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Wer mag eigentlich die Deutschen? Die Franzosen finden uns romantisch

(reload vom 27.6.06)

  • Wer mag eigentlich die Deutschen?
  • Ist Deutschland wirklich nur von Nachbarländern umgeben, die mit Ablehnung reagieren, wenn sie das Wort „Deutschland“ hören? Der Blogwiese Leser Dr. Schmidt schrieb:

    Ich würde mal gerne wissen, woher die ganze “Germanophobie” der dt. Nachbarländer kommt. Das kann doch nicht nur von der längst vergangenen Diktatur oder wegen einiger “lauter Deutscher” im Ausland kommen?! Ob Holland, Großbritannien, Österreich, Polen, Dänemark und auch Frankreich (siehe Börsenfusion mit den Amerikanern), kann sich mit Deutschland niemand richtig anfreunden.
    (Quelle: Kommentar Blogwiese)

    Wir meinen, dass dieses Urteil falsch ist. Die Schweizer „Germanophobie“, die wohl eher eine „Germanen-Phobie“ ist, braucht hier nicht weiter erörtert werden. Auch das Verhältnis der Niederländer zu uns Deutschen haben wir schon abgehakt (vgl. Blogwiese). Wie steht es mit dem „Erzfeind“ Frankreich?

  • Erfolgsmodell Deutsch-Französische Freundschaft
  • Seit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags über die Deutsch-Französische Zusammenarbeit am 22.01.1963 und der Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks DFJW vom 5.7.63 haben es die beiden Nachbarländer in einer historisch beispiellosen Weise geschafft, sich auf allen Ebenen anzunähern, kennen zu lernen, zu kooperieren und die alte „Erbfeindschaft“, die immerhin in drei Kriegen (1870-71, 1914-18, 1939-45) blutig ausgelebt wurde, endgültig zu begraben. De Gaulle hielt seine Rede bei der Unterzeichnung des Vertrags sogar auf Deutsch!

    Zahlreiche Städtepartnerschaften wurden gegründet und sorgten für eine Aussöhnung und für ein praktisches gegenseitiges Kennenlernen der Deutschen und Franzosen auf der Ebene der Gemeinden und Städten:

    Die Idee der Verschwisterung von Gemeinden in Deutschland und Frankreich entstand bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und zwar im Jahr 1950, als der ehemalige Widerstandskämpfer Lucien Tharradin – ein Überlebender von Buchenwald, der nun Bürgermeister von Montbéliard (zwischen Elsaß und Burgund) war – erstmals die Grundzüge einer Partnerschaft mit dem Baden-Württembergischen Ludwigsburg entwarf.
    (Quelle: dfjw.org)

  • Was lieben die Franzosen an den Deutschen?
  • Das Deutschlandbild der Franzosen war lange Zeit geprägt durch die üblichen Klischees von den Bier trinkenden und Kartoffel essenden, fleissigen und disziplinierten aber dabei ziemlich humorlosen Deutschen. Man fand heraus, dass ein Grossteil dieser Klischees auf veralteten Deutsch-Lehrwerken für Franzosen beruhten. (Quelle: Das französische Deutschlandbild)

    Deutsch-Französische Verständigung
    (Quelle für die drei Karikaturen: germanistik.uni-freiburg.de)

    In ihnen gab es einen deutschen Familienvater, der den Kindern Gisela und Klaus (welch zeitlose Vornamen!) abends „Marsch marsch, ab ins Bett. Jetzt aber zack-zack.“ befiehlt. Das Problem mit den verzerrten Deutschlandbild in Schulbüchern hat sich in Frankreich in der Zwischenzeit relativiert. Nein, die Bücher sind nicht etwas besser geworden, aber es lernen sowieso von Jahr zu Jahr weniger Franzosen die deutsche Sprache. Englisch gilt als leichter und wichtiger. Deutsch wird neben Mathematik und Griechisch nur noch benötigt, um bei den jährlichen „concours“, den harten Auswahlprüfungen für die Aufnahme an einer der renommierten staatlichen Eliteschulen (Grandes Ecoles), die Spreu vom Weizen zu trennen und die Besten der Besten herauszufinden. Schüler dieser Eliteuniversitäten können daher meistens fantastisch Deutsch, wenn auch nur passiv. Man will ja schliesslich seinen Kant oder Hegel im Original lesen können. Sich in Deutschland ein Bier bestellen zu können gehört da nicht unbedingt zum praktischen Wortschatz.
    Sie und wir
    (c) Fritz BEHRENDT

  • Industrienation mit romantische Burgen
  • Das Deutschlandbild der Franzosen ist zweigeteilt: Sie sehen uns als eine erfolgreiche Hightech-Industrienation voller Mercedes- und BWM-Fahrer, gleichzeitig aber auch als hoffnungslos unberechenbar weil „romantisch-verträumt“ im Land der Burgen (Rheintal) und der Schubert-Lieder. Sich selbst sehen sie als rationalistisch-aufgeklärt und vom Verstand gesteuert, gleichzeitig haben sie eine grosse Sehnsucht nach der Deutschen Romantik und gehören zu den häufigsten Besuchern von Heidelberg und Neuschwanstein.

  • Am liebsten zwei Deutschland
  • Vor der Wiedervereinigung gab es eine gewisse Sympathie der französischen Kommunisten und Sozialisten für die DDR, und noch kurz vor der Wiedervereinigung soll der damalige Präsident François Mitterand gesagt haben. „Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich am liebsten zwei davon hätte“. Es gehört auf die Liste der grossen politischen Fehleinschätzungen, dass Mitterand die sich anbahnende Wiedervereinigung nicht sah und sogar herauszuzögern versuchte:

    Wollte der Staatspräsident die deutsche Einheit hinauszögern, wenn nicht sogar behindern? Wie ist in diesem Zusammenhang sein Staatsbesuch in der DDR zu werten, zu dem er am 20. Dezember 1989 in Berlin-Schönefeld eintraf?
    (Quelle: )

    Heute haben die Franzosen ein entspanntes Verhältnis zu Deutschland. In den Urlaub würden nur 14% nach Deutschland fahren, da bleibt man als Franzos traditionell lieber im eigenen Land und trifft sich regelmässig am 1. Juli auf der l’autoroute du soleil im Stau mit alten Bekannten. Anderseits fahren die meisten Deutschen lieber nach Spanien oder Italien. Nur eine gewisse Gruppe von „Bildungsbürgern“, meist Lehrer oder Beamte mit guten Französischkenntnissen, bereist auch das französische Inland, vor allem die Provençe, und hat dabei das Buch Peter Mayles „Mein Jahr in der Provençe“ im Reisegepäck. Paris ist ein Dauerhit für deutsche Städtereisende, genau wie Berlin sich grosser Beliebtheit bei französischen Jugendlichen erfreut.
    So sehen wir uns gern
    (c) Regis Titeca, Stuttgart

  • Schule nur bis Mittag und Diskutieren erwünscht
  • Die jungen Franzosen, die ins „disziplinierte und humorlose“ Deutschland reisen, staunen gewöhnlich Bauklötze, wenn sie erleben, wie entspannt Deutscher Schulunterricht sein kann, der nur bis 13.00 Uhr geht, wodurch am Nachmittag noch Zeit für das Schwimmbad und das Sozialleben mit den Kumpels ist. Sie kennen aus Frankreich fast nur lehrerzentrierten Unterricht, bei dem es mehr ums Mitschreiben und effektive Auswendiglernen der Fakten geht, als um Diskussion und persönliches Einbringen in das Unterrichtsgeschehen. Deutsche Austauschschüler in Frankreich hingegen sind erschrocken über das System der bezahlten Aufpasser (la surveillance), die für die Pausenaufsicht genauso zuständig sind wie für die Disziplin beim Mittagessen in der Schulkantine. Anderseits mussten die deutschen Bundeswehrsoldaten der „Deutsch-Französischen Brigade“ auch erst lernen, dass ihre französischen Kollegen zum Mittag sehr wohl ihren „quart de rouge“ trinken dürfen, auch wenn sie im Dienst sind.

    Es sind die Austauschprogramme des Deutsch-Französischen Jugendwerks und die zahlreichen Städtepartnerschaften, die für Normalität zwischen den Nachbarn gesorgt haben.
    Gibt es eigentlich Deutsch-Schweizer Städtepartnerschaften?

    Die alten Stereotypen sind damit aber nicht ganz aus der Welt. Ein jeder braucht sie, so scheint es, um wenigstens in manchen Situationen gut dazustehen:

    “Im Himmel sind die Humoristen Briten, die Liebhaber Franzosen und die Mechaniker Deutsche. In der Hölle sind die Deutschen die Humoristen, die Briten die Liebhaber und die Franzosen die Mechaniker.“
    (Newsweek vom 14.05.1990)

    Wobei wir fürs Protokoll festhalten wollen, dass die Franzosen erfolgreich Autos bauen und das gut funktionierende Hochgeschwindigkeitsnetz der T.G.V.s betreiben. Ach, und Robbie Williams ist im Nebenberuf ein bekannter britischer Liebhaber. Dass die Deutschen keinen wirklichen Humor haben, sehen wir ja an Harald Schmidt und Konsorten. Da schalten wir doch lieber direkt rüber zum Schenkelschlagen auf SF2 zu Giacobbo & Müller.

    

    6 Responses to “Wer mag eigentlich die Deutschen? Die Franzosen finden uns romantisch”

    1. Ric Says:

      Zunächst mal muss man feststellen dass es nichts typisches Deutsches gibt aber durchaus ein paar Mentalitätsdinge zumindest recht verbreitet sind. Dazu gehört das zwanghafte nicht-deutsch sein wollen, ganz in der Tradition vom Goethe mit seinem Italien etc.
      Ich glaube darum sind die Deutschen auch immer sehr darauf versessen sich zu definieren, aber auch zu erfahren wie man „im Ausland“ auf Deutschland blickt – natürlich auch mit entsprechender Definition und möglichst einem klaren positiven oder negativen „Urteil“.
      Naja, ich kann dazu sagen als halber Amerikaner dass die Deutschen dort zu den wenigen Europäern gehören die überhaupt wahrgenommen werden, und außer den Briten die einzigen Europäer sind die deutlich positiv wahrgenommen und auch ernst genommen werden.
      Etwas was Deutsche, man hat ja immer ein sehr negativ geprägtes Selbstbild und kann sich maximal mit ironischem Unterton als Deutscher bezeichnen, immer sehr verwundert ist dass Amerikaner sie für sexuell sehr aufgeschloßen und fast schon nymphoman halten. Und es gilt unter College-Studenten als schick Germanismen zu verwenden, und nein es sind nicht jene wie Blitz(krieg) die in Großbritannien recht verbreitet sind. Ganz normale Sachen eigentlich. Und Porsche kann inzwischen auch schon jeder richtig aussprechen.
      Diese ganzen Stereotype die „den Deutschen“ vielfach in Europa nachgesagt werden und die viele Deutsche auch selbst kultivieren – natürlich nur um damit, da man ja nicht so ist, zu beweisen wie undeutsch man ja selber sei – sind dort eigentlich unbekannt bzw. wenn dann als sympathische Macken.

      Der deutsche Selbsthass naja der ist bekannt, dass viele Europäer die Deutschen eher nicht mögen liegt einfach daran warum die Mexikaner und Kanadier die USA auch nicht mögen – es ist halt der Platzhirsch. Und klar, der Platzhirsch verhält sich manchmal schon daneben oder übersieht manches „in seinem Schatten“ was ihm als bösartige Ignoranz ausgelegt wird – aber der Deutschenhass der einem in der Schweiz oder auch in Polen entgegenschlägt ist jenseits jeglicher Verhältnismäßigkeit. Zusammen mit den US-Flaggen die gern ein aller Welt vor Kameras verbrannt werden kann ich mich zumindest rühmen Doppelstaatsbürger von zwei außerordentlich umstrittenen Nationen zu sein.

      Man hat in den USA einen unglaublich großeren Startbonus als Deutscher, so sehr wie kein anderer Ausländer in der Regel. Auch mehr als die Briten, die kennt man wohl zu gut und spricht ja auch eine gemeinsame Sprache (naja ziemlich zumindest), die Deutschen sind unbekannt genug um faszinierend zu sein.

    2. Eine Thoitsche Says:

      @ein Zürcher

      Nürtingen liegt nahe der Schweizer Grenze!? Ich empfehle einen Blick in den Atlas.

    3. Simone Says:

      Super Ric!
      Jede touristische Gruppierung springt irgendwie ins Auge, egal, wo man hinkommt und mit welcher Nationalität man es zu tun hat. Überall wird man Menschen begegnen, die einem unsympathisch sind. Und auf Grund einzelner Eindrücke verallgemeinert man dann gerne auf eine ganze Nation. Das ist überall so und trifft nicht nur für Deutsche zu. Ich habe mir noch nie darüber Gedanken gemacht, ob ich als Deutsche irgendwo beliebt bin. Entweder kommt es zu einer Verständigung zwischen mir und einem oder mehreren Menschen, oder eben nicht. Was die Chemie unter den Menschn betrifft, so spielt die Nationalität m. E. nur eine untergeordnete Rolle.

    4. triangle Says:

      Als praktizierender Länderdreieckler (genetisch deutsch-schweizerisch, aufgewachsen in Frankreich und der Romandie, arbeit in der Deutschschweiz und in Deutschland) nur zwei Kommentare dazu:

      1. Doch, es ist die deutsche Art, die den Nachbarländern auf den Senkel geht. Den Schweizern, Österreichern und Luxemburgern (und eigentlich auch den Bayern) das forsche und arrogante. Den Franzosen und sonstigen lateinischen Völkern das schwerfällige und der wenig ausgebildete Sinn für Ästhetik. Und eigentlich allen die polternde Art.

      Wie sagte mir ein französischer Freund beim Skifahren in Frankreich: zehn laute Franzosen sind lustig, zehn laute Deutsche sind dumpfe Gröhler (und er spricht fliessend Deutsch, versteht also sogar das Gegröhle). Wobei er auch zugibt: die Briten sind viel schlimmer (noch „proletiger“), und: das traurige an den „guten“, also nicht gröhlenden sondern kultivierten Deutschen ist, dass man sie nicht als Deutsche erkennt. Nur die besockten Sandalenträger werden sofort als Deutsche wahrgenommen.

      Und bei aller Skepsis die auch ich so gegenüber meinen (Drittel-)Landsleuten habe: bei so viel Abneigung gegenüber Deutschland und den Deutschen komme ich dann immer wieder zu dem Schluss, dass Deutschland eben doch unterschätzt wird. Auch und vor allem als grosse Kulturnation.

      2. Den Witz aus 1990 gibt’s auch anders, und sogar die Schweizer kommen darin vor:

      „Im Himmel sind die Liebhaber Italiener, die Köche Franzosen, die Polizisten Engländer, die Mechaniker Deutsche, und alles ist von den Schweizern organisiert.

      In der Hölle sind die Liebhaber Schweizer, die Köche Engländer, die Polizisten Deutsche, die Mechaniker Franzosen, und alles ist von den Italienern organisiert.“ (und meine persönliche Variante: „… und die Amtssprache ist holländisch“)

    5. AnFra Says:

      @kein Züricher

      Erwarte deine dümmlichen Sprüche zu den superfreundlichen Schweizerschlägern in München.

    6. Régis Titeca Says:

      Hallo,

      da ich mich nicht mit fremden Feder schmücken mag, muss ich Ihnen mitteilen, dass die letzte der drei Cartoons (die 8 Büsten) nicht von mir ist. Sie ist das Werk von Fritz Behrendt, aus Amstelveen (NL).

      Grüße
      Régis Titeca