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Die Wäsche-Wahl — Schweizer Nationalratskandidatinnen machen sich nackig.

  • In der Wäsche parat zur Wahl
  • So kurz vor den Nationalratswahlen in der Schweiz die, wie wir aus zuverlässiger Quelle von einem Schweizer mit erhaltener Wahlwerbung erfuhren, am Sonntag den 21.10.07 stattfinden wird, lassen diverse Kandidatinnen und Kandidaten die letzten Hüllen fallen. Werbung bis aufs letzte Hemd, dem Unterhemd. Machen die sich „nackig“, was in meinem Heimatdialekt als „nackisch“ wie „knackisch“ klingt? Nein, sie machen Werbung. Nicht für sich selbst und ihren gewünschten Platz im zukünftigen Schweizer Nationalrat, sondern für Unterwäsche von der Migros.

    Migros Wäsche zur Wahl

    Wir lesen auf dem Online-Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft:

    Von der Personalberaterin bis zur Hausfrau, vom Bademeister bis zum kaufmännischen Angestellten sind bereits weit über Hundert Personen für die Migros Modell gestanden – im letzten Herbst präsentierten beispielsweise Gemeinderäte aus der Schweiz die Damen- und Herren-Oberwäsche, und Skilehrerinnen und Skilehrer zeigten sich in Unterwäsche. Und in diesem Frühling wurde die Unterwäsche präsentiert von Singles, die nicht länger Singles sein wollten.
    (Quelle: persoenlich.com)

    Migros Waesche zur Wahl 2

    Nichts Neues also, ganz normale Menschen wie Ich und Du, die sich da präsentieren, vielleicht etwas hübscher als Ich und Du. Das oben ist Mirjam Arnold aus Oberrieden, für die JCVP, und unten sehen wir Silvio Pasquale aus Boningen für die JSVP.

    Zwei Wochen vor den Nationalratswahlen wirbt die Migros nun grossflächig mit möglichen zukünftigen Volksvertretern in Migros-Höschen. Für die Kampagne wurden per Mail auserwählte Kandidatinnen und Kandidaten gesucht. Und überraschend schnell gefunden: 41 wollten bei der Plakatkampagne mitmachen, 7 wurden schliesslich gewählt. Vertreten sind aber nicht alle Parteien.

  • Wählen interessiert mich nicht
  • Es sollen sogar weitere Bewerber freiwillig ihre Mithilfe angeboten haben. Doch die weisen Migros-Werber trafen gnädig eine Auswahl. Sie haben lange ihre Wahl getroffen, mehr als die Hälfte der Schweizer noch nicht. Warum sollte ich wählen, sagen sich 55 % der Schweizer. Ein 27jähriger Arbeitskollege erklärte mir neulich, dass er noch nie gewählt habe. Das interessiere ihn nicht. Ein stressfreies Leben lässt sich auch ohne so leben in der Schweiz, ohne diesen Papierkram.

  • Wo kein Zoff ist und nur Harmonie, wird Politik langweilig
  • Die geringe Wahlbeteiligung wird von den Eidgenossen als grosses Problem erachtet. Sie ist die Kehrseite der ewig dauernden harmonischen „Konkordanz“ mit Zauberformel und Regierungsbeteiligung aller grossen Parteien. Wo kein Zoff herrscht sondern fast nur Harmonie, wird Politik langweilig und immer weniger wählen. Daran wird auch der aktuelle Streit um die „Schwarzes Schaf“ Kampagne der SVP nicht viel ändern. Seit Jahre langem liegt die Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen unter 50%, siehe Grafik:

    Wahlbeteiligung Nationalratswahlen
    (Quelle Grafik: politik-stat.ch)

    Aktivisten der Bewegung „21. Oktober“ haben darum am Mittwoch, den 17.10.07 um 7:30 Uhr illegal eine riesige Fahne auf dem Zürcher Zentral aufgehängt:
    Nur die halbe Schweiz wählt
    (Quelle Foto: Heute vom 17.10.07, S. 11)

    Um 8:20 Uhr hängten sie sie wieder ab, nach Aufforderung der Polizei. Jetzt ist die Schokoladenwerbung wieder gut zu sehen. Lieber eine ganze Schokolade als ein halbes Schweizerkreuz.

    

    12 Responses to “Die Wäsche-Wahl — Schweizer Nationalratskandidatinnen machen sich nackig.”

    1. Neuromat Says:

      Also ich finde 15 CHF für einen Hipster doch ganz günstig.

      Wurde der aber auch wirklich von Mirjam Arnold getragen? Für solche Spottpreise lassen sich bestimmt ganze Kolonien von Fetischisten glücklich machen.

      Endlich mal eine sinnvolle Aktion!

    2. Tellerrand Says:

      Für Publizität tun Politiker die unglaublichsten Dinge, so kurz vor den Wahlen. Wenn das Migros-Magazin dieselben Politiker irgendwann letztes Jahr gefragt hätte, wäre die Resonanz wohl nicht so gross geworden. Eigentlich alle Modells sind ja wirklich ansehnlich, aber mal ehrlich: genau darum sollte es bei Politikern – Volksvertretern – doch wohl eher nicht gehen. Die Oberflächlichkeit in der Politik bekommt eine neue Dimension. Insgesamt dürfte sich die Wahlwirksamkeit der Werbekampagne eher neutralisieren – keine Partei wollte bei diesem eitlen Stelldichein fehlen 😉

    3. Neuromat Says:

      @ Tellerrand

      ja so ist das. Früher sahen mächtige Frauen und Männer anders aus. Es war noch eine beliebte „entängstigende“ Vorstellung, sich jemand in Unterhosen vor das geistige Auge zu holen. Falten, Fettgeschwabbel, Pickel – das kann sich heute niemand mehr leisten. Die Menschen schliessen von der Verpackung auf den Inhalt und kaufen ihren Rotwein nach dem Ettikett.

      Sportliche Dynamik, ansprechende Optik – als Voraussetzung zum Erfolg. Der Parteivorsitzende wird zum Coverboy. Ausstrahlung ist gefragt, solange sie nicht vom AKW stammt. Und Eigenschaften werden auf diese Art und Weise verteilt. Die Leute findens mutig, dass sie das macht.

      Und dann diese entlastende Identifikationsmöglichkeit. In der Realität wird die Schweiz immer dicker, wie woanders auch sind hier die ärmeren Menschen stärker betroffen. Interessant ist, dass sie dies nur in „reichen“ Gesellschaften sind. In Kuba hatte die Lebenserwartung durch die sich einstellende Gewichtsreduktion in den Jahren des Mangels unter Castro zugenommen. In den letzten Jahren sinkt sie wieder.

      Was uns bleibt ist die Satire, die Ironie, der Humor – wenn der dann abgeschafft wird, weisst Du, dass Deine Meinungsfreiheit zu solchen kaputten Lebensstilen ebenfalls abgeschafft wurde. Also Jens – wir freuen uns auf die neuen Folgen!

    4. Schnägge Says:

      Hoffentlich macht das Beispiel nicht Schule. Angela Merkel in Aldi-Dessous und Kurt Beck in Lidl-Feinripp möchte ich bitte wirklich niemals sehen.

    5. Administrator Says:

      Die Diskussion über die katastrophale hohe Zahl der Nichtwähler wird hier eindeutig zu ausgiebig geführt, ich glaube langsam, da sollten wir einen eigenen Thread draus machen… kaum zu glauben wie das Thema spontane Reaktionen unter Schweizer geradezu herauskitzelt.
      Gruss, Jens

    6. Psalmist Says:

      Das Problem vor allem der Jungparteien ist, daß sie ohne solche Aktionen schlicht nicht wahrgenommen werden. Als nichtssagender Name auf einer von x verschiedenen langen Listen (zumindest in den bevölkerungsstärkeren Kantonen) geht man einfach unter. Da kann man noch so gute Parteiprogramme im Rücken haben.

      Vielleicht nützt das Plakat ja tatsächlich: Ich als Wähler sehe es, merke: Aha, der oder die kandidiert und wagt dafür auch etwas. Ich informiere mich über die Person und ihre Partei und wähle sie, wenn sie mich überzeugt.

      In der Realität läuft es eher so: Ich als Wähler sehe das Plakat und denke „Ui, die ist bei der CVP und zieht sich aus – dürfen die das überhaupt?“ Entweder finde ich das einen Skandal und wähle grad zleid keine CVP mehr, wenn die zu solchen ungehörigen Mitteln greifen. Oder dann finde ich es daneben, daß sie deswegen skandalisiert wird, und wähle sie zur moralischen Unterstützung. Damit hab ich zwar nicht verstanden, worum es bei den Wahlen geht, nämlich um Politik, dafür hab ich ein Zeichen gesetzt. Jawoll!

    7. Psalmist Says:

      Ach, wir sollten die tiefe Wahlbeteiligung diskutieren? Dafür gibt’s eine einfache Erklärung: Uns Schweizern gehts zu gut; der Staat sorgt sich liebevoll um uns und wirft uns „Sozialhilfe“ nach wie blöd – sogar, wenn wir richtig gut verdienen. Was sollten wir ändern wollen? Die Politik läuft von selbst: Nach endlosen Debatten werden Kompromisse gefunden, die immer wunderbar weich und angenehm luftig sind – so richtig zum Wohlfühlen. Das ist seit Jahrzehnten so, ganz egal, wen wir wählen. Warum also sich die Mühe machen?

    8. ralf Says:

      Hallo heute eine nette Diskussion am Mittagstisch:

      „Ich wähle doch nicht einen Waadtländer, ich bin Walliser, selber schuld wenn die mich zum Ummelden zwingen… ( wohnt und arbeitet schon +10 Jahre im Waadtland )…“
      bezwingende Logik, oder?

    9. Tellerrand Says:

      Viele Schweizer schimpfen viel lieber über Bundesbern und die Politiker, als sie zu wählen. Ausserdem muss man sich auch ziemlich anstrengen einen Sinn darin zu erkennen seine Stimme abzugeben, die an der Zusammensetzung der Regierung und deren politischer Ausrichtung vermutlich nichts ändern wird. Und: ja, es geht der Schweiz und den Schweizern sehr gut. Das macht immer träge. Leider.

    10. Phipu Says:

      An Tellerrand

      Wenn du manchmal in stumpenrauchgeschwängerten Beizen Stangen oder Grosse trinkst, hörst du sicher von der Stammtischecke die klassische politisch engagierte Aussage: „die z’Bärn obe mached sowiso was si wänd“, was besonders den aufmüpfigen Charakter demonstriert, mit welcher diese Personen inbrünstiges Mitglied der grössten und wichtigsten Partei des Landes sind. Wer hat jetzt an die SVP gedacht? Nein es geht um die Partei der Stimm-Abstinenzler.

      Der Wahl-Leitspruch dieser Partei kommt in der Blogwiese bei verschiedenen verwandten Themen und in Varianten schon vor:
      http://www.blogwiese.ch/archives/125#comment-1373
      http://www.blogwiese.ch/archives/418#comment-10696

    11. Sergej Says:

      Silvio Pasquale ist ja schön knackig! 😉

    12. lew Says:

      Ist doch mutig das die Leute sowas gemacht haben.