Schlagen Sie auch gern Pföcke oder Pfähle ein? — Neue alte Schweizer Redewendungen
Im Kanton Zürich war das ein merkwürdiger Tag. Wir wollten eigentlich am Waldrand bei einer hübschen Feuerstelle einen lauschigen Abend verleben, oben auf dem Bruederberg bei Bülach, und ins Tal hinab zuschauen, wie die Schweizer bei einsetzender Dunkelheit ihre Raketen abfeuern würden. Nein, keine Scud-Raketen, wir sind hier nicht im Libanon, einfach nur Sylvesterfeuerwerk, das hier am Nationalfeiertag in die Luft gejagt wird.
Wir fanden dann aber einfach kein trockenes Holz im Wald, weil es den ganzen Tag immer wieder geschüttet hatte. Es war auch besser so, denn wegen der langen Trockenheit war Feuermachen und Feuerwerk Abfeuern im ganzen Kanton verboten. Wir lasen später von 25 „Fehlbaren“ die „verzeigt“ wurden und „verbüsst“ natürlich auch.
Doris Leuthard trat an diesem Tag ihren Posten als Bundesrätin an und fuhr nach Eischoll im Oberwallis, das sie im Urlaub kennen gelernt hatte, um ihre erste Rede als Bundesrätin zu halten:
Erster Auftritt von Bundesrätin Doris Leuthard – am 1. August in Eischoll im Oberwallis
Reden und Festlichkeiten zum schweizerischen Nationalfeiertag sind ruhig über die Bühne gegangen, an einigen Orten nur dank grossem Polizeiaufgebot. Bundesrätin Doris Leuthard wünschte sich im Wallis eine Schweiz ohne Mauern.
(Quelle: NZZ.ch)
Abends wurde dann in 10 vor 10 darauf hingewiesen, dass sie mit dieser Rede „keine Pflöcke eingeschlagen“ habe. Wie denn auch, wenn es ums Mauern einreissen geht, und sie sowieso keinen Hammer dabei hatte. Pfähle setzt man, wenn man einen Zaun errichten will, als erste Vorstufe zu einer Mauer. Pflöcke oder Pfähle einschlagen? Das erinnert an Vampirgeschichten und an das Mittelalter:
Im westeuropäischen Mittelalter wurden die Opfer – oft handelte es sich, wenn wir den Rechtsbüchern des Mittelalters Glauben schenken dürfen, um Ehebrecher – meistens lebendig begraben und dann mit einem Pfahl durchbohrt. Wie der Rechtshistoriker Dieter Feucht (s. unten) nachgewiesen hat, diente dieses Pfählen nicht als Hinrichtungsart an sich, sondern es sollte den Hingerichteten dauerhaft unter der Erde halten, damit er nicht als rächender Wiedergänger zu den Lebenden zurückkehre.
(Quelle: Wikipedia)
(Quelle Foto: lagruyere.ch)
Zitat 10 vor 10: „Leuthard schlägt in ihrer Bundesratsrede keine Pflöcke ein“
(Quelle: 10 vor 10 vom 01.08.06. Video Stream Realplayer bei 01:46)
Wir wollen diese hübsche Redewendung im Sinne von „Grundsätzliches festlegen“ verstehen, und nicht als grausame Hinrichtungstechnik aus dem Mittelalter. Denn so findet sie sich an manchen Stellen in der Schweiz:
Man müsse im internationalen Strafrecht einmal eine Auslegeordnung schaffen bzw. eine Übersicht gewinnen und dann wolle man eine gewisse Vereinheitlichung schaffen und die Ziele und Tendenzen festlegen, also die Pfähle einschlagen?
(Quelle: parlament.ch)
Die SP wäre erfreut, wenn die FDP inhaltliche Pfähle einschlagen würde: Die politische Debatte wäre dann gewährleistet. Kosmetische PR Vorstösse lassen wir aber ins Leere laufen.
(Quelle: sp-bs.ch)
Pfähle einschlagen auch zu dritt möglich:
Bei GC wären es drei, die gleich ein paar Pfähle einschlagen würden, damit nichts mehr passieren kann. Die Frage ist nur: Was ist besser?»
(Quelle: Tagesanzeiger.ch)
Alle Textstellen aus Deutschland beziehen sich stets Gartenzäune und echte Pfähle, die eingeschlagen werden. Sprichwörtliche Pfähle konnten wir nicht finden im Land des „Jägerzauns“:
(Quelle Foto: gartenatelier.de)
Wahrscheinlich stecken die alle in irgendwelchen verbuddelten Särgen?
August 3rd, 2006 at 7:38
wir schweizer haben es anscheinend nicht so mit redewendungen… erinnerungen an meinen lehrer der ein mal mit vollster überzeugung sagte „du willst mir wohl ein pferd aufbinden“ verstärken diese vermutung noch.
wenn ich mir so meine gedanken mache über das verhalten das hier zu lande manchmal an den tag gelegt wird, könnte ich mir vorstellen das es auch in gewisser hinsicht reine absicht ist. blos nicht redewendungen aus dem grossen kanton übernehmen. wobei trotzdem ganz klar ähnlichkeiten zu deutschen redewendungen vorhanden sind… ein beispiel das mich ganz spontan ereilt ist „uf dütsch gseit“…..
das ist jetzt mal eine redewendung die hier völlig fehl am platz ist da erstens die eine meiner vier landessprachen nur wenig mit deutsch gemeinsam hat.. eher ist es ein sammelsorium.. zweitens könnte ich mir vorstellen das die schweizer bürger die deutschland nicht besonders mögen jedes mal krämpfe bekommen wen jemand „uf dütsch gseit“ sagt oder die landessprache „schwiizerdütsch“ nennt.
ich bin dafür das schwiizerdütsch in „schwiizerischs sammelsorium“ umbenannt wird um missverständnissen vorzubeugen 😉 frei nach dem motto „weg mit deutsch“ meine inspiration dazu ist dein beitrag zum kindergarten (http://www.blogwiese.ch/archives/347)
ob es nun reine schweizerische redewendungen gibt wage ich nicht anzuzweifeln.. mir fällt nur gerade keine ein die eindeutig ist.
pfähle eingeschlagen wird sehr warscheinlich aus einer anderen sprache übersetzt und angeeignet sein… ich selbst habe diesen ausdruck vorher noch nie gehört.
ob pfähle eingeschlagen jetzt einen sinn ergibt lässt sich nur schweer deuten.
ob es nun für „einen grundpfeiler setzen“ steht auf dem alles aufgebaut ist was uns so voluminös von politikern versprochen wird, währe durchaus denkbar.
mauern einreissen und pfähle setzen scheint da gegen eine art back to the roots zu sein. im sinne von wir bauen nicht auf stein sondern auf holz denn wen unsere versprechungen nicht standhalten kann man immernoch dem material die schuld geben das dem druck der hoffnung nich standhalten konnte 🙂
August 3rd, 2006 at 9:32
Es gibt noch den Ausdruck: „bisch en Pflock“. Den sollte man aber lieber nicht einschlagen. Sonst wird man noch angezeigt.
Die eingeschlagenen Pfähle kann jeder im Pfahlbauerdorf besichtigen. Wir Schweizer sind stolz auf unsere Pfahlbauertradition und schlagen heute noch, aber entsprechend modern, virtuell Pfähle ein.
August 3rd, 2006 at 12:21
Oh ja, Plöcke und Pfähle entlang der Nordgrenze für einen neuen anti-teutonischen Schutzwall, damit die lieben Nachbarn aus dem Norden vom Ansinnen abgehalten werden, Republikflucht zu begehen! 😉
August 3rd, 2006 at 13:54
Das Amtswort „verzeigen“ stösst mir immer sauer auf. Bei diesem Ausdruck kommen mir die berndeutschen Wörter „verrätsche“ oder „vertäfele“ oder „verzinggiere“ in den Sinn. Diese Wörter umschreiben die unbeliebte und feige Tätigkeit des Anschwärzens bei höherer Stelle. Speziell Kinder geniessen es, wenn sie andere Kinder bei den Eltern „verrätsche“ können, in der Hoffnung, dass das Fehlbare dann entsprechend bestraft wird, während man selbst besonders gut dasteht.
Unbeliebt ist ja wohl das „Verzeigen“ auch. Es passt aber ganz gut zum in der Schweiz stark verbreiteten „Schulmeistern“.
August 3rd, 2006 at 15:16
Kleiner Fehler in der Vorsilbe:
„VER-büsst“ (abgesessen) wird eine bereits zuvor ausgesprochene Strafe – normalerweise Haftstrafen. Übrigens Analog Standarddeutsch
http://www.google.ch/search?hl=de&q=verb%C3%BCsst&btnG=Suche&meta=cr%3DcountryCH
in helvetischem Schriftdeutsch wird ein Fehlbarer aber „GE-büsst“ (= gegen ihn wird eine Busse/Geldstrafe verhängt)
http://www.google.ch/search?hl=de&q=geb%C3%BCsst&btnG=Suche&meta=cr%3DcountryCH
An Pesche:
Mein Kommentar ist so ein Beispiel des „Schulmeisterns“ (Belehren, Besserwissern)
an Michael:
Die Aussage „du Pflock“ ist sogar in deutschen Google-Fundstellen zu finden. Ob diese nicht gerade ehrerweisende Bemerkung jedoch von Schweizern in deutschen Foren gepostet wurde, ist nicht ganz immer erkenntlich.
http://www.google.de/search?q=%22du+Pflock%22&hl=de&lr=&cr=countryDE&start=10&sa=N
August 3rd, 2006 at 15:55
Wie wärs, wenn es sich bei diesen Pfählen um Grenzpfähle handelt? Zum markieren des eigenen Territoriums (oder eben einer Weide) würde der Begriff doch richtig Sinn machen?
Und wenn tatsächlich jemand daran zweifelt, dass es reine schweizerische Redewendungen gibt, kann unsere Sprüche ja mal ennet der Grenze ausprobieren.
Oder düütsch und düütlich: Däm häts eifach is Hirni gschisse.
August 3rd, 2006 at 16:26
…weder die Rätier, Helvetier, Römer, Alemannen noch Burgunder, sondern >die Pfahlbauern die Urbevölkerung unseres Landes bildeten, die nie verschwand