Wer führt eigentlich hier den Mist? — Neue Schweizer Redewendungen

Februar 26th, 2009

(reload vom 31.3.06)

  • Der Mist ist nun geführt
  • Wir stolperten über einen Satz im Tages-Anzeiger vom 23.03.06 S. 15

    Der Mist ist nun geführt, und das Urteil des Obergerichts ist rechtskräftig.

    Der Mist ist nun geführt

    Es ging in dem Artikel um eine Bauernfamilie auf dem Döltschihof in Wiedikon, die nach einem Urteil des Obergerichts ihren Hof räumen muss. Der Satz passt also vollkommen in den Kontext, in dem es auch um biologischen Landbau und Milchkühe geht. Dennoch verstehen wir absolut nicht, warum man hier „Mist führen“ muss. Vielleicht ist es nur ein Schreibfehler, und es sollte heissen: „Der letzte Mist wurde aufs Feld gefahren“, die letzte Scheune leer geräumt, die Arbeit erledigt. Aber da steht eindeutig „geführt“, und nicht „gefahren“. Ob sie dort mit einem Ochsenfuhrwerk arbeiten, und die Zugtiere mit einem Karren voll Mist im Schlepptau auf das Feld „geführt“ werden müssen? Diesmal beschliessen wir, nicht viel Zeit mit Duden, Wahrig, Leo und Konsorten zu verlieren, sondern gleich das Variantenwörterbuch des Deutschen aus dem DeGruyter Verlag zu befragen. Und tatsächlich, wir lesen dort schwarz auf weiss auf Seite 505:

    Der Mist ist geführt“ CH ‚etw. ist gelaufen, erledigt’
    Die Kräfte reichten nur bis zum ersten Gegentor. Dann war der Tank leer – und der Mist geführt (Blick 16.5.1998,15)

    Suchen wir genau diesen Ausdruck „Der Mist ist geführt“ bei Google-Schweiz, so finden wir weitere schöne Beispiele:

    Der Mist ist geführt Weltwoche, 17. August 2000
    In Zürich und Chicago einst ein eigenartiger Hit, in New York jetzt ein peinlicher Flop: die kuriose Kuhparade.
    (Quelle: hossli.com)

    Oder auf der offiziellen Seite parlament.ch

    Der Mist ist geführt
    Weil die Finanzdelegation das dringliche Airline-Engagement gebilligt habe, stehe das Parlament vor einem „Fait accompli“, sagte Simon Epiney (CVP/VS).
    (Quelle: parlament.ch)

    Oder hier:

    Die National- und Ständeratswahlen sind vorbei; die Resultate sind bekannt. „Der Mist ist geführt“, ist eine gängige Redensart dafür.
    (Quelle: www.ref-ag.ch)

    Verstehen Sie diese Redewendung?
    Ganz ehrlich: Ohne den Hinweis des Variantenwörterbuchs wären wir nie auf die Bedeutung „etw. ist gelaufen, erledigt“ gekommen. Verstehen das die Schweizer einfach so auf Anhieb? Wo mag diese Redensart nur herkommen? Tatsächlich aus der Zeit, als in der Schweiz Zugtiere mit einem Karren voll Mist auf das Feld geführt wurden, und nach Ausbringen dieser Fuhre einfach „alles erledigt, alles gelaufen“ war.

    Weil man nun auf dem Feld so lange nichts mehr arbeiten konnte, bis sich der Gestank verzogen hatte? Alles nur unsere Vermutungen. Ist diese Redewendung vielleicht im kollektiven Bewusstsein der Schweizer so fest verankert, weil hier alle irgendwie von Vorfahren abstimmen, die im Agrarsektor tätig waren? Nun, bekanntlich ist auch die „Grande Nation“ Frankreich früher ein Agrarland gewesen, dass erst sehr spät den Umbau zur Industrienation erlebte. Die meisten Franzosen haben Vorfahren aus irgendeinem kleinem Dorf der Province, die in Frankreich gleich hinter der Stadtautobahn von Paris, dem „Boulevard périphérique“ beginnt. Und im Ruhrgebiet weideten vor 150 Jahren noch Kühe, bis ein Kuhhirte in Bochum im Lagerfeuer plötzlich glühende Steine fand, womit die Kohle auch dort entdeckt und die Bauernidylle zu Ende war. Vielleicht ist es darum auch in der Schweiz an der Zeit, sich daran zu erinnern, dass in solchen Redewendung „bäuerliche Grunderfahrungen“ konserviert werden. Frei nach der alten Schweizer Bauernregel:
    „Wenn der Bauer führt den Mist, dann ändert nicht die Sprache, sondern sie bleibt, wie sie ist“
    Mist ist geführt

    Wenn Kinder gross und satt werden wollen wie Grossätti — Neue alte Verwandtschaftsnamen in der Schweiz

    Februar 25th, 2009

    (reload vom 29.3.06)

  • Grosi und Grosätti mit einem „s“
  • Wir lasen im Fachblatt für das angewandte Leben in der Schweiz, der „Schweizer Illustrierten“ Nr. 9 vom 27.02.06 auf S. 62:

    Die Familie lebt! Und zwar altbewährt und topmodern. Für die Kinder immer noch wichtig: das Grosi und der Grosätti. Gemanagt wird die Familie nach wie vor von der Frau: Mutter ist die Beste, sie ist der Boss. Die Kinder haben alles, Handy, Compi und Klamotten – und sind damit doch ganz zufrieden.

    Grossi und Grossätti in der Schweizer Familie

    Offensichtlich wieder eine Verwandtschaftsbezeichnung, die uns in den letzten fünf Jahren in der Schweiz einfach unterschlagen wurde. Hatten wir im Süddeutschen Raum schon häufig von „Göttis“ (vgl. Blogwiese ) sprechen hören, so mussten wir uns bei den Grosseltern immer mit„Oma und Opa“ begnügen.

  • Grosi, Oma oder Nana
  • In der Schweiz sagt man zur Oma „Grosi“ oder „Grossmami“, natürlich sächlich, wie „das Mami“. Unser Variantenwörterbuch des Deutschen kennt sie alle, diese Bezeichnungen für die Verwandtschaft, und es weiss sogar, dass man die Oma in Liechtenstein „Nana“ nennt. Das kommt uns allerdings merkwürdig vor, denn im Französischen Sprachraum ist „Nana“ seit dem berühmten gleichnamigen Roman von Emile ZOLA ein Synonym für „Mädchen, Mädel, Tussi“, wie konnte das bei den Liechtensteinern nur zu einer Grossmutter mutiere? Vielleicht analog zum Begriff für Grossvater der dort „Neni“ genannt wird? Das „riecht“ nach italienischem Einfluss, denn dort heissen die Grosseltern „nonno“ und „nonna“.

  • Neni, Ähne, Ehni oder Ehnel
  • Auf was haben wir uns da eingelassen. Wie kamen wir bisher in der Standardsprache nur mit dem simplen „Opa“ oder „Opi“ aus, der sich so wunderbar für Reime eignete?

    Schade auch, dass heute kaum noch jemand Ingo Insterburg & Co. kennt, die hatten nämlich schon in den siebziger Jahren mit einem Reim vor den Folgen des Drogenmissbrauchs gewarnt:
    Gibst Du dem Opi Opium, bringt Opium den Opi um.
    (Quelle rheine.de)

    „Ähne“ dürften selbst viele Schweizer nicht kennen, denn das kommt aus Vorarlberg und wird dort neben „Ahnl“ oder „Ehnel“ in Todesanzeigen verwendet. Ganz nebenbei lernen wird, dass die Bezeichnung „Vorarlberg“ immer ohne Artikel auskommt, also niemals aus „dem“ Vorarlberg schrieben wird.

  • Immer gross und satt
  • Doch am besten gefällt uns der „Grossätti“, denn der klingt für Kinderohren nach „ziemlich gross“ und „satt“. Google-Schweiz findet für Grossätti 597 Einträge:
    148 Belege immerhin noch für die Version mit einem S wie Grosätti. In Google Deutschland finden wir gerade mal 27 Belege, zumeist sind das Liedtitel von Dialekt-CDs:

    Thun: Dr Grossätti uf em Tanzbode;
    (Quelle: musik-outletters.de)

    Das ist hier ein Lied aus der Stadt „Thun“, gelegen am Thunersee, die bekannt ist für den von dort kommenden delikaten Fisch, und es geht hier nicht um einen promovierten Mediziner namens „Grossätti“ sondern um einen tanzenden Opa. Alles klar? Weil die Thuner es nicht leiden können, mit dem Fisch verwechselt zu werden, haben sie in der Eidgenossenschaft durchgesetzt, dass man diese leckere Speise „Thon“ nennt, mit einem „o“ wie in „Ton-Figur“ oder „Ton-Leiter“.

    Hier noch ein paar Beispiele für die Verwendung von „Grossätti“ in der Schweiz:

    «Grossätti besass ein Handörgeli. Abends spielte er oft zum Tanz auf». Seine Eltern emigrierten in jungen Jahren ins Welschland und seine Wiege stand auch in Le Bouveret am Genfersee. Weil dort das Leben recht karg war, kehrte die Familie zurück nach Wengen und Grossätti erlernte den Zimmermanns-Beruf.
    (Quelle: jungfrau-zeitung.ch)

    Oder hier auf einer Homepage über die freiwirtschaftliche Bewegung im Baselbiet der Dreissigerjahre:

    „I wäiss scho, hüttigtags wäi die Junge au afe läbe, wie die in de Stett, im Aesse wie in de Chläidere, niem isch meh z’friede, und das isch euser Eländ; […] Vo Sigaretli und halbfränkige Sigare het me au no nütt gwüsst, der Grossätti hätt se äim usim Muul gschlage; aber jetz set afe der Grossätti dene Grossgrinde folge und se förchte. So witt si mer cho mit de neue Schuele und ohni Religion.“
    (Quelle: baselland.ch)

    Was „Grossgrinde“ hier bedeutet, konnten wir nicht herausfinden. Vermutlich „Grosskinde“ = Enkelkind.

    Unser Duden hingegen schweigt zu Grossätti. Auch das sonst so ergiebige Online-Wörterbuch von Leo kennt diese Bezeichnung nicht.
    Die Konkurrenz von Duden, der grosse „Wahrig“ kennt es ebenfalls nicht, aber schlägt dafür einfach „Grossaktionär“ vor. Na klar, hat ja mindestens sieben gemeinsame Buchstaben wie „Grossätti“.

    Und dabei liesse sich mit all diesen Bezeichnungen so wunderbare Kalauer schreiben, die mir Neni einfallen würden, weil ich Ähni auf diese Wörter gekommen wäre. Aber wahrscheinlich sehen Kinder das irgendwie anders, weil sie klein sind.

    Ich ertrinke, ich ertrank, ich habe ertrogen?

    Februar 18th, 2009

    (reload vom 25.3.06)

  • Wenn oder was erträgt der Betrüger?
  • Wir entdeckten diese kleine aber feine Nachricht wie immer im Tages-Anzeiger, unserem Fachblatt für den helvetischen Partizip Perfekt:

    500 Franken ertrogen
    (Tages-Anzeiger vom 9.2.06)

    Was erträgt der Betrüger? Doch nicht das Partizip Perfekt von trinken, trachten, tragen oder trügen?
    Ertrogen nicht betrogen

  • Wenn der Schein nicht trügt sondern trog
  • Wir kannten bisher nur das Verb „trügen“

    trü|gen (st. V.; hat) [mhd. triegen, ahd. triugan, verw. mit Traum]:
    jmds. Erwartungen unerfüllt lassen; zu falschen Vorstellungen verleiten; täuschen, irreführen:
    dieses Gefühl trog sie; meine Ahnungen, Hoffnungen hatten mich nicht getrogen; wenn mich meine Erinnerung nicht trügt (wenn ich mich richtig erinnere), war das vor zwei Jahren; (häufig o. Akk.-Obj.:) der [äußere] Schein trügt; das Erscheinungsbild trog; dieses Gefühl trog; ich hatte, wenn nicht alles trog, diese Operation noch vor mir (Loest, Pistole 123); (…)

    Dieses Verb ertrugen wir bisher ohne zu murren. Doch dann lernten wir, dass es da in der Schweiz noch eine Variante mit Umlaut gibt, die uns bisher fremd war:

    er|trü|gen st. V.; hat (südd., schweiz.):
    durch Betrug erlangen:
    So ertrog sie (= als stellvertretende Geschäftsführerin einer Bank) 6,5 Millionen Franken (Blick 31. 7. 84, 2); (…)

    Alles erstunken und erlogen? Nein, viel besser: Erstunken und ertrogen! Was übrigens absolut nichts mit dem „Trog“ zu tun hat:, denn der kommt vom Teer:

    Trog, der; -[e]s, Tröge [mhd. troc, ahd. trog, zu Teer in dessen eigtl. Bed. „Baum, Eiche“ u. eigtl. = hölzernes Gefäß; (ausgehöhlter) Baumstamm]:
    1. großes, längliches, offenes Gefäß, das je nach Verwendungszweck meist aus Holz od. Stein gefertigt ist:

  • Warum „ertrogen“ Standardsprache werden sollte
  • Warum ist „ertrogen“ so genial? Weil es dafür auf Hochdeutsch kein richtiges Equivalent gibt, ausser der umständlichen Umschreibung: „Durch Betrug erlangen„, oder vielleicht die Variante „ergaunert“ und „erschwindelt„. Wobei Letzteres wieder sehr nach „er schwindelt“ klingt, und an den Lügenbaron Münchhausen denken lässt.

    Ertrogen wird in der Schweiz in den meisten Fällen Geld:

    500’000 Franken ertrogen
    (Quelle: blick.ch)

    B. über eine Scheinfirma vier Millionen ertrogen haben soll
    (Quelle: www.bielertaqblatt.ch)

    Mit faulem Trick Geld ertrogen – Täter gefasst
    (Quelle: www.stawa-bs.ch)

    Also sind wir nicht nachtragend und trachten danach, dieses schöne Wörtchen ohne Lug und Trug träge in unsere Sammlung einzutragen. Tragisch? Nee, dröge…

    Der Camionneur ist kein LKW-Fahrer — Lerne Schweizerdeutsch mit dem Tages-Anzeiger

    Februar 17th, 2009
  • J´suis qu’un vieux caminonneur
  • Der mittlerweile in die Jahre gekommene französische Kultsänger Francis Lalanne sang einst:

    Coincé dans ma vieille berline, moi je pense à Marilyn.
    J’ai sa photo sur mon coeur et dans le rétroviseur.
    Marie, c’que t’es jolie, tes lèvres couleur cerise collées sur mon pare-brise.

    J’suis qu’un vieux camionneur, j’fais la nique au bonheur.

    Seine “Berline” ist übrigens kein Mädchen aus Berlin, sondern das französische Wort für “Kutsche, Limousine, Grubenwagen”. Es meint seinen LKW damit. Der ist in der Schweiz ein „Camion“, daher sein Fahrer ein „Camionneur“.

    Lalanne Fans füllten in den Achzigern Pariser Konzerthallen und Stadien. Heute tritt er wieder auf kleinen Bühnen auf. Als er vor über 25 Jahren bekannt wurde, gab es noch kein YouTube oder MTV, darum sind alte Videos kaum zu finden. An seinen oben zitierten Song mussten wir denken, als wir diesen Artikel im Tages-Anzeiger entdeckten:

    Camionneure

    Camionneure planen Protestaktionen

    Die Oberzolldirektion hat eine Einsprache des Nutzfahrzeugverbands gegen die Erhöhung der LSVA abgelehnt. Nun bereiten die Camionneure landesweite Protestaktionen vor. Bern. – Die Camionneure akzeptieren die Erhöhung der Leistungsabhängigen Schwer- verkehrsabgabe nicht. Nachdem die Oberzolldirektion eine Einsprache zurückwies, kündigte der Schweizerische Nutzfahrzeugverband (Astag) den Gang vor Bundesverwaltungsgericht an. (…)
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 01.07.08, Seite 5)

  • Die Einsprache oder der Einsprach?
  • Ja, es heisst wirklich „ein Einsprache“, und nicht „der Einsprach“. So richtig konsequent finde ich die Schweizer bei ihrem Schriftdeutsch nicht. Nur beim Bundesverwaltungsgericht, da entfernte der Tagi jegliche Geschlechtsangabe: „den Gang vor Bundesverwaltungsgericht“. Ob „der“, „die“ oder „das“ bleibt offen, kann sich jeder selbst aussuchen.

    Doch eigentlich fiel uns der „Camionneur“ in diesem Artikel auf, denn er heisst in der Schweiz nicht einfach „LKW-Fahrer“ wie in Deutschland. Bei Google-CH finden wir 546 Belegstellen für den „Camionneur“, bei Google-DE sind es nur Lexikoneinträge und Fremdwörterbücher, die das Wort erwähnen. Der „Camionneur“ in der Schweiz ist in erster Linie ein Spediteur und Transportunternehmer. Die Bedeutung „Lastkraftwagenfahrer“ steht erst an zweiter Stelle. In der Bedeutung „Transportunternehmer“ gibt es in der Schweiz noch die hübsche Variante des „Fuhrhalters“, mit 846 Belegen bei Google-CH. Der fuhr halt die Fuhre bis zum Halt und ist so „Fuhrhalter“ wurde. Das Wort war in Deutschland auch üblich, gilt aber, wie so häufig, dort heute als „veraltet“. Der Duden listet es nicht mehr auf, genauso wenig kommt es in Kurt Meyers „Schweizer Wörterbuch“ vor. Wahrscheinlich irrt unser Variantenwörterbuch, wenn es das Wort „Fuhrhalter“ als Helvetismus einstuft.

    Hüsteln Sie nicht beim „Hüst und hott“ sagen

    Februar 16th, 2009

    (reload vom 24.6.08)

  • Der Kutscher sagt in der Schweiz nicht „hü“ sondern „hüst“
  • Wir entdecken bei unserer täglichen Lektüre des Tages-Anzeigers, dem Fachblatt für Kutscher und Zügelunternehmer, dass man in der Schweiz die Pferde offensichtlich anders antreibt als im restlichen Deutschen Sprachraum. Heisst es oben im Norden im „grossen Kanton“ deutlich „“ um ein Zugtier zum vorwärts laufen zu bewegen, muss sich ein Kutscher in der Schweiz davor hüten, mit Husten zur Arbeit zu gehen, denn jedes kleine „Hüsteln“ würde unweigerlich als „vorwärts“ oder als „halt!“ interpretiert:

    Der Duden erklärt uns: „Einmal hü und einmal hott sagen“ so:

    (Interj.):
    a) Zuruf an ein Zugtier: vorwärts!;
    b) Zuruf an ein Zugtier: halt!:
    * einmal hü und einmal hott sagen
    (ugs.; nicht wissen, was man eigentlich will; seine Meinung ständig ändern)

    In der Standard-Sprache also ein „“, während weiter im Süden noch ein „hüst“ möglich ist. Laut Duden.de heisst „hüst“ eigentlich nicht das Gleiche wie „hü“, sondern wird in bestimmten Gegenden (was immer die unter „landsch.“ verstehen) mit dem Befehl „nach links“ gleichgesetzt:

    hüst (Interj.) (landsch.): Zuruf an ein Zugtier: nach links!

    Im gleichen Online-Duden findet sich auch „har“ erklärt:

    har (Interj.) (landsch.): Zuruf an ein Pferd: nach links!

    Jetzt kommt auch noch „har“ hinzu, das wird ja immer komplizierter! Wir dachten, das heisst „Brr“ bei den Pferden, wenn sie stehenbleiben sollen. Weswegen der Kohlenhändler früher beim Ausfahren seiner Ware immer „gepresste Kohlen“ rufen musste, denn wenn er „Brrriket“ gerufen hätte, wären ihm ständig die Pferde stehengeblieben.

    Da soll jetzt noch einer durchblicken, wenn es die Pferde schon nicht verstehen.
    Im Tages-Anzeiger fanden wir:
    Hüst und hott

    Und Google-Schweiz kennt 764 Belege für „Hüst und Hott“.
    Noch ein Beispiel aus dem Tagesanzeiger:

    Hinter den Kulissen herrscht sei Monaten ein Hüst und Hott – schon vor den grossen Plänen des Zürcher Präsidialdepartements, und seither erst recht.
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Nun ist es nicht so, dass in Deutschland der Ausdruck „hüst und hott“ völlig unbekannt sei. Es finden sich aber fast nur Belege, in denen Autoren aus der Schweiz dafür verantwortlich zeigen.
    Hott“ hingegen heisst sowohl „vorwärts“ als auch „nach rechts!“

    ho.tt (Interj.) [mhd. hotte, H. u.; vgl. Hotte]:
    a) Zuruf an ein Zugtier: vorwärts!;
    b) Zuruf an ein Zugtier: nach rechts!;
    * einmal hott und einmal har sagen
    (ugs.; seine Meinung, Ansichten ständig ändern).

    Somit hiesse „hott und har“ eigentlich „links und rechts“ und nicht „los und halt“.

    Bleiben wir zunächst bei „hott“ und „Hotte“, dazu sagt uns der Duden:

    Ho.t|te, die; -, -n [spätmhd. hotte, wohl zu einer in landsch. Spr. in verschiedenen Wortbildungen vorhandenen Vorstellung von etw. in (schaukelnde) Bewegung Versetztem u. viell. verw. mit hott] (landsch.):

  • Gibt es da wohl eine Verwandtschaft mit den „Hottentotten“?
  • Hottentotten war eine in der Kolonialzeit von den Buren verwendete, abwertende (Fremd-)Bezeichnung für das Volk der Khoi oder Khoi Khoi, wie sie sich selbst bezeichnen, im südlichen Afrika. Khoi Khoi ist Khoi San und heißt einfach Menschen.
    (…)
    Im deutschen Sprachgebrauch erfuhr die Bezeichnung schon früh eine Pejoration und wurde schon in der Zeit seiner ersten Verbreitung stets verächtlich und als Schimpfwort gebraucht. Viele Beispiele finden sich vor allem bei Karl May („Kaffern und Hottentotten“) und bei Wilhelm Raabe, aber auch Mathias Claudius, und sogar bei Gotthold Ephraim Lessing.
    (Quelle Wiki)