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Was ist ein CHIUBIGIGU — Berndeutsch für debile willige Killer

(reload vom 28.06.07)

  • Bilder angucken in Heute
  • Wir wurden auf dieses hübsche Wort aufmerksam gemacht, welches sich in einer Anzeige von „Heute“ fand. Sie wissen schon, nicht die dröge Nachrichtensendung des ZDFs um 19:00 Uhr, sondern das „spritzig-witzige“ Nachmittagspendlermagazin mit den vielen bunten Bildern und den seitenlangen, kaum lesbaren Artikeln ohne Punkt und Komma. Textinput und Leseaufwand ca. 10 Minuten, denn Heimwärtspendler am Abend sind entschieden weniger aufnahmefähig als die 20-Minuten-Leserinnen und Leser in der morgendlichen Rush-Hour (2007 existierte es noch, kurz danach übernahm es der „Blick“ und machte es zu „Blick am Abend„)

  • Nicht in Versen aber in Versalien
  • Das Wort wurde in „KAPITÄLCHEN“ geschrieben, was nichts mit dem KAPITAL von Karl Marx zu tun hat sondern ein anderes Wort für „Versalien“ = Grossbuchstaben ist. Die Schreibweise erinnerte uns wegen dieser Grossbuchstaben an eine Abkürzung, so wie einst das leckere „FIGUr hat GErn GeLittene“ von FIGUGEGL . Das Wort ist extrem schwierig zu entschlüsseln, doch wir haben ja unseren Sprachexperten, der uns einen Tipp gab. Im ersten Teil des Wortes steckt das Hilly-Billy-Lieblingswort aller chill-out Fans: „Chilbi“ in der Berner Fassung „Chiubi“ geschrieben, denn merke: In Bern wird immer „l“ zu „u“, wie uns neulich in einem Kommentar erklärt wurde:

  • Billig und willig in Bern
  • „Biuig ist Billig im Berndeutschen. Vgl: Wiuig (Willig), Viu (Viel), debiu, stabiu …“
    (Quelle: Kommentar auf der Blogwiese)

    Muss man alles erst lernen. Ein Satz wie „Ein stabiler und debiler Killer ist oft billig und willig“ müsste sich auf Berndeutsch extrem interessant anhören.

  • Ein Gig, eine Gigue und ein Gigu
  • Der erste Teil von CHIUBI-GIGU wäre geklärt, wenden wir uns dem „Gigu“ zu. Einen „Gig“ nennt man in der Musikbranche einen Auftritt einer Band. Eine „Gigue“ hingegen ein barocker Tanz. In Deutschland wird die Lautfolge „Gigu“ von nichts ahnenden Feuerwehrleuten als Kurzbezeichnung für „Ginsheim-Gustavsburg“ im Namen geführt wird, so bei der dortigen Feuerwehr-gigu.de und zwar nicht nur dort (vgl. skb-gigu.de ). In in der Schweiz und speziell in Bern ist „Gigu“ hingegen schlichtweg ein Schimpfwort der harmloseren Art:

    Gigu
    Es ist sehr harmlos, ein schweizerdeutsches (oder besser gesagt berndeutsches) Wort für Trottel …
    Sprache: Schweizerdeutsch
    Verwandte Wörter: Stromkasten-Pinkler Ochse Glezn Blödsack Blödel Vollidiot Strandhaubitze Mit-Feuerzeug-in-Tank-Leuchter Wafferl Semmbachel Dulli Smörebrötblöd Yek Yoggler Dummbatz Halbidiot Dumpfnudel Humanoide Minimalkonfiguration Blödzinken Deppchef
    (Quelle: rindvieh.com)

    Klasse Liste! Wer kennt davon mehr als 25%? Mir waren nur 5 von 20 der Begriffe geläufig.

  • Kann man Kirmesidioten essen in Bern?
  • Überraschend ist nun, dass die Kombination aus „Kirchweih“=Chiubi und „Gigu“ = Blödmann keinen „Kirmesidioten“ entstehen lässt, sondern in ein ganz anderes Wort mündet. Doch geben wir einfach unserem Fachmann fürs Berndeutsche das Wort:

    Kinderfresser in Bern
    (Quelle Foto Berner Kinderfresser)
    (Vgl. auch hier)

    Da die Berner schon seit jeher gerne Menschen fressen, werden also die „Chiubi-Gigle“ (Einzahl: ei Gigu, Mehrzahl: zwe Gigle) verzehrt. An der Chilbi gibt es also etwas Typisches, das gegessen wird. Was ist also typisch für die Chilbi? Das einzige gesalzene Essen, das man dort bekommt, sind Würste. Der Chiubigigu ist also auf Berndeutsch nichts Harmloseres als eine „Bratwurst„. Auf Berndeutsch sagt man übrigens etwas interkantonaler auch „e Bradwurscht“ und davon abgeleitet „bräätle“ (grillieren, siehe hier). Wenn also Solothurner zu Bernern von „Brootwurscht bröötle“ sprechen, erntet das schmunzeln. Und Solothurner Kinder müssen erst lernen, dass es in der „Brotwurst“ kein Brot hat. So wie die Basler Kinder erst lernen müssen, dass das „Roothus“ nicht wegen der Farbe so heisst, sondern dass darin „beraten“ wird.
    (Quelle: Private Elektropost)

    Bleibt festzuhalten, dass sich das Wort „Chiubigigu“ bei Google 147 Mal zu finden ist. Echt keine schlechter Wert für eine Bratwurst.

    

    7 Responses to “Was ist ein CHIUBIGIGU — Berndeutsch für debile willige Killer”

    1. Eva Says:

      „20 Minuten“ gibt es noch. Zusätzlich gibt es „Blick am Abend“ und für die Welschen hier „20 Minutes“.

      Wie kommst du nur auf die unterschiedlichen Dinge in der Sprache? Interessant.

    2. Brenno Says:

      Dieses Thema wurde eigentlich schon vor mehr als vier Jahren erschöpfend abgehandelt. Zu sagen gibt es m. E. höchstens noch zwei Dinge:
      1. Gigu ist nur dann ein harmloses Wort, wenn es in einer Runde von unkomplizierten, zumeist jüngeren Männern oder männlichen Jugendlichen fällt, die sich bereits kennen und denen eine derbe Ausdrucksweise nicht fremd ist. In allen anderen Fällen gilt es als höchst vulgär, und zwar nicht nur wegen des Körperteils, das es in seiner wörtlichen Bedeutung bezeichnet, sondern auch deswegen, weil es so gemeint bzw. konnotiert ist. Also Vorsicht mit diesem Wort!
      2. Im Berndeutschen ist die Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Vokalen von grosser Bedeutung. Dieser Dialekt weist laut Werner Marti, Verfasser der Berndeutschen Grammatik, 12 vokalische Phoneme auf gegenüber 8 im Schriftdeutschen. Berücksichtigt man ausserdem noch Längen und Kürzen, sind es 23 gegen 16! Kein Wunder, tun sich Nichtberner schwer damit, diesen Dialekt korrekt zu sprechen, wenn sie einmal in die Lage kommen, dies zu tun (z. B. Zürcher Schauspieler in Gotthelf-Filmen). So wird z. B. das erste i in Chiubi offen ausgesprochen, das zweite dagegen geschlossen! Besondere Vorsicht ist gerade bei dem ominösen Wort „Gigu“ angezeigt: Das i ist offen und das u geschlossen, was eigentlich auch für Nichtberner nachvollziehbar sein sollte, da bei einem geschlossenen i das Wort viel umständlicher auszusprechen wäre! Die korrekte Aussprache dieses Wortes ist auch deshalb zu empfehlen, weil es sonst an den Namen einer früheren französischen Ministerin erinnert (Vorname: Elisabeth). Diplomatische Verwicklungen sind sicher das Letzte, was Blogger sich wünschen …

    3. Chrisbo Says:

      1. Gigu ist nur dann ein harmloses Wort, wenn es in einer Runde von unkomplizierten, zumeist jüngeren Männern oder männlichen Jugendlichen fällt, die sich bereits kennen und denen eine derbe Ausdrucksweise nicht fremd ist. In allen anderen Fällen gilt es als höchst vulgär, und zwar nicht nur wegen des Körperteils, das es in seiner wörtlichen Bedeutung bezeichnet, sondern auch deswegen, weil es so gemeint bzw. konnotiert ist. Also Vorsicht mit diesem Wort!

      Was soll an einem Trottel vulgär sein? Sprachempfinden kann man nicht verallgemeinern. Einer mag es derbe und kann das Gesagte richtig einordnen. Der Andere ist in etwa so flexibel wie der Fels in der Brandung, was das Verstehen der Absicht des Sprechers anbelangt. Sprache ist häufig millieuabhängig. Im linken Millieu gilt es mittlerweile als chique, das Wort „Diskriminierung“ zu verunglimpfen.

    4. Brenno Says:

      Was an einem Trottel vulgär sein soll, weiss ich auch nicht. Ich bin abgesehen davon nicht der Meinung, dass Trottel ein Synonym von Gigu ist; aber selbst wenn man von dieser Annahme ausgeht, habe die beiden Wörter eine andere Konnotation (Nebenbedeutung).

      Dass ein Ausdruck je nach Milieu unterschiedlich aufgefasst werden kann, habe ich anhand dieses Beispiels ja erwähnt.

    5. Patrick Says:

      Als „Gigu“ wird bei uns in Bern auch gerne mal das männliche Geschlechtsorgan bezeichnet. Ich denke, dass der Begriff daher stammt, beachtet man die phallische Form der Bratwurst 😉

    6. Allmechtna Says:

      Hoppla! Da wäre ich wohl ganz schön “inegheit” ( = hereingefallen)

      So ohne Hilfe hätte ich die Chilbi noch gekannt, aber mit Sicherheit auch den “Gigu” für eine Nebenform von “Güggel” gehalten, also ein Hähnchen! (für allfällige Leser aus Ostdeutschland: ein ‘Broiler’ 🙂 )

      Auf eine Bratwurst wäre ich dabei nie gekommen – keine Chance.

    7. Brenno Says:

      @Allmechtna
      Auf die Bratwurst sollst Du auch nicht kommen! Es geht hier um einen gruppenspezifischen Jargon, oder wie auch immer man das nennt.