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Wie hoch kann man einen Knebel werfen? — Neue Schweizer Lieblingstätigkeiten

  • Den Knebel zwischen den Zähnen wirft niemand
  • Einen Knebel, den kennt jedes Kind im deutschen Sprachraum aus den Büchern von Karl May. Den steckten einen die Indianer zwischen die Zähne, damit die gemarterten Weissen nicht so einen Krach machen können. „Gefesselt und geknebelt“ wird heutzutage, ausser bei Entführungen, nur noch im Sado-Maso Umfeld. Nicht so in der Schweiz. Dort lebt der „Knebel“ munter fort, und zwar im Sport. Denn er wird geworfen. Möglichst hoch geworfen. Oftmals zu hoch. So lasen wir in der Zürcher Landzeitung die Überschrift: „Den Knebel zu hoch geworfen

    Den Knebel zu hoch geworfen
    (Quelle: Zürcher Landzeitung 8.7.08)

    Doch auch anderswo erfreut sich die Schweizer Sportart des „Knebelhochwerfens“ grosser Beliebtheit:

    Heinz Bächinger, der städtische Euro-08-Koordinator, musste am Schluss der gut zweistündigen Debatte im Grossen Gemeinderat feststellen: «Wir haben den Knebel zu hoch geworfen
    (Quelle: Tages-Anzeiger 10.7.07)

    Oder hier:

    Sie werfen den Knebel bei der Baueingabe nämlich meist möglichst hoch
    (Quelle: avenir-suisse.ch)

    Was wir bei diesen Zitaten nicht verstehen ist, wie die Teilnehmer dieser Sportveranstaltungen es immer wieder schaffen, die Schwerkraft auszusetzen und somit zu verhindern, dass der zu hoch geworfene Knebel einfach wieder auf die Erde zurück fällt. Sollte er, gemäss Newtons Gravitationsgesetz. Der Duden erklärt uns wenigstens, dass es ausser beim „Knebel“ zwischen den Zähnen, beim Knebel meistens um einen Stock geht:

    Knebel, der; -s, – [mhd. knebel, ahd. knebil = Holzstück, Querholz, urspr. = Stock, Knüppel, Klotz, (…)
    (Quelle: duden.de)

  • Zu hoch, aber nicht zu weit geworfen
  • Stöchchen werden geworfen, damit gut erzogene Hunde sie zurück bringen. Werden sie „zu hoch“ geworfen, nun, dann müssen die Hunde einfach ein bisschen warten, bis so ein Knebel von selbst wieder auf die Erde fällt. Warum macht man in der Schweiz da so oft ein Drama bzw. eine Zeitungsmeldung draus?

  • Latte legen und nicht trinken
  • In Deutschland würde man in ähnlichen Situation sicherlich keine Knebel oder Stock, sondern eine „Latte“ verwenden. Nein, nicht „machiato„. Diese „Latte“ würde man dann hoch „legen“, nicht werfen. Da bleibt sie liegen, bis sie der Hochspringer oder Stabhochspringer herunterreisst. Dann war die Latte zu hoch gelegt, aber nicht geworfen. Aber die Schweizer kennen die Latte wahrscheinlich nur als Produkt der Kühe im Tessin.

  • Den Knebel zwischen die Beine werfen?
  • Wenn die Knebel „zwischen die Beine“ geworfen werden, so dass der Gegner ins Stolpern kommt, dann könnten wir das noch nachvollziehen. Vielleicht liegt die Erklärung beim Eishockey, der Schweizer Paradesportart. Dort heisst der „Puck“ auch „Knebel“, und „knebeln“ ist ein anderes Wort für Eishockeyspielen. Wenn dort dein Schiedsrichter den Knebel einwirft und er prallt von der Eisfläche zurück, dann kommt der vielleicht „zu hoch“. Aber auch dann sollte die Schwerkraft… na, sie wissen schon.

    

    14 Responses to “Wie hoch kann man einen Knebel werfen? — Neue Schweizer Lieblingstätigkeiten”

    1. Fanki Says:

      Apropos Latte:
      Auf sumpfigem Untergrund sollte man immer Milch dabeihaben, denn: Milch lait latte.
      Zum Knebel:
      Der Knebel gehört in den Mund, dann ist Ruhe.
      Ein Knebu ist ein Stock oder Bänggu diesen verwendet man sehr effizient in Velo-Vorderrädern.

    2. quietscheentchen Says:

      Jetzt bin ich aber etwas verwirrt.

      Bezeichnet „de Chnebbu“ nicht den Eishockeyschläger? Der Puck heisst doch „Bögg“.

    3. quietscheentchen Says:

      ups – editieren geht ja nicht

      Aus diesem Grund halt Kommentar-Spam 🙁

      Ich kenne das mit „Milch lait latte“ eher in verbindung von: Was mach impotent? 🙂

    4. Simone Says:

      Ich weiss, dass einige meiner Kandidaten ab und zu den Knebel zu hoch werfen, und um ihre Jahresgehälter zocken. Dem einen oder anderen würde ich manchmal gerne einen Knebel verpassen oder die Person alternativ ins Spielkasino schicken…Einige Leute haben da jedes Gespür für ein angemessenes Mass verloren. Wer vergibt denn die Knebel?

    5. Daniel Says:

      Ich dachte eigentlich auch, dass der „Chnebu“ = Knebel im Eishockey sich auf den Spielstock bezieht, nicht auf den Puck.

      „Den Knebel hoch werfen“ ist eine Redensart, die mir nicht geläufig ist. Meine Vorstellung davon, wenn ich Herrn Wiese’s Zitate lese, ist aber die, dass da hohe Ansprüche gestellt werden. Oder vielleicht ähnlich wie in der sogenannten Budgetierphase in grösseren Unternehmen: Mehr Budget beantragen, als man eigentlich braucht, weil die Geschäftsleitung sowieso nie soviel genehmigt, wie beantragt wurde. So kriegt man am Ende vielleicht doch so viel Geld, wie man in der Abteilung benötigt.

    6. Marroni Says:

      @Simone
      Ich weiss, dass einige meiner Kandidaten ab und zu den Knebel zu hoch werfen, und um ihre Jahresgehälter zocken.
      Schön, wieder mal was zu lesen von Dir. Wir „reiben“ uns ja manchmal etwas. Stimmt hier wirklich alles bei den Kommas?
      Hie wäre der Vergleich mit dem Knebel nicht so passend, da würde der Schweizer sagen „ Är übermarchet“
      @ Ein Zürcher
      «bisch im Fall voll Maroni» (Du bist wirklich voller Maronen).
      Das ist eine Kriegserklärung an einen Marroni Fachmann. In der Schweiz IMMER MIT 2 RR, MARRONI, Lateinisch Castanea Sativa, wir sind doch hier nicht in Deutschland, da sagen die ja eh ESSKASTANIEN.

    7. Simone Says:

      @Marroni:
      Danke für die neue Vokabel! Ist schon manchmal nicht so einfach mit den Kandidaten. Einige brauchen stets den roten Teppich. Sicher ist die Queen da lockerer…
      Andere Kandidaten kommen ohne Rückmeldung einfach nicht zum Interview. Es nervt heute alles. Vielleicht sollte ich ein paar Marroni essen, die beruhigen ungemein.

    8. Simone Says:

      @All:
      Wisst Ihr, was ich eben in Form einer Massenmail auf meinen Firmenaccount erhalten habe? Die Einladung zu einem Deutschgrammatikkurs…Genial, ich glaube, ich brauche einen Knebel, um nicht laut loszulachen 🙂 Wer macht noch mit?

    9. AnFra Says:

      Dieser Begriff „Knebel hoch werfen“ stammt m. E. sicherlich aus dem weiten Umfeld der Arbeit, des Bauwesens und der Militärtechnik (Pionier- bzw. Genie-Truppen).

      Habe vor vielen Jahren in bau- und kunsthistorischer Literatur Kupferstiche gesehen, wie Beispiele von Rammtechniken für Setzungen von Grundpfählen dargestellt wurden.
      Es betraf Baumaßnahmen u. a. römischer Bausoldaten, Baumaßnahmen in Venedig und besonders in St. Petersburg. Auf Pontons / Lastkähnen waren Rammeinrichtungen montiert, in deren Gleitführungen Rammgewichte („Bär“ genannt) hinaufziehend und dann hinunterfallend gezeigt wurden.
      Der „Bär“ wurde z. B. in St. P. durch ca. 2 Dutzend Mann mit Seilen über Umlenkrollen hinaufgezogen, oben durch ein Fallmechanismus ausgeklinkt, nach dem Niederfall und dem weiteren Pfahleinrammen durch das Zurückgeben der Seile am Unterpunkt wieder eingeklinkt und nach oben gezogen. M.E. könnte diese 20-24 Mann einen „Bär“ von ca. 1 t bewegen. Die Zugseile hatten am Ende einen „Knebel“, am welchen die Männer mit beiden Händen gezogen.

      Und hier ist der Casus knaxus:
      Wenn man eine schwierige Rammaufgabe hatte oder die Arbeit immer weiter vorangetrieben wurde, desto höher wurde der besagte Knebel positioniert, damit die Fangvorrichtung am unten befindlichem „Bär“ wieder angedockt werden konnte, um nach dem Hochziehen den „Bär“ oben wieder ausklinken und niederfallen lassen zu können.
      Aus dieser Tätigkeit könnte der Ausdruck „Knebel hoch werfen“ sicherlich abstammen, da ja diese Technik bei den Bodenverfestigungen durch Pfähle ab dem 11.-12. JH bei den vielen Stadtgründungen (Stadtmauern, Hafenanlagen, Kirchen und Festungen) eine extrem wichtige Rolle gespielt haben.

      Da hat uns der Administrator ne arg „bärige“ Aufgabe aufgebrummt.

    10. neuromat Says:

      Knebel, ein Substantiv, der, also Maskulinum. Standardwortschatz im 11. Jh., mhd. knebel, früher im ahd. knebil, im altsächischen knevil, nicht zu verwechseln mit evel knievel, unsere Nordlichter wissen im mittelniederdeutschen wäre knevel das Stammwort. Altnordisch knefill „Querstange“.

      Das Wort steht für verschiedene Ausprägungen von kurzen, schmalen Hölzern; lautlich entsprechend knabila , so dass das gemeingermanische knabila mit „Knebel“ erschlossen werden kann.

      Im Germanischen treten mehrere vergleichbare (aber regional beschränkte) Formen auf, die dann aber auch wieder zu Knabe führen. Und damit würde dann der Kreis zur oben erwähnten Latte sich schliessen, da es sich um eine Bezeichnung nach dem Geschlechtsteil handelt.

      Nun lesen wir bei Simone, dass einige ihrer Kandidaten ab und zu den Knebel zu hoch werfen, und um ihre Jahresgehälter zocken. Der Kandidat trug im Alten Rom beim Bewerb für ein Amt die toga candida (candidus: weiss) als Erkennungszeichen. Jetzt werfen die also gewissermassen unter ihrer Toga den Knebel zu hoch. So etwas kann zu Verletzungen führen.

      „Einige Leute haben da jedes Gespür für ein angemessenes Mass verloren“, so lässt uns Simone dann wissen. Ja aber, selbst wenn das richtig ist, so ist die Frage nach dem angemessenen Mass noch nicht beantwortet. Womit wir wieder bei der Latte, der Messlatte wären. Und das rückt etwas schweizerisches in den Blick. Mit eben solchem auf den durchschnittlichen Knebel tragenden Helvetier berichtete der Blick mit der Zeile: „Lang, länger, Schweizer“, irgendwelche verdrehten Zitate irgendeiner unwichtigen Ische, die da so ihre Männererfahrungen angeblich zum Besten gab, dies so um den 14. oder 15. Juli (einige Schweizer hatten „ihre“ Badeliegen mit Handtüchern und diesen Exemplaren „reserviert“, ohne allerdings mit mir gerechnet zu haben) Andererseits hatte der Blick vor einigen Jahren noch ganz anders berichtet. Ein Secondo-Effekt?

      Womit aber dann klar wäre, wer „einige Leute“ sind. Und jetzt stelle man sich vor, genau diese Leute werfen den Knebel zu hoch. Mitten im Sommer, möglicherweise auf Kuba, an der Decke läuft der Ventilator …

      Schliesslich möchte Simone wissen: „Wer vergibt denn die Knebel?“. Hierfür scheint nun ein bestimmtes Chromosom verantwortlich zu sein. Das Ypsilon. Dabei ist es nicht so wie es die alte Sage berichtet, dass aus der Rippe des Ypsilon Träger (auch nicht aus dem Knebel) die Doppel X Variante entstand, sondern, sondern aus dem längeren Arm des X Chromosoms.

      Man könnte nun, nach einigen Persico, denn dies ist das richtige Getränk für Pubertierende zu Anfra überleiten und seinen letzten Absatz einstellen …Dann bekommen Worte wie der „besagte Knebel positioniert … Fangvorrichtung am unten befindlichem „Bär“ … angedockt … Hochziehen ….den „Bär“ oben wieder ausklinken …. und niederfallen lassen zu können.
      … Technik …. bis zur „schwierigen Rammaufgabe“ eine ganz andere Bedeutung. Aber wir lassen das mal lieber.

    11. AnFra Says:

      @neuromat

      Da hirnt man und macht sich Knoten und Knebel ins Hirn, wie man bei diesem Thema den „Bär in Stellung“ bringt und du machst nur Zoten über die „Bärenstellung“.

    12. Phipu Says:

      An „ein Zürcher“

      Die Wörter „Marronis“ und „Gartenhüslis“ in deinem Text gefallen mir gar nicht. Als hypothetischer indemischer Dialektsprecher kommst du sicher selber drauf. Sonst helfen diese Kommentare (immer jeweils der oberste):

      http://www.blogwiese.ch/archives/18#comment-2145

      http://www.blogwiese.ch/archives/35#comment-3246

      http://www.blogwiese.ch/archives/583#comment-86107

      In diesem Zusammenhang stehen mir beim heutigen (22.07.08) Blogwiesen-Eintrag auch die Haare zu Berge, besonders beim Gedanken, dass das möglicherweise Dialektsprecher erfunden haben könnten. http://www.blogwiese.ch/archives/902

    13. Anita Says:

      Schon mal etwas von „Knebelverträgen“ gehört?
      Sollen im Arbeitsleben der Deutschen wie der Schweizer öfter vorkommen…

    14. Simone Says:

      @Marroni:
      Eben habe ich erst geschnallt, was Du da gestern gemeint hast. Eine neue Bloggerin hat mich darauf aufmerksam gemacht. Stimmt, das eine Komma kann weg. Das Deutschseminar werde ich trotzdem nicht besuchen 🙂