Er versichert uns, dass dies in Bern wie „ä“ ausgesprochen wird. „Wänn äs näch dän Bärner gänge, kännte män sowieso auf älle „Eis“ verzichtän und nur noch „äh“ sprächen und schräbän“, sagt der Berner und lächelte dabei. Natürlich mit „ä“. Der will uns bestimmt auf die Schippe nehmen. Wir wissen ganz genau, da sind noch jede Menge „ou“ und „u“ im Berndeutschen. Für uns klang das mehr nach dem „Seele-Fant“ aus der Augsburger Puppenkiste Serie „Urmel aus dem Eis„.

    Wir stellten fest, dass es ungefähr 12 Aussprachemöglichkeiten von Lauten zwischen e-ee-ei-ä-eä-iä gibt, die sich kaum mit dem beschränkten Lateinischen Alphabet niederschreiben lassen.

    Das Wörtchen „einisch“ dann konsequent auch mit „ä“ als „ähnisch“ zu schreiben, fiel den Bernern nicht ein. Denn das erinnerte dann doch wieder zu stark an „eher nicht“. Und „einisch“ ist doch „eher doch“ nämlich „ein Mal“ zumindest. Zu „einisch“ passt noch ein zweites Wort, dass ebenfalls aus Bern stammt:

  • Mängisch oder mänggisch in der Schweiz
  • Hat es was mit „Mengen“ der „Mengenlehre“ zu tun, oder mit „Männern“? Wenn Weiber „weibisch“ sein können, warum sollten in der Schweiz nicht auch Männer „mängisch“ werden? Solchen Ideen gehen uns als Deutsche durch den Kopf, bis wir das Wort endlich dank des Kontextes, in dem es permanent verwendet wird, verstehen können. Mani Matter sei Dank! So in seinem Lied „D Nase“:

    Loset mit was für Methode
    Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
    Loset mit was für Methode
    Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
    Zumnen Arzt isch eine cho dä
    Het e zlängi Nase gha
    Het e zlängi Nase gha
    (Quelle: geocities.com)

    Oder im Lied „Hemmig“:

    I weis, das macht eim heiss, verschlat eim d’Stimm
    Doch dünkt eim mängisch o s’syg nüt so schlimm
    S’isch glych es Glück, o we mirs gar nid wei
    Das mir Hemmige hei
    (Quelle: geocities.com)

    Und in „Mir hei e Verein“

    Mir hei e Verein, i ghöre derzue
    Und d’Lüt säge: Lue dä ghört o derzue
    Und mängisch ghören i würklech derzue
    Und i sta derzue

    Mänggisch sollte laut alter Berndeutsch Schreibung eigentlich mit zwei „g“ geschrieben werden, sagt unser Berndeutsch Spezialist. Bei Google-Schweiz finden sich jedoch fast nur Verwendungen der knappen Form „mängisch“, dass dafür sensationelle 49.800 Mal!

  • Berndeutsch nur gesprochen?
  • Wir erinnern uns an die ständig gehörte Feststellung, dass Schweizerdeutsch nur eine gesprochene Sprache ist, abgesehen von Liedtexten bei Mani Matter, SMS und E-Mail. Wie kommen dann die fast 50.000 Einträge in Google zustande? Gibt es Berner, die ihre E-Mails von Google erfassen lassen?

  • Mängisch oder mengmal
  • Nein, aber es gibt dafür Menschen, die statt mängisch lieber mengmal sagen. Die kommen dann in der Regel aus dem Berner Oberland. Die restlichen 23 regionalen Versionen von „manchmal“ im haben wir dann nicht mehr weiter gesucht.

    

    6 Responses to “„Einmal“ in Bern, „manches Mal“ auch im Oberland”

    1. cocomere Says:

      Für die Schreibweise „einisch“ und nicht „ähnisch“ bei den Bernern gibt es wohl eine ganz einfache Begründung: Die Erkennung des Wortes beim Lesen. (Übrigens gibt es kein spezifisches Wort für „eher nicht“.) Wenn möglich, wird das geschriebene Schweizerdeutsch nah am Standartdeutsch geschrieben, schliesslich heisst es auch Schriftsprache. Probleme kommen dann aber meistens bei den Dialekten die das „l“ vokalisieren. Schreibe ich nun Stau (Stall) oder Stall, wie in der Schriftsprache? Oder dann gleich Staou, damit es sich vom Stau auf den Strassen unterscheidet.

      Persönlich verstehe ich nicht, wieso man so oft Schweizerdeutsch schreibt. Denn Schriftsprache braucht Konventionen noch mehr als gesprochene Sprache. Wer zu stark abweicht, riskiert nicht mehr verstanden zu werden. Die Werber haben/mussten das schon begriffen, Plakate mit Schweizerdeutsch drauf, gibt es nur selten.

    2. Brun(o)egg Says:

      @ Cocommere

      Es gibt aber sehr schöne Beispiele wie Dialekt in der Werbung verwendet werden kann. Hier mit Berndeutsch. Microsoft stand vor ein paar Jahren in harter Kritik, worauf eine Agentur textete: “ Gates na,Bill?“

    3. Simone Says:

      Bis ich „mängisch“ verstanden habe, hat es lange gedauert. Zum Glück gibt es ein Wörterbuch im Taschenbuchformat, in dem ich dann einmal nachgeschlagen habe.

    4. Michael Says:

      Vielleicht klingt das jetzt etwas schroff, aber ich finde immer wieder lustig wie die wir Schweizer von deutschen Touristen missverstanden werden…

      [Anmerkung Admin: Das ist absolut nicht „schroff“, dass ist doch nett, und zeugt von Humor. Die meisten Schweizer sind eher genervt, wenn sie das gefühl haben, ihre Sprachvariante dient vornehmlich dazu, anderen Leuten einen lustigen Moment zu verschaffen. Ist doch viel netter, wenn die Freude auf beiden Seiten besteht.]

    5. Phipu Says:

      In „mängisch/mängmol“ erkennt man noch das heute für standarddeutsche Verhältnisse veraltete Wort „mannig“. Am ehesten ist dies noch in der Zusammensetzung „mannigfaltig“ anzutreffen.

      In Ergänzung zu meinem Eintrag beim Originalload ( http://www.blogwiese.ch/archives/269#comment-3689 ), habe ich nun noch in Grimms Wörterbuch ( http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/woerterbuecher/dwb/wbgui ) unter „einist“ bzw. „einst“ nachgeschlagen. Das hat in der Sprachgeschichte bei weitem nicht immer nur „damals, früher“ bedeutet. Wer Lateinisch versteht, kann das noch besser nachvollziehen als ich.
      Letztere Sprache ist schon tot, der Dialekt hat aber bisher überlebt und entwickelt sich weiter, ob man den nun schreibt oder nicht. Wann wird wohl im heute noch lebendigen Englisch die bestehende analoge Ausnahme „once, twice“ aussterben und verstandardisert nur noch unter „one time, two times“ verstanden werden?

    6. cocomere Says:

      @ Brunoegg

      Ja, das sind aber meist nur Beispiele, die dann auch mit der Sprache spielen. Andere Versuche (z.B. Swisscom, Raclette) waren schlicht peinlich.