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Treffen, traf, getroffen — „träfe Sprüche“ in der Schweiz

(reload vom 13.8.06)

  • Fürs Treffen sind die Schweizer berühmt
  • Die Schweizer sind für ihre Treffsicherheit weltweit berühmt. Jeder wehrhafte (nicht zu verwechseln mit „währschaft“ ) Schweizer Mann ist ein ausgebildeter Scharfschütze, Fachjargon auch „Sniper“ genannt und muss in der Lage sein, auf 300 Meter Distanz einen Kreis von 10 cm Durchmesser zu treffen. Der Schweizer Volksheld und mythische Ahne Wilhelm Tell traf aus 60-80 Meter den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes,
    Der Tell trifft den Apfel
    (Quelle Grafik: tu-chmnitz.de)

    und die Schweizer Elfmeterschützen im Viertelfinale der Fifa-WM 2006 trafen alle zielsicher den Ball mit dem Fuss.

    Aber „treffen“ ist mehr in der Schweiz, denn „treffen“ gibt es auch als besonderes Adjektiv mit „ä“ geschrieben, allerdings nur in Kombination mit einem oder besser mehreren guten Sprüchen. So lasen wir im „Beobachter“, der so gar nicht „Völkisches“ hat in der Schweiz, sondern hierzulande als wichtige Institution im Konsumentenschutz der Schweizer gilt:

    Träfe Sprüche aus der Küche
    Kabarettist Simon Enzler verbreitet den Appenzeller Witz in der ganzen Schweiz. In der Küche mag er es lieber bodenständig als doppelbödig.
    (Quelle: Beobachter.ch)

    Wir hielten es zunächst für einen Schreibfehler, aber es gibt noch andere Belege:

    Lachen ist gesund!
    Hier sammeln wir träfe Sprüche Ihrer Kinder sowie Witze und Anekdoten rund um Zwillinge und Mehrlinge.
    (Quelle: twinmedia.ch)

    Oder hier bei den Älplern:

    Träfe Sprüche zum Erntedank
    «Gang nid zwiit, sisch Älplerchilbiziit»: Mit diesem Motto warb die Älplergesellschaft Hergiswil für die Älplerchilbi. Gefeiert wurde aber auch anderswo in Ob- und Nidwalden.
    (Quelle: aelper.ch)

    Wer jetzt nicht mehr weiss, was eine „Chilbi“ ist, kann hier nachschauen.

    Google-CH bringt 183 Belege von „träfen Sprüchen“.

  • Der träfe Wortschatz
  • Schliesslich fanden wir doch noch ein Beispiel für „träfe„, in einem Zitat von Ludwig Hasler, Publizist, Hochschuldozent für Philosophie und Medientherie:

    Der alte, träfe Wortschatz ist weg. Die Mundart erneuert sich nicht, sie wird nur dünner und einfältiger.
    (Quelle: NZZ am Sonntag vom 16.07.06, S. 69)

    Vom Kontext zu schliessen muss „träfe“ also ein Synonym für „treffend“, „bezeichnend“ sein.

    Wir müssen Hasler übrigens vehement wiedersprichen. Auch Mundart erneuert sich. Der Schriftsteller Franz Hohler bringt im gleichen Interview ein paar hübsche Beispiele:
    „Boldere“ als Neuform von englisch/deutsch „bouldern„, d. h. Klettern in Absprunghöhe ohne Seil. Genannt nach dem englischen Wort „Boulder“ = grosser Felsbrocken, an dem diese Variante des Freeclimbings zuerst betrieben wurde.

    Spotte“ der Zuschauer, die Kletternde anfeuern. Und schliesslich „solone„:

    är het d Eigernordwand gsolonet, das heisst er hat sie im Alleingang bestiegen. Die Begriffe sind dem Englischen nachgebildet, das ja der Mundart lautlich verwandt ist. Checken, fooden, Compi sind vom Klang her Schweizerdeutsch.

    Man lese nur aufmerksam das Züri-Slängikon. Ein grosser Anteil der Slangwörter dort sind aus dem Englischen abgeleitet. Beispiel: „tschuute“ von „to shoot“ und „chille“ von „in die Kirche gehen„.

    

    5 Responses to “Treffen, traf, getroffen — „träfe Sprüche“ in der Schweiz”

    1. Brun(o)egg Says:

      Lieber Wiese

      Mich stört der „Flitzebogen“, wie ein Pfeilbogen bei euch ja heisst, auf dem Bildchen. Schillers Tell hat mit armer Brust und wackliger Hand, eine Armbrust benutzt. Sagt man.

      Sie, die Armbrust, war Jahrzehntelang, das Zeichen für Schweizer Qualität.
      In der zwischenzeit sind wir nicht mehr so treffsicher.

    2. Milosz Says:

      Ich möchte beifügen, dass es auch funktioniert und funktionieren sollte für die Schweizer. Man braucht nur einen Trainer wie den Aragones, das hat man bei den Spaniern gesehen. Die waren sich untereinander auch immer fremd, zerstritten und unterschiedlich jeder wollte mit diskutieren. Also geht es sich auch als Nation zu sehen wenn man keine ist. In Deutschland spielt im Fussball die regionale Zugehörigkeit eine untergeordnete Rolle.

    3. Tamara Meier Says:

      Ach ja, und hier ein ganz toller Blog:

      http://www.bonz.ch

      Es handelt sich um BONZ bloggt, eine kleine Milchtüte die meint sie habe der Welt was zu sagen.. aber für Kulturinteressierte ganz ok!

    4. Olifant Says:

      Achtung, tschuute (oder tschutte, in meinem Dialekt) kommt weder aus dem Englischen noch ist es slang. Tschutte ist ein normales schweizerdeutsches Wort für Fussballspielen und mit Englisch shoot vermutlich urverwandt.

    5. AnFra Says:

      Der @Olifant hat gelassen die vermutliche Wahrheit über „schuuten“ niedergeschrieben.

      Für den Schweizerfußball gibt’s ne sprachlich logische Erklärung, warum die Schweizerbuben auf dem internationalen Parkett so ne verwirrend seltsame Leistung abgeben:
      Die Schweizerfußballer orientieren sich beim Torschiessen zu sehr an den traditionellen germanischen sprachlichen Wurzeln von „schießen“. Denn anstatt die englische Grundform „to shoot“ zu beherzigen, also zu schießen, verwenden die Schweizerknaben die germanisch-altdeutsche Grundform „schuuten“, welches im engen Sinne auch noch „schubsen, schieben uam“ ausdrücken tut.
      Logischerweise „schubsen“ dann die Schweizerjungs die Bälle ins generische Tor, oder sie versuchen es wenigstens gelegentlich!

      Womit man beim Thema ist, bei welchem man darstellen kann, dass tatsächlich „schuuten“ nicht aus dem Englischen stammt, sondern eine eigene gesamtdeutsche sprachliche Entwicklung hatte.

      Mit dem Aufrollen von „Schuss“ aus dem mhd./ ahd. „scuz“, „scuth“ und dem Zeitwort „schießen“ aus ag. „sciozen“ (interessant: in krim-gothisch ist es „schieten“) kommt man zur indogerm. Wurzel „skeu“ für treiben und „skeubh“ für schieben! Im Westgermanischen als „skutiz“ und ags. „scyte“. Bei der 2. germ. Lautverschiebung ging das „t“ dann in „s, ss, sz“ über. Wenn man den Brüdern Grimm folgt, gelangt man zu der Grundform „sceu“, aus welcher sich viele der vorwärts strebenden, bewegenden, geworfenen, gestoßenen, fahrenden, rollenden, schwimmenden und fliegenden Tätigkeiten und Vorgänge ableiten lassen. Wie z. B. schubsen, schieben, stoßen, schleudern, stemmen, schießen mit dem hier untersuchten „schuuten“!
      Man darf „schießen“ nicht ausschließlich mit einem Vorgang in Verbindung bringen, bei welchem eine Pulverexplosion das Geschoss herausschießt oder ein Flugobjekt vorantreibt, sondern muss die Uranfänge beim Schießvorgang, also der schnell in eine Richtung bewegenden oder bewegten Dinge, berücksichtigen. Dabei wurde lautlos geschossen, z.B. mit dem Schleuderspeer. Hierbei wurde durch Muskelkraft und einem Schleuderholz (Verlängerungshebel) eine maximale Schieß- also Vortriebgeschwindigkeit erreicht. Lautlos, außer dem Surren des Schleuderspeeres, welches mit einer hohen Geschwindigkeit nach vorne schießt, sich also bewegt. Solch ein Geschoss wird nach vorne geschossen, getrieben, geworfen, geschleudert, geschubst usw.!

      Ergo: Das dt. / alem. / schwdt. „schuuten“, das nhd. „schießen“ und das engl. „to shoot“ haben eine gemeinsame Mutter, aber etwas getrennte sprachliche Entwicklungen.

      Es könnte einen Lösungsansatz für die schweizerische erfolgsheischende „Nati“ geben:
      In die Schulung mal ne Stunde Etymologie und Hermeneutik einlegen. Der Otmar Hitzfeld hätte als studierter Lehrer damit sicherlich kein Problem, den Schweizerhoppsern mal den Unterschied zwischen nhd. „schießen“ und schwdt. „schubsen“ darzustellen!

      Bei die Untersuchung und Zerlegung von „chille“ für „in die Kirche gehen“ möchte ich mich als bekennender Nichtalemanne lieber zurückhalten und dies einem bekennenden Blutsalemannen überlassen.