Haben Sie auch genug Pfupf? — Neues aus dem Schweizerdeutschen Alltag
Wir lasen in unserem Lieblingsfachblatt für das angewandte Schweizerdeutsch der Gegenwart, dem Tagesanzeiger vom 10.05.2010 über den neuen Mister Schweiz Jan Bühlmann:
„Der neue Schönste aller schönen Schweizer ist noch zu haben. Kandidatinnen sollten mit Vorteil blond sein, Sommersprossen und einen gewissen „Pfupf“ haben, wie es Mama Astrid ausdrückt“
(Quelle: Tagesanzeiger vom 10.05.2010, S. 14)
Ob sie damit meint, dass sie sich eine Bordell = Puffbesitzerin für ihren Jan wünscht? Wer sonst hat einen Pfupf, sprich Puff? In der Schweiz sind das gar nicht so wenige. Ein Motorad zum Beispiel hat „Pfupf“:
„(…)kauf dir ne Africa Twin. Zuverlässig, genug Pfupf auch auf AB’s, ordentliche Bremsen, günstig im Unterhalt…
(Quelle: www.mototreff.ch)
Google.ch verzeichnet 574 Ergebnisse für den Ausdruck „genug Pfupf“ haben. In der Personalzeitung der Stadtverwaltung Winterthur lasen:
„Schlapp am Pult, kein Pfupf im System?“
(Quelle: www.infodienst.winterthur.ch)
Mit „Pfusch“ wird das nichts zu tun haben, den man in Deutschland oft bemängelt, denn der Kontext hört sich ganz anders an. Motorräder, Mitarbeiter, auch bei Pferden kann der Pfupf fehlen:
„Kannst sie mal reiten kommen wenn sie Hafer bekommen hat, dann weist Du warum… Sie hat ohne Hafer schon genug Pfupf“
(Quelle: Reitkalender.ch)
Ob das der „Pfeffer im Hintern“ ist, den wir man in Deutschland manchmal vermisst? Oder ein schnöder „Pfiff“, der mit einem „U“ im Wort zum „Pfuff“ mutiert bzw. verschweizert wurde?
Unser Lieblingswörterbuch der Deutschen Sprache, das von den Gebrüder Grimm, kennt den Pfupf an sich nicht, dafür aber das Verb „Pfupfen“:
PFUPFEN, verb. was puffen STALDER 1, 165: mädi glich einer lebendigen schlüsselbüchse, pfupfte den ganzen tag, that aber niemand weh. GOTTHELF Uli der pächter (1859) 195.
(Quelle: Grimms Wörterbuch „)
„Sie pfupfte den ganzen Tag“, schrieb der Schweizer Dichter Jeremias Gotthelf in „Uli der Pächter“. Ganz schön pfupfig, dieses Schweizerdeutsch.
Mai 10th, 2010 at 10:56
Hier ist Phipu gefragt.
Ich kann mir nicht vostellen, dass J. Gotthelf meinte, dass sich das Mädchen den ganzen Tag den Hintern pfefferte. Lebendige Schlüsselbüchse – sehr schön. Also, die Zusammenhänge müssen andere sein.
Mai 10th, 2010 at 18:14
Pfupf = innerer Antrieb, Motivation, Elan
Mai 10th, 2010 at 19:11
Also, Neuromat, Herausforderung angenommen.
Mit „Puff“ seid ihr schon sehr nahe dran. Schaut nochmals darunter in Grimms Wörterbuch nach:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemmode=lemmasearch&mode=hierarchy&textsize=600&onlist=&word=puff&lemid=GP08093&query_start=1&totalhits=0&textword=&locpattern=&textpattern=&lemmapattern=&verspattern=#GP08093L0
Wie steht da so schön: „nnl. pof, poffen, schweiz. mit Verschiebung des Anlautes Pfuff, pfuffen Sp. 1804) sind lautmalende Wörter, deren Stamm auch in den romanischen Sprachen vorliegt“. Und gerade in den romanischen Sprachen würde ich „puissance, potenza, power“ z.B als mit P anlautende Synonyme wählen, zumindest wenn es um ein Motorrad geht. Aber auch auf Standarddeutsch habt ihr sicher schon mal das mit P anlautende „Pepp“ gehört, nicht wahr? Letzteres mag wohl tatsächlich vom Pfeffer her kommen (engl. pepper). Pfiff, besonders im Hintern, würde ich als Vergleich nicht hernehmen, denn dabei denke ich allzusehr an das negativ besetzte „Dünnpfiff“ (Durchfall).
Über die Entstehung des Wortes Pfupf kann ich nur Vermutungen anstellen. Es könnte aus der Dampfzeit stammen. Bei Dampfmaschinen war jeder einzelne Puff oder Pfupf als Geräusch des Kolbenschlages noch akustisch vernehmbar (Grimms Wörterbuch kennt „puff“ auch als ‚Interjektion, zur Bezeichnung eines dumpfen Schalles, besonders eines Schusses, Schlages‘). So könnte diese Lautmalerei in Verbindung mit der Idee „Antrieb, Energie, Schwung“ gekommen sein.
Allerdings brauche ich heute Verständnishilfe, wenn ich mir Gotthelfs Originalsprache anhöre, und Mädi, die als lebende Schlüsselbüchse umherpfupfte, vorstellen möchte. Ob damit Grimms Bedeutungen von Puff als 1) dumpfer Schall, oder gar 2) der dumpf schallende Schlag gemeint sein könnte? Beides tat jedenfalls niemandem weh, wie Gotthelf präzisiert.
Mai 11th, 2010 at 9:00
Herzlichen Dank. Die Herleitung vom Schwung der Dampfmaschine gefällt mir sehr gut.
Meine Frage zielte auch ein wenig in die Richtung mögölicherweise etwas voneinander abweichender Bedeutungen. Ich zitiere: Da u dert het es afah pfupfen i de Bankreie.
Und natürlich darf auch etwas provokanter Pfupf nicht fehlen: Warum möchte Mutter Astrid ausgrechnet ne Düütsche für den Sohn?
Mai 11th, 2010 at 10:45
Das Ding „Schlüsselbüchse“ assoziiert sofort „Donnerbüchse, Knallrohr, Hosenbüchse und eben diese ominöse Schlüsselbüchse“.
Technisch gesehen sind das alles Kanalerzeuger wie die Schießgewehre, aber ohne Kugel, Geschoss, Projektil, also nur das Schießpulver alleine. Erfreulicherweise kann man bei den Grimms tatsächlich diese „Schlüsselbüchse“ finden, welche diese Aussage bestätigt. Warum ausgerechnet das Ding Schlüsselbüchse genannt wird, ist dann leicht erkennbar. Ab dem 14./15. JH. hat die Schloss- und Schlüsseltechnik eine Entwicklung gehabt, die zur Steigerung der Sicherheit führte. Deshalb wurden auch u. a. die vollgeschmiedeten Schlüsselschäfte durch aufgebohrte Schäfte ergänzt, um so u. a. auch noch zusätzlich das Einführen falscher Schlüssel auf den Aufnahmedorn im Schlosskasten zu verhindern.
Und in dieser Schlüsselbohrung liegt der Schlüssel der Erkenntnis: Es ist nachvollziehbar, wenn bei den Grimms geschrieben steht, dass diese rohrartigen Schlüsselschäfte durch junge Burschen als „Schlüsselbüchsen-Donnerbüchsen“ beim Schwarzpulverschießen gebraucht wurden.
Als junge Burschen haben wir auch mit Gas in kleineren Rohrdurchmessern und aufgepropften Kartoffeln wilde Artillerieschlachten geführt. Beim Schuss gibt’s dann halt dieses piff, paff und PUFF.
Bei der Mädi hat Gotthelf m. E. noch zusätzlich die Art und Weise ihres Verhaltens beschrieben: ….. pfupfte den ganzen tag, that aber niemand weh….. Damit ist wahrscheinlich gemeint, dass sie andere Menschen leicht anrempelte, schubste, anrannte, anstieß und etwas rumalberte. Denn der sprachliche Stamm vom altdt. puf, puff, buff, buf und ä.m. führt zu stoßen uam. wie z.B. indirekt über altgriech. bos und altgerm. buf, buff für Rinder, die auch mit den Hörnern stoßen. Büffel = „buff“ (puff uam.) und „loh“ = „Stosser, Schubser der Nasswiese“.
Die Mädi ist wohl auch etwas wie der „Buffo“ in der Oper oder Operette, der dort auch den leicht stierartigen, rempelnden und etwas albernden Typus darstellt. Es scheint, hier trifft sich eindeutig das schallnachahmende „Puff“ nach dem Erfinden des Schießpulvers (und vor der Dampfmaschine!) und das aus der alten Zeit, aber auch in einer schallnachahmenden Benennung, das Aufschlaggeräusch „puff, buff uam.“ beim Aufschlag beim Stoßen, Schubsen, Anrempeln, Anschlagen und Anbumsen.
Wie wenn z. B. der alte „Stier Christoph“ andere Rindviecher auf der Rütliwiese mit gesenkten Köpfen anrennt, anbumst und dabei möglicherweise noch genügend „Pfupf“ hat, aber trotzdem dabei alle seine Energie meist sinnlos verpufft.
PS: Der „Puffer“ aus der Eisenbahntechnik benennt nicht einen Schallerzeuger, sondern tatsächlich dem Stoßdämpfer, der den Aufschlag der Zuggarnitur auffangen, abdämpfen, entgegenstoßen und somit den Schlagimpuls vernichten soll.
Mai 11th, 2010 at 11:29
«Pfupfen» hat in den Schweizer Mundarten nebenbei noch dieselbe Bedeutung wie «poppen» in nicht ganz salonfähiger gemeindeutscher Umgangssprache (Letzteres steht aber immerhin im Duden). Kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ein senkrecht-geistlicher Herr wie Jeremias Gotthelf seinem Mädi diese Tätigkeit nachsagen wollte.
Mai 11th, 2010 at 13:07
Nachtrag, weil die Finger wieder schneller als das Hirn waren:
Kanalerzeuger ist richtig „Knallerzeuger“.
Ein Blogleser hat auf folgenden Schlüssel aufmerksam gemacht:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Clé_forée-Lastours.jpg
Hier sieht man einen alten, am Schlüsselschaft aufgebohrten Schlüssel. Wenn man am Schaftende eine Zünd-Bohrung hätte und dort auch noch eine Lunte ansetzt bzw. mit offner Flamme oder einem glühenden Holz das Schießpulver zünden würde, könnte man eventuell mit einer eingelegten Kugel sogar erschossen werden.
Vielleicht kommt davon der Ausdruck „Schlüsselerlebnis“: Durch einen Schlüssel erschossen.
Mai 11th, 2010 at 19:23
Eben fiel mir noch eine andere Anwendung des Pfupfs als Substantiv ein. Das kann durchaus auch mit dem deutschlanddeutschen Verb „pupsen“ verwandt sein, wenn gesagt wird, es sei der „Pfupf draussen“.
http://www.google.ch/search?hl=fr&q=%22pfupf+draussen%22&aq=f&aqi=&aql=&oq=&gs_rfai=
http://www.google.ch/search?hl=fr&q=%22pfupf+dusse%22&btnG=Rechercher&aq=f&aqi=&aql=&oq=&gs_rfai=
Das heisst dann einfach, dass die „Luft raus“ ist. Das im Backofen noch so schön vollbauchige Soufflé fiel in sich zusammen, oder der vormals pralle Ballon wurde wieder klein und ganz verrümpft (DE: zerknittert, schrumpelig), oder die vollmundigen Pausbacken des Blöffsacks (Prahlhans) sind wieder eingefallen. Die ganze gespeicherte Energie oder Spannung ist weg. Diese neue Situation kann natürlich auch positiv besetzt sein, wenn Anspannung in den Därmen weg ist, womit ich wieder auf den Anfang meines Gedankens zurückkehrte. Und damit hätten wir wenigstens akustisch auch den Kreis zu AnFras Donnerbüchsen geschlossen.