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Ent-rüstet das Gemüse! Ran an die Kartoffelmesser!

  • Ist der Sackhegel schon eine Rüstung?
  • Die Schweizer „entrüsten“ sich nicht leicht. Sie sind eher ruhig und besonnen. Eine Rüstung haben sie nicht, die sie ablegen müssten. Höchstens das „Sackmesser“, auch als der „Sackhegel“ bekannt, wobei wir noch nicht herausfinden konnten, was das typische Kind aus Zürich, das „Zürihegel“ hier im Sack verloren haben könnte. Wahrscheinlich wieder eine komplett andere Etymologie, aber auf jeden Fall sackstark, wie wir finden.

  • Rüsten in der Küche
  • Wir haben es schon immer gewusst, die Schweiz ist ein durch und durch militarisierter Staat. Jedes Haus hat einen Atomschutzkeller, jeder Kleiderschrank enthält ein Sturmgewehr (dessen Geschosse, auch auf 2 Km noch einen Kofferraumdeckel durchschlagen) und in jeder Küche finden sich „Rüstungen“, nämlich die so genannten den „Rüstmesser“, mit denen fleissig gerüstet wird. Übrig bleiben bei diesen Aktionen die „Rüstabfälle“. So lasen wir im Tages-Anzeiger vom 29.05.06 über die Zukunft der Schweizer Bauern als Energieproduzenten:

    Eine Möglichkeit, die auch nahe liegt, ist die Verwertung von so genannter Biomasse – von Gülle bis zu Rüstabfällen – zu Biogas oder gar zu Strom

    Rüstabfälle

    Wir sind verunsichert und schlagen das gleich nach. „Rüstabfälle“ kennt unser Duden nicht, auch keine „Rüstmesser“, wohl aber:

    Rüstzeug, das:
    a) [Ausrüstungs]gegenstände u. Werkzeuge für einen bestimmten Zweck:
    b) für eine bestimmte Tätigkeit nötiges Wissen u. Können:
    (Quelle: Duden.de)

    Hier wird nichts von Gemüsemessern oder Biogaslieferanten erwähnt.

    Das richtige Rüstzeug kann man sich bei der Evangelischen Kirche in Deutschland abholen in einer „Rüstzeit“ . So werden dort die Wochenendseminare mit theologischem Anspruch genannt werden. Sie merken schon, „rüsten“ bedeutet wirklich ziemlich viel. Fragen wir doch den Duden, ob er es genauer erklären kann:

    rüsten sw. V.; hat mhd. rüsten, rusten, ahd. (h)rusten, zu: hrust = Rüstung, urspr. = herrichten, ausstatten, schmücken,: 1. sich bewaffnen; die militärische Stärke durch [vermehrte] Produktion von Waffen [u. Vergrößerung der Armee] erhöhen: die Staaten rüsten. [zum Krieg, für einen neuen Krieg]; sie gaben Milliarden aus, um gegeneinander zu rüsten.; schlecht, gut, bis an die Zähne gerüstet sein.

    Das war die uns bekannte Bedeutung aus dem Standarddeutschen. Nun zur Schweiz

    2. a) r . + sich (geh.) sich für etw. bereitmachen:
    sich zur Reise, für einen Besuch rüsten; sich zum Kirchgang rüsten. (schweiz.; sich festlich kleiden); Übertragung: rüstet sich die Sonne schon zum Aufgang (Bamm, Weltlaterne 56); auch ohne „sich“: zum Aufbruch rüsten; wir sind nicht dafür gerüstet; Es geht darum, das Unternehmen für die künftige Konkurrenz am freien Markt zu rüsten. (NZZ 23. 12. 83, 10);

  • Zur Hochzeit nur mit Rüstung
  • Als Quelle wird die NZZ aus der Schweiz zitiert, haben Sie es bemerkt? Das dürfen wir nicht vergessen, falls wir mal in der Schweiz auf eine Hochzeit eingeladen werden, uns zuvor angemessen zu rüsten.

    Am meisten schätzen wir allerdings die letzte Bedeutung, die uns der Duden bietet:

    c) (schweiz. veraltet) (von Gemüse, Salat u. Ä.) putzen, zum Verzehr vorbereiten: Spinat rüsten; Erdbeeren rüsten und halbieren (Basler Zeitung 12. 5. 84, 57).

    Und wieder steht da dieses hässliche „veraltet“ neben dem Attribut „schweiz.“. Vielleicht meint der Duden in diesem Fall: Gemüse und Salate putzt sowieso niemand mehr von Hand, die gibt es doch vorgewaschen und zerschnitten fertig bei der Migros zu kaufen. Damit kann sich das Wort „rüsten“ aus dem Sprachgebrauch verabschieden, es wird nicht mehr benötigt. 440 Belegstellen bei Google-Schweiz sprechen da eine ganz andere Sprache. Also ran an die Sackmesser und her mit den „Herdäpfeln“, wir wollen uns ohne Entrüstung ans Rüsten machen! Bratzkartoffeln (im Ruhrpott auch mit „tz“) brauchen viele fleissige Helferhände. Oder wollen wir uns mal an Röstis wagen? Vielleicht sind das ja nur mutierte „Rüstis“?

  • Schneller Rüsten per Seminar
  • Wem das Rüsten übrigens nicht schnell genug geht. In Deutschland können Sie lernen, wie man schneller rüsten kann. Es gibt das tatsächlich Intensivseminare und Workshops zu: schneller-ruesten.de

    Lange Rüstprozesse reduzieren die Produktivität, verschwenden wertvolle Kapazitäten, verlängern die Durchlaufzeiten und machen die Produktion von kleinen Losgrößen unmöglich. Die Unternehmen, die systematisch und erfolgreich Rüstzeiten reduzieren, verschaffen sich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.
    (Quelle: schneller-ruesten.de)

    Und das ist garantiert keine kirchliche Veranstaltung aber dennoch sehr friedlich, keine Angst.

    

    20 Responses to “Ent-rüstet das Gemüse! Ran an die Kartoffelmesser!”

    1. Arne Völker Says:

      Kann sich noch jemand daran erinnern, dass wir während des kalten Krieges Angst hatten vor dem Wettrüsten? Aber jetzt nicht mehr. Wir gehen einfach in dieses Seminar für schnelleres Rüsten. Und sehen ab heute dem Wettrüsten entspannt entgegen… Oder?

    2. su Says:

      Und schon wieder ein „Germanismus“: Die Rösti gibt es nur in Einzahl!
      Das sind nicht die kleinen dreieckigen Röstis, die meistens fritiert werden.

      Sondern echte Rööschti wird aus Gschwelti oder rohen Kartoffeln, die durch eine Rööschti-Raffel gerieben werden, in EINER Bratpfanne gemacht und zum Schluss auf EINEN Teller gestürzt. Und dann essen alle von der SELBEN Rööschti.

      Härdöpfu-Schtock oder Reis gibt es ja auch nicht in Mehrzahl.

    3. sylvie Says:

      ……. und um grad noch beim militärischen Unterton zu bleiben,bis in die 80-er Jahre mussten die Mädchen in die sogenannte „Rüebli RS“ einrücken,das war ein obligatorischer 5-wöchiger Hauswirtschafts- und Kochkurs, da lernte ‚frau‘ dann zu rüsten;)

      Zudem, rüsten kann auch heissen etwas bereit zu legen/bereit zu machen zum Gebrauch,z.B.:“ i ha dr d ‚chleider zwägrüstet“
      Grüessli

    4. paz Says:

      Rösti kommt von rösten. Etwas in der Pfanne rösten, bis eine knusprige Kruste entsteht. Und auch die Österreicher kennen es, das G’röstel. Und es geht da nicht mal nur um Erdäpfel (auch in der Schweiz nicht… Apfelrösti, beispielsweise).
      Früher röstete man vorallem die Resten des vormaligen Mahles, und buck sie in der Pfanne zu einem schmackhaften Kuchen zusammen.

      Gruss vom Koch

    5. sylvie Says:

      minikorrektur im titel, hegel ( BE: dr Hegu) ist meiner meinung nach immer männnl. also der sackhegel und nicht das sackhegel:)

    6. Fäbe Says:

      Sag mal Jens, Dir gehen wohl die Themen aus…? Anstatt nun fast jeden Tag über irgend ein Wort, welches Du noch nicht kanntest zu sinnieren, könntest Du auch mal einen Tag auslassen und erst wieder schreiben, wenn Dir was spezielles (und gescheites) (auf-)eingefallen ist… Einen Artikel aus dem Alltag wäre beispielsweise mal wieder was. Statt dessen fast täglich Berichte über vermeintlich spezielle Wörter oder Redewendungen. Mag ja sein das einige davon wirklich witzig sind und sich anbieten darüber zu bloggen, aber doch nicht jedes daher gelaufene Wörtchen, bei dem man halt als Nicht-Schweizer kurz innehält, aber nach kurzem Überlegen weiss was eigentlich gemeint ist.
      Ich besuche fast täglich deine Seite und mag „den Blick von aussen“ auf uns Schweizerlein, aber in letzter Zeit gefallen mir leider nicht mehr alle Beiträge…
      Trotzdem weiterhin alles Gute!

    7. Administrator Says:

      @Fäbe
      Danke für die konstruktive Kritik!
      Gestern war die Deutschlandflagge dran, davor das Telefonnummernproblem, davor die Chilbi, das Costa-Rica-Nerv Problem…

      Alles absolut nur langweilige sprachliche Themen, ich weiss…
      Der Blog heisst zufällig „Erlebnisse und sprachliche Beobachtungen…“
      und darum geht es hier. Leider gibt es nicht an jedem Tag ein „Erlebnis“, zumal schon über 320 Postings geschrieben sind, aber wir werden mal den Erlebnisgenerator anwerfen und schauen, was der so ausspuckt.

      Wie immer verspreche ich in solchen Fällen konstruktiver Kritik, für morgen wieder eine Portion Genialität zu posten und bis dahin auf spannende und lustige Websites wie http://www.lustig.de etc zu verweisen, da gibt es auch toll was zu lachen, und vor allem so spassige Filmchen, braucht man überhaupt nie was lesen, einfach nur Filmchen gucken, und immer wieder lustig, nicht so ein langweiliges Sprachzeugs…

      Es sind doch gerade die „hergelaufenen Wörtchen“, die ich spannend finde. Zugegeben, http://www.blick.ch ist garantiert spannender.
      und wenn mir wirklich nichts mehr einfällt oder nichts mehr passiert in der Schweiz, dann mache ich halt doch Rockmusik…

    8. Johanna Says:

      mit „rüsten“ verwandt ist wohl auch noch die „Ruschtig“. Das Wort ist mir sehr vertraut, mein Vater (ein Emmentaler) hat es häufig verwendet, z.B. „So, hesch dini Ruschtig zwäg, chöimer äntlech go?“. Ruschtig = Ware, Sache. Ob man das Wort wohl auch ausserhalb des Emmentals oder des Kt. Bern kennt?

      P.S.:
      Da bin ich gleich noch über ein paar andere (vielleicht nicht nur)Emmentaler-Ausdrücke gestolpert:
      http://www.aemmitaler-ruschtig.ch/brevier.html

    9. Fiona Says:

      Aus den heutigen Postings:

      >>Fäbe Says: Sag mal Jens, Dir gehen wohl die Themen aus…?

      Administrator Says:
      @Fäbe

      Danke für die konstruktive Kritik!

    10. vorgestern Says:

      Ich finde es ausserordentlich interessant, die Herkunft Schweizer Wörter besser kennenzulernen und bin dankbar für diese Site. Wenn immer ich bisher Schweizer nach der Bedeutung oder der Herkunft von CH-Ausdrücken, -Wörtern gefragt habe, erntete ich nur trotziges Schweigen. Kann doch nicht sein, dass die Leute sich nicht mal für ihre eigene Sprache interessieren (oder doch?).

    11. harry Says:

      @Fäbe
      Man man man: Schreibt Jens über besondere Wörter ist es nicht recht, schreibt er über Persönliches, wird er über die Grenze gewünscht. Wie soll er es denn allen Recht machen? Er kann doch wohl schreiben worauf er lustig ist, man muss schliesslich diesen Blog nicht lesen, es gibt doch so viele andere Blogs, schau doch dort mal rein.
      Ich finde es jedenfalls immer wieder spannend welche neuen Themen Jens Wiese täglich in diesem Blog aufbereitet. Täglilch ein neues Thema, das mach erst mal einer nach.
      @Jens
      Mach weiter wie bisher, für die Rockmusik ist die Zeit noch nicht reif!

    12. Phipu Says:

      Abrüstung hat eine gewisse Aktualität. Gerade dieser Tage entscheidet das Parlament, ob die Vorschrift, dass für jede/n Einwohner/in ein Schutzraum zur Verfügung stehen muss, aufgegeben werden soll. Der Hausbau könnte durch diese Gesetzeslockerung bald auch hier günstiger werden. Damit wären wir auch endlich für die eher wirtschaftlichen als militärischen Gefahren des 21. Jahrhunderts gerüstet. Was wird jedoch aus all den Betonmauern und Stahltüren? Werden die zu Abrüstfällen? Rüstabfälle sind es gewiss nicht.

      Zm Thema Bunker schon in der Blogwiese:
      http://www.blogwiese.ch/archives/8
      http://www.blogwiese.ch/archives/197

      An Fiona

      Zum Thema: “Sag mal Jens, Dir gehen wohl die Themen aus…? – Danke für die konstruktive Kritik!“

      Jens often uses irony without any visible smiley, which is not always understood. See here why: http://www.blogwiese.ch/archives/14

      Hier noch für einen deutschsprachigen Blog tauglich: Ironie ohne Smiley wird nicht immer verstanden. Vermutlich auch deshalb nicht: http://www.blogwiese.ch/archives/14

      An Vorgestern

      Mich interessieren die sprachlichen Finessen. Ich wusste darüber aber tatsächlich wenig, bevor ich die Blogwiese entdeckte. Dadurch erfuhr ich auch einige Quellen, die auf der Suche helfen. Z.B. Grimms Wörterbuch http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GP05570
      Vorher hätte ich auch (nicht trotzig aber tatsächlich unwissend) geschwiegen oder in eine falsche Richtung vermutet. Das Wissen von Mitbloggern ist natürlich auch sehr nützlich. Beispiel hier: http://www.blogwiese.ch/archives/279

    13. Andreas Says:

      @Vorgestern

      >Kann doch nicht sein, dass die Leute sich nicht mal für ihre eigene Sprache interessieren

      Die finden ihr interesse ganz schnell wieder, wenn deren Kinder in Gefahr geraten, Hochdeutsch sprechen zu müssen.

    14. Administrator Says:

      @Fiona, Phipu
      I never use irony without any visible smilies, but I love to use invisible smilies, especially when you can’t see them…
      Auf Deutsch gesagt: Wenn ich was Dumme höre, denke ich einfach nicht hin…

    15. Urs Müller Says:

      Zum Rüsten kann man einen http://de.wikipedia.org/wiki/Sparschäler gut gebrauchen…
      Geiz oder Sparsamkeit… auf jeden Fall (früher?) in fast jedem Schweizer Haushalt anzutreffen.

    16. dorftrottel Says:

      beneidenswert…
      herr jens r. blog-wiese…

      (-;

    17. Arne Völker Says:

      @ Jens: Weiter So, mit Sprache UND Erlebnissen. Muss ja nicht jeder so viel zu Schweizer Wörtern sagen, wie du es tust. Aber ich bin froh, dass du es tust. Und du viel schreibst (da habe ich dann nur noch wenig hinzuzufügen…)

      Und wenn ich mal was nicht so spannend finde, kann ich ja selber drüber hinweglesen, oder?

    18. sylvie Says:

      @vorgestern,
      vielleicht hast du nur die falschen schweizerlein gefragt:) seit mehreren Jahren erkläre ich,nun gut vorwiegend to english speaking expats, wer/wie/was/wieso/weshalb/warum über die Schweiz und die Sprache…………es gibts sie schon die leute die noch was über ‚ds heimatland wüsse‘ 🙂 kannst mir sonst jederzeit ein email schicken wenn du was wissen willst. grüessli

    19. Sam Says:

      Das dünkt mich wieder einmal ein schöner sprachlicher Beitrag! In Bern kaufen wir allerdings das Gemüse nicht „bei“, sondern „in der Migros“, bzw. „im Migros“. „Ds/der Migro“ scheint sächlich und männlich vorzukommen, weiblich hingegen kaum.

    20. Jürgen Jung Says:

      Vielen Dank für den netten Hinweis auf unser Rüstseminar. Wir haben herzhaft gelacht!