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Schweizer Aussenverteidigung in Krisenzeiten — Geschäften auch Sie in der Schweiz?

  • Der Feind kommt von Norden
  • Als die Welt noch geordnet war und Gefahren klar erkennbar, da entstand die Schweizer Verteidigungslinie im Norden des Landes, unweit des Rheins. Die Gebiete nördlich des Rheines (Eglisau zum Beispiel) galten während der Naziherrschaft in Deutschland sowieso als verloren. Wir schrieben schon über die immer noch vorhandenen Reste dieser Verteidigungsanlagen, wie z. B. dieser versteckte Scharfschützenstand am Ende der Flughafenautobahn, im Wald bei Bülach gelegen

    Schiesstand bei Bülach

    in „die Kunst der heimlichen Landesverteidigung“.

  • Ein Elitesoldat zur Abschreckung
  • Kurz nach den Angriffen auf Amerika am 11. September 2001 richtete in der Schweiz im Kanton Zug ein Amokläufer ein schreckliches Blutbad an. Er verwendete selbstverständlich keine Militärwaffe, denn das gehört sich nicht, aber einige weiteren Waffen, u. a. Pumpguns, die er sich zuvor legal und ohne Registrierung in verschiedenen Kantonen zusammenkaufen konnte, obwohl zu diesem Zeitpunkt sein aggressives Verhalten gegenüber einer Behörde schon aktenkundig geworden war.

    Ungefähr zu dieser Zeit sahen wir mit einmal an der Grenze Militär auffahren. Keine Schützenpanzer, keine zusätzliche Kontrolle zur EU, nein, es war ein einsamer, dafür aber umso beeindruckend aussehender Elitesoldat im langen Wintermantel. Gross, kräftig, breitschultrig, mit Gewehr stand er an der Grenze bei Hüntwangen und blickte grimmig in Richtung Norden. Mehr tat er nicht, nur schauen und Präsenz zeigen. Beeindruckend, und sicher absolut abschreckend.

  • Kein Bademeister sondern Gefahrenabwehr am See
  • Kurze Zeit später fand im Frühjahr 2002 die EXPO-02 statt, die grosse Schweizer Landesausstellung, im „Dreiseenland“, wie das Gebiet zwischen dem Murtener, Neuenburger und Bieler See genannt wird. In den Orten Yverdon und Neuchâtel lag das Ausstellungsgelände am bzw. im Wasser, auf Pontons und Säulen errichtet. Dort in Yverdon und in Neuchâtel sahen wir sie das zweite Mal, die praktische Gefahrenabwehr und Landesverteidigung auf Schweizer Art: Auf einem Hochstuhl, wie wir ihn sonst nur vom Tennis für den Schiedsrichter am Netz bzw. vom Schwimmbad für den Bademeister am Beckenrand kannten, sassen im Abstand von 150 Meter jeweils ein Soldat, ob mit oder ohne Waffe kann ich nicht mehr sagen (vielleicht versteckt unter dem Mantel?), und blickte aufmerksam auf den See. Praktische Gefahrenabwehr à la Suisse.

  • Das Schnellboot ist erkannt, das Schnellboot ist gebannt
  • Wenn nun ein Schnellboot, vollgepackt mit Sprengstoff auf die künstlichen Plages zugerast gekommen wäre. Er hätte es gesehen! Er wäre vielleicht sogar aufmerksam geworden. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Schnellboote, genauer gesagt „Tragflügelboote“ waren auf dem Neuenburger See sogar im Linienverkehr unterwegs zur Zeit der Expo, um die diversen „plages“ ohne Plage miteinander zu verbinden.

  • Warum wird die Schweiz nicht angegriffen?
  • Ob so auch Angriffe von Tauchern erkannt worden wären? Zum Glück ist nichts passiert. Die Schweiz ist ja neutral, da passiert dann auch grundsätzlich nichts in solchen internationalen Krisenzeiten. Wer zerdeppert schon gern den Ort, an dem er sein Nummerkonto hat oder der Bruder von Bin Laden als grundsolider Businessman in Genf geschäftet. Und ausserdem, wie sollte denn die Schweiz angegriffen werden, wenn da diese Elitesoldaten stehen und aufpassen? Unmöglich.

  • Geschäften ist absolut schweizerisch
  • „Geschäften“ kennen Sie nicht? Das sagt man in der Schweiz gern immer dann, wenn jemand in Deutschland „sein Geschäft macht“ heisst, was uns wiederum an ein stilles Örtchen erinnert, auf das selbst ein König allein geht. So kann es gehen mit den sprachlichen Missverständnissen. Erstaunlich, dass unsere Lieblingsquelle, der Duden, dieses hübsche Wort nicht kennt. Von „geschäftsmässig“ über „geschäftig“ und „sein Geschäft machen“ ist alles dabei, nur nicht das so einfache und praktische Wörtchen „geschäften“. Müssen wir unbedingt für die nächste Auflage vorschlagen, mit einem kleinen Schweizerkreuz-Fähnchen angesteckt auf dem „Swiss Quality“ geschrieben steht. Sie haben praktische Wörter in der Schweiz,

    12 Mal fand sich „er geschäftet“ bei Google-CH und kein einziges Mal bei Google-DE. Den Infinitiv „geschäften“ kann man mit Google leider nicht sinnvoll suchen, weil sich Google nicht auf die Kleinschreibung festlegen lässt und so stets der Plural von „Geschäft“ gefunden wird. Wie sagt man eigentlich in der Standardsprache für „geschäften“? „Ein Geschäft betreiben“, oder „in Geschäften unterwegs sein“, oder „Geschäfte machen“, womit wir wieder beim Klo sind, der in der Schweiz ein Abort ist, den man mit AB abkürzt, was die Deutschen dann wiederum für einen Anruf-Beantworter halten, der in der Schweiz nur ein „Beantworter“ ist. Aber jetzt ist Schluss. Das Geschäft ruft.

    

    13 Responses to “Schweizer Aussenverteidigung in Krisenzeiten — Geschäften auch Sie in der Schweiz?”

    1. gurke Says:

      Ohne jetzt gleich in Eigenwerbung verfallen zu wollen, ist mir bei Ihrem Artikel sofort folgendes Foto eingefallen:

      Soldate auf dem Hochstuhl
      http://guerk.li/expo.02/yverdon/DSC00406.html

      Soweit ich mich erinnern kann, trugen die Soldaten keine Waffe und nahmen wohl auch eher die Aufnahmen eines Bademeisters – oder eines Aufsehers wahr.
      Freundliche Grüsse!

    2. solar Says:

      Ach Jens! Herzlichen Dank für die vielen Gelegenheiten zum einfach rauslachen allein in diesem heutigen Beitrag! Du bist ein so aufmerksamer Beobachter, dass man volles Vertrauen haben könnte, wenn Du allein unsere Grenzen unter Kontrolle hättest. Nur schon die Erinnerung an diese Expo-Wachausguckposten – ich hatte sie völlig aus der Erinnerung verloren.

      Schade, dass der Duden so viele unserer praktischen, schlichten Wörter wie etwa dieses „geschäften“ noch nicht aufgenommen hat. Wer viel geschäftet, hat doch keine Zeit für so gewundene Umschreibungen, wie Du sie angeführt hast.

      Auch das mit dem AB: Sagt man tatsächlich in D dem Anruf-Beantworter so?

    3. Administrator Says:

      @Gurke
      Dein hervorragendes Beweisfoto lässt den Schluss zu, dass zumindest dieser Soldat auf dem Bademeisterstuhl auf Schwimmer achtete, denn welche Anti-Terror-Abwehr würde sich in Signalfarben kleiden? Gibt doch ein fantastisches Sniper-Ziel. Oder vielleicht doch extra zur Abschreckung? Mit schusssicherer Weste unter der Schwimmweste? Als wir dort waren, sass der Soldat ganz in Oliv gekleidet auf dem Hochstuhl und starrte grimmig auf die Wasserfläche, alle 150 Meter sass der nächste.
      Gruss, Jens

    4. sylv Says:

      Lieber Jens
      ja ja ich bin heute in ‚tüpflischisser modus‘
      Es heisst entweder SEELAND oder Drei-Seenland,ich wohn nämlich da!:)

      Die Expo war schon schön und wird oft vermisst,wir besorgten uns damals Monatskarten und waren oft auf ‚unserer‘ Arteplage in Biel anzutreffen,meiner Meinung nach eh die schönste von allen.

    5. myl Says:

      Während „geschäften“ noch einigermassen seriös ist, schrammt ein „Gschäftlimacher“ hin und wieder haarscharf an der Legalitätsgrenze und manchmal darüber hinaus 😉

    6. Selma Says:

      Ich find’s prima, wenn die Armee auch zivile Aufgaben übernimmt, Bademeister spielt, Leute mit dem Schnellboot hin- und herfährt oder beim Aufbau der „Arteplages“ hilft (erinnere mich dunkel, dass das Militär beim Aufbau der Expo mithalf?). Ist doch mal was Sinnvolles.

      Im Link zur „Kunst der heimlichen Landesverteidigung“ hat sich übrigens ein Fehler eingeschlichen: Das „i“ in „archives“ fehlt.

      [Anmerkung Admin: Danke für den Hinweis, ist schon behoben.]

    7. Michael-H. Says:

      „Gschäfte“ ist wirklich ein praktisches Wort. So wie „händele“. Was aber nicht 100% mit „handle“ gleichzusetzen ist. „Kafi fertig“ ist auch nicht die deutsche Übersetzung von „café complet“.

      Der AB kenne ich auch nur als WC. Anrufbeantworter hört man in der Schweiz sowieso selten. Die meisten haben ja die Combox 🙂

    8. Chimaera Says:

      *Selma zustimm*

      Aber bei uns in der Bundesrepublik ist es halt sehr problematisch die Streitkräfte im Inland ordnungspolitisch behelfszweckmässig einzusetzen.

      Da haben wir ein klitzekleines Verfassungsproblem… Obwohls teilweise echt sinnvoll wäre….. Aber angeblich haben wir ja für sowas das THW und (hab ich neulich gelesen) Polizisten der Reserve(??!)…

      Zu dem Bild:
      Hat der geile Macker auf dem Bild ne total voll krass coole Sonnenbrille auf ??

    9. Feustel Says:

      @chimaera
      Dazu kommt noch die unterschiedliche Ausbildung.
      Während die Polizei nur im Notfall schießt und selbst dann sollen sie das „Opfer“ nur kampfunfähig (falls möglich) machen, liegt der Fall bei den Streitkräften etwas anders.
      Die Armee hat eher das Prinzip (im Kampfeinsatz): „Was am Boden liegt schießt nicht zurück“, um’s mal ganz übertrieben zu sagen.

    10. Simu Says:

      Geschäftle habe ich nur 8 Mal gefunden, aber das „gschäftle“ 1090 Mal. Gschäftle heisst nicht nur das Geschäft auf dem WC verrichten, sondern schon mal etwas mischlen („öppis mischle“ um den korrekten Google-Suchbegriff zu liefern (177 auf google.ch)). Was etwas mischlen heisst, dazu gibt es sicher schon ein Blogwiese-Eintrag;)
      Good luck with swiss german:))

    11. Chimaera Says:

      @ Feustel

      MOMENT, als ehemaliger Bundeswehr und Marineangehöriger hab ich das aber ganz anders in Erinnerung. Bei diesem ganzen langwierigen Anrufverfahren ( „Halt Stehenbleiben“….“Stehenbleiben, oder ich schiesse“….*optioneller Warnschuss*…*Scharfer Schuss!*),
      denk ich der böse Mann hat es bei den Streitkräften fast leichter.

      Und von den Grundsatz „immer drauf, auf was sich nicht wehrt, oder dass es sich nimmer wehren kann“ darf man auch getrost Abstand nehmen.

      Dazu kommt noch die „Verhaltnismäßigkeit der Mittel“…….

      Dein Vertrauen in die Polizei kann ich nicht im selben maße teilen. gerade vor allem wenn irgendwelche Polizei-Reservisten eingesetzt werden, wird eren Ausbildung auch nicht makelos sein….

    12. Feustel Says:

      @ chimaera
      Also wie mein Nachbar gestern Vormittag mit einer Axt und einer Eisenstange auf die Polizei losgegangen ist hat er immerhin einen Beinschuss und keinen Kopfschuss hinnehmen müssen.
      Aber sei gewiss diesem grün/weißen Trachtenverein traue ich auch nicht so besonders.

      Sicher hast du recht was das langwierige Anrufverfahren angeht, aber zum einen meinte ich den Kampfeinsatz und zum anderen hatte ich ja angemerkt das ich übertreibe.
      Ich sprach ja schließlich nicht von einem Massaker an 100 Zivilisten sondern wollte darauf anspielen das bei den Streitkräften gewisse „Begleitschäden“ nicht ausbleiben.

    13. Dänu Says:

      Lieber Jens

      Leider muss ich Dir die Illusion der Bademeisterwehrmacht nehmen. Die Personen, die wie diejenige auf Gurkes Foto, so streng auf den See starrten, waren Angehörige des Zivilschutzes. Dieser ist zwar, wie die Armee, Teil des EDV, äh nein, VBS (http://www.blogwiese.ch/archives/202), aber grundsätzlich unbewaffnet und zum Schutz der (eigenen) Bevölkerung abgestellt. Nicht zu verwechseln mit dem Zivildienst, deren Angehörige auf ihren eigenen Schutz bedacht sind 😉 Aber Du wirst die verschiedenen ‚Dienst-‚Formen bestimmt bald in einem eigenen Beitrag würdigen und kommentieren…