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Heimatfreunde für die Swissair — Vom Munitionieren und der Munot

(reload vom 24.01.07)

  • Heute schon jemanden munitioniert?
  • Constantin Seibt schreibt in einem sehr interessanten Hintergrundartikel zum Niedergang der Swissair im Tages-Anzeiger vom 16.01.07:

    Die Überlebensstrategie der Swissair 1992 hiess Alcazar: eine Fusion mittelgrosser europäischer Fluglinien – AUA,KLM, SAS und Swissair. Dieses Projekt – im Nachhinein wurdes es von vielen als letzte Chance der Swissair begriffen – scheiterte. Schuld waren zwei Kräfte: erstens die Heimatfreunde, angeführt von Verkehrsmininster Adolf Ogi, der einst sagt. „Wenn ich im Ausland ein Swissair-Flugzeug sehe, fühle ich mich wie auf dem Rütli.“ Sein Verbündeter war der „Blick“, der (munitioniert von Crossair-Chef Moritz Suter) auf das Projekt schoss. Er schrieb: „Die Swissair ist bei dieser Ehe nicht die schönste Braut. Sie ist die Beute.“

  • Sagen Sie AUA oder Aiiih oder Argh oder Ita?
  • An dieser Passage gefallen mir ein paar Begriffe und Wendungen ganz ausserordentlich. Nein, ich rede nicht von dem schmerzhaften Namen östereichischen Fluggesellschaft „AUA“, die heute „Austrian“ heisst. Diesen Sprachwitz versteht sowieso nur ein Leser aus dem deutschsprachigen Raum. Denn glauben Sie bloss nicht, alle Menschen dieser Welt sagen, wenn Sie plötzlich Schmerzen fühlen, „AUA“. Das ist etwas typisch Deutsches. In Frankeich und in der Westschweiz würde man „Aiihh“ sagen, was wie „EI“ klingt, in anderen Ländern sind es wiederum andere Lautfolgen. Wer kennt nicht den Schmerzensruf „arrgh„, zu lesen in jedem zweiten amerikanischen Comic?. Die Japaner hingegen rufen „Itai Ita!!“ wenn sie Schmerz empfinden. Ich möchte jetzt nicht wissen, was bei denen die Lautfolge „AUA“ bedeuten mag. Vielleicht: „Ich Rindvieh„? Das jedenfalls bedeutet „JA-WOHL“ in den Ohren von Serben und Kroaten, wenn sie Deutsche diesen Ausruf in einem Film über den Zweiten Weltkrieg sagen hören.

  • Sind sie auch ein Heimatfreund?
  • Nein, es gefallen uns die „Heimatfreunde“, die wir so noch nicht kannten in der Schweiz. Nur dem „Heimatwerk“ sind wir schon begegnet. (vgl. Ein Stück Heimat, schon ab Werk)

    Die „Heimatfreunde“ fanden sich bei Google-CH 167 Mal, was erschreckend wenig ist im Vergleich zu den 69‘900 Heimatfreunden bei Google-DE. Ist es wohl doch eher eine Deutsche Tugend, ein Freund der Heimat zu sein? Wenn schon nix Heimatwerk in Deutschland, dann wenigstens viele Freunde?

    Laut dem Artikel im Tagi äusserte sich die Heimatfreude des Alt-Bundesrats Adolf Ogi im Satz: „Wenn ich im Ausland ein Swissair-Flugzeug sehe, fühle ich mich wie auf dem Rütli.“ Es ist still auf der Rütliwiese am Urnersee. Ausser, Sie begehen den Fehler und gehen dort am 1. August hin nachdem sie zuvor schriftlich per Antrag bestätigt haben, dass Sie keinen Unsinn anstellen werden dort. So was wie Hitlergruss zeigen oder Parolen Rumgröhlen oder Politiker ärgern. (siehe „Per Antragformular Ruhe auf dem Rütli schaffen“) Da seit den Zeiten von Adolf Ogi die Verwendung des Schweizerkreuzes orbitant zugenommen hat, müsste er sich jetzt eigentlich permanent aufs Rütli versetzt fühlen. (Siehe: Die Schweizer Flagge und der Erste Hilfe Koffer).

  • Und wem munitionieren Sie?
  • Der Blick wurde „munitioniert“ von Crossair-Chef Moritz Suter. Als „nicht an der Waffe ausgebildet“ müssen wir scharf nachdenken, um was es bei dieser Tätigkeit geht. Nein, es ist kein spezifisch schweizerischer Ausdruck, dieses „munitionieren“, auch wenn man das meinen könnte. Auch in Deutschland wird Munition angereicht, im übertragenen Sinne selbstverständlich.
    Munot in Schaffhausen
    (Quelle Foto: swisscastles.ch)
    Gewiss hat es auch nichts mit dem „Munot“ zu tun, unserer Lieblingsburg in Schaffhausen:

    Der Munot ist eine Zirkularfestung im Zentrum der schweizerischen Stadt Schaffhausen und gilt als das Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde im 16. Jahrhundert gebaut; kurz nach der Fertigstellung gab es die ersten Zweifel, ob die Anlage dem Stand der Militärtechnik entspricht. Daher diente sie nur einmal zur Verteidigung: Im Jahre 1799 während des Rückzugs der französischen Truppen vor den Österreichern.
    (Quelle: Wikipedia)

    Moment mal, Wahrzeichen von Schaffhausen? Wir dachten, dass sei der Rheinfall! Stimmt nicht so ganz, denn der liegt in Neuhausen. Und wo liegt das? Im Kanton Schaffhausen! Also sollten wir da nicht so kleinlich sein. Wiki meint:

    Er befindet sich in der Schweiz auf dem Gebiet der Gemeinden Neuhausen am Rheinfall im Kanton Schaffhausen (rechtsufrig) und Laufen-Uhwiesen im Kanton Zürich (linksufrig), rund vier Kilometer westlich unterhalb der Stadt Schaffhausen.

    Um kommen sie nun bloss nicht auf die Idee, diese letzten vier Kilometer von Schaffhausen bis Neuhausen auf dem Rhein mit dem Schlauchboot oder schwimmend zurückzulegen, um sich den Rheinfall mal von nahen anzusehen. Sie hätten sonst gute Chance auf den nächsten Darwin Award (vgl. hier). Abgesehen davon ist es streng verboten, auf diesem Flussabschnitt mit dem Boot zu fahren oder zu baden. Unter 200 Franken Busse kommen Sie bei „fehlbarem“ Verhalten nicht weg.

    

    3 Responses to “Heimatfreunde für die Swissair — Vom Munitionieren und der Munot”

    1. Peter Says:

      Ganz in der Nähe von „AUA“ ist noch das bernerische „AUÄÄÄ“. Ich weiss nicht ob sie es so schreiben und übersetzen würde ich es am ehesten mit „weläwäg“ (Appenzellerisch) d.h. „wahrscheinlich“.
      Ich geniesse deine Blogs!
      Gruss
      Peter

    2. AnFra Says:

      Da momentan die Blogwiese unter Verdauungsstörungen leidet, möchte man passend zum Thema etwas Tonikum der Heilpflanze „Schafgarbe“ dagegen einflössen.

      Im Namen „Munot“ ist eine unheimlich starke Symbolik versteckt, die zum Teil keine und zum anderen Teil doch eine Verbindung zum besagten „munitionieren“ hat. Da mir als alten Artilleristen keine Kenntnisse der Historie vom Munot vorliegen, kann ich nun munter hier drauflos ableiten.

      Die Vorgängeranlage hatte im 14. JH die Bezeichnung „Annot“ und im 15. JH „Unot“. Wenn man berücksichtigt, dass SH im 11. JH nach der noch jetzt erkennbaren deutschen Städteordnung gegründet wurde, kann man sicherlich diesen Namen aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen „ana, ane, anu, ano“ für „ohne“ und „not“ für einengend, bedrängt, eingeklemmt, gefährlich im Streit und Kampf für „Not“ ableiten. Also: „Ohne Not“. Wenn man berücksichtigt, dass SH vor der Ernennung zur freien Reichstadt im Lehen schwäbisch-fränkischer und dann bairischer Herrschaft war und diese wg. der Reichsanordnung solch eine Anlagen haben bauen und unterhalten müssen. Da die Lage der Stadt SH eigentlich zur Verteidigung nicht optimal ist und der Sinn der Stadtgründung wohl überwiegend im seichten Rheinübergang und dem Umschlagplatz vom Schiff auf Fuhrwerk und wieder aufs Schiff wg. dem Rheinfall zu sehen ist, kann man deshalb sicherlich die „Annot“ / „Unot“ als eine quasi rein zivile „Fluchtburg, Fliehanlage, Freiburg“ ansehen, welche nur beim drohenden Angriff von den Bewohnern von SH benutzt wurde.
      Nachdem SH sich zum eidgenössischem Bund geschlagen hatte, mussten sie nun selber für diese Anlage sorgen. Es gab keine Reichsgelder aus der Reichskasse in Frankfurt/ Main oder von den habsburgischen Deutschen Kaisern bzw. österreichischen Herzögen aus Wien. Und hier beginnt nun eine wunderbare Entwicklung.

      Die Leute aus SH wollte sicherlich auch ein Statussymbol haben, sie wollten auch eine „Swissair“ der damaligen Zeit besitzen! Drum gab’s im 16. JH. diesen wunderbaren Festungsbau, der mehrer Jahrhunderte nicht benötigt wurde. Der Name „Munot“ dürfte nun leicht ableitbar sein! Aus der Fliehburg „Ohne Not“ wurde durch die wuchtige Bauweise mit weißem Kalkgestein und den Kassematten, Turm uam. eine scheinbar moderne Wehranlage, die SH hätte schützen sollen. Also eine Festungsanlage nur noch für die Militärs.
      Aus „Unot“ der ohne Not wurde sicherlich durch sprachliche Veränderung die „Munot“, die Gemauerte, die Befestigte, die Geschanzte, die Schützende nach der lateinischen Bezeichnung „“munio, munire uam.“ für „mauern, bauen uam.“. Also keine Fliehburg mehr, sondern eine echte militärische Feste mit Artillerie.
      Der Entwurf hat sicher dem Stand der Kriegstechnik vor/um 1500 entsprochen, aber beim Bauende Mitte/Ende des 16. JH hat sich die Technik der Artillerie dramatisch weiter entwickelt. Durch bessere Gusstechnik mit engeren Tolleranzen, verbesserten Verdämmung der Kugeln im Rohr, gesteigerter Rasanz und potenzierter Wirkung des Schießpulvers und als wohl die stärkste Veränderung der Wechsel von Stein- zu Eisenkugeln, welche dadurch eine Steigerung der Auftreff- / Aufschlagenergie mit einem damals gigantischen Vergrößerungsfaktor von etwa 6 bis 10 (wenn nicht noch mehr) ergeben hat.

      Ergo ist diese „Festung Munot“ bereits bei der Fertigstellung durch diese rasante technische Entwicklung überholt.
      Man kann sagen: Auch so ein „Weißer Elefant“ mitten in Schaffhausen, wie 500 Jahre später der andere „Weiße Elefant“ in Zürich-Kloten.

    3. pete Says:

      wenn man constantin seibts texte auf helvetismen analysiert, sollte man nicht ausser acht lassen, dass dieser herr selbst deutscher ist…