Treffen, traf, getroffen — „träfe Sprüche“ in der Schweiz
Die Schweizer sind für ihre Treffsicherheit weltweit berühmt. Jeder wehrhafte (nicht zu verwechseln mit „währschaft“ ) Schweizer Mann ist ein ausgebildeter Scharfschütze, Fachjargon auch „Sniper“ genannt und muss in der Lage sein, auf 300 Meter Distanz einen Kreis von 10 cm Durchmesser zu treffen. Der Schweizer Volksheld und mythische Ahne Wilhelm Tell traf aus 60-80 Meter den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes,
(Quelle Grafik: tu-chmnitz.de)
und die Schweizer Elfmeterschützen im Viertelfinale der Fifa-WM trafen alle zielsicher den Ball mit dem Fuss.
Aber „treffen“ ist mehr in der Schweiz, denn „treffen“ gibt es auch als besonderes Adjektiv mit „ä“ geschrieben, allerdings nur in Kombination mit einem oder besser mehreren guten Sprüchen. So lasen wir im „Beobachter“, der so gar nicht „Völkisches“ hat in der Schweiz, sondern hierzulande als wichtige Institution im Konsumentenschutz der Schweizer gilt:
Träfe Sprüche aus der Küche
Kabarettist Simon Enzler verbreitet den Appenzeller Witz in der ganzen Schweiz. In der Küche mag er es lieber bodenständig als doppelbödig.
(Quelle: Beobachter.ch)
Wir hielten es zunächst für einen Schreibfehler, aber es gibt noch andere Belege:
Lachen ist gesund!
Hier sammeln wir träfe Sprüche Ihrer Kinder sowie Witze und Anekdoten rund um Zwillinge und Mehrlinge.
(Quelle: twinmedia.ch)
Oder hier bei den Älplern:
Träfe Sprüche zum Erntedank
«Gang nid zwiit, sisch Älplerchilbiziit»: Mit diesem Motto warb die Älplergesellschaft Hergiswil für die Älplerchilbi. Gefeiert wurde aber auch anderswo in Ob- und Nidwalden.
(Quelle: aelper.ch)
Wer jetzt nicht mehr weiss, was eine „Chilbi“ ist, kann hier nachschauen.
Google-CH bringt 14 Belege von „träfen Sprüchen“.
Schliesslich fanden wir doch noch ein Beispiel für „träfe„, in einem Zitat von Ludwig Hasler, Publizist, Hochschuldozent für Philosophie und Medientherie:
Der alte, träfe Wortschatz ist weg. Die Mundart erneuert sich nicht, sie wird nur dünner und einfältiger.
(Quelle: NZZ am Sonntag vom 16.07.06, S. 69)
Vom Kontext zu schliessen muss „träfe“ also ein Synonym für „treffend“, „bezeichnend“ sein.
Wir müssen Hasler übrigens vehement wiedersprichen. Auch Mundart erneuert sich. Der Schriftsteller Franz Hohler bringt im gleichen Interview ein paar hübsche Beispiele:
„Boldere“ als Neuform von englisch/deutsch „bouldern„, d. h. Klettern in Absprunghöhe ohne Seil. Genannt nach dem englischen Wort „Boulder“ = grosser Felsbrocken, an dem diese Variante des Freeclimbings zuerst betrieben wurde.
„Spotte“ der Zuschauer, die Kletternde anfeuern. Und schliesslich „solone„:
är het d Eigernordwand gsolonet, das heisst er hat sie im Alleingang bestiegen. Die Begriffe sind dem Englischen nachgebildet, das ja der Mundart lautlich verwandt ist. Checken, fooden, Compi sind vom Klang her Schweizerdeutsch.
Man lese nur aufmerksam das Züri-Slängikon. Ein grosser Anteil der Slangwörter dort sind aus dem Englischen abgeleitet. Beispiel: „tschuute“ von „to shoot“ und „chille“ von „in die Kirche gehen„.
August 13th, 2006 at 14:43
Wenn mich nicht alles täuscht kommt der Begriff „chillen“ (gesprochen tschillen) vom englischen Verb to chill, was so viel heisst, wie sich abkühlen, und hat nichts mit dem Kirchgang zu tun… Chillen tut die heutige Jugend nach dem dancen oder so…
August 13th, 2006 at 15:45
Boldere hat glaub bei Franz Hohler nichts mit Klettern zu tun, sondern wird so viel wie „grollen“ heissen. Der Schweizer Sniper beim Obli muss auf eine Tafel von 1m schiessen, 10cm wären schon ein bisschen hoch gesteckt.
August 13th, 2006 at 17:12
@xrc: *klugscheiss* Wenn wir anehmen, dass jeder Treffer des Schützen gleich gut ist, so muss der Schütze einen Kreis von 60cm Durchmesser treffen. sodass er bei 20 schuss das minimum von 42 Punkten erreicht. Zudem ist die Tafel selbst, beist grösser als der Zielkreis. ca. 1.60m x 1.60m. Bei meiner berechnung habe ich die Unterschiede zwischen A und B-Scheibe vernachlässigt.
Gruss
August 13th, 2006 at 18:50
Ich glaube das mit Verb „boldere“ eher das Verb „poltere“ gemeint ist.
Poltern
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Wort Poltern bezeichnet:
umgangssprachlich eine Bezeichnung für lautes Rücken und Stoßen von Gegenständen. Daher abgeleitet auch der deutsche Volksaberglauben an Poltergeister.
eine unter anderem im Emsland gebräuchliche Bezeichnung für ein Ritual einem Paar am Vorabend der Ehe viel Glück in der Ehe zu wünschen (Polterabend).
eine Sprachstörung; siehe Poltern (Sprachstörung)
Holz in größeren Umfängen zu stapeln um sie zu messen und später aufzuladen und abzufahren.
Und wer sich über das obliatorisch Programm erkundigen will,
hier einen Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Bundes%C3%BCbung
Gruss Reto
August 13th, 2006 at 21:23
Da mich das aktuelle Wetter an den Winter erinnert, seien hier noch ein paar Verben genannt, die es so elegant auf Hochdeutsch nicht gibt und die teilweise aus dem englischen stammen. „schine“ für „Ski fahren“, „snöbe“ für „Snowboard fahren/snowboarden“ oder „schlöfle“ für Schlittschuhlaufen. Für nicht-Dalekt-Sprecher: Wenigstens ICH veräpple hier niemanden. „Tscheggsch de Pögg?“ (wörtl. „checkst du den Puck?“ [Eishockey]) beteutet: „kommst du draus?“ siehe: http://www.blogwiese.ch/archives/100
August 14th, 2006 at 13:58
> und “chille” von “in die Kirche gehen“.
*grins*
Eltern ermuntern ihre pubertären Sprösslingem, mit ihnen die sonntägliche Predigt zu besuchen: „Chunnsch ou mit cho tschille am Sunntigmorge?“
Wird aber wohl nur einmal klappen.
Oder der Pfarrer im Konfirmandenunterricht: „I chume am Samschtig am Obe mit euch zwe Schtung cho tschille und dir am Sunntig am Morge mit mir!“
August 15th, 2006 at 13:54
@johanna
Meine Grosse hat den KUW grad hinter sich und die Konf auch:) das wäre was gewesen um sie zu motivieren,aber wie du sagtst, hätte wohl nur einmal funktioniert vor allem wenn die Teenies dann noch die Uhrzeit des chillen am Sonntag vernommen hätten:):)
thanks for making my day!!