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Hüsteln Sie nicht beim „Hüst und hott“ sagen

(reload vom 24.6.08)

  • Der Kutscher sagt in der Schweiz nicht „hü“ sondern „hüst“
  • Wir entdecken bei unserer täglichen Lektüre des Tages-Anzeigers, dem Fachblatt für Kutscher und Zügelunternehmer, dass man in der Schweiz die Pferde offensichtlich anders antreibt als im restlichen Deutschen Sprachraum. Heisst es oben im Norden im „grossen Kanton“ deutlich „“ um ein Zugtier zum vorwärts laufen zu bewegen, muss sich ein Kutscher in der Schweiz davor hüten, mit Husten zur Arbeit zu gehen, denn jedes kleine „Hüsteln“ würde unweigerlich als „vorwärts“ oder als „halt!“ interpretiert:

    Der Duden erklärt uns: „Einmal hü und einmal hott sagen“ so:

    (Interj.):
    a) Zuruf an ein Zugtier: vorwärts!;
    b) Zuruf an ein Zugtier: halt!:
    * einmal hü und einmal hott sagen
    (ugs.; nicht wissen, was man eigentlich will; seine Meinung ständig ändern)

    In der Standard-Sprache also ein „“, während weiter im Süden noch ein „hüst“ möglich ist. Laut Duden.de heisst „hüst“ eigentlich nicht das Gleiche wie „hü“, sondern wird in bestimmten Gegenden (was immer die unter „landsch.“ verstehen) mit dem Befehl „nach links“ gleichgesetzt:

    hüst (Interj.) (landsch.): Zuruf an ein Zugtier: nach links!

    Im gleichen Online-Duden findet sich auch „har“ erklärt:

    har (Interj.) (landsch.): Zuruf an ein Pferd: nach links!

    Jetzt kommt auch noch „har“ hinzu, das wird ja immer komplizierter! Wir dachten, das heisst „Brr“ bei den Pferden, wenn sie stehenbleiben sollen. Weswegen der Kohlenhändler früher beim Ausfahren seiner Ware immer „gepresste Kohlen“ rufen musste, denn wenn er „Brrriket“ gerufen hätte, wären ihm ständig die Pferde stehengeblieben.

    Da soll jetzt noch einer durchblicken, wenn es die Pferde schon nicht verstehen.
    Im Tages-Anzeiger fanden wir:
    Hüst und hott

    Und Google-Schweiz kennt 764 Belege für „Hüst und Hott“.
    Noch ein Beispiel aus dem Tagesanzeiger:

    Hinter den Kulissen herrscht sei Monaten ein Hüst und Hott – schon vor den grossen Plänen des Zürcher Präsidialdepartements, und seither erst recht.
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Nun ist es nicht so, dass in Deutschland der Ausdruck „hüst und hott“ völlig unbekannt sei. Es finden sich aber fast nur Belege, in denen Autoren aus der Schweiz dafür verantwortlich zeigen.
    Hott“ hingegen heisst sowohl „vorwärts“ als auch „nach rechts!“

    ho.tt (Interj.) [mhd. hotte, H. u.; vgl. Hotte]:
    a) Zuruf an ein Zugtier: vorwärts!;
    b) Zuruf an ein Zugtier: nach rechts!;
    * einmal hott und einmal har sagen
    (ugs.; seine Meinung, Ansichten ständig ändern).

    Somit hiesse „hott und har“ eigentlich „links und rechts“ und nicht „los und halt“.

    Bleiben wir zunächst bei „hott“ und „Hotte“, dazu sagt uns der Duden:

    Ho.t|te, die; -, -n [spätmhd. hotte, wohl zu einer in landsch. Spr. in verschiedenen Wortbildungen vorhandenen Vorstellung von etw. in (schaukelnde) Bewegung Versetztem u. viell. verw. mit hott] (landsch.):

  • Gibt es da wohl eine Verwandtschaft mit den „Hottentotten“?
  • Hottentotten war eine in der Kolonialzeit von den Buren verwendete, abwertende (Fremd-)Bezeichnung für das Volk der Khoi oder Khoi Khoi, wie sie sich selbst bezeichnen, im südlichen Afrika. Khoi Khoi ist Khoi San und heißt einfach Menschen.
    (…)
    Im deutschen Sprachgebrauch erfuhr die Bezeichnung schon früh eine Pejoration und wurde schon in der Zeit seiner ersten Verbreitung stets verächtlich und als Schimpfwort gebraucht. Viele Beispiele finden sich vor allem bei Karl May („Kaffern und Hottentotten“) und bei Wilhelm Raabe, aber auch Mathias Claudius, und sogar bei Gotthold Ephraim Lessing.
    (Quelle Wiki)

    

    8 Responses to “Hüsteln Sie nicht beim „Hüst und hott“ sagen”

    1. AnFra Says:

      Immer wieder diese „Hottentotten“! Die Lösung der Verwandtschaft zwischen einem Pferdegespann und dem Begriff „ Hottentotten“ ist nicht nur sprachlicher, sondern auch dinglicher Natur!

      Der Vater einer ehem. Studienfreundin war im damalig noch existenten Deutsch-Südwest-Afrika geboren. Sein Vater war im Stab des berüchtigten General v. Trotta und ist mit der Leitung der Baues der Winthuk-Bahn beauftragt gewesen und war auch am berüchtigten „Watterberg“ mit dabei.

      Aus dieser Quelle lässt sich tief in diese Geschichte der Hottentotten-Genese greifen, denn er hatte eine eingeboren „Hottentotten“-Frau als seine Nana. Diese hat ihm auch diese sog. Hottentotten-Sprache mit den Klick- und Schnalzlauten und auch etwas die Sichtweise ihres Volkes beigebracht.
      Beim durchblättern der Fotoalben hatte er gesagt, dass in der ersten Zeit der dt. Kolonisten, wenn die mitgebrachten europ. Rinder an den afrik. Seuchen verendeten, die Kolonisten und aber auch die dt. Schutztruppen die Hottentotten die Wagen bzw. Kanonen ziehen ließen.

      Bei meinen weiteren Recherchen hat sich ergeben:
      Die niederdt. und friesisch sprechenden Buren haben bei der Besiedlung der Kap-Region ab dem 17./18. JH nach dem Verlust ihrer europ. Rinder durch die besagten endemischen Seuchen die schwarzafrikanischen Einwohner gefangen, versklavt und auch z. T. die Wagen ziehen lassen, bis sie später die afrik. bzw. afrikanisch-asiatischen Langhornrinder als Zugtiere verwendeten.

      Und hier liegt nun die eigentliche sprachl. Urquelle der „Hottentotten“. Durch die Brüder Grimm erschließt sich ergänzend hierzu diese Situation:
      HOTTEN = a.) Fuhrmannswort für Zugtiere gehend machen, b.) Im personenbezogenem Zusammenhang als vorwärts gehen, c.) Grundbedeutung auch für rütteln und schaukeln. Im Niederdeutschen hat es auch die Bedeutung von wiegen.
      TOTTEL (sing.) bzw. TOTTEN (plur.) = Ungeschickter, dummer, nichts recht machender, ungeschickter, unbedarfter und einfaltspinseliger Mensch.

      Also sind im niederdt., fries. und dt. sprachlichen Sinninhalt „der „Hottentottel“ und „die Hottentotten“ halt einfache dumme Menschen, welche beim Wagenziehen oder Arbeiten sich auch noch hin- und her wiegen.

      Diese wiegenden Bewegungen beim Arbeiten auf dem Felde oder beim Wagenziehen sind eine intuitive Maßnahme, diese belastenden Tätigkeiten in einem erträglichen Takt bzw. Rhythmus durchzuführen.
      In alten nordamerik. Spielfilmen aus der Sklavenzeit bzw. in Doku-Filmen über Baumwollfelder kann man dieses kollektive Körperwiegen gut erkennen. Reste des Wiegens sind noch im afro-amerik. Musik-Stilen verblieben!
      Auch in Europa hat sich dieses kollektivistische Verhalten im milit. Marsch-und Parade-Schritt erhalten!

      Noch ne kleine Abschlussgeschichte über die besagte Nana in Dt.-SW-Afrika:

      Der o.g. Vater erzählte, als seine Nana auf dem Sterbebett lag und sie mit der Klick- und Schmalzsprache ihres Volkes ihm „verklickerte“, wenn er auch gestorben sei, würde sie am Himmelstor auf ihn warten und dann zuwinken, da ja sie nicht in das Haus des weißen Gottes reingehen dürfe!

    2. solanna Says:

      Hochspannend, AnFra!

      Hat wohl der gute Hofwichtel Tummetott in Skandinavien, in vielen Ländern bekannt durch Astrid Lindgrens Bilderbücher von „Tomte Tummetott“ (wundervoll illustriert von Harald Wiberg) auch etwas im Namen von Unbedarftheit und Ungeschicklichkeit? Eher nicht.

      Da muss noch eine Bedeutung sein, die im schwedischen Sprachraum überlebt.

    3. AnFra Says:

      @solanna

      Leider ich nix Svenska.

      Aber trotzdem hier ein sehr schneller und möglicherweise Fehlschuss mit einer intuitiven Bauchlösung mit Unterstützung der Brüder Grimm und durch die altgermanischen sowie althoch- und mittelhoch- deutschen Götter abgesegnet.

      – Tomte = Sich zeigender, darstellender, vorführender …..

      – Tummetott = ….. gutgläubiger Naivling, einfältiger Einfaltspinsel,
      dummer Trottel / Dussel.

      Alles mit lauter Fragezeichen?????

      Erlösung durch einen Schweden gewünscht.

      Folgend noch ein kl. Gedicht von A. Freudenberg aus 1910:
      „Gedicht vom Riesen Timpetu“
      Hier deutet der Name in vergleichbare Richtung des Sinninhaltes des Namen eines einfältigen Wesens.

      Siehe: http://www.gedichtepool.de/autor/autor_f/freudenberg.htm#1

    4. Guggeere Says:

      Es ist auffällig: Man gibt also Angehörigen fremder Völker einen verächtlichen Namen, obwohl sich diese selbst ganz einfach als «Menschen» oder «gewöhnliches Volk» bezeichnen: So sind Eskimos Inuit, Hottentotten sind Khoi, und was wir Schweizer manchmal abschätzig z.B. als Schwaben bezeichnen, sind Deutsche…

      @ anfra
      In meiner Kindheit hatten mich die Hottentotten ebenfalls beeindruckt. Allein schon der Klang des Wortes schien mir irgendwie finster, und ein Übriges tat die Lektüre eines nicht ganz unbekannten Romans. Dort wollte ein gewisses Heidi einem widerspenstigen Peter das Alphabet mittels Sprüchen beibringen. Deren letzter lautete:
      «Wer zögernd noch beim Z bleibt stehn,
      Muss zu den Hottentotten gehn!»
      (Das wollte Peter dann doch nicht, und er lernte das Z. Dank den Khoi!)

      http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2696&kapitel=6&cHash=dbbf939c05heidi25#gb_found

    5. AnFra Says:

      @Guggeere

      Frau S. und die Heidi waren ja auch nur Kinder ihrer Zeit,
      so wie wir jetzt auch.

      Für Nana.

      Wer da lacht über die Hottentotten,
      sind üble Burschen und hartgesotten,
      denn sie sehen sich nicht als wahrliche Laffen,
      ihre Vorfahren waren vielleicht auch nur Affen,
      denn in Wirklichkeit waren jene aus Afrika angekommen,
      haben die todesgleiche Blässe in der Haut nur angenommen.

    6. solanna Says:

      Wer als Kind die „Heidi“-Bücher aus dem SILVA-Verlag (ersammelt mit Silva-Punkten auf Markenprodukten) verschlang, kam nicht um das unheimliche Bild des versandbereit verschnürten Geissenpeters herum. Derart verpackt sollte er zu den „Hottentotten“ gesandt werden.

      Rassistisches, aber prägendes Bildungsgut!

    7. AnFra Says:

      @solanna

      Würde das Heidi-Buch von J. Spyri so nicht in eine rassistische Ecke stellen. Wie gesagt, alles im Zusammenhang der damaligen Zeit sehen.

      Die Hottentotten waren damals halt die unbekannte Menschenrasse, die wilden und gefährlichen Kannibalen, die ungekannten Schwarzen, die Bösen in den Entdeckergeschichten und Abenteuerromanen der Weißen, halt die Bedrohung.
      Eine von solchen Europäern beschriebenen Wortverwendung dieses tatsächlichen Schimpfwortes hat J. Spyri so sicherlich nicht gemein, sie wollte sicherlich dadurch das Unbekannte, Wilde und Gefährliche diese noch teilweise noch unbekannten Kontinents darstellen!
      Im Ideologievergleich zur anderen politischen oder gesellschaftlichen Rassenüberheblichkeiten gegenüber der „Hottentotten“ ist dies eher harmlos.
      Hier hat sich das üble Schimpfwort zu einem Gattungsbegriff gewandelt, der aber nun jedoch nicht verwendet darf.

      Zu den „Schaumbomben“ sage ich vereinzelt ohne Überlegung noch „Mohrenkopf“ oder „Negerkuss“, ohne dies als ein Negativum zu sehen, wobei jedoch im Familienumfeld besonders die jungen Frauen mich dann als alten Fascho schimpfen.
      Hottentotte, Neger, Schwarzer, Afrikaner, Dunkelhäutiger, Farbiger, Morro, Colorado uam.
      Was ist eigentlich die richtige korrekte Bezeichnung?

    8. solanna Says:

      @ AnFra

      Wenn ich von „Schaumbeule“ sprach, hat man mich bis jetzt meist auch verstanden. Offiziell heisst es aber meines Wissens jetzt „Schaumköpfchen“.