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Nicht lecker essen, sondern fein — über die Adjektive der Schweizer beim Essen

(reload vom 13.02.07)

  • Nicht lecker essen, sondern fein
  • Von Adolf Muschg lernten wir in der Talk-Show CLUB, die ihr zischend fröhliches „Zischtigs“ Attribut leider abgeben musste (welches auf den „Tag des Ziu“ zurückgeht, siehe hier), was die Schweizer niemals nie zum Essen sagen, nämlich dass es „lecker“ sei.

    Schweizer Essen ist niemals „lecker“, sondern meistens „fein“ oder wenigstens „guot“. Über die Eigenschaft der Schweizer, mit grosser Vorliebe am liebsten „etwas Feines“ zu essen, hatten wir schon berichtet (vgl. Blogwiese) . Neu ist uns hingegen die offensichtliche Aversion gegen das standarddeutsche Adjektiv „lecker“. Oder ist das gar nicht Standarddeutsch, sondern ein nur in Deutschland gebrauchter „Teutonismus“, den die Schweizer selbst nie in den Mund nehmen würden?

    „Lecker“ kann sogar Leitspruch einer Diät werden:
    Lecker schlank werden
    (Quelle Foto: tvugsto-presse.tv)

    Machen wir den kleinen Google-Test. Es findet sich bei Google-CH die Kombination „lecker essen“ nur 2‘710 Mal während sie Google-DE 969‘000 Mal ausweist. Natürlich sind solche Zählungen kein objektiver Massstab, aber die Relation 1 zu 60 ist schon sehr eindrücklich. Die Fundstellen für „lecker“ bei Google-CH und Google-DE bringen es auf das Verhältnis 1 zu 20, also wird das Wort 20 Mal mehr in Deutschland verwendet als in der Schweiz, gemäss der nicht repräsentativen Google-Messung.

  • Lecker ist zu nordisch
  • Das Wörtchen „lecker“ ist nichts für die Schweizer, denn es kommt wahrscheinlich einfach zu weit aus dem Norden, dem Niederdeutschen. Im Niederländischen ist „lecker“ übrigens nicht allein ein positives Adjektiv für feines Essen, sondern hat eine viel allgemeinere Bedeutung. „Lekker“ mit zwei „k“ geschrieben steht dort für „toll, prima, schön“.
    lekker heisst schön
    (Quelle: niederlandistik.fu-berlin.de)

    Wer nach „lekkere meisjes“ googelt findet garantiert kein Rezept für delikat zubereiteten Mais, sondern hübsche holländische Mädels.

  • Ist lecker zu anrüchig?
  • Aber warum gebrauchen die Schweizer grundsätzlich dieses Wort nicht im Zusammenhang mit Essen, so wie die Deutschen? Hängt es vielleicht damit zusammen, dass es lautlich sehr nah beim Fluch „läck mr“ oder „läk“ steht? Kann etwas kaum als Lob für gutes Essen verwendet werden, was schon fast wie ein Fluch klingt?
    Vielleicht liegt es einfach daran, dass die adjektivische Vielfalt der Varianten von „feines Essen“ und „guotes Essen“ nicht weiter überfrachtet werden sollte. Warum ein drittes Adjektiv, wenn man schon zwei hat, die ihren Zweck gut und häufig erfüllen? Kleine Hunde sind „herzig“ und gutes Essen ist „fein“, so ist das eben in der Schweiz. Wer braucht schon Varianz? Für ganz ausgefallene Belobigungswünsche gibt es ja immer noch das Lob für „währschafte“ Essen.

    

    19 Responses to “Nicht lecker essen, sondern fein — über die Adjektive der Schweizer beim Essen”

    1. Peter Says:

      Es gibt ja die „Basler Leckerli“, also ist der Begriff lecker durchaus bekannt, aber eher selten. Ich glaube, auch in Österreich und Süddeutschland wird lecker kaum oder wenig gebraucht. Es scheint sich tatsächlich um einen Teutonismus zu handeln, was Wikipedia ja auch bestätigt.

      „Läck mir“ in dieser Form ist übrigens eher ein Ausdruck des Erstaunens oder der Überraschung als ein Fluch. Für eine beabsichtigte Beleidigung wird in der meistens Schweiz das unabgekürzte LmaA verwendet.

    2. gäbiger Says:

      Tut mir leid, Herr Wiese, dieser Beitrag ist eine Themaverfehlung. Die Aversion gegen das Wort lecker ist keineswegs schweiz-typisch, die findet sich genauso im Süddeutschen (natürlich verwässert durch die vielen Zuzügler aus dem Norden). Für einen echten Bayern jedenfalls schmeckt das Essen ebenfalls fein und sicher nicht lecker.

    3. gäbiger Says:

      und übrigens: wenn Ihre google-Zählungen stimmen, ist das Verhältnis nicht 1:60 sondern etwa 1:360. Oder haben Sie da noch die Bevölkerungszahlen mitverrechnet?

    4. Fabian Says:

      Ganz einfach: Das Wort „lecker“ gibt’s nicht im Schweizerdeutschen, also wird es auch nicht verwendet. Einfach, was? Genau wie auch die Worte „Frühstück“ oder „Schokolade“.

    5. Hanjo Says:

      Ach wie schade dass wir unsere eigene Sprache haben. Frage mich schon manchmal was der Herr Wiese denn eigentlich in der Schweiz hält, wenn er doch alles so möchte wie im Norden…

      Wenn es wirklich um die kulturellen Unterschiede geht, gibt’s da noch viel interessantere Länder.

    6. neuromat Says:

      Ganz einfach. Gibt’s nicht. Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht. Aha, also ein Teutonismus. Da werden sich die Niederländer aber freuen.

      Das Adjektiv lecker gehört zum Standardwortschatz, es findet sich sowohl im spmhd. (spätmittelhochdeutsch) lecker, mndd. (mittelniederdeutsch) lecker, mndl. (mittelniederländisch) lecker.

      Der Begriff leckari „Schwelger“ geht zurück bis in das 8. Jh. Wahrscheinlich eine Zeit, in der die Region, die heute die Schweiz bildet dies nicht gerade häufig anzutreffen war, sofern es sich auf das Essen bezieht. Im Nordwesten bedeutet lecker „wählerisch im Essen“, wäre also unter dieser Bedeutung für die Schweiz nach dem 2. Weltkrieg durchaus denkbar, sicher aber nicht für die Zeit davor.

      Im mhd. gibt es auch lecker. „Tellerlecker“ für „Schmarotzer“, herrührend von lecken, mit der Zunge über etwas streichen“.

      Fein.
      fein, auch ein Adjektiv, auch Standardwortschatz (12. Jh.), mhd. vin, mndd. fin, mndl. fijn. Entlehnt aus altfranzösisch fin, das aus dem Substantiv lateinisch finis „Ende, Grenze“ in prädikativer Stellung entstanden ist („das ist die Grenze“ = „das ist das äußerste“ = „das ist das beste“).

      Der Gebrauch, darüber könnte man sprachpsychoanalytisch nachdenken kommt den „Abgrenzern“ eher entgegen. Fin als Begrenzung in definieren, was ja auch gerne hierzulande permanent gebraucht wird.

      In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass ein Bayer „echt“. Wie definieren wir einen „echten“ Bayern. Er sagt fein. Denn nur das entspricht der typisch zurückhaltenden, distinguerten Lebensart der Bayern. Keiner käme auf Sprüche wie: „i sog’s halt, wia’s is.“ Menschen mit Pratzn wian Abortdeckel.

      Jetzt sind die Süddeutschen aber auch schon verwässert, durch die vielen Zuzügler aus dem Norden. Das ist das gleiche Problem mit der Sprachwissenschaft. Echte Sprachwissenschaft bemüht sich durch Einsatz von Intelligenz und beharrlicher Forschung (natürlich verwässert durch brunzdumme Gleznseppl „Des is des, wo mia ned kenna“)

      Ich gebrauche hingegen standardmässig den Begriff „leckerfein“.

    7. Süddütscher Says:

      Lecker klingt für mich nach Fernsehdeutsch, nach Kochshow…

    8. Süddütscher Says:

      Blogwiese sollte seine gedachte Sprachgrenze endlich mal aufweichen. So vieles, was er als typisch deutsch entlarvt, ist mir als Bayer fremd. Österreichische oder Schweizer Varianten von sprachlichen Ausdrücken liegen mir oft näher. So auch hier bei lecker – fein.

    9. neuromat Says:

      Vorsicht dieser Link auf Süddeutsches Hoheitsgebiet enthält Werbung und deckt sich nicht mit der Meinung des Verlinkenden und stellt schon gar keine Ernährungsempfehlung dar:

      http://www.seitenbacher.de/

    10. lichtblau Says:

      Lecker? Das Wort würde ich als Schweizerin (mit deutscher Mutter, daher „zweisprachig“) nie benutzen. Lecker hört sich unangenehm „toitsch“ an, sorry. Der Horror lässt sich aber noch toppen: In Kochforen lese ich immer öfter „legga“. Da vergeht einem ja der Appetit …

    11. AnFra Says:

      Als Teutonismus kann man „lecker“ sicherlich nicht eindeutig betrachten, sondern als etwas im schweizerischen Sprachraum zurückgezogen Begriff. Denn wenn man die Ausführungen von @neuromat weiterführt, kommt man in der Tiefe bei den Ursprüngen an. Interessant ist: Der Arzt wird z. B. im Schwedischem = läkare und im Polnischen = lekarz, also „Lecker“ genannt.

      Geht man in die gute alte Zeit der Germanen zurück, taucht dann für Arzt die Bezeichnung = ahd. lâchi, goth. lêkeis, ags. læce, engl. leech, altn. læknir, dän. läge; litt. lěkorus, sl. ljekar, russ. lékar, also in sinninhaltlicher Übersetzung = „Lecker, der Leckende“ auf.

      Wenn sich die Ableitung vom lecken auf „Lache, Lacke (Salzpfütze) uäm“ zurückführen lässt, dann ist es logischerweise vom „Salzlecken“ der Menschen und Tier erklärbar. Es gibt sicherlich auch in der Schweiz für Kühe, Ziegen und züricher Ochsen sogen. „Lecksteine“, an denen sich die Viecher laben können. Dies ist auch für die frühen Menschen wegen der lebensnotwendigen Salzzufuhr auch so vorstellbar.

      Den Ursprung kann man auch hier finden, denn z. B. das latain. ligurio gilt für leckend, erpicht sowie lüstern sein. Den gemeinsamen Ursprung für die lat., germ., slaw., und nordischen Bezeichnungen ist wohl im Salzlecken zu finden, als ist es ein alter ind-europ. Begriff.

      Warum „lecker“ in der heutigen Schweiz etwas negativ angesehen wird, kann m. E. aus der Vergangenheit abgeleitet werden. Denn beim Franzosen-König Ludwig XIV wurde jeden Morgen durch 3 Ärzte dessen königlicher Urin zur Ermittlung des königlichen Wohlempfindens durch ein königliches Kollegium mit einer königlichen Degustation überprüft.
      Da die menschliche Zunge ein einzigartiges biologisch-sensorisches Analysesystem ist, kann hernach die Vermutung doch sehr stark bestätigt werden, dass die Bezeichnung vom Arzt/Lekarz/ uam vom „Lecker“ eindeutig abgeleitet werden kann.
      Da der Ludwig XIV neben der Schweizergarde zum persönlichen Schutz auch etliche Leibärzte / Lecker / Lekarze aus der Eidgenossenschaft hatte, kann man sich gut vorstellen, wie so eine königliche Abschmeckung ablieft: Der Kanzler von Frankreich fragt: Wie is’s, Schweizerlecker? Schweizerlecker: Die delikate Urin-Degustation seiner Königlichen Hochheit ist normal, extrem lecker, einfach delicieux und wohlschmeckend. Normaler Salzgehalt, kräftig in der Farbe, ohne Schwimm-, Flock- und Schwebstoffen, keine Ausfällungen und keine Sedimantation sowie kein Zucker feststellbar. Keine Wirkungen von Giftstoffen. Einfach lecker, mit delice zu genießen!

      Wenn nun der alte eidgenössische Arzt/Lecker/Lekarz wieder in seiner Heimat war und über die Abenteuer bei der Königlichen Hochheit befragt wurde, war die Antwort: Das war nicht immer kein Schleck!

    12. neuromat Says:

      @ anfra
      ich bin sicher, dass es so gewesen sein muss, wie Du schreibst. Und jetzt breche ich vor Lachen weiter zusammen.

      sehr schön aber auch weiter oben: „ich als Schweizerin“ – gibt es den Zürcher jetzt schon in weiblichen Ausgaben?

    13. AnFra Says:

      @neuromat

      Ob der Züricher ein Männchen oder Weibchen ist, spielt keine Rolle.

      Das Problem ist dieses, er ist wohl eine Mischung aus Schweizer und Züricher, so ne Chimäre halt, vermutlich eine Einmischung mit einem Ochsen!

      Der leckt natürlich wohl nur braune NS-Lecksteine, die ganz scharfen, diese Natriumsulfat-Lecksteine. Als Glaubersalz auch ein gutes Abführmittel, natürlich nur für den Züricher geeignet. Bestens geeignet zur Entleerung von Hirn und Darm.

      Solche Chimären gehören auf ne Salzwiese und nicht auf die Blogwiese.

    14. Franzl Lang Says:

      Wieso gibt’s dann in der Schweiz Läkerol und in Deutschland nicht?!

    15. AnFra Says:

      @Franzl Lang

      Gratulation mit deiner Frage nach dem Läkerol.

      Mit deiner Frage konnte ich nun für mich ein großes historisches Problem lösen: Warum ist der Hilter nicht in Schweden einmarschiert?
      Die Antwort wird dich umhauen: Wegen dieses „Läkerol“!

      Denn wenn man diesen Handelsnamen untersucht, wird man fündig. „Läke-“ ist für Gesundheit, Gesundwerdung, Gesundbleibend und Heilung. „-rol“ lässt sich aus dem latain. Bezeichnung „olium“ also das Öl betreffend ableiten. Also meint „Lärerol“ wohl ein „Heil-, Gesungheitsöl“, auch wenn Gummi Arabicum der Hauptträger zu sein scheint.

      Und nun die historische Erkenntnis: Wie gesagt ist das altgerm., schwäd. und althochdt. „läk, läke, lek, leck uam“ für Gesundwerdung, Heilung und das HEIL.

      Stell dir vor: A. Hilter im Jahr 1940 in Stockholm bei der Siegesparade und alle Schweden rufen: Läke Hitler !

      PS: Es bleibt nur noch das LETZTE Rätsel, warum der Hitler die Schweiz verschont hat!

    16. Peter van Oorth Says:

      Dieser Blog soll zum besseren Verständnis zwischen Schweizern und Deutschen beitragen.

      Das Internet ist eine gute Kommunikations- und Informationsplattform, um Befindlichkeiten und Charaktere eines anderen Volkes direkt mitzubekommen, durch z.B Leserkommentare in Online Medien und Foren.

      Je mehr ich aber hier von der Schweiz, ihren Einwohnern und ihrer Gedankenwelt erfahre, desto größer wird die Unsympathie und das Desinteresse.

      Die Schweizer sind eine Nation, derer man sich nicht anfreunden kann und deshalb diskret Abstand nehmen sollte.

      Zu groß und befremdlich deren permanent selbst zelebrierte Eigenarten, derer sie sich der gewollten Distanz wegen bedienen.

      (Ein Besucher und aufmerksamer Leser einiger Schweizer und anderer ausländischer Foren).

    17. AnFra Says:

      @Peter van Oorth

      ???

    18. freiheitistunteilbar Says:

      Machen wir den kleinen Google-Test. Es findet sich bei Google-CH die Kombination „lecker essen“ nur 2‘710 Mal während sie Google-DE 969‘000 Mal ausweist. Natürlich sind solche Zählungen kein objektiver Massstab, aber die Relation 1 zu 60 ist schon sehr eindrücklich. Die Fundstellen für „lecker“ bei Google-CH und Google-DE bringen es auf das Verhältnis 1 zu 20, also wird das Wort 20 Mal mehr in Deutschland verwendet als in der Schweiz, gemäss der nicht repräsentativen Google-Messung.

      Ein Verhältnis von 1:60 klingt sehr abenteuerlich. Gerundet besteht ein Verhältnis von 1:357. Kann mich der Admin da aufklären?

      [Anmerkung Admin: Ja gern, ich habe mich verrechnet. Denn die 1:60 Lage stammt noch aus der Zeit, als dieses Posting zum ersten Mal geschrieben wurde. Seitdem hat sich das Verhältnis tatsächlich geändert. Muss ich anpassen. Sorry für die Umtriebe]

    19. Zeitgenosse Says:

      In Österreich sagen wir „köstlich“. Niemals „lecker“. Letzteres verwenden, abgesehen von Personen mit deutschem Migrationshintergrund, nur Leute, die zu viel Fernsehen konsumieren.