Wenn es brennt, dann muss man löschen, oder? — „Feuer im Dach“
(reload vom 31.01.06)
Wir lasen in Standardwerk für unverfälschte Schweizer Sprichwörter und Redensarten, dem Tages-Anzeiger vom 21.01.06:
Bei der Walliser Polizei ist Feuer im Dach
Nun, wenn es brennt, da hilft nur löschen, sollte man meinen. Aber hier brennt es gar nicht, hier wird Brauchtum gepflegt in Form von original Schweizerischen Redewendungen.
Wir testen ein wenig, wie häufig es bei Google-Schweiz „Feuer im Dach“ gibt, und kommen auf immerhin 1´200 Fundstellen , von denen kaum eine etwas mit echten heissen Bräuten Bränden zu tun hat.
Interessant finden wir, dass diese Redewendung im Deutschen Sprachraum nicht überall das Gleiche bedeutet. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm interpretiert den Ausdruck „Feuer im Dach“ ganz anders:
In niedriger sprache für kopf, hirnschädel, da ist gleich feuer im dach er ist ein hitzkopf.
(Quelle: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm)
Sind also die Walliser Polizisten alles Hirnschädel und Hitzköpfe? Wir hoffen nicht.
Im Lauf der Zeit muss sich das Feuer langsam vorgearbeitet haben, denn ursprünglich war nicht „Feuer im Dach“, sondern nur „am Dach“. Solches Feuer kennt auch der Duden, für Österreich und die Schweiz, und bringt ein Zitat aus der NZZ:
es ist/dann ist Feuer am Dach
(österr.,schweiz.): dann/es herrscht grosser Aufruhr:
„Wenn jedoch auch in der so genannten Paradedisziplin des österreichischen Skiwettkampfsports derart enttäuschende Ergebnisse wie jene in Kitzbühel auftreten, dann ist Feuer am Dach, beim Skiverband, aber auch bei der Industrie“
(NZZ 29.1.1983, 33)
Quelle: Duden-Band 11 (Redewendungen) S. 203
Wie gesagt, mittlerweile brennt es wesentlich häufiger „im Dach“ als „am Dach“, denn auch Redewendungen unterliegen offensichtlich physikalischen Gesetzen. Immerhin brennt es hier, und „mottet“ nicht nur. (vgl. Blogwiese)
Die alte Formulierung „Feuer am Dach“ gibt es bei Google-Schweiz nur noch 69 Mal. Also sind das jeweils keine Hitzköpfe mehr, aber dafür herrscht stets eine grosse Aufruhr. Na dann können wir ja den Feuerlöscher ungebraucht zurück in die „Nasslöschstelle“ bringen
und warten, bis sich der Rauch im oder am Dach verzogen hat.
Wie würden wir in Deutschland ausdrücken, das „Feuer im Dach“ ist? Nun, da bieten sich einige Redewendungen an. Zum Beispiel: „Dann ist Polen offen“. Laut Duden steht das für:
„da/dann ist Polen offen (da/dann kann alles Mögliche passieren, kann es Ärger geben)
(Quelle: Duden)
In meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, also „tief im Westen, wo die Sonne verstaubt„, bevorzugt man etwas drastischere Ausdruckformen. Da es dort die selige Erfindung des Robidog Hundebriefkastens noch nicht gibt, und häufiger mal eine Tretmine auf dem Bürgersteig zu finden ist, würde der typische Ruhrpöttler eine grosse Aufregung so ankündigen:
„Dann is aber die Kacke sowat von am dampfen, eh“.
In diesem Sinne… lassen wir es einfach dampfen.
Oktober 30th, 2008 at 9:07
Wenn bei uns zu Hause früher die Gefahr bestand, dass es bald Ärger gibt, dann sagte meine Mutter: „Da ist Feuer unterm Dach“. Im übertragenen Sinn also, es brodelt unter der Oberfläche – oder, wie Jens sagen würde: „Die Kacke ist am Dampfen“.
Dabei scheint es sich nicht ausschliesslich um einen Ausdruck des Südens zu handeln, denn sogar die Berliner Zeitung wählt diesen Ausdruck im März 2003 als Überschrift.
Gucki findet 804 Hits unter dem Begriff.
[Antwort Admin: Wobei ich drauf tippe, das die Schreiberin des Artikels (Regine Zylke) aus dem Süden stammt 😉
Oktober 30th, 2008 at 11:09
Zitat: Antwort Admin: Wobei ich drauf tippe, das die Schreiberin des Artikels (Regine Zylke) aus dem Süden stammt 😉
Na, wenn Du meinst…
Feuer unterm Dach; Ibbenbürener Zeitung, Münsterland
Derbys sorgen für Feuer unterm Dach; Ahlener Zeitung
Kurden: Feuer unterm Dach; Focus
Feuer unter dem Dach; Investor Verlag, Bonn-Bad Godesberg
…alles „Schreiber“ aus Süddeutschland… 😉
[Anmerkung Admin: OK, du hast mich überredet… 😉 wie wir ja bei Grimm sahen, ist diese Redewendung doch ziemlich „Standarddeutsch“, nur etwas veraltet. ]
Oktober 30th, 2008 at 17:00
Oder trotz allem noch die „norddeutsche“ Version von Feldmann
aka Brösel, der lässt den Boss der Rocker sagen „ich zähl bis eins und denn is hier Achterbahn“ gesprochen „Åchtähbohn“
Oktober 30th, 2008 at 17:41
die amerikanische Version der „dampfende Kacke“ ist dann wohl „When the shit hits the fan“…
570’000 hits bie google….
Oktober 30th, 2008 at 19:04
Zitat JensK: die amerikanische Version der “dampfende Kacke” ist dann wohl “When the shit hits the fan”…
Uiiih, wie appetitlich… 🙂
Oktober 31st, 2008 at 10:23
Meine Mutter sagte mir desöfteren (eingedeutscht) „Dann ist aber Feuer im Estrich“
Oktober 31st, 2008 at 13:29
Feuer am Dach = Hitzkopf?
Ja, der jetzt gebrauchte Sinnspruch „Feuer am / im Dach“ hat m.E. gar nichts mit einem unterstelltem realen Dachstuhlbrand zu tun!
Wenn man eine Ableitung des Begriffes „Dach“ durchführt, kommt man bei den Grimms zu einer Quelle in angelsächs. „thah“ und altnord. „thak“ (beide th in org. island. „Thorn“ geschrieben). Im lat. „toga“ steckt auch für Bedachung, griech. „tegos, techne“ für Dach.
In nhd. ist „Dach“ die Abdeckung eines Gebäudes, es ist also ein „Deckel“ auf einem Bauwerk.Und hier liegt m. E. der eigentliche Sinn eines Daches. Es ist ein „Deckel oder eine Decke“ auf irgend einem Ding.
Wenn man die Zeit der Protoindoeuropäer und man ketzerisch die skandinavische Zeit nur als ein Zwischenspiel betrachtet, könnte man sich dieses Szenario vorstellen: Bei der asyslantischen Zuwanderung und der gleichzeitig indoeurop. Sprachenentwicklung nach Europa haben diese Menschen riesengroße Flächen durchwandert. Die „Häuser“ bzw. „Schlafplätze = Heimat“ wurden als Erd- bzw. Hang-Gruben mit dem damals wahrscheinlich einzig funktionsfähigem Material gegen den Regen geschützt: dem Leder. Das eingefettete Leder (heutzutage vergleichbar mit wasserdicht eingewachsten Stoffen) hat das Regenwasser zurückgehalten, aber die Regentropfen erzeugen auf der gespannten Lederfläche Klänge / Töne: „Tack, tack, tack….“.
Der Begriff „Dach“ sagt technisch eigentlich nichts über den stofflichen Aufbau aus, sondern es wird hierbei nur eine besondere Eigenschaft benannt: Der „tack“. Also ist das aus Leder hergestellt Abdeckmaterial über der Behausung, welches nun aus wasserdichtem Leder hergestellt ist, nun der „tack“, also der „Tacker“ mit der Bedeutung von „Deckendes / Zudeckendes“ am Wohplatz.
Der Begriff „tack“ hat sich über lat. „tegula“ = (Dach)-Ziegel vom „tegere“ = bedecken, schwed. „tak“, niederl. „dak“, ahd. „dah“ und mhd. „dach“ erhalten.
Damit werden die Vorgänge um abdecken, schützen, abschließen, verdecken und auflegen/zudecken umschrieben, wie Decke (Kleidung und Bauwerk, Deckel, m.E. auch Dackel und Dachs mit den verdeckten Erdgängen.)
Also ist der oberste menschliche Abschluss die „Schädeldecke“ (auch mal als „Schädeldach“ gelesen).
Das „Feuer“ ist hie ein Synonym für u. a. die Wallung, Erregung, Hitze und die sonstig anderen menschlichen Seelenzustände!
Folgendes wird bei den Grimms geschrieben: …..feuer, angewandt auf leuchtende, glänzende augen oder blicke, auf erröthende wangen: er ward lauter feuer im gesicht (das blut stieg ihm ins gesicht); …..das feuer trat bei den schönen in das gesicht. ….. das feuer stieg mir ins gesicht. ….. dasz mir das feuer in die augen gestiegen. …..
der blicke feuer und der lippe stammeln. …..gleichsam das feuer seines blicks zu bergen. …..feuer und flamme schlug mir gleich beim ersten anblick zum gesicht heraus, …..
Über das Feuer der Liebe und des Hasses brauchen wir nicht zu schreiben.
Also lautet der Spruch „Feuer im Dach“ eigentlich mit diesen wahrhaftigen Sinninhalt: „Erregung im Kopf haben“!
Oktober 31st, 2008 at 18:35
@ anfra
genauso ist es: Wenn jemand einen „Dachschaden“ hat, wird auch nicht zwingend der Zimmermann bestellt. Es sei denn der Herr Zimmermann ist Psychiater. Dafür hat „der mit dem grössten Dachschaden auch den besten Ausblick zum Himmel.“
Jemanden eine dachteln heisst ihm eine runterhauen, die Dachtel ist in Oesterreich noch heute eine Ohrfeige. Dachtel bedeutet ursprünglich wohl Murmel – vielleicht ja auch „Denkmurmel“
Das „Feuer wird auch im Busen oder im Schoss getragen“ und „zwei Frauen am gleichen Feuer vertragen sich schlecht“