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Glatter als Glatt — Der Sauglattismus

  • Trizonesien und Triglossie
  • Die Westdeutschen lebten kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in „Trizonesien“, dem Drei-Zonen-Staat, besetzt durch die Siegermächte USA, Frankreich und England. Die vierte Zone war die „Ostzone“, besetzt von den Russen. Mehr als Deutsch konnten die Deutschen deswegen noch lange nicht sprechen. Die Schweizer hingegen leben noch heute in 26 Zonen (die sie Kantone nennen) in ihrem Land verteilt und beherrschen eine lebendigen „Triglossie“ im Alltag: Tüütsch, Schweizerschriftdeutsch und Hochdeutsch sprechen sie fliessend, auf eine Anzahl weiterer Sprachen wie Bärndütsch, Bümpliz-Norddütsch oder Bümpliz-Süddütsch können Sie jederzeit problemlos ausweichen.

  • Warum können die Schweizer so viele Sprachen?
  • Schuld an dieser Mehrsprachigkeit sind
    a) Das Fernsehen: Wer will schon Tatort bei der ARD mit Schweizerdeutschen Untertiteln sehen müssen? Also heisst das Motto: Lerne die Sprache des Nachbarn! Lektion Eins: „Harry, hol‘ schon mal den Wagen“
    b) Die Berner: Wo sie hinkommen gründen Sie einen Verein (vgl. Blockwiese), wie ihn einst Mani Matter besang (Mir hei e Verein) und verbreiten so stetig ihre Sprache.
    c) Die Deutschen, die die auf Hochdeutsch gestellte Frage eines Schweizers: „Verstehen Sie Schweizerdeutsch?“ mit einem „Ja, sprechen Sie diesen Dialekt nur ruhig weiter, ich habe sie bisher sehr gut verstanden“ reagieren.

    Dank ihrer sprachlichen Begabung entwickeln die Schweizer immer wieder sprachliche Neuschöpfungen. Einige davon schaffen es auch in die Zeitungen und sind über alle Zonen Kantonsgrenzen hinweg bekannt.

  • Sauglatt ist glatter als glatt
  • Die Glatt ist ein Fluss im Zürcher Unterland. Sie dient als Abfluss für den Greifensee und mündet in den Rhein. Ohne Glatt gäbe es kein Glatttal, kein Glattzentrum, kein Glattbrugg, kein Glattfelden, Oberglatt, Niederglatt, könnten Sie alles glatt vergessen. Die Glatt ist aber nicht nur ein Namensbestandteil für viele Orte im Unterland, sondern auch eine Lebenseinstellung, eine Philosophie und eine für die Schweizer auf jeden Fall sehr negativ besetzte Haltung: Der Sauglattismus

    Wir fanden ihn Im Tages-Anzeiger vom 11.05.06 auf der Seite 2
    Sauglattismus
    Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele für die Verwendung des Begriffes:

    Oder geht es ganz einfach um Beliebigkeits-Sauglattismus, als Spiegel der aktuellen Zeit?
    (Quelle: umweltnetz.ch)

    Auch in Graubünden :

    «Mir gefällt die Absurdität – und solange ich nicht in den Sauglattismus abdrifte, mache ich weiterhin, was mir gefällt.» Ein Mann, ein Wort.
    (Quelle: graubuendenkultur.ch)

    Eigentlich ist diese Begriff schon längst kalter Kaffee für die Schweizer, denn sogar die Enzyklopädie Wikipedia, die wir in Zukunft weniger häufig als „Wiki“ abkürzen werden, bringt schon einen erklärenden Artikel dazu:

    Sauglattismus ist ein Modewort, das in den Neunzigerjahren in der Deutschschweiz geprägt wurde, bis heute verwendet wird und eigentlich unübersetzbar ist. Es ist vom Adjektiv sauglatt abgeleitet, das soviel wie „sehr lustig“ bezeichnet. Zunächst eine Definition des Substantivs: Sauglattismus ist verzierter Schwachsinn. Zahnbürsten mit einem Gesicht drauf, zum Beispiel. Primär werden also mit Sauglattismus Auswüchse der heutigen Freizeitgesellschaft ironisiert. Das Wort wird von verschiedenen politischen Lagern verwendet, in rechts-konservativen Kreisen dient es öfters zur Ironisierung staatlich subventionierter Gebrauchskunst. Beispiele dazu sind ein Zitat einer SVP-Grossrätin aus Basel oder ein Zitat aus der Schweizerzeit anlässlich der schweizerischen LandesausstellungExpo.02. In linken Kreisen wird der Begriff im Rahmen einer Kritik der Fun- und Spassgesellschaft verwendet, so hat der Schriftsteller Peter Bichsel in der Begründung seines 1996 erfolgten Austritts aus der Sozialdemokratischen Partei des Kantons Solothurn, deren Wahlkampagne (mit dem Slogan «Kussecht und vogelfrei») als postmodernen Sauglattismus bezeichnet.
    (Quelle: wikipedia.de)

    Sauglatt ist ähnlich wie „saugut“ eine Steigerung von „glatt“, welches in der Schweiz weit mehr bedeutet als nur das allgemeindeutsche „rutschig“. Wenn etwas „eine glatte Sache“ ist, dann ist es grundsätzlich sehr positiv besetzt.

    (2. Teil Morgen: Auf der Glatt kann man auch Boot fahren, nur trinken sollte man sie besser nicht)

    

    6 Responses to “Glatter als Glatt — Der Sauglattismus”

    1. Arne Völker Says:

      Schon noch glatt, für einmal den ersten Kommentar schreiben zu dürfen. Und irgendwie sauglatt, das zu tun, obwohl ich gar nichts zu sagen habe. Oder?

    2. tyrannosaurus Says:

      Dass inzwischen der Sauglattismus bis in die höchsten Staatsämter hinein wirkt, und dies nicht erst seit heute, das thematisiert ein Artikel in der neuesten „Weltwoche“ (S. 19ff) über den Nicht-Mehr- Bundesrat Adolf Ogi und die Noch-Nicht-Bundesrätin Doris Leuthard sowie deren im Hintergrund wirkenden Königsmacher. Es darf gelacht werden.

    3. Fiona Says:

      Herzlichen Dank an AV, der sich angemeldet hat, um uns zu sagen, dass er nichts zu berichten hat. Ein sauglatter Mensch!

      F.H.

    4. sylvie Says:

      auso,Sauglattismus hat für mich persönlich auch die Bedeutung von
      ‚Schenkel-Klopf-Humor‘ zuweilen auch unter der Gürtelinie………………nicht unbedingt mein Geschmack,somit ist diese neu-schweizerdeutsche Wort für mich eher negativ belastet und nicht sauglatt. 😉

    5. Arne Völker Says:

      @Fiona:
      Ich wünsche mir dann doch die Unterscheidung zwischen einem «sauglatten Kommentar» und einem «sauglatten Menschen». Kannst du mir diesen Gefallen tun, Fiona, auch ohne dass ich meinen Erst-Kommentar gezielt mit diversen 😉 oder smileys als ironisch gekennzeichnet habe? Würde mich freuen…

    6. Fiona Says:

      @ Arne

      Arne is ein sauglatter Mensch = Arne is real cool.

      I just liked that inconsequential, off-hand, nonchalent posting of yours yesterday morning.

      P.S. Do you realize you had a „double“ on this forum yesterday, Arne:
      you sent the first post AND the last post 🙂

      Fiona