Neues vom Türenaufhalten — Essen Sie auch gern ein Bütterken?
(reload vom 22.01.07)
Eine der wunderbarsten Eigenschaften der Deutschen Sprache ist ihre Möglichkeit, aus jedem x-beliebigen Satz ein Wort machen zu können. Sie können also ruhig sagen: „Dein ewiges Türenaufundzuschlagen nervt mich ganz gewaltig“. Es ist zwar kein sehr kurzes Wort, mit ein paar Trennstrichen wäre es sicher leichter lesbarer, und so bleiben wir bei der Schreibweise des Schweizer „Tür-aufhalten-Phänomens“, weil uns das „Türenaufhaltenphänomen“ zu unförmig und sperrig daherkommt.
Wie haben viele Reaktionen auf diesen ersten Artikel der Blogwiese im September 2005 bekommen. Manche Schweizer „outeten“ sich mit dem Satz: „Ja, auch ich bin ein Türenaufhalter“. Fast hatten wir Lust, eine Selbsthilfegruppe zum „Ich-muss-ständig-Türen-aufhalten-Problem“ anzubieten. Codename „A-T-A“ = „Anonyme Tür Aufhalter“. Aber es ist ja nicht wirklich ein Problem, ausser Sie stehen vor einer Drehtür und möchten diese gern aufhalten. Fragt sich nur wie, die dreht sich einfach ständig weiter.
Oder Sie befinden sich vor einem Fahrstuhl, Excüse, natürlich „Lift“ und haben Schwierigkeiten, dort den richtigen Knopf zu finden, der die Tür aufhält.
Ein Kollege kam neulich auf die ungute Idee, bei einem grossen Personenaufzug den Fuss zwischen die sich schliessenden Aufzugstüren zu stellen, um so die Tür für nachfolgende Kollegen aufzuhalten. Der Fuss wurde dabei eingeklemmt, die Hydraulik versagte, die Tür ging nicht mehr auf oder zu, der Fahrstuhl war ca. 40 Minuten ausser Betrieb, der Kollege wurde von uns mit Stullen versorgt, denn wir waren auf dem Weg zur Kantine.
„Stullen“ kennen sie nicht? Weil das bei Ihnen vielleicht eine „Kniffte“ ist? Oder ein „Bütterken“. Neudeutsch dürfen sie auch „Sandwich“ dazu sagen. Welche Varianten die Schweiz wohl für belegte Brote ausser dem Begriff „Veschpa“ haben? Mir fehlt mein Variantenwörterbuch im Krankenhaus zum Nachschauen. Doch, eine Bezeichnung scheint es hier zu geben: „Ein Eingeklemmtes„, auf Berndeutsch ist das „es iigchlömmts“ und in Zürich „es iigchlämmts“ (das „i“ am Anfang habe ich absichtlich klein geschrieben. Das Wort sollte man natürlich gross schreiben, aber dann sieht es aus wie ein „l“).
Zurück zum Aufzug und der entscheidenden Frage, ob man den auch aufhalten sollte. Wir bekamen viel Post von Menschen, die den Schweizern vorwerfen, sie würden extrem rasch die „Tür-Schliessen“ Taste im Fahrstuhl drücken. Keine Ahnung welche das sein soll, ich gehöre zu den Menschen die so etwas sowieso nicht unterscheiden können und höchstwahrscheinlich eher den Alarm auslösen würden als die richtige Taste zu finden.
Nun fand ein Leser der Blogwiese die Lösung, warum so viele Schweizer diese höfliche Angewohnheit des Türenaufhaltens pflegen. Er schickte uns diese Bild:
und schrieb dazu:
Ich habe heute herausgefunden warum wir Schweizer so gerne anderen Leuten die Türen aufhalten. Die Lösung liegt im Schülerkalender „Mein Freund“ von 1949. Das ist so ein kleines Jahrbüchlein im Hosentaschenformat, in dem allerlei Wissenswertes, Erstaunliches und Unterhaltsames zu finden ist. Unter anderem auch ein paar Seiten mit Benimmregeln… so wie diese.
PS: Keine Ahnung wer „falsch“ und „recht so“ hingeschrieben hat, war wohl ein sehr aufmerksamer Schüler.
(Quelle: Private E-Mail)
Fragt sich, wie lange dieser Kalender nach 1949 noch aufgelegt wurde. Wir üben derweil den Grundsatz in dem wir alle gemeinsam 100 Mal nachsprechen: „Dem anderen die Ehre… dem anderen die Ehre.. dem anderen die Ehre“.
Mai 4th, 2010 at 10:03
Ich bin keine potentielle ATA. Ich betrete einen Fahrstuhl, erfasse umgehend die verschiedenen Knöpfe mit Augen und meistens auch mit Hirn (gaaaanz selten war’s schon der Alarmknopf), um dann unverzüglich meinen Zeigfinger mit absoluter zielsicherheit auf den ‚Tür zu‘-Knopf zu pressen. Lustigerweise finde ich den ‚Tür auf‘-Knopf nie auf Anhieb, weshalb sich die Tür oftmals direkt vor der Nase der unglücklichen Nachfolgenden schliesst.
Aber ich bin auch nie in den Genuss dieses Schülerkalenders gekommen.
Mai 5th, 2010 at 18:45
Um an Yolke anzuschliessen: der „Tür zu“-Knopf im Aufzug ist eine hervorragende Einrichtung, die es in Deutschland praktisch nicht gibt. Wie oft hat es mich früher genervt, wenn ich im Aufzug gefühlte 10 Minuten warten musste, bis die Türen sich endlich schlossen …
Hierzulande kein Problem … wenn keine Zureisenden in Sicht sind, einfach das Knöpfchen drücken und los geht die Fahrt.
Mai 5th, 2010 at 22:47
Dass aber der Franz ebenfalls ein Egoist sein könnte, weil er sich gut dabei fühlt, anderen zuvorkommend die Tür offenzuhalten, daran dachte der Schreiberling wohl nicht. 😀
Außerdem, was machen die Schweizer blos, wenn sie in Zeitnot sind und gerade noch rechtzeitig die Tür erreichen? Es wäre doch vermessen anzunehmen, so etwas passierte keinen Schweizern, da diese immer tugendhaft pünktlich seien. 😉