Wenn der grosse Chlapf kommt
In anderen Kulturen ist das Warten auf religiöse oder mythische Gestalten Teil des Alltags. Während die Iren und andere Beckett-Fans immer noch auf „Godot“ warten, die Menschen mosaischen Glaubens den Messias (Maschiach) erwarten und für ihn am Schabbat, extra ein Gedeck mehr auf den Esstisch stellen, warten die Deutschen auf den Briefträger mit dem Bescheid vom Arbeitsamt.
In der Schweiz gibt es auch eine mystische Gestalt, auf die alle warten. Es ist der sagenumwobene „grosse Chlapf“.
Zitat:
Es liegt nun am EMD und an der Armeeführung, den entstandenen Schaden zu beheben. Die Zeit heilt bekanntlich Wunden, aber es darf in nächster Zukunft wirklich nicht mehr etwas Ähnliches passieren, sonst kommt der grosse Chlapf.
(Quelle: http://www.parlament.ch/Poly/Suchen_amtl_Bulletin/cn97/printemp/241.HTM?servlet=get_content
Wir geben zu, diese Quelle ist neun Jahre alt, denn das „Eidgenössische Militär Departement“ hat sich mittlerweile zum Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport kurz VBS gewandelt, wie wir bereits hier erläuterten.
Oder hier:
Oke… in ein paar Tagen erfolgt der grosse Chlapf!!
(Quelle: kopfmehl.net )
Das hübsche Wörtchen „Chlapf“ lernten wir im heissen Sommer 2006, also durch die hohen Temperaturen in den Permaforstgebieten der Alpen die Wahrscheinlichkeit zunahm, dass in den Bergen ordentlich was abging:
Am Waldrand oberhalb der Häuser sitzend beginnt der Stuttgarter von der Schweiz im Allgemeinen und von «dieser einzigartigen Berglandschaft» im Besonderen zu schwärmen. Doch wie viele andere Gäste auch hält er seine Kamera in der Hand und wartet auf den grossen «Chlapf» –das schweizerdeutsche Wort muss ihm niemand erklären.
(Quelle: espace.ch)
Nun, der Stuttgarter ist von Haus aus Schwabe, versteht also einen Alemannischen Dialekt, darum muss ihm niemand den Chlapf erklären.
Wir lasen in der Sonntagszeitung vom 23.07.06
Hitze bedroht die Berge
An vielen Orten in den Schweizer Alpen schmilzt der Permafrost-Boden. Schattenhänge oberhalb von 2400 Meter werden instabil, es drohen Felsstürze und Murgänge. « Mit fortschreitendem Eisverlust nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass in der Schweiz ein Grossereignis passiert»
Kurzgesagt. Der Berg ruft nicht mehr, sondern er kommt gleich selbst.
Der „Chlapf“ ist für Schweizer auch eins von vielen Koseworten für ihr Auto. Hier eine kleine Übersicht aus dem Slängikon für Züridütsch:
Badwanne, Bäne, Bläch-Guutsche, Büchs, Bütti, Charre, Chischte, Chlapf, Dräckschlüüdere, e Garette, e Soife-Chischte (selbstgebasteltes Auto für Kinder), es Gschooss (schnelles Auto), galoppierendi Öpfelhurde oder Runkle (kleines oder altes Auto), Gelte, Göppel, Griite-Schlepper, Guutsche (Kutsche), Kilometer-Frässer, Maggina (von ital. macchina), Mühli, Pfüpferli, Poschti-Chörbli, Rääbe, Rochle, Roschthuufe, Roschtlaube, Sackgäld-Verdampfer, Schlitte, Schnupf-Trucke, Tasse, Trog, Wartsaal (langsames Auto)
(Quelle: Slängikon)
Es fällt auf, dass in diesem Lexikon all die Dinge und Tätigkeiten besonders gut und variantenreich vertreten sind, die der Schweizer gern hat oder gern tut. So findet sich zum Beispiel zum Thema „arbeiten“:
aaschaffe, ackere, ad Seck gah, Batzeli verdiene, bügle, chnuppere, chnüttle, chrampfe, chrämpferle, chrüpple, d Stämpel-Uhr beschäftige, Freiziit vergüüde, grüble, hacke, in Bou gah, in Bunker gah, in Stolle gah, maloche, noddere, pickle, rackere, robottere, rüttle, s Bättle versuume (zu wenig verdienen), schufte, wörke (von engl. to work)
Oder Geld:
Geld Thema [Geld] Züri-Släng Chies, Chlöibi, Chlööte, Chlotz, Chludi, Chlütter, Chole, Flider, Flocke, Hammer, Höde, Käsch (von engl. cash), kei Schruube am Arsch ha (kein Geld haben), Kneete, Moni (von engl. money), Moos, Münz, Müüs, Noote, Rubel, Schnee, Schotter, Schruube, Stei, Stiis, Stutz, Zaschter
(Quelle: Slängikon)
Sagen die echt nicht „Fränkli“ zu ihrem Geld?
Nicht so gern tun die Zürcher streiten:
chääre, chifle, Chritz haa, Lämpe haa, zangge
dafür aber umso lieber „Liebe machen“, vgl. hier.
Eine Ehemaligenvereinigung einer Schule hat sich die Domäne www.chlapf.ch schon 1999 gesichert, in der Urzeit des Internets.
Sieben Jahre später haben alle ehemaligen Abiturienten das Surfen verlernt und arbeiten in richtigen Berufen.
August 4th, 2006 at 0:44
Chlapf = Knall.
August 4th, 2006 at 9:03
Weitere verwandte Wörter:
chlöpfe/chlepfe = knallen
chläpfe = Ohrfeige verteilen
Chlöpfer (1) = Knaller (z.B. 1.-August-Feuerwerkskörper)
Chlöpfer (2) = Cervelat (Wurst)
August 4th, 2006 at 10:16
Nachtrag:
Bisher nur indirekt erwähnt:
„der Chlapf“ ist natürlich je nach Zusammenhang auch „die Ohrfeige“ Berndeutsch meistens „e Chlapf a Gring“ oder „e Chlapf zum Gring“ (= einen Klaps [oder etwas kräftigeres] an den/zum Kopf)
alle „Chlapf“-verwandten Wörter – im Hochdeutsch-Transkript mit K geschrieben – findet man auch in verschiedenen Google-Einträgen. Die passende Erklärung ist einmal mehr in Grimms Wörterbuch sichtbar:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GK06368
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GK06377
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GK07775
August 4th, 2006 at 11:07
nein, der schweizer sagt nicht fränkli oder räppli, nie! das schweizer geld ist etwas ernsthaftes und die banken sorgen für die stärke dieser währung, deshalb gibt es kein diminutiv.
wer trotzdem fränkli sagt, outet sich als anbiedernder ausländer…;)
August 4th, 2006 at 13:40
@peter
Doch, in speziellen Zusammenhängen ist der Diminutiv für Franken erlaubt. Z.B. wenn man jemandem Geiz vorwirft, etwa: „wegen ein paar Fränkli machst Du so ein Theater?!“.
August 4th, 2006 at 16:14
Das Thema „Fränkli“ wurde doch in diesen virtuellen Hallen schon zur Genüge behandelt, nicht?
z.B. hier
http://www.blogwiese.ch/index.php?s=fr%C3%A4nkli
http://www.blogwiese.ch/archives/216
http://www.blogwiese.ch/archives/247
August 4th, 2006 at 16:59
@Phipu
Ja, mag schon sein. Aber wenn es halt so ein zentrales und existentielles Thema per i nostri amici bavaresi, austriaci e teutonici ist, soll man doch Hilfestellung leisten, so man kann.
August 4th, 2006 at 23:20
ich finde fränkli und räppli nicht schlimm…. sagen eh meist nur kinder. da sollte man kein grosses tamtam drum machen
August 23rd, 2006 at 0:18
Noch ein Beispiel für Fränkli: In der Stadt Luzern gab es in den 90er-Jahren das „Fränkli“, eine Drogenabhängige, die Passanten immer mit den Worten anquatsche: „Häsch mer äs Fränkli?“ Den Namen bekam sie wegen ihrer quasi Bescheidenheit. Andere sagten schon damals nicht mehr:“Häsch mer en Schtutz?“, sondern „Häsch mer en Füfliber fürt Noot-Schlaaf-Schtell? Oder ächli mee?“