Bussen kann man absetzen — neue sprachliche Entdeckungen in der Schweiz
Wer in Deutschland mit dem eigenen Auto unterwegs ist, nimmt schon mal einen guten Freund mit. Kommt er an dessen Haus vorbei, so kann er ihn dort absetzen. Das ist eine nette Geste, dieses Absetzen. Es gehört ausserdem zu den liebsten Beschäftigungen der Deutschen, die jährlich mit ihrer Steuererklärung oder ihrem Lohnsteuerjahresausgleich kämpfen, und dabei möglichst viel von der Steuer „absetzen“ möchten.
Abgesetzt erscheint so mancher Absatz in der Zeitung, aber erst in der Schweiz lernten wir, was wir noch absetzen können: eine Busse. Beispiel:
Und treffen kann es einen letztlich ja überall. Auf Schweizer Strassen vielleicht, wo es für Fischer «immer wieder mal Bussen abgesetzt hat».
(Quelle: Service.escapenet.ch)
Oder eine Überraschung:
Die UEFA warnt davor, im Internet Tickets für die EM-Spiele zu kaufen. Es könnte eine böse Überraschung absetzen.
(Quelle: Tages-Anzeiger vom 10.06.08)
Da wir nun schon so lange aus Deutschland fort sind, und die dortigen sprachlichen Gepflogenheiten etwas aus den Augen und Ohren verloren haben, hüten wir uns nun davor, dieses „absetzen“ als einen Hevetismus zu bezeichnen. Die Beweislage ist doch zu dürftig.
(richtig hohe Absätze sahen wir in London, siehe hier)
Gab es nicht auch einmal einen berühmt gewordenen Gesetzesentwurf in Brüssel, der die „Absatzhöhe“ von Schuhen normieren sollte? Womit dann gar nicht die Höhe des hinten am Schuh befindlichen Absatzes gemeint war, sondern es einzig um ein Reglement der Verkaufszahlen, des „Absatzes“ an Schuhen ging. Versteht das noch jemand? Gut, dann können wir uns davon nun absetzen, bzw. einmal „absitzen„, unsere alte Schweizerlieblingsbeschäftigung, zu der wir weder Pferd noch Rittmeister benötigen.
Juli 11th, 2008 at 0:24
Ein sicheres Anzeichen, zu lange in der Schweiz gelebt zu haben, ist der Begriff „Schweizerlieblingsbeschäftigung“ genau so wie „Schweizerfahne“ 😀
Juli 11th, 2008 at 8:18
Habe ich das richtig verstanden? Kann man seine Strafzettel in der Schweiz von der Steuer absetzen? Ist ja phänomenal!
Juli 11th, 2008 at 8:46
Soeben im Duden „Redewendungen“ gefunden: „sei jetzt ruhig, sonst setzt’s was ab“ – da wäre ja „absetzen“ durchaus als Strafe gemeint. Und das nicht nur in der Schweiz.
Juli 11th, 2008 at 10:58
Nein, Simone, kann man leider nicht. 🙂
Es ist eher so, dass Bussen im Aufwand von Gesellschaften wieder aufgerechnet werden. Und dies auch dann, wenn diese quasi geschäftsstrategisch verordnet sind (UPS z.B.).
Im Prinzip muss die UPS also sämtliche Strafzettel Ihrem Mitarbeitern vom Lohn abziehen. Wenn Sie das nicht tut, ist auch noch die AHV darauf geschuldet, da es ein Lohnbestandteil ist. In den Aufwand darf man die Busse auch nicht buchen. Kann also ganz schön kompliziert werden.
Nur mal so ein kleiner Exkurs.
Juli 11th, 2008 at 13:14
Danke, Schoggistaengel! Wieder was gelernt 🙂
Mit den Gegebenheiten in Deutschland bin ich da besser vertraut und habe mal den neuen Einbürgerungstest absolviert…ich habe bestanden!
Juli 11th, 2008 at 14:44
Also ich habe nur mal die ersten 17 Fragen bei Weltonline ausgefüllt und alle gewusst. Wirds noch schwerer ? Weil sonst wärs ja peinlich, das nicht zu bestehen … 😀
Juli 11th, 2008 at 15:31
Schoggistaengel:
Einige der Fragen sind nicht ganz ohne und dürften für Leute, die aus einem ganz anderen Kulturkreis kommen, schwierig werden.
Mich hat folgendes verwirrt:
Den ersten Test absolvierte ich bei rtl.de, Frage der Personenfreizügigkeit. Meine Antwort, freie Wohnortwahl, wurde als falsch deklariert. Begründung: Richtig sei freie Berufswahl.
Dann bekam ich den Test auf einer anderen Seite noch einmal, wieder dieselbe Frage, die ich diesmal mit „freie Berufswahl“ beantwortete. „Falsch“ sagte der PC, es sei die freie Wahl des Wohnortes..
Was stimmt denn nun?
Juli 11th, 2008 at 17:58
@Simone
Beides. Entweder SP oder SVP.
Juli 13th, 2008 at 10:54
@Fanki:
Kann daran liegen, dass ich gerade erst aufgestanden bin und noch nicht auf dem Heimtrainer war (wäre übrigens auch eine gute Idee für den Herrn Administrator, wir sind ja beide Kniekrüppel), aber ich weiß nicht, was Du mir gerade sagen willst…
Juli 13th, 2008 at 21:18
Ja, was heisst das eigentlich? Dass man die Bussen von der Steuer absetzen kann? Zumindest im Kt. Zürich geht das nicht…
[Anmerkung Admin: Doch, in der Zeitung stand der Satz „Es werden Bussen abgesetzt„… nur nicht von der Steuern. Es ist eine Redewendung, von der wir noch nicht genau wissen, ob sie spezifisch „schweizerisch“ ist oder nicht. ]
Juli 14th, 2008 at 8:37
Eine kleine Bemerkung zum Wort „absetzen“: Aus dem deutschlanddeutschen Wortschatz ist mir dies zwar im Zusammenhang mit Steuern passiv bekannt. Viel geläufiger sind jedoch hierzulande Wörter, die auch die eigentliche Handlung des Ausfüllens der Steuererklärung widerspiegeln.
So kann ich diverse Auslagen „bei den Steuern angeben“ oder „von den Steuern abziehen“. Es ist also eher spezifisch deutsche Sicht, bei „absetzen“ an Steuern zu denken. Wenn ihr also in der Schweiz das Wort absetzen hört, denkt also in erster Linie an alle anderen Verwendungen. Mit Hilfe des Dudens nenne ich hier die im Schweizerischen Gebrauch häufigsten Zusammenhänge, nämlich Taxidienste, Sedimente/Ablagerungen, Therapien/Medikamente, Stellenverlust eines Politikers, grosse Mengen verkaufen, in eine Steueroase verschwinden (sich a~).
Ich glaube, der Ausdruck „es setzt eine Busse, einen ZS (Zusammenschiss), Puff mit den Eltern, etc. ab“, entstammt eher dem ursprünglich deutschen „jetzt setzt es was!“ (in Einklang mit Mares Votum). Ich betrachte es daher nicht als sonderlich schweizerisch.
Und noch eine vorbeugende Verständnisklärung: Tuning-Freaks könnten unter Umständen schon mit ihrer „abegsetzte“ (heruntergesetzten = tiefergelegten) Rakete Bussen einfangen. Die kann man aber dann dennoch nicht von den Steuern abziehen.
Juli 18th, 2008 at 14:45
Es ist mir eben noch etwas aufgefallen:
Die Deutschen ziehen/setzen „von der Steuer“ ab. Zahlen die so wenig, dass es für einen Ausdruck in der Einzahl reicht? In der Schweiz zahlt man „Steuern“. Die Mehrzahls-Idee stammt erstens aus dem Dialekt und zweitens gewiss von der Vorstellung her, dass man an mehrere Empfänger (Gemeinde, Kanton und Bund) zahlen muss.