Die Partei ohne Punkte und die deutsche Lockerheit — Samuel Knopf tritt immer noch zur Kantonalratswahl an
Die Schweizer FDP schreibt sich wie die deutsche Guido Westerwelle Partei ohne Punkte (die deutsche FDP gab ihre Punkte 2001 auf, siehe hier). Nicht im Parteiprogramm ohne Punte, denn dort hiessen die Dinger sowieso „Traktanden“, sondern im Namen hinter den Buchstaben. Uns wäre es lieber, sie würde ihren Namen ausschreiben, denn er ist ausgesprochen poetisch und vieldeutig: „Freisinnig-Demokratische-Partei“ , genannt auch „der Freisinn“ oder die „Freisinnigen“, was uns seit vielen Jahren mit der Frage beschäftigt, ob die nun frei von Sinnen sind oder sinnlos frei.
Der angsterfüllte Ruf erzkonservativer Bayern „der Freisinn geht um“ wird in Liedern von Konstantin Wecker genauso furchteinflössend zitiert wie „die Russen kommen“ Oder war das damals eher der „Freigeist“? . Für die Jüngeren unter uns sei gesagt, dass Konstantin Wecker einst durch seine Lieder mit hochdeutschen Texten bekannt und berühmt wurde, z. B. mit der Geschichte vom Willy (hier aus Platzgründen nur der Anfang):
Willy
Mei, Willy, jetz wo i di so doliegn sich, so weit weg hinter dera Glasscheibn, genau oa Lebn zweit weg, da denk i ma doch, es hat wohl so kumma müaßn, i glaub oiwei, du hast as so wolln, Willy. (…)
(Quelle: magistrix.de)
Doch was sollen die vielen Worte, heutzutage gibt es ja YouTube, und dort findet sich auch ein 30 Jahre altes Wecker-Stück. „Es herrscht wieder Frieden im Land„.
Wir lasen auf der Homepage von Samuel Kopf, was er in der Zürcher FDP so ist:
Vorstandsmitglied, städtischer Delgierter, kantonaler Delegierter
(Quelle: samuelknopf.org)
Das wirft bei uns die Frage auf: Benutzt ein Delgierter eigentlich häufig die Del-Taste? Oder ist der Computer-Distributor „DELL“ irgendwie involviert? Wir lasen weiter, dass er in den Kantonsrat von Zürich gewählt werden will. Vielleicht sollte ihn mal jemand darüber aufklären, dass diese Wahlen bereits am 17. April 2007 stattfanden und es bei der FDP im Zürcher Kreis 4 und 5 nicht für einen Platz (siehe hier) reichte. Doch der gute Mann lässt sich durch solche Kleinigkeiten nicht davon abhalten, weiterhin die Fahne hochzuhalten und unverdrossen im Internet für diese Wahl zu werben, oder ist das schon die Werbung für die nächste Wahl?
Besonders erfreut hat uns auf dieser Homepage ein Artikel mit dem Titel „Deutsche Willkommen“ , aus dem wir hier zitieren:
Der grosse Beutezug
Ausserdem ist die deutsche Einwanderung der grösste Beutezug in den Norden seit dem zweiten Hegauerzug.
Man muss sich das vor Augen führen: Deutschland bildet für viel Steuergeld einen junge Menschen von der Grundschule bis zum Uniabschluss aus. Kaum haben diese ihre Ausbildung, kommen sie in die Schweiz und stellen hier ihre Arbeitskraft zur Verfügung. So kommen wir gratis zu fertig ausgebildeten Arbeitnehmern, ohne dafür auch nur einen Rappen zu bezahlen. Das ist, wie wenn uns Deutschland mehrere Primarschulen, Gymnasien und mindestens eine Uni sponsern würde. Wir profitieren so jedes Jahr in Millionenhöhe.
Natürlich bringen auch viele Deutsche nicht nur ihre Arbeitskraft sondern auch ihr Vermögen mit. Sie bauen Häuser (ein Architekt und ein Bauarbeiter mehr) und legen das Geld in unseren Banken an (eine Privatebankerin plus Assistent mehr, die wiederum einen Yoga-Lehrer und eine Friseuse mehr brauchen).
(Quelle: samuelknopf.org)
Diese Argumente so nett auf auf die Reihe gebracht, das haben wir lange nicht gelesen in der Schweiz. Sehr sympathisch! Kein Wunder wurde der Mann nicht gewählt. Zuviel Freisinn. Zu wenig Yoga.
Noch besser gefallen hat uns seine Einschätzung der unterschiedlichen Kommunikationskultur im letzten Abschnitt zum Thema „deutsche Lockerheit“:
Zu guter Letzt: gerade uns nicht besonders kommunikationsfreudigen Zürchern tut die deutsche Einwanderung vielleicht ganz gut. Ich persönlich finde es erfrischend, wenn ich mal jemandem gegenübersitze, der einfach mal losplätschert, ohne das hier übliche angstvolle und hochstrategische Kommunikationsschachspiel. Die unbekümmerte Natürlichkeit der Deutschen befreit vielleicht auch den einen oder anderen in cooler Dauerschauspielerei gefangenen Zeitgenossen. Und was bringen unsere schicken Kleider ohne ein paar schlecht gekleidete Leute um uns herum, die unseren guten Modegeschmack um so mehr zur Geltung bringen ;-).
(Quelle: samuelknopf.org)
Also irgendwie macht mich das jetzt befangen. Wenn es irgendwo plätschert muss ich immer gleich dringend aufs Klo. Soviel Freundlichkeit lässt jede unbekümmerte Natürlichkeit vergehen, ausserdem sitzt meine Hose schlecht, wie ich gerade feststelle. Sollte jetzt dringend einen Termin mit meinem Yoga-Lehrer vereinbaren, oder meiner Friseuse. Ich dachte, die heisst stets „Coiffeuse“ in der Schweiz?
Oktober 17th, 2007 at 0:29
Auch wenn es eher ein unbedeutendes Detail ist, aber ich meine, dass die FDP von Guido W. sich seit einigen Jahren ohne Punkt schreibt. Aus der F.D.P. wurde die FDP auf Grund der damals neu entstandenen Internetschreibweisen.
[Anmerkung Admin: Kein Detail, sondern ein wichtiger Hinweis. Habe den Text schon angepasst. Danke schön! Die Punkte wurden 2001 abgeschafft, da war ich schon in der Schweiz und habe davon nichts mehr mitgekriegt… ]
Oktober 17th, 2007 at 8:46
Liberalismus und Freisinn sind zwei Bezeichnungen für die selbe Sache. Die liberale Bewegung in der Schweiz entstand parallel zu denen in anderen europäischen Ländern und war hier lange die bestimmende politische Kraft. Der Gegenspieler war hier wie in Deutschland der Konservativismus und den legt denn auch Wecker unter seine Zeilen, wenn er Volkes Stimme vor dem Freisinn warnen lässt. Ein bisschen zehrt die Freisinnige Partei wohl noch heute von ihrer ehrenvollen Geschichte, nur dass sich weite Teile derselben heute eher dem Neoliberalismus verschrieben haben, jener allein auf die Wirtschaft ausgerichtete intellektuellen Schwundstufe freisinniger Denkweise.
Samuel Knopf ist wie Westerwelle anscheinend der Spassfraktion innerhalb der Liberalen zuzurechnen. Witzige und provokante Äusserungen sollen wohl ein wenig die fehlende sachliche Tiefe der politischen Konzepte kaschieren. Was er über die Mode sagt, stimmt natürlich. Wenn man sich mal die Manager in Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg ansieht – kein Vergleich zur Klasse der Zürcher Banker!
Oktober 17th, 2007 at 9:27
Friseuse
ist eine Mischung aus Friseurin und Coiffeuse. In der Schweiz auch Frisörin.
In der Schweiz ist immer etwas ein wenig anders, in dem Fall ör von Nadelör, Engstelle, durch diese hohle Gasse usw. Wir Deutschen reagieren allerdings auf so frauenfeindlich diskriminierende Bezeichnungen nicht ganz so freisinnig und ziehen das Kopftuch etwas tiefer in die Stirn. Vermutlich brechen hier die freisinnigen Traditionen zu 48er Burschenschaften hervor 😉
Aber nein, was sind wir Deutsche doch für ein herziges Völkchen, immer locker, angstfrei und schlecht angezogen. Also das mit der Mode, das stimmt doch nun mit der Ausnahme des Zürcher Bürgeradels wirklich nicht. Ich habe noch nie so viele von normal bis usselig angekleidete erlebt wie hier – und Moden, die werden doch nicht mit gemacht. Es könnte natürlich sein, dass die Manager in Frankfurt und Düsseldorf nicht genug verdienen, um sich gleich schick wie die linke Toskana Fraktion zu kleiden. man hört ja so Schauermärchen, dass die mit einem Monatslohn von 40000 bis 50000 Euro auskommen müssen – na kein Wunder, da bleibt einem ja nur noch die lockere Verzweiflung.
Oktober 17th, 2007 at 9:44
Friseuse in der Schweiz? Ich weiss nur, dass man zur „Gwafföös“ geht, um sich die „Friise“ aufmotzen zu lassen oder gar „für e nöji Friise“.
Wer längere Haare hat, muss natürlich aufpassen, dass die Friseuse sie (oder ihn) nicht in die Friteuse tut, also die Trockenhaube zu heiss einstellt.
Oktober 17th, 2007 at 13:24
Frisörin mi Ö in der Schweiz? Kaum bis gar nicht. Dire Friseuse gibts definitv nicht hier. Es ist die Coiffeuse. Wie Solana richtig schreibt „Gwafföse“. Was für ein wunderbares Wort!!!
Oktober 17th, 2007 at 17:20
@ Brun(o)egg
http://www.frisoerin.ch/
Oktober 17th, 2007 at 19:09
@Neuromat
Ja, seltsam, Diggelmann klingt nach CH, muss eine Lesbe mit Deutscher Partnerin sein.
„Coiffeuse“ ist Standard.
Oktober 17th, 2007 at 23:56
Das ist doch einfach ein cleverer Werbeschachzug: So hat man alle Deutschen auf sicher, die schon lange ihre Haare schneiden lassen möchten, aber achtlos an Coifeusen vorbeiziehen und hilflos und vergeblich eine Frisörin suchen.
Oktober 18th, 2007 at 0:12
Das Erstaunliche: die Friseuse hat auch noch Schweizer Kunden – oder zumindest eine Kundin, denn die abgebildete Prominente war einst mit mir in derselben Klassen und ist mit Sicherheit nicht darauf angewiesen, ihre Frisur von einer Frisörin pflegen zu lassen.
Oktober 18th, 2007 at 0:21
@ lapsus 4711
klingt, das tönt nicht gerade nach CH. Tönt das bietet sich doch bereits sprachlich beim Thema Haare an . Diggelmann das ist Schweizer Standard, wie Corinne (nur echt mit dem langen o und der bis zum Ende gesprochenen Rinne)
aber das scheint ja eine richtig freche Person zu sein. Weicht da so einfach vom Schweizer Standard ab und Sie kennen die auch noch und nicht nur dass, Sie sind sogar im Besitz bestimmter Vorlieben dieser Dame, welche nun wiederum vom Standard abzuweichen scheinen.
Soon Bläbbs, alle beede, donnoweddor un di mochn eim des Hor redlich. Nu, da gennste deenne Sehne nisch mehr richdch: wie d Feiermäldör.
Aber wenn Sie von den Damen alles so bestens wissen: Welcher der Einträge unter
http://zuri.net/adr/4446/frisorin_corinne.htm
ist denn der Ihrige. 😉
Oktober 18th, 2007 at 8:48
Neuromat
In der Hoffnung, dass es nicht nur an meinem röstigrabennahen Dialekt liegt, würde ich behaupten, der zweitunterste Eintrag in deinem angegebenen Link mit dem „modernen Ambiente“ (= das Ambiente) dürfte von Kundschaft aus Deutschland stammen. Hier höre ich nämlich viel öfter „die Ambiance“ [ãbiãss] (~ für Nasallaut).
Hierbei fällt mir auf, dass „das“ Ambiente gesagt wird, obwohl es spanisch „el ambiente“ (m.) heisst. Das erinnert mich an „die Tram (D) – das Tram (CH) – le tramway (F)“
http://www.blogwiese.ch/archives/79#comment-702
Oktober 18th, 2007 at 11:19
Jeens,
das war nur eine Teilkorrektur: „sich wie als“ ist nicht wirklich gutes Deutsch
viele Grüße
Oktober 18th, 2007 at 12:17
@ Phipu
Ambiente – Menschen, die in Deutschland so etwas sagen gehen nicht zum Coiffeur, zu denen kommt der nach Hause oder sie fliegen nach München. Die Aesserung: „Ich bleibe seit Jahren treu und nehme einen weiten Weg in Kauf (Kantonswechsel).“ lässt mich auch eher an Kundschaft aus CH denken, wobei natürlich deutsche Wurzeln vorliegen könnten. Ob es sich um Herrn Blocher handelt kann dabei nicht entschieden werden. 😉
Oktober 18th, 2007 at 15:43
Es heißt natürlich „die“ Ambiente, analog zu: die Stockente und die Alim-Ente.
@Neuromat: Ich will ein Buch von dir!
Oktober 18th, 2007 at 17:43
@ schnägge
bisher kannte ich diesen Satz nur in Verbindung mit dem Wort Kind.
Allen Ernstes ist es so, dass ich nun tatsächlich aus langjähriger Leserschaft – meine Meinung war immer, es gibt genug gute Bücher, es muss auch Menschen geben, die sie lesen – heraustrete und gleich an zwei Büchlein arbeite. Bei dem ersten konnte ich mir verkneifen, nun endlich auch auf diesem Hype mitzuschwimmen und etwas zur Ernährung zu schreiben. Der Titel wird nicht verraten – er liegt ohnehin fast auf der Hand. Und das zweite, ja das zweite hat tatsächlich etwas mit der Schweiz zu tun, nur was, verrate ich ebenfalls nicht.
Also etwas Geduld so bis Ende 2008.
Oktober 18th, 2007 at 20:23
Schon wieder ein Buch über Streuwürze!?
Oktober 19th, 2007 at 7:31
Ein wichtiger Punkt:
Die Tram wird in Deutschland nicht wirklich gesagt. Höchstens etwas eingeenglischt. Normal heisst es StraBa. Daher kommt auch „Die“ Tram, da es „Die“ Strassenbahn heisst.
Oktober 19th, 2007 at 12:49
@ neuromat
Muss eine Zugewanderte sein. Freidensrichterinen hat sie auch noch als Kundinen.
Oktober 19th, 2007 at 12:59
„Gesagt“ habe ich Tram in Deutschland auch noch nicht so oft. Allerdings… unbekannt oder ungewöhnlich ist der Ausdruck sonst nicht. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) beispielsweise verwenden das Wort „Tram“ sogar als Logo für ihre Strassenbahnen…
Was das Ambiente angeht:
Die Spanier haben auch kein neutrales Geschlecht, oder?
Ansonsten hilft da wieder auch die bewährte Faustregel, solange man nicht gerade an die weibliche Ente denkt: „Welches Geschlecht hätten Synonyme oder ähnlich/gleich endende Wörter auf Deutsch?“
Nun, „das Umfeld“ ist genauso Neutrum, wie „das RechTE, das GepunkteTE, das ArroganTE oder auch das GeschnetzelTE“.
Warum sollte man hier nicht an den falschen Freund, die Ente, denken?
Weil die Ente schon per Definition immer weiblich ist.
Ein Enter wäre auch nicht männlich, sondern ein Erpel.
Oktober 19th, 2007 at 13:00
@Neuromat:
Bücher gibt es genug, gute Bücher gibt es nie genug! 🙂
Quote Neuromat: „Der Titel wird nicht verraten – er liegt ohnehin fast auf der Hand.“
„Die unendliche Geschichte der Currywurst“?
Oktober 19th, 2007 at 16:02
@ Flaneur
Es heisst natürlich „die ArroganTEN“, ein Singular existiert nicht und gemeint sich damit immer „die Deutschen“…
Oktober 23rd, 2007 at 8:32
An die Person mit dem Alias „@Phibu“
Stimmt, „die Tram“ wird offenbar „in Deutschland“ nur geschrieben (wie das auch Flaneur sagt):
Siehe Bildunterschrift:
http://foto.stuttgarter-zeitung.de/gallery_details.php?mediaid=8775#bildtitel
Siehe Titel
http://www.mobil.org/pic/az_170401.jpg
http://www.tram-muenchen.de/
und dutzende Deutscher Sites mehr. Aber ich habe tatsächlich keine entsprechenden Tondokumente gefunden.
Ausserdem bin ich mir mit meinen zitierten Beispielen natürlich bewusst, dass Stuttgart und München bereits zu Norditalien gehören:
http://heidiswelt.blogspot.com/2005/11/mnchen-liegt-in-italien.html