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Ich ertrinke, ich ertrank, ich habe ertrogen?

(reload vom 25.3.06)

  • Wenn oder was erträgt der Betrüger?
  • Wir entdeckten diese kleine aber feine Nachricht wie immer im Tages-Anzeiger, unserem Fachblatt für den helvetischen Partizip Perfekt:

    500 Franken ertrogen
    (Tages-Anzeiger vom 9.2.06)

    Was erträgt der Betrüger? Doch nicht das Partizip Perfekt von trinken, trachten, tragen oder trügen?
    Ertrogen nicht betrogen

  • Wenn der Schein nicht trügt sondern trog
  • Wir kannten bisher nur das Verb „trügen“

    trü|gen (st. V.; hat) [mhd. triegen, ahd. triugan, verw. mit Traum]:
    jmds. Erwartungen unerfüllt lassen; zu falschen Vorstellungen verleiten; täuschen, irreführen:
    dieses Gefühl trog sie; meine Ahnungen, Hoffnungen hatten mich nicht getrogen; wenn mich meine Erinnerung nicht trügt (wenn ich mich richtig erinnere), war das vor zwei Jahren; (häufig o. Akk.-Obj.:) der [äußere] Schein trügt; das Erscheinungsbild trog; dieses Gefühl trog; ich hatte, wenn nicht alles trog, diese Operation noch vor mir (Loest, Pistole 123); (…)

    Dieses Verb ertrugen wir bisher ohne zu murren. Doch dann lernten wir, dass es da in der Schweiz noch eine Variante mit Umlaut gibt, die uns bisher fremd war:

    er|trü|gen st. V.; hat (südd., schweiz.):
    durch Betrug erlangen:
    So ertrog sie (= als stellvertretende Geschäftsführerin einer Bank) 6,5 Millionen Franken (Blick 31. 7. 84, 2); (…)

    Alles erstunken und erlogen? Nein, viel besser: Erstunken und ertrogen! Was übrigens absolut nichts mit dem „Trog“ zu tun hat:, denn der kommt vom Teer:

    Trog, der; -[e]s, Tröge [mhd. troc, ahd. trog, zu Teer in dessen eigtl. Bed. „Baum, Eiche“ u. eigtl. = hölzernes Gefäß; (ausgehöhlter) Baumstamm]:
    1. großes, längliches, offenes Gefäß, das je nach Verwendungszweck meist aus Holz od. Stein gefertigt ist:

  • Warum „ertrogen“ Standardsprache werden sollte
  • Warum ist „ertrogen“ so genial? Weil es dafür auf Hochdeutsch kein richtiges Equivalent gibt, ausser der umständlichen Umschreibung: „Durch Betrug erlangen„, oder vielleicht die Variante „ergaunert“ und „erschwindelt„. Wobei Letzteres wieder sehr nach „er schwindelt“ klingt, und an den Lügenbaron Münchhausen denken lässt.

    Ertrogen wird in der Schweiz in den meisten Fällen Geld:

    500’000 Franken ertrogen
    (Quelle: blick.ch)

    B. über eine Scheinfirma vier Millionen ertrogen haben soll
    (Quelle: www.bielertaqblatt.ch)

    Mit faulem Trick Geld ertrogen – Täter gefasst
    (Quelle: www.stawa-bs.ch)

    Also sind wir nicht nachtragend und trachten danach, dieses schöne Wörtchen ohne Lug und Trug träge in unsere Sammlung einzutragen. Tragisch? Nee, dröge…

    

    3 Responses to “Ich ertrinke, ich ertrank, ich habe ertrogen?”

    1. Chrigel Says:

      Herr Wiese, ich amüsiere mich nach wie vor köstlich an Ihrer sprachlichen Entdeckungsreise. Nur frage ich mich: Wie drückten Sie sich früher aus, bevor Sie in der Schweiz die Deutsche Sprache lernten?

      [Antwort Admin: ganz einfach, mit „hasse,kanze, musse, bisse“, und „datte mich dat nich alle Leute verklickern tust“, so ungefähr…. ]

    2. Fischkopp Says:

      @Zuercher und Wiese

      Ach so spricht man in Hamburg oder wat? Ich denk wohl nich, nääää!
      Wat isn „datte“?
      Wenn denn so “ dat mir dat nich alle Leute verklickern tun nääääää“!

      [Anmerkung Admin: Nein, Hamburg liegt 3 Stunden nördlich vom Ruhrgebiet, dort „Ssteht man auf nem sspitzen Sstein“, und „nich alle Leute verklickern tun“, sondern „tust“ = Das du mir das nicht allen Leuten erzählen tust. ]

    3. kobi Says:

      von wegen hamburg: http://www.abendblatt.de/daten/2008/10/30/962231.html