Wer mag schon die Deutschen in der Schweiz?

Mai 29th, 2009

(reload vom 31.05.06)

  • Werden die Deutschen in der Schweiz ausgegrenzt?
  • Die Frage stellte mir auch Patrick Rohr in der Sendung QUER. Eine Antwort blieb ich ihm schuldig. Tatsächlich lässt sich das ewige Gerede von den „ungeliebten Nachbarn“ im Einzelfall nicht durch persönliche Erlebnisse belegen. Wenn überhaupt, ist es eine sehr „unterschwellige“ und versteckte Art der Ausgrenzung. Wenn unsere Tochter in der Primarschule vom Lehrer gesagt bekam, sie möge nicht mehr „Guten Tag“ sondern „Grüezi“ am Morgen sagen, ist das dann schon eine deutschfeindliche Behandlung und Ausgrenzung?

  • Ein Deutscher im Oberwallis
  • Einen ganz anderen Bericht über einen Deutschen im Oberwallis lasen wir in der NZZ vom 6.4.06

    Umgekehrt fühlen sich die Deutschen in der Schweiz von den Schweizern, die sie angeblich nicht mögen, keineswegs marginalisiert oder gar fremdenfeindlich behandelt. Nicht einmal Deutsche, die sich in Regionen vorwagen, die auch für Deutschschweizer aus anderen Kantonen als schwieriges Terrain gelten, wissen von xenophoben Attacken zu berichten. Im Gegenteil: Ulrich Keuth, der seit 1999 bei der Lonza arbeitet – nicht etwa am Hauptsitz im grenznahen Basel, sondern in dem von Bergen eingeschlossenen Visp -, fühlt sich wohl in seiner schweizerischen Wahlheimat. Er ist direkt nach dem Studium im Saarland nach Visp gekommen und meint, dass er wohl solche Möglichkeiten in Deutschland kaum erhalten hätte. Heute leitet der Chemiker eine für die Qualitätskontrolle zuständige Abteilung. Überraschend war jedoch nicht nur, dass ihm rasch Verantwortung übertragen wurde, sondern auch der lockere Umgangston am Walliser Standort. Anders, als es Keuth aus Deutschland kennt, verzichtet man im Oberwallis auf Förmlichkeiten, trägt nur in Ausnahmefällen eine Krawatte und duzt sich in der Regel.

  • Duzis machen und nicht Duzen
  • Das schnelle Duzen ist eine Erfahrung, die Deutsche in der Schweiz im Berufsleben sehr rasch machen. Darüber wurde uns häufig berichtet. Erinnern wir uns an unsere Erlebnisse in der Industrie in Deutschland, so fallen uns zahlreiche Situationen ein, in denen das Duzen („Duzis-machen“ sagen die Schweizer dazu) absolut nicht selbstverständlich war. Sogar unter Gleichaltrigen dauerte es mitunter Wochen, bis man zum Du überging. Die Deutschen sind in dieser Hinsicht wirklich um einiges steifer und förmlicher. Lehrer, Pfarrer oder Ärzte, auch wenn man sie noch so lange und persönlich kennt, würde man niemals duzen in Deutschland. Der klassische „Dünkel“ lebt irgendwie weiter. Eine Ausnahme bilden hier nur die Universitäten, wo sich die Studenten untereinander immer geduzt haben.
    (Foto: Eingang Universität Freiburg im Breisgau)
    Universtität Freiburg --- Duzen ist hier normal
    Aber auch hier bleibt die Distanz zum Professor, zum Seminarleiter oder Studienrat immer schön mit einem „Sie“ gewahrt.

  • You may say you to me
  • Unser Altbundeskanzler Helmut Kohl hingegen war dafür bekannt, dass er sich mit allen duzte. Das System Kohl funktionierte über enge Duzfreundschaften und Beziehungen. Auch zum damaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan soll er gesagt haben: „You may say you to me!“, und schon waren die beiden beim Du. Ist doch prima, für was gute Fremdsprachenkenntnisse alles nützlich sind. Kohl kann als gebürtiger Pfälzer keine Fremdsprachen ausser Hochdeutsch. Das Englischsprechen überliess er lieber seiner Frau Hannelore, denn die war gelernte Dolmetscherin.
    Kohl und Reagan
    Helmut Kohl, Ronald Reagan und Eberhard Diepgen blicken nach Ost-Berlin, 12.6.1987.
    Der viereckige Rahmen im Hintergrund enthält Panzerglas, damit kein Scharfschütze aus dem Osten mal kurz den „imperialistischen Erzfeind“ abknallen konnte.
    [Quelle: Bundespresseamt (5673); Foto: Engelbert Reineke]

  • Vorname und Sie
  • In Frankreich erlebten wir noch die hübsche Variante, schnell mit dem Vornamen angesprochen zu werden, und dann mit „Vous“ weiter. In deutschen Gymnasium gehört es zum guten Stil der Lehrer, die Schüler der Oberstufe explizit zu siezen, wenn sie volljährig sind, und ihnen so zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl zu vermitteln, als Erwachsene zu gelten und behandelt zu werden. Auch hier in der Variante: Vorname und Sie. Nachnamen in der Schule zu gebrauchen kommt auch vor, wenn der Lehrer ein alter Kommiskopp ist und dies noch aus K.u.K. Zeiten kennt. Diese Sorte Lehrer sollte aber schon so gut wie ausgestorben sein.

  • Die direkte Art der Walliser?
  • Der nächste Satz aus der NZZ machte uns dann aber stutzig. Liegt das Wallis eigentlich überhaupt in der Schweiz? Denn wir lesen:

    Auch der Walliser Humor und die Walliser Art, Dinge ohne Umschweife anzusprechen, waren gewöhnungsbedürftig.

    Ist nicht Patrick Rohr aus dem Wallis? Zumindest hat er dort ab dem 14. Lebensjahr gelebt. Den Humor dort können wir schlecht beurteilen, aber „Dinge ohne Umschweife anzusprechen“, das haben wir über die Schweizer bisher so noch nicht gelesen. Es war bisher immer die Fähigkeit zum Konsens, das diplomatische Lavieren, das geschickte Taktieren, mit dem sich Schweizer selbst charakterisierten oder von anderen beschrieben wurden, niemals die „direkte Art“. Wunderbar, dass das ausgerechnet im Wallis geschätzt wird. Aber dieser Kanton muss sowieso irgendwie „special“ sein, so halb französisch und hinter hohen Bergen versteckt.
    Blick ins Wallis

    Vertragen Sie sich mit Ihrem Zeitungsboten?

    Mai 28th, 2009

    (reload vom 28.5.06)

  • Vertragen Sie sich mit Ihrem Zeitungsboten?
  • Der verträgt das nämlich nicht, wenn man nicht nett zu ihm ist. Dann kann er richtig unangenehm werden, und einfach ihre Zeitung nicht mehr „vertragen“. Am besten machen Sie doch einen „Vertrag“ mit ihm, so dass er ihnen gegenüber nie „nachtragend“ ist, sondern die Zeitung in den frühen Morgenstunden austrägt.

  • Vertragen und nicht austragen
  • Wieder so ein hübscher Unterschied mit grossen Auswirkungen. In der Schweiz werden die Zeitungen am Morgen nicht „aus-ge-tragen“ sonder „ver-tragen“.

    Beispiele:

    Oder Sie suchen gemeinsam einen richtigen „Job“: zum Beispiel einen Nachmittag als Aushilfe im Dorfladen, Kinder hüten oder Zeitungen vertragen am Wochenende.
    (Quelle: moneybasics.ch)

    Ich war kürzlich wieder Zeitungen vertragen. Musste mich erst ein wenig aus dem Bett schlagen, damit ich aufstand
    (Quelle)

    Das Deutsche Verb „vertragen“ ist ein absolut vielschichtiges Ding. Der Duden zählt acht verschiedene Bedeutungen auf, aber nur eine hat was mit Zeitungen zu tun, und zwar ausschliesslich in der Schweiz:

    vertragen (st. V.; hat) [mhd. vertragen, ahd. fartragan = ertragen]:
    4. (schweiz.) (Zeitungen o. Ä.) austragen: Zeitungen vertragen
    (Quelle: duden.de)

  • Wann kommt den zu Ihnen der Bote am Morgen?
  • Wir waren von diversen Wohnorten in Deutschland gewohnt, dass die Zeitung tatsächlich in „aller Herrgottsfrühe“ ausgetragen wurde, also schon ab 5 Uhr spätestens im Kasten lag. Wohnen wir in der Schweiz einfach nicht in den richtigen Gegenden, oder woran liegt das sonst, dass hier der Bote am Morgen erst gegen 6:30 Uhr, manchmal auch erst um 7:00 Uhr erscheint? Zu spät für eine Lektüre beim Frühstück der echten Frühaufsteher. Alternativ kann man sich um Mitternacht schon die Morgenzeitung für den nächsten Tag in der Innenstadt von Zürich von halb-legalen Zeitungsverkäufern auf der Strasse kaufen. Die holen sich einen Haufen druckfrischer Exemplare bei der Druckerei und rennen dann aufgeregt durch die Stadt, immer ein Blick über die Schulter, ob die Polizei nicht in der Nähe ist, um mit Gewinn die Tagespresse vom nächsten Morgen bereits vor 24.00 Uhr zu verkaufen. Muss schrecklich lukrativ und gleichzeitig illegal sein, was die tun.

    Aber wer ist schon jede Nacht so spät noch in der „Wald-Stadt Züri“, die weniger etwas mit grünen Wäldern als mit falsch verstandener „Weltstadt“ zu tun hat, unterwegs?

    Strahlen in den Haaren? — Es „strählen“ nicht nur die Narren

    Mai 27th, 2009

    (reload vom 26.05.06)

  • Strahlen in den Haaren?
  • Die Schweizer sind nicht zimperlich, wenn es um ihre eigene Körperpflege geht. Fangen wir doch ganz oben an, beim Kopf, oder um noch genauer zu sein: Bei den Haaren. Die werden in der Schweiz nicht nur „gekämmt“, sondern quasi mit einer Strahlenkanone malträtiert. Der Fachmann dafür ist in der Schweiz natürlich kein „Frisör“ wie in Deutschland, sondern ein „Coiffeur“ und der spricht vom „Strählen“.

  • Wir strählen das Gewinde
  • In der Industrie ist das eine beliebte Technik der Metallbearbeitung:

    – Mehrkantdrehen und Tieflochbohren auf der Drehmaschine
    – Gewinde schneiden, strählen, rollen und walzen
    – Rundschleifen, spitzenlosschleifen und flachschleifen
    (Quelle: www.accurtec.ch)

    Was wir mit Gewinde anstellen können, warum sollten wir das nicht auch mit unseren Haaren tun?

  • Wir strählten schon in alter Zeit
  • Der Duden klärt uns über die Herkunft dieser Technik auf:

    strählen sw. V.; hat [mhd. strælen, ahd. strāljan]
    (landsch., schweiz. mundartl., sonst veraltet):
    (langes Haar) kämmen:
    ich strähle [mir] mein Haar; Die Friseurin nimmt eine Rundbürste aus der Tasche und strählt und föhnt und windet ihr kunstvoll das Haar um den Kopf (Frischmuth, Herrin 46);

    Wir bemerken, dass die Duden-Redaktion einmal mehr ein schweizer Wort als „veraltet“ einstuft, und es als „landschaftlich schweiz. mundartl“ kennzeichnet. Hinter „landschaftl.“ versteckt sich wahrscheinlich wie immer der restliche alemannische Sprachraum ausserhalb der Schweiz, sprich das Elsass, Schwaben usw.

    Auch DWDS, das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jh.“, herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, nennt das Verb veraltet:

    strählen /Vb./ veralt. jmdn., sich, etw. kämmen
    (Quelle: dwds.de)

    Mit umfangreichen Quellen und Belegen kann hingegen wie immer das fabelhafte Wörterbuch der Gebrüder Grimm aufwarten:

    kämmen, ahd. strâlen (aus *strâljan); mhd. strælen; as. …
    1) in eigentlicher Bedeutung ‚kämmen‘; ahd. in glossen für lat. pectere: stralta …
    a) das haar, die locken, den bart mit dem kamm, der bürste ordnen, kämmen; pectere strelen .
    (Quelle: Grimm)

  • Wenn der Narr den Bürger strählt
  • In Deutschland kennt man das Verb „strählen“ ausserhalb der Metallverarbeitung heutzutage nur noch in der alemannischen Fasnacht. Dort werden die Besucher eines Umzugs von den Narren „gestrählt“:

    Ein rückläufiger Brauch ist das „Strählen„, „Schnurren“, „Hecheln“, „Aufsagen“oder „Welschen“, d.h., der Narr spricht den unvermummten Mitbürger (den „Gestrählten“) auf der Straße oder im Gasthaus, ggf. mit verstellter Stimme, an und kann diesem hinter der Maske ohne Rücksicht auf die soziale Stellung des Angesprochenen unverhohlen und geradeheraus die Meinung sagen, ihn rügen (Rügerecht des Narren), ihn mit der Kenntnis der einen oder anderen Begebenheit überraschen oder einfach Unsinn reden. Das Gesagte sollte allerdings niemals verletzend oder gar ehrenrührig sein. Daher lautet in Rottweil auch das Motto: „Niemand zu Leid – jedem zur Freud“. Da der Narr heutzutage aber immer mehr Zugezogene oder Fremde am Straßenrand oder im Wirtshaus antrifft, fällt es ihm zunehmend schwerer, den Brauch des „Schnurrens“ zu pflegen. „Schnurren“ leitet sich ab von „Schnurre“ = „Posse, komischer Einfall“ (ursprünglich ein Lärmgerät, mit dem besonders Possenreißer umgingen). „Strählen“ = „kämmen“ und „hecheln“ = „Fasern des Hanfs oder Flachses spalten“: der Narr zieht im übertragenen Sinn sein Gegenüber, wie einst die Bäuerin die Flachsbüschel, durch ein (kammartiges) Nagelbrett (den Hechelkamm).
    (Quelle: www.narren-spiegel.de)

    In der Schweiz hingegen wird auch mal in der Politik etwas durch „strählen“ wieder ansehnlich, denn „strählen“ kann auch „verschönern“ bedeuten:

    dass wir in diesem Saal oder mindestens die Kommissionen diese Berichte – ich glaube, im Dezember 2003 sind der dritte und vierte Bericht fällig – noch anschauen und „strählen“ können, bevor solche Dinge wieder nach aussen gehen.
    (Quelle: parlament.ch)

    Schon lange ist den Hausfrauen bekannt: Die schönsten Muster in der Butter bekommt frau mit einem Kamm hin! Warum solche Verschönerungen nicht auch beim „Strählen“ von Kommissions-Berichten versuchen?

    Zum Abschluss ein paar Verse Schweizerdeutsch. Geben Sie Obacht und versuchen Sie einmal, die Herkunft dieses Dialektgedichts zu ergründen:

    dîn hâr was dir bestroubet:
    dô strælte dir dîn houbet
    zeswenhalp der rabe dâ,
    winsterhalp schiet dirz diu krâ
    (Quelle: Grimm)

    Na, woher stammt das? St. Gallen oder doch eher aus dem Wallis? Lassen Sie sich nicht in die Irre führen. Es ist etwas viel Älteres. Die Verse sind kein Versuch eines Deutschen, Schweizerdeutsch zu schreiben sondern entstammen der Versnovelle „Meier Helmbrecht“ von Wernher dem Gärtner aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts

    Hätten wir das jetzt nicht erwähnt, wäre bestimmt sogleich eine Diskussion entbrannt. Wir werden uns hüten, nochmals Schweizerdeutsch „frei-nach-Gehör“ zu verschriften. Sonst kommt noch jemand mit dem Kamm und will uns strählen.. lieber nicht.

    Strählen geht nicht immer ohne Nebenwirkungen:
    Strählen mit dem Kamm

    Ostdeutsch für Fortgeschrittene —Keene Feddbemmen fressen

    Mai 26th, 2009

    (reload vom 25.05.06)

  • Ostdeutsch für Fortgeschrittene
  • Deutschland ist ein wunderbares Land. Überall strotzen die Menschen vor Selbstbewusstsein und sind voller Stolz über ihr gepflegtes, weil sorgsam poliertes Hochdeutsch. Wirklich überall? Es gibt da eine Gegend in Deutschland, da hat sich das „geschliffene Hochdeutsch“ deutlich ein wenig zu viel weiterentwickelt, denn dort wurde aus „geschliffen“ eines Tages „mattpoliert“. Aus allen knallharten „Ks“ wurden weiche „Gs“, damit aus „Helmut Kohl“ ein „de Gaulle“, aus dem harten „T“ wurde ein weiches „D“ wie „Detlev“ oder „Damendolette“, und aus dem Anlautvokal „A“ ein „O“ wie in „och schön!“. Wir sprechen von Ostdeutschland und seinem eigenem Idiom, dem Ostdeutschen:

  • Gibbe raus!
  • Der folgende kleine Lehrfilm soll zeigen, dass auch innerhalb von Deutschland die sprachlichen Unterschiede zu gewaltigen Verständigungsproblemen führen können. Mitunter mit gefährlichem Ausgang:
    Film KeinOstdeutsch (avi-File, 1Mb)

  • Neufünfländisch für Anfänger
  • In Ostdeutschland spricht man „Neufünfländisch“, die Sprache der fünf neuen Bundesländer. Eine ganze Reihe von eigenen Wortprägungen in dieser Sprache sind im Westen unbekannt. Zum Beispiel:

    abkindern =
    Sex zwecks Schuldentilgung: Schulden des Ehekredits wurden den werdenden Eltern teilerlassen. Den Ehekredit konnten alle Frischvermählten in Anspruch nehmen.

    Arbeiterschließfach = Neubauwohnung

    Bückware = im Osten gab es alles – man mußte nur wissen wo

    Fehlerdiskussion = Krisensitzung

    Gastmahl des Meeres = Name aller Gaststätten, die ausschließlich Fisch auf ihrer Speisekarte anboten

    Mumienexpreß = Ost-Slang für Interzonenzug

    Tal der Ahnungslosen =
    Gegend der DDR, in der kein Westfernsehen zu empfangen war. Dies führte dazu, daß z. B. der Bezirk Dresden die höchsten Ausreisezahlen hatte.

    Winkelement = A5-Papierfähnchen (heute vornehmlich bei CDU-Veranstaltungen zu sehen)

    (Quelle: otz.de)

    Ganz schön kreativ, die Menschen aus dem Osten.
    Aber wenn jetzt die Diskussion anfängt, ob man „Feddbemmen“ nun mit einem oder zwei „d“ schreiben sollte, oder doch lieber mit „ä“ wie „Feddbämmen“, dann wandere ich aus…
    Vielleicht klärt uns Branitar erst einmal darüber auf, was das eigentlich sind, diese Feddbemmen.

    Friedrich Hegel in Zürich? — Der Ursprung des Zürihegel-Laufs

    Mai 20th, 2009

    (reload vom 24.5.06)

  • Friedrich Hegel in Zürich?
  • In Zürich findet dieser Tage ein besonderes Ereignis statt. Es trägt den hübschen Namen „Zürihegel“ und hat, wie Sie jetzt richtig vermuten, mit dem schwäbischen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel wenig zu tun.

    Das Event findet jedes Jahr im Mai-Juni statt und heisst offiziell „De schnällscht Zürihegel“. Für die armen deutschen Leser, die jetzt nichts mehr schnallen: Es handelt sich hier um einen Wettlauf für Kinder, den es bereits seit 1951 gibt. „Schnällscht“ = schnellste.
    De schnällscht Zürihegel

  • Seit wann gibt es den Zürihegellaufes?
  • Das erzählt uns die Website zuerihegel.ch:

    1950 war kein Zürcher im Sprinterfinal der Schweizermeisterschaft. Das war für das LCZ Clubmitglied Silvio Nido, Rekordhalter im Hammerwerfen, ein Alarmzeichen. Er untersuchte die Sache, besuchte Spielplätze, Turnstunden, sprach mit den Fachleuten. Das Ergebnis war deutlich; das Laufen spielte in der Notengebung im Turnen eine absolut untergeordnete Rolle. Weder der Schnellauf noch die Ausdauer wurde in der Schule gepflegt oder gar gefördert. Silvio Nido schlug im Winter 1950 an der Seniorenversammlung des LCZ vor, eine Kommission zu bilden, die sich mit der Organisation eines Laufwettbewerbes für Schüler befassen sollte. Da die Sache aber finanziellen Einsatz benötigte, kam die Angelegenheit vor die Generalversammlung. Mit grossem Mehr wurde der Vorschlag angenommen.
    (Quelle: zuerihegel.ch)

    Nur mühsam könnten wir von befragten Schweizern erfahren, warum dieser Lauf denn so heisst. Gibt es vielleicht einen „Hügel“ in Zürich, der „Hegel“ genannt wird, über den der Lauf geht? Viele Nicht-Zürcher müssen bei dem Wort passen, denn es ist eine lokale Besonderheit.

  • Was ist ein Zürihegel?
  • Ein Zürihegel ist ein Kind aus Zürich. Wie genau diese Definition nun aufzufassen ist, konnten wir nicht feststellen. Für die Herkunft des Wortes gibt es verschiedene Auslegungen. Am plausibelsten erscheint uns Grimms Wörterbuch:

    narr, querkopf, schweiz. hegel, baurenhegel grobian STALDER 2, 30; im Aargau wird der eigenname Heinrich in den spottnamen Heichel, Zürih-Hegel ‚querkopf‘ umgesetzt. ROCHHOLZ bei FROMM. 6, 458b; es rührt das mundartliche verbum hegeln, ‚hernehmen, mit worten oder schlägen, auf eine niedrige art foppen‘ (STALDER a. a. o.), bair. hegeln zum besten haben, aufziehen, necken (SCHM. 2, 164), schwäb. hegen plagen (SCHMID 268) an; als die den hegel gefoppet (officiere einen neuen ehemann), er würde mir (der frau) die hosen lassen müssen. Simpl. 3, 40 Kurz.
    (Quelle: Grimm)

    Hier ist also der „Zürih-Hegel“ als Querkopf bereits genannt. Ob die in dieser Gegend früher wirklich alle „Heinrich“ = Heichel = Hegel hiessen?

    Der Duden leitet den Namen auf einen Hag = Gebüsch zurück:

    Hegel:
    1) Wohnstättenname zu mhd. hegel, Verkleinerungsform von mhd. hac Dornbusch, Gebüsch; Einfriedung, Hag oder von mhd. hege Zaun, Hecke .
    2) Auf eine Koseform von Hagen (3.) zurückgehender Familienname.
    3) Für Nürnberg kann eine Ableitung von mhd. hegel, hegelīn Spruchsprecher, Gelegenheitsdichter infrage kommen. In den Nürnberger Polizeiordnungen (13.-15. Jh.) ist von den pfeiffern, hegeln und pusaunern, die zu dem tantz hofieren [musizieren], die Rede.
    (Quelle: duden.de)

    Das wollen wir uns gleich mal merken für die nächste Diskussion mit Zürchern oder wahlweise Nürnbergern: „Hör auf mich so zu hegeln!„. Oder: „noch ein Wort und ich werde Dich hegeln…“ Ob dann wirklich jemand versteht, was gemeint ist? „Den Hegel foppen“ ist hoffentlich nicht weit verbreitet im Schwäbischen, so wie es Grimms Wörterbuch angibt.

  • Hag oder Zaun? Der Schweizer weiss Bescheid
  • Vielleicht gab es ja in Zürich besonders viele Dornenbüsche, Gebüsche oder Einfriedungen. Den „Hag“ kennt man in der Schweiz nur unter dem Namen „Zaun“, weil die Migros vor vielen Jahren ihre Eigenmarke mit koffeinfreiem Kaffee so nannte: Kaffee Zaun.
    Migros Cafe Zaun
    (Quelle Foto: swissbymail.com)
    Denn Hag = Zaun, wie wir gerade im Duden lesen konnten. Dass da zufällig ein grosser Deutscher Markenhersteller namens „Hag“ auch ein entkoffeiniertes Kaffeeprodukt auf dem Markt hat, dass konnte doch vom Migros-Marketing niemand wissen!

    Doch zurück zum „Zürihegel“. Wir kennen solche lokalen Spezialnamen auch aus anderen Städten, dort wird gleich auch eine Definition mitgeliefert.

  • Das Freiburger Bobbele
  • In Freiburg im Breigau heissen die Kinder „Friburger Bobbele“:

    Als „Friburger Bobbele“ bezeichnet man jemanden, der In Freiburg im Breisgau geboren ist und dessen Eltern und Großeltern ebenfalls aus Freiburg stammen. Dann sollte man noch im St. Elisabethen-Krankenhaus in Freiburg zur Welt gekommen sein und mindestens einmal in ein Freiburger „Bächle“ gefallen sein. Die Anforderungen an ein echtes „Friburger Bobbele“ sind also hoch.

    Woher kommt der Begriff „Friburger Bobbele“?
    Wenn man den Zeittafeln der Freiburger Adressbücher aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg Glauben schenken darf, findet man den für alle „Bobbele“ bedeutenden Eintrag „Eröffnung einer Normalschule unter Franz Josef Bob, 1773“. Alle seine Schüler nannte man ab sofort Bobbele und heutzutage nennt man alle typischen Freiburger so.
    (Quelle: akverlag.de)

    Der Name hat also nichts mit den „Bobbel“ = Bollen zu tun, den hübschen roten Kugeln auf den Trachtenhüten im Schwarzwald:
    Bollenhut aus dem Schwarzwald
    (Quelle lahr.de)

    Bobbele ist in Deutschland natürlich noch ein Spitznamen für Boris Becker.

    Wussten Sie übrigens, dass nach seinen Wimbledon Siegen 1985 und 1986 die Zahl der Kinder, die in Deutschland den Jungennamen „Boris“ bekamen, schlagartig zurück ging?
    Sportlicher Erfolg eines Namensträgers heisst noch lange nicht, dass der Name auch populär wird! „Kevins“ gab es zur gleichen Zeit dafür umso mehr, wegen Kevin Keegan und Kevin Costner, der da gerade „mit dem Rolf“ tanzt, oder sich „einen Wolf“ tanzt, und später „Kevin allein zuhause“.