Ich lenke, also denke ich — Verwirrungen durch einen Schweizer Werbeslogan
(reload vom 6.12.06)
Im Dezember 2006 fand in Bülach, der Lifestylemetropole des Zürcher Unterlands, ein schnuckliger Weihnachtsmarkt statt. Nein, es war natürlich eher ein „Weihnachtsmärt“. Bei dieser Mischung von vorne Hoch- und hinten Schweizerdeutsch erstaunt uns immer wieder die Konsequenz, mit der eben nicht einfach jedes Wort auf Schweizerdeutsch geschrieben wird. Google-CH findet „Weihnachtsmärt“ 6770 Mal , die „Wienachtsmärt“ Fundstellen sind dagegen vergleichsweise selten und mit nur 3690 Exemplaren deutlich in der Minderzahl. Wahrscheinlich wegen der Verwechslungsgefahr mit den Nächten in Wien? Wer weiss.
Jedenfalls sahen wir dort auf dem Weihnachtsmarkt einen Raclette-Stand mit der deutlichen Beschriftung „Lenk dänk“ und wurden nicht schlau draus.
Leider ist mir beim Fotoschiessen im Getümmel das „k“ am Ende nicht ganz mit aufs Bild gekommen.
Wir machten uns danach auf die Suche, was dieser hübsche Spruch „Lenk dänk“ wohl zu bedeuten hat und stiessen im Internet auf zahlreiche weitere Fundstelle:
(Quelle Foto: schweizer-soldat.ch)
Aber wirklich begriffen hat wir diesen Spruch dadurch noch nicht. „Lenken“ und „denken“ gehören offenbar eng zusammen in der Schweiz, selbst beim Militär. Das Hirn des Autofahrers ist nicht weit vom Lenker entfernt, und manchmal denkt der Lenker auch selbst, wie wir in zahlreichen Unfallberichten gelesen haben, wenn ein „Lenker“ wieder einmal eine Kurve nicht gekriegt hat und ein „Bord“ herab stürzte oder in einen „Kandelaber“ fuhr.
So befragten wir einen Spezialisten des Schweizerdeutschen dazu und erfuhren, dass es da zwei Orte mit Namen „Adelboden-Lenk“ gibt, die allen Skifahrern wohl bekannt sind, und die mit einem pfiffigen Werbespruch seit vielen Jahren für sich werben:
Der Dialekt-Werbespruch „Adelbode-Länk, dänk!“ ist schon Jahrzehnte alt. Gerade wegen seiner Kürze ist er besonders einprägsam. Es bedeutet sinngemäss ganz einfach, dass man „logischerweise“ in eben diesem Skigebiet Ferien/Urlaub macht.
(Quelle: Private E-Mail)
Das allein wäre uns als Nicht-Skifahrer nie aufgefallen. Ja, es gibt noch andere Menschen, die das Los unserer Freundin „Don’t mention the skiing“ Heather teilen und nicht alle Winterspororte der Schweiz kennen. Dafür kennen wir aber die besten Rodelpisten in Castrop-Rauxel, Recklinghausen und Wanne-Eickel. Sie nicht?
Doch weiter in der Erklärung des Spezialisten:
Das Wort „dänk!“ (wörtlich: „denke!“ oder vielleicht „denk nur, denk doch!“), das besonders Kinder oft brauchen, kann man sinngemäss am besten mit „natürlich“ oder vielleicht noch mit „doch“ übersetzen. Jedenfalls bedeutet es immer etwas, das doch logisch ist/sein sollte, wie in folgenden
Beispielsätzen:
Dass dis Auto fahrt, muesch zerscht Bänzin tanke – Das wäiss ich DÄNK! (Damit dein Auto fährt, musst du erst Benzin tanken – Das weiss ich NATÜRLICH!) „Du muesch DÄNK zerscht uf de Chnopf drucke, dass de Lift chunnt, susch chasch no lang warte! – Ich han DÄNK scho drü mal druckt!“ (Du musst DOCH erst den Knopf drücken, damit der Aufzug kommt, sonst kannst du noch lange warten! – Ich hab DOCH schon dreimal
gedrückt!)Die Zürcher Aussprache ist eher „tänk!“, aber die Lenk befindet sich im Berner Simmental, Adelboden liegt im Berner Oberland, das wissen alle, die das Lied „Vogellisi“ kennen. Deshalb Berndeutsch: „dänk“.
Die Zürcher haben dafür die Idee des „Think tank“ für sich in Beschlag genommen, eine „Denkfabrik“, die im Prinzip eher Schweizerdeutsch als „Dänk tank“ bezeichnet werden sollte. Die drei Schweizer Denkfabriken „Avenir Suisse“, das Gottlieb Duttweiler Institut und das Liberale Institut befinden sich im Kanton Zürich, aber soll ja nichts heissen. Wer viel schnurrt muss eben auch mal nachdenken.
Wenn du die genervte Aussage „Das wäiss ich dänk!“ (Das weiss ich doch!) hören willst, dann gib mal mundartsprechenden Kindern in deiner Nachbarschaft einen Tipp, der sie als komplett intellektuell unterentwickelt darstellt. (z.B. „Weisst du, Wenn du dir die Augen zuhältst, kann ich dich trotzdem sehen.“)
Man trifft diesen Ausdruck seltener ausserdem an, wenn man seine Meinung gepaart mit möglichen Zweifeln ausdrücken will im Sinn von „wohl“. Wie etwa hier: „Warum poschtet de Häiri gäng nur Büchsene und Fertigmönü? – Er chann DÄNK nöd choche.“ (Weshalb kauft Heinrich immer nur Dosen und Fertiggerichte ein?
– Er kann wohl nicht kochen.)
Wir werden uns die Floskel „DÄNK“ sogleich einverleiben und gelegentlich in unseren Redefluss einfliessen lassen, vielleicht links und rechts garniert von einem hübschen „IM FALL“ und einem „LÄCK“. Letzteres kenne wir ja schon von den Schleckstangen.
Runden wir unsere Erkenntnisse ab mit dem Plan, die nächsten Wanderferien in Adelboden-Lenk zu verbringen, vielleicht im Februar? Denn Schnee fällt ja offensichtlich in den nächsten Monaten keiner mehr.
Zum Schluss darum nochmal das Fazit unseres Spezialistenfreundes:
Und wenn du nun noch immer nicht weisst, Wo man seine Ferien zu verbringen hat, schreit es dir die Werbung als natürliche Antwort, die ja jedes Kind wissen sollte, von den Wänden: „I der Länk, dänk!“ (In der Lenk, natürlich!)
P.S.: Nein, für diesen Beitrag habe ich leider keinen dreiwöchigen Aufenthalt in einem Wellnesshotel in Lenk inklusive Skikurs gesponsert bekommen, snief.
Februar 20th, 2010 at 11:15
Nun, es sei mal wieder ein klitzekleiner Widerspruch gegen Seine Heiligkeit @Kein Züricher erlaubt.
Teil 1:
Dieses „dänk“ ist m. E. in der deutschen Sprache nicht als ein „Füllwort“ oder als „Floskel“ anzusehen!
Es scheint, als sei es zu den Modalpartikeln zugehörig. In vereinfachter Aussage bedeutet dies: Auf Füllwörter kann man beim Sprachgebrauch verzichten, der Verzicht auf diesen Modalpartikel jedoch würde den Sinninhalt des Satzes verändern können.
Als Beispiel: … Er chann DÄNK nöd choche… in nhd.: … Er kann ((WOHL, WAHRSCHEINLICH, MÖGLICHERWEISE, ANGENOMMEN, EVENTUELL, MEINEN WISSENS, ERWARTUNGSGEMÄSS; ZWISPÄLTIGERWEISE, UNSICHERHEITSWEISE, ALLSEITSWISSEND, BEKANNTERWEISE uam.)) nicht kochen… hat einen anderen inhaltlichen Sinn beim Weglassen diese Modalpartikels „dänk“ als diese Eindeutigkeit:… Er kann nicht kochen…! Das „WOHL uam“ drückt beispielsweise Möglichkeit, Annahme, Eventualität, Teilwissen, Vermutung, Befürchtung, Irritation, Unkenntnis, Hoffung, Erwartung uam. der diesen Satz sprechenden Person über die besprochene Person aus. Denn jedoch die Aussage:…Er kann nicht kochen… drückt es eindeutig und unmissverständlich als Eindeutigkeit, Gewissheit, Kenntnis, Verbindlichkeit über nicht kochen können dieser besprochenen Person aus!
Der Sinn von „DÄNK“ als ein Modalpartikel ist „dänk“ geklärt!
Die etymologische und hermeneutische Bearbeitung von 2dänk“ erfolgt im Teil 2.
Februar 21st, 2010 at 0:02
[…Google-CH findet „Weihnachtsmärt“ 6770 Mal , die „Wienachtsmärt“ Fundstellen sind dagegen vergleichsweise selten und mit nur 3690 Exemplaren deutlich in der Minderzahl…]
Wenn Weihnachtsmarkt in der hier üblichen Dialektform „Wiehnachtsmärt“ (mit „h“) gesucht wird, kommt google.ch in der deutschsprachigen Suche auf 11’000 und in der Gesamtwebsuche auf 13’500 Treffer (das sind doch ein paar Treffer mehr als die 6770). Also nächstes Mal (und vor allem beim reload nach gut drei Jahren, mit hoffentlich erweitertem Dialektsprachschatz) bitte etwas exakter „recherchieren“. 😉
Februar 21st, 2010 at 10:03
Nun, damit Seine Dünkelhaftigkeit @Kein Züricher bei seinem Sprachgebrauch sich nicht nur in Floskeln und Füllwörter verirrt, gibt es nun die Fortsetzung zum „dänk“.
Teil 2:
Beim „dänk“ gibt es eine sinninhaltliche Verwandtschaft zu „dünk“. Der obige Satz ist nur mit dem Modalpartikel „dänk“ eindeutig, da ja der besprochene Mensch WOHL nicht kochen kann. Die gleichwertige Aussage kann man m. E. auch so tätigen: „Mi „dünkts“, er chann nöd choche“. Also hd. „Mich dünkt es, er kann nicht kochen“, oder: „Ich GLAUBE, er kann nicht kochen“. Somit wird eine gewisse Unbestimmtheit über nicht kochen können der besprochenen Person ausgedrückt.
Und nun der mögliche Lösungsansatz: Das „dänk“ kann auf mhd. „danc“, dieses auf ahd. „dank“ und dieses auf goth. „thanks“ zurückgeführt werden. Laut der Gevatter Grimm im DWB entstammen diese (u.a.m.) dem inzwischen verlorenem Stamm „dinke, danc, dunken“. Damit wurde u. a. die geistige Tätigkeiten, also „denken, glauben, meinen“ ausgedrückt. Daraus entwickelte sich der etwas wenig genutzte Modalpartikel „dünk, dünken“. Das „dünken“ steht also für „glauben, meinen, scheinen“. Auffällig ist auch die sprachliche Verwandtschaft zu „denken“.
Eine Bezüglichkeit der Anwendung ist zu einem Höheren Wesen erkennbar, aber diese sinninhaltliche Verwendung ist inzwischen in die menschliche Niederung abgestiegen.
Die große Schwierigkeit ist diese: Bei glauben oder meinen ist ein absoluter Beweis niemals gegeben, denn ein Höheres Wesen muss sich gegenüber dem Menschen nicht beweisen. Der Glaube des Menschen ist per se der Beweis der Existens des Höheren Wesens. Eine Übertragung dieser letztendlichen klitzekleinen Ungewissheit hat sich in den hier beschriebenen Modalpartikeln erhalten. Somit bleibt in den betreffenden Aussagen immer eine winzigkleine Unsicherheit übrig, eben wie beim „dänk“ und „dünk, dünken“!
Mich „dünkts“, Seine Dünkelhaftigkeit @Kein Züricher hat nun den Modalpartikel „dänk“ verstanden.
Wenn ein Dünkler dünkelhaft dünkt er denkt, dünkts es dänk nicht an seinem Dünkel!
Februar 21st, 2010 at 16:25
Mich deucht das ist zwar alles richtig, aber ich dänk es ist überflüssig.
Februar 22nd, 2010 at 10:06
Lieber Bruno aus Brunegg
Deine Aussage hat wohl leider einen hohen Anteil an Stimmigkeit und Wahrheit. Wen interessiert solch ein sprachlicher spitzfindiger und überflüssiger Schittt. Auch hat sich dieses Forum durch uns etwas in Richtung Kellerniveau von Blick, Bild, Kronenzeitung oder sogar Weltwoche entwickelt.
Für mich war es überwiegend eine sehr schöne Zeit. Denn in 2003 nach einer Zecken-Borelliose und der folgenden unerkannten Blutdruckentwicklung auf 360 / 240 (RR) habe ich rasant die Erinnerung, Sprache (Grammatik, Orthografie, Satzbau uam.), Worte und Verständnis für Gehörtes und Gelesenes verloren. Es gab Zeiten, da konnte ich dem Gegenüber nicht meinen Namen nennen, alles weg, nix da, aufgelöst. Der Doc meinte, nun könne ich alt werden und brächte mich vor Alzheimer nicht zu fürchten, denn das war ein Schnupperkurs. Im folgenden Jahr der Erholung war u. a. die Etymologie und Hermeneutik mit großem Anteil für mich ein ruhiger Ankerplatz. Denn man kann dort jederzeit und an jedem Punkt ein- und aussteigen, unterbrechen und hintergründige Sprachgebiete erarbeiten. Dadurch konnte ich nach ca. 2 bis 3 Jahre meine nun extrem besseres Lang- und Mittelzeit-Erinnerung erarbeiten.
Das Ergebnis: Du kannst dir nicht vorstellen, wie toll und großartig die neu erarbeitete Sprache und neu gefundene Worte sind! Da ist richtig Verbal-Erotik drin! Explosion der techn. Kreationsfähigkeit. Gespräche privater und besonders dienstlicher Natur haben eine andere Bewusstseinsebene. Dadurch kann man seinen Gegenüber in einen anderen Zustand hören, erkennen und verstehen.
Hasta la vista, Blogwiese!
Man kann’s nicht lassen:
Abgang
Blogers Macht ist seine Kürze,
drapiert mit bittersüßer Würze,
dies Forum ist nun etwas mau,
drum geh ich und sage – ciao.
Februar 23rd, 2010 at 15:58
Lieber Anfra
Du gehst? Nehm an nicht für immer. Und was Sprache betrifft: Mein Reich ischt äher die büldende Gunst. Da kann man so richtig rumsauen und immer behaupten es sei Kunst. Keine Regeln! Das macht Spass.