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Tut Busse und seid unfehlbar — Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene

(zuerst erschienen am 17.09.05)

  • Tut Busse und nehmt die Polizeibusse
  • Busse tun ist eine Christenpflicht, zu büssen und durch die Busse dann Vergebung zu erlangen, sei unser Lebensziel. Nicht so in der Schweiz, denn hier ist Busse etwas sehr Profanes, Weltliches. Die Busse wird von der Polizei auferlegt und kostet 200 CHF:
    Polizeibusse wird angedroht

    Wer genau hinschaut, kann noch ein wunderbares schweizerdeutsches Wort lernen. Eines mit drei M, drei N und vier A: Das Stadtammannamt. Dazu passend gehört dann auch der Stadtammann, gleichbedeutend mit „Gemeindepräsident„, der in Engelberg auch als „Talammann“ bezeichnet wird (bitte nicht aussprechen wie „Ballermann„, sondern wie „Tal-Ammann„!)

    Polizeibusse in Deutschland hingegen sind etwas ganz anderes:
    Polizeibus

    Dennoch kann es passieren, das man in der Schweiz etwas falsch macht, dass man es nicht schafft, unfehlbar zu bleiben, zum Beispiel beim heimlichen Deponieren von Müll.
    Fehlbare werden verzeigt
    Die nette junge Damen links im Bild kommt aus Japan, heisst Nahoko und freut sich über grandiose Wörter der Deutschen Sprache, die alle im Duden stehen.

    Während wir in Deutschland „angezeigt“ werden können, müssen wir in der Schweiz nicht verzweifeln, wenn wir „verzeigt“ werden. Unser Schicksal ist dann noch nicht „vergeigt„. Kommt es dann zur polizeilichen Untersuchung, werden wir auch nicht „vernommen“ durch den Polizisten, sondern „einvernommen„. DieEinvernahme“ ist demzufolge in der Schweiz die polizeiliche Befragung, das Verhör. Ein ziemlich einnehmendes Unterfangen.

    Sind Sie in einer solchen Situation allein bei der Polizei, sollten Sie sich nicht versprechen, sondern jemanden haben, der für sie spricht. In der Schweiz heisst so jemand daher: Der Fürsprecher, das ist ein Rechtsanwalt. Immer dran denken: Wir bewegen uns hier in einem sehr deutschen Sprachraum!

    Falls sie nun als Deutscher belustigt sind über diese merkwürdige Ausdruckweise der Schweizer, seien Sie versichert: Der humoristische Ersteindruck verblasst mit den Jahren, und Sie fangen auch an, von „Fehlbaren„, „Einvernahmen“ und „Fürsprechern“ zu sprechen. Es kann auch passieren, dass man plötzlich anfängt, über den Sinn und Unsinn hochdeutscher Wörter nachzudenken:

    Warum wird in Deutschland das Aufeinandertreffen von zwei Autobahnen ein „Autobahndreieck“ genannt, obwohl man ja auch sagen könnte, dass eine Autobahn sich in zwei Strecken „verzweigt“ und damit eine „Verzweigung“ bildet? Wo ist jetzt der Joke? Die Schweizer empfinden „Autobahndreieck“ genauso lustig, wie wir Deutschen die Bezeichnung „Verzweigung“ amüsant finden. Alles eine Sache der Gewohnheit.

    Verzweigung oder Autobahndreieck?
    (Foto: Ist dies ist eine Autobahndreieck? Oder doch eine Verzweigung?)

    

    41 Responses to “Tut Busse und seid unfehlbar — Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene”

    1. WG(n) Says:

      Oh oh, Herr Wiese! Da ist aber etwas schief gelaufen im ersten Teil des Artikels.

      Im Kanton Zürich ist ein „Stadtammann“ oder „Gemeindeammann“ ein Vollziehungsbeamter, der z.B. im Auftrag eines Gerichts handelt und Betreibungen zustellt.

      In anderen Kantonen, z.B. dem Aargau, ist allerdings der Gemeindeammann tatsächlich der Gemeindepräsident – nicht aber im Kanton Zürich auf den sich die abgebildete Tafel aus Bülach bezieht.

      Wenn man den Wikipedia-Artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeindepräsident nicht genau liest und den Satz „Im Kanton Zürich ist der Stadt- bzw. der Gemeindeammann nicht mit dem Stadt- bzw. Gemeindepräsidenten identisch. Vielmehr ist er im Wesentlichen Vollstreckungsbeamter, weshalb er immer auch Betreibungsbeamter ist.“ übersieht, dann kann man schon auf solche Ideen kommen.

      [Anmerkung Admin: Danke für die hilfreiche Erläuterung! Was lernen wir daraus? Bestätigung der wichtigsten aller Schweizerischen Regeln: „Das ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich..“ ]

    2. Micha Says:

      Auch wenn man in der Schweiz eine Busse auferlegt bekommen kann – in Deutschland tut man (ob in der Kirche oder ganz profan) immer noch Buße. 😉

    3. vierundachtzig Says:

      Na, also gerade auf dem Foto sieht man doch wunderbar, wie es zur Bezeichnung Autobahndreieck gekommen ist: Ein schöneres Dreick als das aus Auf- und Abfahrten der endenden und der weiterführenden als Hypotenuse kann man sich doch nicht vorstellen 🙂 Werde ich jetzt geahndet?? Genauso wie ein Autobahnkreuz aus der Luft gut zu erkennen ist. Da gefällt mir der österreichische Knoten aber auch ganz gut. Ich bin mir übrigens sicher, dass die Bezeichnung Knoten unter dem Eindruck dieses Bildes

      Autobahnknoten

      entstanden ist.
      Aber Jens hat natürlich recht, es ist alles eine Frage der Gewohnheit, es ist weder eine Verzweigung noch ein Dreieck „besser“.

    4. Thomas Says:

      @84:
      nun gut, aber dann müsste ein Autobahnkreuz ja auch anders aussehen, sprich die Autobahnen die Kreuzform umrahmen und nicht selbst bilden?
      Bei einem Dreieck geh ich einfach gedanklich von 3 Autobahnen aus, meistens (oder immer?) sind es ja aber nur 2. Von dem her ergibt (neudeutsch: macht) sprachlogisch die Verzweigung mehr Sinn. Aber das ist natürlich alles eine Sache der Gewohnheit.

    5. Psalmist Says:

      Also die Straßen im obigen Bild bilden doch eindeutig die Form eines Dreiecks – allerdings mit gekrümmten Kanten. In der hyperbolischen Geometrie sind solche Dreiecke ganz normal. (Nur dumm, daß wir uns nicht in einem hyperbolischen Raum befinden, sondern auf einem sphärischen, nämlich der Erdkugel – dort sind Dreiecksseiten strenggenommen nach außen gekrümmt…) Die Idee der Verzweigung ist dagegen biologisch logischer. Nur stellt sich dann die Frage: Welche der drei zusammenkommenden Straßen ist dann der „Stamm“, der sich in zwei „Äste“ ver“zweigt“? Vom Fahrgefühl her ist der Stamm immer die Straße, von der aus man auf die Verzweigung zufährt. Daher ist die hierarchische Idee der „Verzweigung“ irgendwie unnatürlich. Besser wäre der „Knoten“ in einem z.B. (wenn man wieder biologisch denken will) neuronalen Netz. Der bringt auch die Verwirrtheit der Stränge gut zum Ausdruck. Als seltener Autofahrer amüsiere ich mich nämlich immer wieder darüber, daß ich mancherorts die östliche Spur nehmen muß, um nach Westen zu gelangen und umgekehrt. Die Orientierungsmechanismen vom Velofahren versagen auf der Autobahn komplett…

    6. AnFra Says:

      @admin

      Vom „Autobahndreieck“ spricht man in D immer dann, wenn sich 2 Autobahnen (mit 3 Trassierungsrichtungen) treffen, an welchen man auf alle beiden anderen Trassierungen der Autobahn fahren kann. D.h. von Trasse A auf die Trassen B und C, von B auf A und C sowie von C auf A und B. Alle Bahnen sind immer direkt verbunden. Hier ergibt sich aus dem Bewegungsmuster (gegenseitig gerichtete Fahrtvektoren) der Fahrtmöglichkeiten ein „Dreieck“.

      Im Gegensatz hierzu spricht man von einer „Autobahngabelung / älter: Autobahnabzweigung“, wenn man nur auf eine andere Trassierung fahren kann. D.h. von A auf B und B auf C. Es sind also nicht alle Bahnen verbunden, da eine direkte Verbindung zwischen 2 Bahnen fehlt. Hier ergibt sich aus dem Bewegungsmuster (einseitig gerichtete Fahrtvektoren) eine „Gabelung / Verzweigung“.
      Es ist dann nur möglich, an der nächsten Abfahrt abzufahren, 2 mal den Quadranten in Fahrtrichtung zu ändern und auf die gegenüberliegenden Fahrspur auf die Autobahn aufzufahren, um so auf die nicht verbundene Trasse zu kommen! (Hierbei wünsche ich eine gute Fahrt!!!)
      Der Begriff der Verzweigung ist eigentlich logisch, weil man wie in einer Astverzweigung oder einer Gabel je Trassenrichtung jeweils nur 1 Freiheit habe, im Gegensatz bei dem Dreieck jedoch 2 Freiheiten besitzt.

      Es muss beachtet werden, das im ersten Anblick solch eine Autobahnzusammentreffen optisch und besonders für „Baulaien“ nicht immer sofort die Bewegungsmuster erkennbar sind. Eine „Autobahngabelung“ in D ist also nicht immer gleich einer „Autobahnverzweigung“ in der CH. In der CH wird der Begriff in einer allumfassenden Weise verwendet.

      Eine „Autobahngabelung“ kann sinnvoll sein, wenn es geplant sein sollte, die stumpf ankommende Autobahntrassierung irgend wann weiter zu führen und dann ein „Autobahnkreuz“ daraus zu gestalten.
      Eine Diskussion, ob ein „Dreieck“ oder eine „Verzweigung“ besser oder schlechter ist, ist nicht sinnvoll, da hier viele verschiedenartige Argumente technischer, geologischer, topographischer, zukünftiger oder finanzieller Art vorliegen können.

      Bild mit der Frage: Autobahndreieck oder Verzweigung? Es ist also ein Autobahn-DREIECK!
      Begründung: Man kann auf alle beiden anderen Trassierungen der Autobahn fahren.

    7. Psalmist Says:

      @AnFra

      Hm, mathematisch gesagt kann also ein Autobahndreieck als ungerichteter (oder gerichteter spiegelsymmetrischer) Graph, eine Gabelung hingegen als gerichteter (nicht spiegelsymmetrischer) betrachtet werden. (Auch bei der „Gabel“ hab ich aber das Problem, daß zwischen „Stiel“ und „Zinken“ (sagt man den „Spitzen“ der Gabel auf deutsch auch so…?) eine hierarchische Beziehung besteht – das Bild geht aber sowieso nicht auf, also lass ich mal die Spitzfindigkeiten.) In der Schweiz hab ich noch nie eine Autobahn“gabelung“ in diesem Sinn gesehen, aber das heißt noch nicht unbedingt, daß es keine gibt. (Das weiß sicher irgend ein fleißigerer Autofahrer hier!) Wenn das tatsächlich der Fall wäre, wäre das eine Erklärung für das Fehlen der Begriffe.

      In der Schweiz gibts auch mehrere Begriffe, allerdings mit anderem Scheidekriterium: Kommen 3 Trassen (ich übernehme den Begriff einfach mal, obwohl er mir bisher nur im Zusammenhang mit der Bahn bekannt war, wo er etwas anderes bedeutet) zusammen, spricht man von einer Verzweigung, bei 4 Trassen von einem Kreuz. Wird die Unterscheidung „Dreieck/ Gabelung“ analog auch für mehr als drei aufeinandertreffende Trassen verwandt?

    8. AnFra Says:

      @Palmist

      Trasse ist grundsätzlich der Verlauf jeden Verkehrsweges. Ob Felsweg, Einsenbahn oder Autobahn. Diese techn. Begriffe haben in den letzten 2 Jahrhunderten durch den Kanalbau und dann besonders durch die Eisenbahn im Publikum eine extrem daraufhin orientierte Begriffsbindung erhalten.
      Ein wunderbares Beispiel ist die Autobahn insgesamt. Die deutsche Reichsbahn hat ab ca. 1919 die ersten Autobahnen geplant. Das Erbe: AutoBAHN (Eisenbahn), RastHOF (Bahnhof), FahrBAHNEN (Fahrspuren), AutoBAHNRESTAURANT (Bahnhofwirtschaft), erste Autobahnbrücken tech. / forml. identisch mit Bahnbrücken, Warnzeichen (gefährliche Kurve) aus der Eisenbahntechnik, Hinweiszeichen (Baken besonders in D) mit den 1, 2 und 3 Vorzeichen für die 100/200/300 m Vorankündigung der Abfahrt, Kurven-Radien der Trassierung zunächst gleichförmig wie bei der Eisenbahn (später jedoch in Klothoiden ((Krümmungsradius/ Schmiegekurve))), der erste Rasthof hatte in die Wände Reliefs des Hermes (röm.griech. Gott der Händler, Taschendiebe und Wanderer, Grenzmarkierungen, Schutzgott der Eisenbahn und aller Fahrensleuten) eingelassen. Auch soll er sogar einen Wasserbrunnen mit einer Herme-Figur besessen haben.
      Die Bahn hat also damit ihren eigenen Untergang aufs beste geplant, gefördert und nun erreicht!

      Als Hilfe zu der Gabelung noch einige Bemerkungen. Das „Dreieck“ hat sehr viele Bauwerke, wie z.B. Auffahrtsrampen, Überführungsbrücken, Einschleifungen u.a.m. Es können mehrere Brücken übereinander geführt werden wie im Bild von @ 84. Dadurch ist überhaupt die Hauptvoraussetzung der „Kreuzungsfreiheit“ gegeben. Der Nachteil ist jedoch, dass hierdurch eine baulich sehr teure Lösung vorliegt. Bei „Gabelungen“ werden keine Rampen, Brücken u.ä. gebaut, wenn sich dieses aus dem örtlichen geringerem Verkehrsaufkommen ableiten lässt. Es ist vereinfacht gesagt fast immer alles auf einer Ebene. Da es keine „Kreuzungen“ geben darf, ergibt sich aus der Natur der Sache, dass es also zwangsläufig nicht jede Fahrbahn an den drei Trassierungsteilen Verbindungen gibt. Deshalb an der nächsten Abfahrt herunter und mit der von mir beschriebenen Abenteuergarantie auf die gegenüberliegende Fahrspur gelangen versuchen.
      Aus einer „Gabelung“ kann wie bereits gesagt ein „Kreuz“ weitergebaut werden. Wenn also mehr als 3 Trassen zusammenkommen und die Kriterien der Kreuzungsfreiheit, Anbindung aller Fahrbahnen gegeben sind kann nach meiner Meinung nur vom „Kreuz“ gesprochen werden.

    9. Psalmist Says:

      @AnFra
      Bei der Eisenbahn steht „Trasse“ auch für den „freien Verkehrsweg“ (wichtig bei der Fahrplangestaltung und im Betrieb). Mir war der Begriff bisher nur so geläufig. Dann stellt eine Doppelspur eben auch eine Doppeltrasse dar, während in der Bedeutung „Verlauf des Verkehrsweges“ die Anzahl der Spuren unerheblich ist. Die zweite Bedeutung ist beim Bau wichtig, die erste im Betrieb. Man lernt nie aus!

      Mir kommt noch ein weiterer Typ von Autobahnknoten in den Sinn: Bei Hinwil existiert eine Art überdimensionierter Kreisverkehr, der momentan eine Autobahn, eine Autostraße und eine Hauptstraße miteinander verbindet (sichtbar etwa auf http://map.search.ch/?x=13244&y=-15160&z=256&b=low). Die Anbindung der Autobahn von Uster befindet sich in der Detailplanung und wird wohl in den nächsten Jahren erfolgen. Hier werden ebenfalls kreuzungsfreie Verbindungen von jeder Trasse zu jeder hergestellt, und trotzdem ebenerdig. Daß das ganze trotzdem nicht sehr billig war, hat sich im Volksmund im Begriff „goldenes Ei“ niedergeschlagen…

    10. AnFra Says:

      @Psalmist

      Das „Goldene Ei“ ist recht wild. Das muss aber eine riesengroße goldene Ganz gelegt haben. Da werden allerlei verschiedene Straßentypen interessant verbunden. Habe so etwas in den letzten 25 Jahren nicht gesehen!
      Das wird aber sicher ein Abenteuerplatz. Da wird so manch fremde Fahrer auf dieser Trasse verhungern.

      Nachtrag für weitere Infos über Autobahnschnittstellen:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Autobahnkreuz

      Dort bitte auch die weiteren Infos in „Siehe auch“ und „Web-Links“ lesen.

      Auch lesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrplantrasse

      Etymologische Herkunft für Trasse: Vor ca. 230 Jahren aus der französischen Sprache entlehnt.
      Ist für eine abgesteckte Linienführung. Kommt aus fr. „trace“ (abstecken), altfr. „tracier“ (entwerfen), vulg.lat „tractiare“ (ziehen), lat. „trahere“ / „tractus“ (ziehen).
      Habe auch bei den Gevattern Grimm eine interessante Information gefunden: Trasse, fr. Für Troddel, Trottel (als Quaste), Franse.
      Hier kann man auch eine Verbindung dieser Trasse zu unserer Trassierung finden, da hier wie dort Schnüre, Fäden und/oder Seile als Hauptgerätschaft beim Trottel (Quaste) ((Ha-ha-ha)) bei den Militäruniformen und bei der Trassierung des Verkehrbaus wesentliche Rolle spielen.

    11. Psalmist Says:

      @AnFra

      Genau, die Fahrplantrasse hab ich gemeint. Jetzt ist mir grad in den Sinn gekommen, daß es neben der Trasse (womit die Fahrplantrasse gemeint ist) in der Schweiz den Ausdruck „das Trassee“ gibt, der beim Fahrwegbau verwendet wird. Da ich mich (bisher rein hobbymäßig) zwar häufig mit Fahrplanfragen, aber nicht sehr stark mit Fahrwegbau beschäftige, war mir das ganz entfallen. Auch die Sprache ist halt „vertrottelt“ *g* (auf Züritütsch gibts übrigens den Ausdruck „(ver)trödele“ (mit kurzem ö – nicht verwechseln mit „trödle“=trödeln) für „verzwirnen“ noch).

      Merci für die Links! Offenbar konnte man früher auch auf der Trasse des Echterdinger Eis (http://de.wikipedia.org/wiki/Echterdinger_Ei) verhungern – und prinzipiell wäre das auch beim Kleeblatt möglich (Mist, wieso komm ich nicht von der verdammten Autobahn weg…)

      Du scheinst eine Fachperson zu sein – Und ich rätsle, wie man wohl deinen (vermuteten) Beruf bzw. Ausbildung nennen könnte. Verkehrswegplaner ist wohl der falsche Ausdruck; in der Schweiz würde das unter Bauingenieur laufen, aber wie heißt das wohl in Deutschland??? Schon wieder die vertrottelte Sprache! 🙂

    12. solar Says:

      Wenn etwas mehrfach verdreht ist, das man wieder zurückdrehen oder gar entwirren muss, ist es für mich ganz klar nicht „vertrödelet“, sondern „vertrüdelet“ mit ü.

      Ist es nur relativ wenig (eine Umdrehung oder gar nur um 180 Grad verdreht, heisst es „vertrüllet“. Dann muss man halt „zruggtrülle“ (zurückdrehen). Ob da auch noch das Wort „troole“ für rollen mit drin steckt?

    13. AnFra Says:

      @solar

      Ob die Unterscheidung zwischen „vertrödelet“ und „vertrüdelet“ wirklich so streng ist, kann ich als Nichtalemanne nicht mit letzter Gewissheit erkennen. Was mir ins Auge fällt, ist die Info in Grimm WB für „drehend reiben“ mit der indger. Wurzel „ter“. Auszug Grimm WB: …..im alem. öfter mit gerundetem vocal: trült …..trüllen, getrüllet…..
      Sehr viele Sachen, welche ge-, ver- und mitgedreht werden, haben den Wortanfang „Ter, Trill, Drill, Trüll, Drüll…..“. Der Seilermeister drillt auch sein Werkstück. Das Gewehr hat einen Drall. Der Soldat erhält in der Formationsausbildung seinen Drill. In der CH soll es in der rotwelschen Sprache den Begriff „trillen“ für spinnen (Garn) geben.
      Es scheint so zu sein, dass in der CH der Begriff mit „ü“ eher in die Sprachentwicklung passt.
      Für „vertrödeln“ gibt es im GWB „…..mundartlich zuweilen wie vertrillen, vertrollen, vertrüllen ‚fäden verwirren, in unordnung bringen’….. Es ist nicht Zufall, dass auch hier das verdrehen von Fäden eine Rolle spielt.
      Die Trottel (Quaste) wird auch aus verdrillten mit Edelmetalldrähten verwirkten Fäden hergestellt und oft dann in einer Verdrillung zu Quastenfransen gebunden. Der Trottel ( GWB: die in den ostbair.-österr. alpengegenden beheimatete bezeichnung für den kretin (z. b. drottl cretin, ….. trottel ‚blödsinniger‘)).
      Bitte nochmals beachten, das der Trottel und die Trottel nicht verwechselt werden dürfen, obwohl einige Trottel eine solche an der Uniform getragen haben.

    14. Psalmist Says:

      @solar: Ausnahmsweise bin ich mir sicher, daß das ö im Zürichdeutschen richtig ist, weil meine Urgroßmutter (eine Stadtzürcher Ureinwohnerin) und ihre Tochter es so aussprechen bzw. ausgesprochen haben. Auch das „Trödeli“ (Quaste) ist so gesichert. „Vertrüdele“ ist mir aber auch geläufig; in meinen Kindheitserinnerungen höre ich es aus dem Mund von Pädagoginnen, die in einer leichten „jöö“-Sprache mit den Kindern kommunizierten. Darin kommen tendenziell mehr ü statt ö vor. Ältere Lehrerinnen im gleichen Schulhaus hätten ö gesagt. Da gibts nun verschiedene mögliche Erklärungen:

      1) geographisch: ö käme eher in Schwamendingen-Örlikon (und in Richtung Bülach) vor, ü in den Quartieren Riesbach-Tiefenbrunnen (und in Richtung Pfannenstiel/rechtes Seeufer). Da ich aber über die sprachlichen Wurzelorte der Lehrerinnen nichts Sicheres weiß, bleibt dies spekulativ.
      2) Das ü ist tatsächlich eine Folge der von mir subjektiv empfundenen „jöö“-Sprache. Bei den Kindern hat sich dann ü oder ö durchgesetzt, je nachdem, ob man diese „jöö“-Sprache als sympathisch oder als aufgesetzt empfunden hat.
      3) Auch die älteren Lehrerinnen hatten in ihrer Anfangszeit mal ü gesprochen, als sie noch die Schrillheit ihrer Stimme (und Aussprache) brauchten, um sich gegen die uflätigen Gofen durchsetzen zu können. Mit dem Alter hat sich dann eine natürliche Autorität entwickelt, die diesen Effekt unnötig machte, und außerdem wurde es ihnen zunehmend zu mühsam, beim Sprechen immer die Lippen spitzen zu müssen.
      4) Oder aber es handelt sich ganz einfach um einen Lautwandel, den ich zufällig live miterleben konnte und den ich aus völlig subjektiven „jöö“-Sprache-Gründen oder wegen verwandtschaftlicher Bande trotzdem nachzuvollziehen verpaßt habe.

      Such dir was aus! 😉

    15. Phipu Says:

      Hallo AnFra, Solar und Psalmist

      Wenn ihr immer noch über drülle, tröle und verwandte Wörter spekulieren wollt, schaut euch noch mal diesen Artikel an: http://www.blogwiese.ch/archives/504 , in der unteren Hälfte wird etwas in dieser Richtung schon erwähnt.

      Ich selbst kann hier in der Diskussion nicht mithalten. Etwas, jemanden oder sich „drülle“ (drehen) ist mir klar zu östlicher Dialekt. Das heisst für mich „drääie“. Meine Grossmutter sagte lediglich noch „abedroole“ (herunterfallen), was ich selbst aktiv nur noch mit „abegheie“ ausdrücke. Wegen dieses für mich schon als Kind ungewöhnlichen Ausdrucks „droole“ (fallen), verband ich es in meinem geistigen Auge immer mit einer Drehbewegung. Dies sicher wegen dem „Teiggdrööli“ (Walholz).

    16. Denier Says:

      Abe troole (eher mit starkem als schwachem d) ist wie aberugele: Sich einen (Schnee)hang hinunter rollen lassen, ein Fässchen eine Rampe hinunter rollen, …
      Gheie und troole sind für mich nicht synonym.

    17. AnFra Says:

      Hallo @Phipu, @Solar und @Psalmist

      Noch ein Nachschlag für „drüllen“.

      Beim Grimm WB habe ich den interessanten Eintrag gefunden: „TROLLEN (1), adj., gelegentlich für das in gleicher Verwendung übliche gedrollen, das part. prät. von drillen…..“. TROLLEN (2), vb., gehen, sich begeben, fortgehen….. auf die idg. wurzel „der- „ laufen, treten, trippeln‘ zurückgeführt, und zwar über eine germ. Wurzelerweiterung „trus-„, wie sie mundartlich z. b. in ostfries. „trüseln“ „taumeln, stolpern, unsicher oder wankend gehen“ gefunden werden kann; danach ein „truzlōn“ als Vorstufe von trollen möglich. engl. to troll ‚to move or walk about or to and fro’….. wird gewöhnlich von frz. troller hergeleitet und dazu das gleichfalls frz. trôler verglichen, das in älterer Zeit auch in der Schreibung mit -ll- begegnet,….. auch norw. trulla = nd. trullen. Die frz. Worte selbst gelten als Entlehnungen aus dem Deutschen….. Seit Beginn des 16. Jh. in der Regel bezeichnet absolutes „trollen“ die bloße Bewegung, während „„sich trollen““ soviel wie „„sich entfernen““ bedeutet.
      Auch glaube ich nicht, dass die Begriffe für „gheie“ (fallen, werfen …) und „troole“ (fortgehen, sich begeben…) ein und dieselbe Bedeutung haben.
      Denn bei „gheie“ ist Inhaltlich nach meiner Beobachtung das Weggehen, Wegbringen und/oder Entfernen ein wesentlicher Vorgang, beim „troole“ (und aller entsprechenden Ableitungen bis zum „drüllen“ ist es hierbei ein irgend wie geartetes Verdrehen, Abrollen, Rollen, u.ä.m.
      Siehe bei GWB für „Keien“, mundartliche Zusammenziehung von „geheien (gheien, heien), werfen, schlagen, fallen, plagen, bekümmern, verdrießen, ärgern!
      Als Nichtalemanne glaube ich nun, dass „troole“ und „“gheie“ nicht gleiche, vergleichbare oder verwandte Begriffe sind.
      Für drehen (Frage von Jens) im Sinne der Verdrehung eine Gegenstandes meine ich, dass es in CH nur „drüllen“ (Standartdeutsch: verdrehen) lauten kann, im Sinne drehen auf einer Drehbank oder vergleichbarer Vorgänge kann es nur „draie(?!?)“ heißen. Es bezieht sich hierbei also auf eine rotierende Drehung um einen Mittelpunkt. Es ist als ges.germ. Wort anzusehen!
      Meine Ableitung zu dieser Aussage: GWB für „drehen“ ….im Kreis bewegen, ahd. drâjan,….. mhd. dræjen, zusammengezogen dræn….. niederd. draien dreien…..niederl. draien, ags. þrâwan, engl. throw, dän. dreie.
      Erbitte von den Blutsalemannen eine entsprechende Aussage zum „draie(?!?)“.

    18. mare Says:

      @Phipu und Denier
      Für mich ist „gheie“ eher abwertend, so im Sinn von „umegheie“, auch für verwahrlost sich herumtreiben oder „wäggheie“ = „wegwerfen“.

    19. mare Says:

      @AnFra
      Mindestens im frühen 19. Jahrhundert wurde schon nicht mehr zwischen „drülle“ und „dräie“ unterschieden, wie der Refrain eines politischen Liedchens beweist „Redli drüll di ume“. Das wäre ja durchaus nichts Neues, dass sich Bedeutungen anglichen oder veränderten.
      In der Nordwestschweiz ist „drülle“ ohnehin eher nicht gebräuchlich.
      Noch zu „gheie“: „Mach nit sones Gheie“ hörte man mindestens in meiner Jugend und meinte damit „Mavch nicht solchen Lärm, Aufwand, Theater“. Hier also „gheie“ durchaus im Sinn von „Plage“.

    20. Phipu Says:

      An Denier
      Mein Sprachgefühl bestätigt die Aussage, dass „droole“ (Solothurnerdialekt, sonst eher „troole“) mit einer Drehbewegung zusammenhängt. Nur sagte das meine Grossmutter jeweils auch wenn, z.B. ein Kerzenständer kerzengerade aus der Hand auf den Boden schlug.

      Im Deutschen würde „abetroole“ etwa dem „herunterpurzeln“ entsprechen. Dieses Verb erkennt man ja auch im ganz klar drehenden „Höibürzli“ (Purzelbaum). Aber ich schweife ab.

      An AnFra
      „Drääie (draaie, dreie)“ ist einfach die westlichere Form des „drülle (trülle, trölle)“. Dialekte im Grossraum BE, BS, LU benützen ersteres, während im Osten wie im Bereich ZH, SG, GR die zweite Version üblich ist.

      An Mare
      Für mich ist „gheie“ ganz wertfrei einfach überhaupt das einzige Verb für „fallen“. Wenn ich von jemandem „abefaue“ für „herunterfallen“ läuft mir nämlich die Gänsehaut kaltstellend die Haare zu Berge oder so ähnlich. Ausnahme ist das Substantiv: (BE) „Faue schteue, Türfaue, `s Fäueli abegheit, etc.“ (Falle stellen, Türklinke, der Groschen gefallen).
      „Wäggheie“ (ich sage: „furtschiesse“, DE: wegwerfen) oder „umegheie“ (Engl: hang around, DE: rumhängen, auch „umehange“) betrachte ich eher als Ausnahme, da das Verb „gheie“ genau wie „fallen“ einen passiven, unfreiwilligen Hintergrund hat. Für aktives „gheie“ (fallen) muss man sich schon mit „lassen“ behelfen („fallen lassen“, „la gheie“). Nur „schiesse“ (ZH: „schüüsse/rüehre“, DE: werfen, siehe http://www.blogwiese.ch/archives/121 ) wird von Menschen willentlich gemacht.
      Vielleicht brauchst du ein weiteres Verb für „gheie“ (fallen) mit positiver Idee, das meinem Dialekt ganz fremd ist?

    21. mare Says:

      @Phipu
      aufgewachsen sind wir ja offenbar in der Nähe, wenn auch mit gehörigem Altersunterschied; ebenso ist mein Vater aus dem Schwarzbubenland und hat mich in meiner Sprache sehr geprägt. Für mich ist „umfalle“ (du siehst, dass ich die „l“ nicht vokalisiere, und mir ist es egal, wenn das jemand macht, bloss ich mach’s nicht) absolut richtig, ich würde nie „umgheie“ sagen.
      Ich finde ürbigens den gleichen Unterschied auch bei „gränne“ und „briegge“ oder „brüele“, nur geht’s da halt nicht um eine Körper- sondern um eine Gefühls(be)wegung.

    22. Psalmist Says:

      @Phipu
      Du hast grad einen längeren Beitrag von mir hinfällig gemacht und mir einige Schreibarbeit erspart. Sehr treffend finde ich deine Übersetzung „purzeln“ für „troole“ – was hab ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie man die Art des Fallens von „troole“ umschreiben könnte! Daneben gibt es auch noch das „umetroole“, was „kreuz und quer durcheinanderfallen und -rollen“ (etwa von einer ausgeleerten Kiste Murmeln), „herumtorkeln“, aber auch „herumtrollen“ (im Sinn von Blödsinn machen – vgl. „Troll“) heissen kann.

      Die transitive Verwendung von „gheie“ für „werfen“ empfinde ich nicht als Ausnahme. Allerdings kann es wohl nicht für Weitwurf verwendet werden, sondern nur für Würfe mit negativer Wertung und Abwärtsrichtung – so „gheit“ man etwa Abfall in den „Chübu“ oder Steine über den „Hag“ oder etwas wütend auf den Boden. Oder aber man „verheit“ etwas, d.h. verdirbt etwas bzw. macht es kaputt. Diese Verwendung findet sich vor allem noch im Ausdruck „es isch mer abverheit“ (d.h. mißlungen), kommt aber noch in einem Spruch aus „Alti Värsli und Liedli“ vor:

      Z Galänzburg bini gange
      Ha Chacheligschirr gchouft
      Bi d Stäge abegheit
      und ha alles verheit.

      Ich ging zu Galenzburg (oder was das immer heißen sollte),
      kaufte Porzellangeschirr,
      fiel die Treppe runter
      und hab alles zerbrochen.

      Die erste Zeile war mir schon als Kind immer ein Rätsel; ich habe dann ein Wortspiel mit galant und Lenzburg vermutet. Vielleicht habe ich aber auch den Text falsch im Gedächtnis – falls es jemand besser weiß, bitte korrigieren!

    23. mare Says:

      @Psalmist
      Könnte es heissen „Ga Länzburg bini gange“? „Ga“ im Sinne von „gegen“ oder „nach“. Das Metrum bliebe gleich.

    24. Psalmist Says:

      Aha, das macht meh Sinn. 😉 Merc!

    25. Alpöhi ab dem Neuenburger Jura Says:

      An Mare
      Also gut, damit muss ich wohl leben, dass es Dialekte gibt, die ohne erröten „umfaue/umfalle“ und „abefaue/abefalle“ sagen, und dies ohne Migrationshitergrund über das Standarddeutsche zu haben (ob l oder u für l steht, ist irrelevant). Ich selbst bringe das Verb „falle/faue“ aber nach wie vor nicht aktiv über die Lippen. In meinem Hang zur Selbsthinterfragung habe ich natürlich versucht, mir selbst solche „Fäu“ (Fälle) zu unterstellen. Aber es gibt wirklich nur zusammengesetzte Verben, die sich mit dem Standarddeutschen in meine Sprache geschmuggelt haben, die ich für „erlaubt“ halte. Die naheliegendsten Beispiele sind jedoch nicht einmal Verben. Z.B. verumfaut (Psalmist beachte das m in der Mitte), uffäuig, Abfau (habe ich auch schon gesagt, statt „Ghüder“, mea culpa), ifaue (statt „z Sinn cho“), Durchfau (müsste ganz stur ja „Düreghei“ heissen, was „zuefäuig“, ich unterstreiche, zufällig wieder lautmalerisch näher bei der medizinischen Diarrhoe läge).

      Genau um von diesem unappetitlichen Sinn wegzukommen, möchte ich bei „mach nid so-n-es Ghöi“ lieber an „Geheue“ denken, abgleitet von „heuen“, also „Heu“ (für Nutztiere sehr appetitlich!). Die Erklärung zu diesem Gedanken kann ich mir jedoch nicht zusammenreimen, es ist eher so eine Art subjektives Verständnis. „Gezeter, zetern“ hat nach Grimms Wörterbuch ja keinen Zusammenhang mit „zetten“, was sowieso eher Mist statt Heu betrifft. So ein Mist, da sind wir schon wieder bei etwas unappetitlichen.

      Also, das mit dem Altersunterschied müsste noch geklärt werden. Soo furchtbar alt bin ich nun auch wieder nicht! Wenn es andersherum gemeint war, danke für das Kompliment!

      An Psalmist
      „I ha aues verheit“ hat sicher wie „furtgheie“ einen aktiven Hintergrund. Die Menschen werfen natürlich etwas willentlich weg, deshalb sprach ich auch von Ausnahme. „I ha aues verheit“ klingt für mich jedoch nach stolzerfülltem Gewinner nach einem Ehekrach. Mit etwas Scham hätte ich das Versli eher auf „s’isch mer aues verheit“ komponiert (wie auch „mir isch es abverheit“ z.B. verpatzte Prüfung). Damit wird die Passivität der Handlung vorgeschoben, das Pech ist schuld.
      Bei „aktivem gheie“ steht in meinem sprachlichen Usus wirklich das Wort „schiesse“ (schmeeze, schüüsse, rüehre u.v.m., je nach Dialekt) im Vordergrund. „I gheie di i See, wenn das machsch!“ käme am spontansten als „I schiesse di i See…“ heraus. Und wie weiter oben erwähnt, eher „furtschiesse“ statt „wäggheie“. Ich schliesse jedoch nicht aus, dass darin auch viele subjektive und dialektspezifische Überlegungen enthalten sind.
      Abgesehen davon ist praktisch jedes „fallen“ in irgend einer Weise negativ behaftet. Es gibt ziemlich wenig Wörter, mit „Fall, fallen“, die positive Gedanken übertragen (Ausnahmen fremdsprachig: „to fall in love“ oder „tomber amoureux“).

      Dass man über „Busse statt Strafe“ und „Autobahnverzweigung“ statt „-Dreieck“ so viel schreiben kann, ist schon erstaunlich.

    26. Phipu Says:

      An Mare
      Also gut, damit muss ich wohl leben, dass es Dialekte gibt, die ohne erröten „umfaue/umfalle“ und „abefaue/abefalle“ sagen, und dies ohne Migrationshitergrund über das Standarddeutsche zu haben (ob l oder u für l steht, ist irrelevant). Ich selbst bringe das Verb „falle/faue“ aber nach wie vor nicht aktiv über die Lippen. In meinem Hang zur Selbsthinterfragung habe ich natürlich versucht, mir selbst solche „Fäu“ (Fälle) zu unterstellen. Aber es gibt wirklich nur zusammengesetzte Verben, die sich mit dem Standarddeutschen in meine Sprache geschmuggelt haben, die ich für „erlaubt“ halte. Die naheliegendsten Beispiele sind jedoch nicht einmal Verben. Z.B. verumfaut (Psalmist beachte das m in der Mitte), uffäuig, Abfau (habe ich auch schon gesagt, statt „Ghüder“, mea culpa), ifaue (statt „z Sinn cho“), Durchfau (müsste ganz stur ja „Düreghei“ heissen, was „zuefäuig“, ich unterstreiche, zufällig wieder lautmalerisch näher bei der medizinischen Diarrhoe läge).

      Genau um von diesem unappetitlichen Sinn wegzukommen, möchte ich bei „mach nid so-n-es Ghöi“ lieber an „Geheue“ denken, abgleitet von „heuen“, also „Heu“ (für Nutztiere sehr appetitlich!). Die Erklärung zu diesem Gedanken kann ich mir jedoch nicht zusammenreimen, es ist eher so eine Art subjektives Verständnis. „Gezeter, zetern“ hat nach Grimms Wörterbuch ja keinen Zusammenhang mit „zetten“, was sowieso eher Mist statt Heu betrifft. So ein Mist, da sind wir schon wieder bei etwas unappetitlichen.

      Also, das mit dem Altersunterschied müsste noch geklärt werden. Soo furchtbar alt bin ich nun auch wieder nicht! Wenn es andersherum gemeint war, danke für das Kompliment!

      An Psalmist
      „I ha aues verheit“ hat sicher wie „furtgheie“ einen aktiven Hintergrund. Die Menschen werfen natürlich etwas willentlich weg, deshalb sprach ich auch von Ausnahme. „I ha aues verheit“ klingt für mich jedoch nach stolzerfülltem Gewinner nach einem Ehekrach. Mit etwas Scham hätte ich das Versli eher auf „s’isch mer aues verheit“ komponiert (wie auch „mir isch es abverheit“ z.B. verpatzte Prüfung). Damit wird die Passivität der Handlung vorgeschoben, das Pech ist schuld.
      Bei „aktivem gheie“ steht in meinem sprachlichen Usus wirklich das Wort „schiesse“ (schmeeze, schüüsse, rüehre u.v.m., je nach Dialekt) im Vordergrund. „I gheie di i See, wenn das machsch!“ käme am spontansten als „I schiesse di i See…“ heraus. Und wie weiter oben erwähnt, eher „furtschiesse“ statt „wäggheie“. Ich schliesse jedoch nicht aus, dass darin auch viele subjektive und dialektspezifische Überlegungen enthalten sind.
      Abgesehen davon ist praktisch jedes „fallen“ in irgend einer Weise negativ behaftet. Es gibt ziemlich wenig Wörter, mit „Fall, fallen“, die positive Gedanken übertragen (Ausnahmen fremdsprachig: „to fall in love“ oder „tomber amoureux“).

      Dass man über „Busse statt Strafe“ und „Autobahnverzweigung“ statt „-Dreieck“ so viel schreiben kann, ist schon erstaunlich.

    27. mare Says:

      @Alpöhi etc.
      Zum Altersunterschied: Ich weiss nicht sicher, ob Phipu und Alpöhi identisch sind, die bemrkung mit dem Altersunterschied war an Phipu gerichtet. Und ich wollte nicht sagen, dass er älter sei als ich, ganz im Gegenteil!

    28. AnFra Says:

      @Alpöhi mit dem langen Namen

      …..Dass man über „Busse statt Strafe“ und „Autobahnverzweigung“ statt „-Dreieck“ so viel schreiben kann, ist schon erstaunlich.

      Grundsätzlich ist diese Feststellung richtig, jedoch möchte ich sagen, dass in dieser Diskussion über die Frage, was ein Dreieck oder eine Verzweigung ist, eine hochinteressante Entwicklung gestartet wurde, bei der fast schon eine arabeske Sprachen- und Sinnd Diskussion erwachsen ist.
      Für mich als Nichtalemanne, welcher vor ca. 50 Jahre unter die Alemannen gefallen ist, ergibt sich für mich JETZT die Möglichkeit, wertvolle Informationen, verschiedenartige Ansichten, Nuancen und Interpretationen zu erfahren, um mein Umfeld und die südlichen Nachbarn besser kennen zu lernen. Daraus schöpfend kann gesagt werden, dass bei solcherart geführten Diskussionen die Erkenntnis erwächst: Jetzt verstehe ich ihn und er versteht mich!
      Wenn wir dieses sagen können, ist im Gewusel der Worte und im Sturm der Informationen sowie im Müll- / Kehrricht-Eimer des Entertainment s sicherlich ein Kristallisationskern der Verständigung erwachsen.
      Oder?

    29. Psalmist Says:

      @Alpenphipu:
      War das jetzt Absicht oder „Zueghei“, sich zu outen? 🙂

      Klar, daß „fallen“ häufig einen negativen Beigeschmack hat, da es meist unwillentlich geschieht (und damit Verlust oder Verletzung möglich ist). Das aktive „gheie“ würde ich auch meist mit „rüere“ (werfen) ausdrücken. Noch deutlicher ist es beim „verheien“. Außer im besagten Vers würde ich immer ein anderes Wort nehmen, etwa „kaputtmachen“ (Ausnahme: der stehende Ausdruck „es isch mer abverheit“). „verheien“ tönt für mich sehr archaisch; ich vergleiche das mit dem deutschen „verderben“, dessen Bedeutungsspektrum weiland auch allgemein „kaputt/ unbrauchbar machen“ umfasste und heute eingeschränkt ist. Damit hätte ich auch sagen können: „Ich hab das Porzellan fallen gelassen und damit verdorben (oder verderbt) (d.h. zerbrochen).“ Oder: „Die Ameisen krabbeln zuhauf in meine Küche. Mit meinem Insektenspray habe ich sie nun alle verdorben“ (d.h. getötet).“

      @mare und Phipu: Habt ihr das „ga“ noch im aktiven Wortschatz oder braucht ihr andere Begriffe?

      @solar: Ein paar alte Berner haben mich noch an die Variante „verträdelet“ erinnert…

    30. Psalmist Says:

      @Anfra und Alpöhi:
      „…..Dass man über „Busse statt Strafe“ und „Autobahnverzweigung“ statt „-Dreieck“ so viel schreiben kann, ist schon erstaunlich.“

      Das finde ich auch. Vor allem wenn man bedenkt, daß der Artikel ja bereits das zweite Mal gepostet ist und sich in der Diskussion praktisch keine Wiederholungen ergeben. Insgesamt sind wir also bereits bei gegen 45 Kommentaren und können uns bald mit den kontroversen Gewehr-im-Schrank-Postings messen… Spannend ist ja schon, wie man vom Autobahnknoten über Trasse (bzw. Trassee) und Trottel zum Trädele und Trüle und troole zum gheie und verheie kommt – apropos: Wo Phipu „schiesse“ sagt, sag ich „rüere“ – womit wieder ein neues Thema angeschnitten wäre 😉

    31. mare Says:

      @psalmist
      „ga“ habe ich noch im aktiven Wortschatz

    32. AnFra Says:

      @Psalmist

      ….. Wo Phipu “schiesse” sagt, sag ich “rüere” – womit wieder ein neues Thema angeschnitten wären!

      Da kann man nur zustimmen. Durch Dich und Phipu ist mir klargeworden, wie die innere Verbindung beider scheinbar sehr unterschiedlicher Begriffe zu erfolgen hat. Diese Verbindung erfolgt durch die „Wurfparabel“!!!

      Bei „schiesse“ kann man von einer Anwendung einer Schleuder (Steinschleuder, Katapult (hier Balliste) ausgehen. Hierbei wird z. B. ein Stein, Bleistück, Steinkugel, Brandsatz, Fäkalienfaß uam. weggeschleudert. Es ist also ein „schiesse“.
      Es hat mit dem engl. „shitt“ als Ausscheidung oder dem „Abschnitt“, „Abfall“ uam. nichts zu tun, wie es mir schon oft dargestellt wurde.

      Bei „rüere“ kann nach Grimm Wörterbuch vom „rühren“ ausgegangen werden. mhd. rüeren, rüerte, ruorte; ahd. ruoren, hruoren, mnd. rôren, alts. hrôrian; altfries. hrêra, ags. hrêran; altnord. hrœ́ra; dän. röre, schwed. röra; nld. roeren.
      Das Wort ist im goth. unbelegt, seine Herkunft dunkel. „rühren“, mit der Bedeutung etwas in Bewegung setzen.
      Eine weitere schöne Fundstelle: schweiz. „rühren“ im Sinne von werfen: einen Stein werfen „en stei rüere“ sowie jemandem eine Ohrfeige versetzen: „aim aini rüere“.
      Beim Begriff werfen (eines Steines) ist wieder die „Wurfparabel“ die verbindende Klammer.
      Erbitte hierzu eure Meinung.

    33. Phipu Says:

      An Psalmist und Mare

      „Ga“ im Sinne von „gegen/nach“ brauche und kenne ich nicht. Ich verwende das heute wohl häufiger verbreitete „uf“ für „nach“. Müsste ich also selbst diesen Vers komponieren, würde es sicher „uf Länzburg…“ oder „gäge Länzburg …“ heissen. (wie in „Vo Lozärn gäge Wäggis zue …“ = „in Richtung“).

      Siehe auch meinen Vortrag, äh, Eintrag zum Thema „uf = nach, z‘(zu) = in“, der übrigens geografisch in Lenzburgs Nähe angesiedelt ist: http://www.blogwiese.ch/archives/117

      „Ga Länzburg …“, wenn es denn so heisst, erscheint mir aber auch anhand des Hochdeutschen durchaus möglich. In alten Schriften steht ja jeweils „gen Bethlehem“ oder „gen Westen“.

      Mit dem Alpöhi bin ich natürlich einfach beim Pseudonym-nicht-Auswechseln „inegheit“ (reingefallen). An solch plumpen Fehlern erkennt man, wer wenig Potential hat, ein heimliches Doppelleben zu führen; und sei es auch nur auf einem Blog. Einigen anderen würde ich in diesem Sinne weder von hinten noch von vorne vertrauen. „Alpöhi“ passte aber schliesslich zur Diskussion über das Alter nicht schlecht. Meine Klarstellung-fordernde Bemerkung hat mich aber belehrt, dass ich mich nun wohl eher „Geissenpeter“ benennen sollte, was hingegen aufgrund der Existenz eines solchen Blogs nicht geht: http://heidiswelt.blogspot.com/ . Um die Diskussion in übersichtlicher Weise weiterzuführen, bleibe ich wohl besser bei meinem bisherigen Namen.

      An AnFra

      Gar so neu ist nun das Thema „rüehre – schiesse“ für die Blogwiese auch wieder nicht. Siehe dazu die bereits weiter oben erwähnte Seite mit ihren Kommentaren: http://www.blogwiese.ch/archives/121 . Deine Ergänzungen würden wunderbar als Kommentar auch dorthin passen.

      So abrupt will ich aber die alle Richtungen weiterziehende Diskussion nicht versiegen lassen. Deshalb nehmen wir das Thema „schiesse – rüehre“ in diesen Kolonnen als neu auf und ich frage in diesem Sinne: Wer von euch würde wirklich sagen „Eim eini schiesse / Äim äini rüehre“ für „Jemandem eine schmieren“? Diese Aussage kenne ich (vielleicht aus regionalem Dialekt begründet) eben nicht. Das Wurfkatapult „Hand“ bei der Ohrfeige fliegt ja im Gegensatz zu den anderen Beispielen (etwas werfen, jemanden irgendwohin stossen/werfen) nicht davon.

    34. AnFra Says:

      @Phipu

      Was Du sagst ist schon richtig, aber die „Hand“ ist ja der Katapulthebel, mit welchem man die Ohrfeige auf den Gegenüber „schiesst“. Die Ohrfeige wechselt zum Gegenüber!
      Die Katapulthand kann dann neu geladen werden. Das „schiesse“ kann / muss man nicht obligatorisch mit dem Schuss einer Schiesswaffe in Verbindung bringen.
      Die Katapulte haben beim „schiesse“ technisch-physikalisch eigentlich tatsächlich geworfen. Der Begriff „schiesse“ ist meiner Meinung wesentlich älter als für die Anwendung bei Schusswaffen.
      In D habe ich nur vom Ohrfeigen schießen gehört. Jedoch habe ich vor 30 Jahren in der CH von endemischen Alemannen den Begriff vom Ohrfeigen „rüehre“ auch sagen hören. Eigentlich ist es wohl der gleiche Inhalt von zwei verschiedenen Seiten aus gesehen.
      Wat nu?

    35. Phipu Says:

      Lieber AnFra

      Du musst dich wohl mit einer besonders für Schweizer Ohren durchaus üblichen Antwort zufrieden geben: „das ist halt von Region zu Region verschieden“.

      Normalerweise hört man diese Antwort im Bereich schulische Erziehung, Steuern, Polizei- und Behördenwesen, kurz, alles, was nicht gleich von einer nationalen, europäischen oder globalen Institution kontrolliert wird. Nur heisst es da häufiger: „das ist von Kanton zu Kanton verschieden“. Die Sprachgrenzen verlaufen ja bekanntlich nicht genau den Kantonsgrenzen entlang, deshalb glaube ich dir gerne dass man z.B. im Südbadischen Raum, im Bodenseegebiet und in der Ostschweiz „aini rüehre“ oder „aini schiesse“ für „ohrfeigen“ sagt oder sagte. Nur war mir das bisher nicht bekannt und ich habe dazugelernt. Eigentlich hätte ich ja gehofft, mein Aufruf bringe noch viel mehr solche Beispiele. Inzwischen schaut wohl aber niemand mehr in diesen weit von der aktuellen Seite entfernten Kolonnen mehr vorbei.

      Ich selbst muss mich also auch mit einer mathematisch-physikalisch unbefriedigenden Antwort zufrieden geben: Sprachen sind halt keine exakte Wissenschaft und alles ist von geografischen Einflüssen und dem Wandel der Zeit unterworfen.

    36. AnFra Says:

      @Phipu

      Lieber Phipu,

      da hast Du recht. Wir sind wohl nun in der vorwärtsstürmenden Sprachenrasanz die letzten Mohikaner. Um in unserer Art zu sagen, sind wir nun in der römischen Marschkolonnen der letzte Haufen. Halt die fuß- und geschl.-kranken Pedalisten. Der letzte Haufen. Wenn es neue Erkenntnisse bezüglich von den „Ohrfeigen“ geben sollte, so können wir uns gegenseitig informieren.

      PS. Es dünkt mich, das der Herr Otto von und zu Nirgendwo irgend wie in unsere Untersuchung bezüglich des Begriffes „rüehre – schiesse“ als Versuchsobjekt gut geeignet sein könnte.

    37. Psalmist Says:

      Na sowas! Da kommt man wenige Tage nicht zum Schreiben, und schon wird eine Diskussion für beendet erklärt! Da setze ich mich aber glatt drüber hinweg und gebe meinen Senf doch noch dazu. 🙂

      Lieber Anfra

      Das mit der Wurfparabel scheint mir etwas aufgesetzt zu sein. Ich kann durchaus auch etwas senkrecht fallenlassen und somit „aberüere“. Gut, rein mathematisch ist das natürlich ein Grenzfall einer Wurfparabel, was im Sinn der Infinitesimalrechnung noch knapp akzeptabel wäre – aber das hast du wahrscheinlich nicht gemeint…

      Aber ob Rüerparabel oder Schiessparabel (was ich beides noch nie gehört habe) – ich würde sagen, schiesse (oder ZH schüsse) ist eher katapultiv (auch ein Gewehr katapultiert sozusagen, zumindest für mein Griechischverständnis), während rüere (immer?) von Hand geschieht. So kann man mit einem Gewehr keine Kugeln rüere, aber auch von Hand einen Stein schüsse. Schüsse beinhaltet die Bedeutungen von Rüere (auch ZH), womit im Berndeutschen kein Verlust entsteht, wenn letzteres aufgegeben wird. Das gilt zumindest beim werfenden Rüere.

      Beim Um(e)rüere im Sinn von umrühren von Teig in der Schüssel hingegen bin ich nicht sicher, ob das ev. auch in Bern so bezeichnet wird *zu den Fachpersonen schiel*. Es existiert allerdings (da bin ich aber grad völlig unsicher, auf welche Dialekte sich das erstreckt) auch noch die Ausweichformulierung „(z)underenand mache“.

      Den Ausdruck „öppertem eini rüere“ für Ohrfeigen kenne ich auch nicht, finde es aber intuitiv ostschweizerisch plausibel. Übrigens @Phipu: Die Hand fliegt zwar nicht davon, aber die Ohrfeige…

      Psalmist

      P.S. Wohin willst du den Herrn Otto denn werfen…?

    38. Phipu Says:

      An Psalmist und AnFra

      Eigentlich war ich ja zu faul, jeden Tag wieder nachzuschauen, ob vielleicht nicht doch jemand wieder etwas zu diesen längst vergangenen Zeilen geschrieben hat. Deshalb habe ich mit sanftem verbalem Druck in Richtung Diskussionsende gedrängt.

      Offenbar habe ich den Seitenblick auf die Westhälfte des Schweizerdeutschen Sprachraums gespürt, und muss da noch eine wichtige Ergänzung machen, auch wenn vieles davon substantiell schon in Psalmists Erklärung steht: „rüehre“ im Wurf-Zusammenhang zu benützen ist besonders Ost-Dialekte-lastig. Im Grossraum Bern und Basel, wie die folgenden Kommentare (jeweils der oberste sichtbare) belegen, wird „rüehre“ nur für das hochdeutsche „rühren“ gebraucht (Küchenvokabular) und „schiesse“ ist Berndeutsch das einzige Wort für „werfen, schiessen“ (Katapultvokabular). Im Raum Basel könnte ich mir eine Variante „wärfe“ noch zusätzlich vorstellen. In Bern „hei d’Demonschtrante Schteine gschosse“ während „die säbe z’Züri Schtäi grüehrt händ“. Ob jedoch „sälli z’Baasel Schtai gwoorfe hänn“ müsste ich mir noch bestätigen lassen (die Demonstranten haben Steine geworfen).

      http://www.blogwiese.ch/archives/121#comment-1564

      http://www.blogwiese.ch/archives/121#comment-10567

      Nach meinem Sprachempfinden für andere Dialekte würde ich jedoch behaupten, Die einfachste Eselsleiter/Eselsbrücke für die Subtilitäten des Verbs „rüehre“ im östlichen Sinne (Katapult) verstanden, ist dieses „rüehre“ durch „werfen“ zu ersetzen. Damit hat man auch den Unterschied zu „schüüsse“ (z.B. aus Feuerwaffen wird in jedem Fall „gschosse“ und Steine werden in der Regel „grüehrt“, ausser in Dialekten, die nur „schiesse“ und kein „rüehre, wärfe“ kennen).

      Die Katapultfrage in senkrechter Richtung gegen den Boden analysiere ich folgendermassen: Wenn das Bébé (Baby, Kleinkind) Otti (Name gefeikt) den Nuggi (Schnuller) mit seiner Handbewegung von hinten oder von vorn aus dem Bögi (Buggy, Sitzkinderwagen) senkrecht zu Boden wirft, dann ist das „rüehre“ (werfen), weil willentlich. Fällt ihm aber dieser Nuggi aus dem Mund auch wieder senkrecht z.B. ins Schwümmbassäng (frz. Bassin, Schwimmbecken; zugegeben, das Beispiel ist etwas b’scheuert), über welches es sich gebeugt hat, ist das „gheie“ (fallen), weil unabsichtlich. Damit ist übrigens auch klar, dass nicht Otto geworfen werden soll.

      Das mit der „rührenden“ Ohrfeige bleibt für mich immer noch eine indirekt übernommene Idee. Denn die meisten mir bekannten Ausdrücke in diesem Sinne beziehen sich auf den die einschlagende Wirkung des Katapults Hand und nicht auf den Abstoss („chläpfe, eini brätsche, tätsche, chlepfe“ etc.).

      Andererseits wurde auch das ursprünglich hochdeutsche Wort „werfen“ in den Dialekt übernommen (analog Diskussion zu „fallen“). Z.B. „Bäueliwitwurf“ (Ballweitwurf, müsste BE: „Bäueliwitschuss/-schiesse“ oder ZH: „Böllewiitrüehr[-e]“ heissen) oder „Schpeerwärfer“ (Speerwerfer = „Schpeerschiesser“ oder „Schpeerrüehrer“).

    39. AnFra Says:

      @Psalmist

      Zu Deiner Frage wg. Herrn Otto hier meine Antwort:

      Den edlen Herrn von und zu Nirgendwo, selbsternannter Fürst Otto,
      den „schiesse“ wir auf den Mond, das ist unser geheiligtes Motto,
      oder besser ists, wir „rüehre“ ihn in das unendliche Nirwana,
      da er teutonisch ist, lassen wir lieber „gheie“ ins Walhalla.

    40. Psalmist Says:

      @Anfra: Das gibt aber wohl nur schwerlich eine Wurfparabel. *gg*

      @Phipu:
      Zum „Rühren“ einer Ohrfeige habe ich noch eine andere Assoziation, und zwar in Anlehnung zum Ausdruck „öppertem eis (oder eini) lange“ (der mir noch geläufig ist). Vielleicht steckt da die Idee dahinter, daß man die Hand ausstreckt, um jemanden zu be-„rühren“ bzw. „anzulangen“. Dies wäre dann entweder euphemistisch gemeint oder als „anrühren“ bzw. „an etwas/ jd. rühren“, das in einem etwas älteren Deutsch durchaus auch aggressiv verstanden werden kann (weil die negative Formulierung „rühr es/ ihn etc. nicht an!“ auf die positive abgefärbt hat). Dann wäre „öppertem eis schiesse“ dann analog dazu entstanden, wobei vielleicht der Gedanke an den „Chlapf“ (Knall), den es beim „schiesse“ mit einer Schußwaffe gibt, mitgespielt hat.

      Übrigens: „sich rode“ (CH) für „sich rühren“ (DE) kenne ich noch, trotz meines jugendlichen Alters. Für beide Begriffe existiert auch eine transitive Form, nämlich „rode“ (=bewegen, antreiben, umrühren – nicht in allen Dialekten vorhanden, die „sich rode“ kennen!) bzw. das bereits erwähnte „(an)rühren“ (durch einen kleinen Impuls (Stups) in Bewegung versetzen, anstoßen, berühren, vgl. Grimm zu „rühren“ bzw. „anrühren“), die wohl ursprünglich ziemlich synonym waren. Übrigens hat dieses „rode“ nichts mit dem „roden“ zu tun, das man etwa mit einem Wald macht (und das Grimm seltsamerweise als mittel- und niederdeutsch bezeichnet, obwohl ich es ebenfalls als züritütsch empfinde).

    41. AnFra Says:

      @Psalmist

      Lieber Psalmist,

      Deine Antwort-Fragen-Aussage hat mich etwas gebeutelt. Jedoch glaube ich, folgend einen gewissen naturwissenschaftlichen Beweis hierfür erbringen zu können! *gggg*

      Wenn man „Mond, Nirwana und Walhalla“ als Objekte im unendlichen Weltall annimmt, so kann gesagt werden, dass unser Wurfobjekt Fürst Otto bei „schiesse, rüehre und gheie“ von der Erde aus sicherlich mit einer Wurfparabel beginnt und dann im Weltall in der Keplerparabel auf die jeweilige Ellipse mit dem zugehörigen Zielort gelangt.
      Nun scheint tatsächlich die kürzeste Verbindung auch in diesem Falle eine Gekrümmte zu sein.
      Bei diesem Weg zum Mond sowie darüber hinaus ins Nirwana und/oder Walhalla hilft hierbei die universelle Sprachparabel alle Widerstände hinter sich zu lassen.
      Da es im Weltall es ohne Belang sei, was OBEN und UNTEN ist, dann spielt es auch keine Rolle was VORNE und HINTEN, LINKS und RECHTS ist. Spielt es denn überhaupt eine Rolle ob dabei es RICHTIG oder FALSCH sei?

      Fortsetzun:

      Den edlen Herrn von und zu Nirgendwo, selbsternannter Fürst Otto,
      den „schiesse“ wir auf den Mond, das ist unser geheiligtes Motto,
      oder besser ists, wir „rüehre“ ihn in das unendliche Nirwana,
      da er teutonisch ist, lassen wir lieber „gheie“ ins Walhalla.
      Ob mit einer Wurf-, Kepler- oder gar Sprachparabel,
      Hauptsache er ist nun dort, nur das ist passabel.