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Oh du friedliebende Schweiz — Die Kunst der heimlichen Landesverteidigung

(reload vom 21.10.05)

  • Schöne Aussicht im Sommerstau
  • Die Deutschen, welche die Schweiz vor allem von der Durchfahrt auf der Gotthardroute A2 von Basel bis nach Chiasso her kennen, lieben die Bilderbuchlandschaft mit Seen und Bergen, die sie bewundern können, wenn sie hier im Sommer für Stunden im Stau stehen und auf die nächste Grünphase des Gotthard-Tunnels warten. Auch die Gegend zwischen dem Zuger See, der Rigi (das ist zwar ein Berg, aber ein weiblicher, Obacht, wenn sie auf „die“ Rigi steigen) und dem Vierwaldstättersee kommt einem vor, als sei sie direkt nach dem Vorbild einer Märklin Modelleisenbahnanlage konzipiert worden. Doch das täuscht: Die Schweiz ist bis an die Zähne bewaffnet!

  • Ein Volk von Snipern
  • Nicht nur, das die Schweizer Männer alle ausgebildete Scharfschützen sind (Fachjargon „Sniper“) und daheim ihre Hochpräzisionsgewehre im Kleiderschrank stehen haben, nebst Munition, nein bei einer Überlandfahrt durch die Schweiz bemerkt der aufmerksame Beobachter bei allen Brücken und anderen strategisch wichtigen Stellen mehr oder weniger gut getarnte Panzersperren:

    Panzersperren
    Sind das zu Stein gewordene Riesen-Stücke von Toblerone-Schokolade? Diese Sperren gehören zur ehemaligen „réduit“ Verteidigungsstrategie der Schweiz, die sich im Falle eines Angriffes durch die Achsenmächte im zweiten Weltkrieg nur langsam Tal um Tal zurückgezogen hätte, bis in die „Alpenfestung“.

    Was sehen sie auf diesem Bild:
    Kanaldeckel bei einer Brücke
    So viele Kanaldeckel unter der Eisenbahnbrücke von Koblenz, unweit der Grenze zu Waldshut?
    Nein, da kommen die Stahl- oder Betonpfähle hinein, um diese Strasse für alle Panzer unpassierbar zu machen. Solche Löcher findet man heute noch auf fast vor jeder Brücke oder immer dann, wenn es eine Engstelle gibt.

  • Schiesstand an der Landstrasse nach Eglisau
  • Im Zürcher Unterland, unweit des Rheines, sind diese Sperranlagen ziemlich vollständig erhalten und leicht von der Strasse erkennbar.
    Kurz vor dem Beginn der Flughafenautobahn bei Bülach findet sich dieses Bauwerk:
    Sniper Unterstand
    Sie können da kaum etwas erkennen? Das ist auch gut so! Gehört alles zur Tarnung, wahrscheinlich sind sie schon etliche Male daran vorbei gefahren ohne es zu bemerken. Hier können die Scharfschützen jeden unerwünschten Besucher aus dem Norden aufs Korn nehmen, und bleiben auch bei Regen schön trocken dabei. Vor kurzem jedoch wurden die Autobahnausfahrt Bülach-Nord gründlich erneuert und dabei hat man auch gleich die alten Löcher für die Betonpfähle zugeschüttet und zugeteert. Aus und vorbei ist es nun mit der Landesverteidigung am Stadtrand von Bülach. Die Deutschen strömen ab jetzt ungehindert jeden Morgen Richtung Zürich durch diesen Wald, und jeden Abend wieder heim in den Schwarzwald.

    In den Alpen sehen die Geschütze dann aus wie Felsen:
    Panzerturm als Felsen getarnt
    (aus Wikipedia)

    Zum Munition Verkauf geht es da lang

  • Achtung, dies ist ein weiteres Geheimzeichen in der Schweiz:
    Heute Munitionsverkauf für alle
    Es bedeutet wohl: „Heute Munitionsverkauf für alle“, falls sie keine mehr haben. Einfach immer dem Flug der Gewehrkugel folgen. Munition ist so ca. alle 12 Monate keine mehr vorhanden in Bülach, dann wird dieses Schild aufgestellt. Wir finden es einfach zum Schiessen.
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    11 Responses to “Oh du friedliebende Schweiz — Die Kunst der heimlichen Landesverteidigung”

    1. spiegelstef Says:

      Hab mal ne Fotoausstellung gesehen in Zürich mit Dutzenden von Schießständen, die als Chalets oder landwirtschaftliche Schuppen getarnt waren.

      Seither schau ich mir verdächtige Objekte genauer an, konnte aber noch keins enttarnen.

    2. Ingo Says:

      Dass „die Rigi“ weiblich sein soll, bereitet mir immer noch Schwierigkeiten. Vor allem frage ich mich, warum es dann bitte schön „Küssnacht am Rigi“ heisst? Nicht „Küssnacht an der Rigi“ – da war mal wieder irgendwer nicht ganz konsequent. Oder ist das jetzt auch wieder der Unterschied Schweizer- zu Schriftdeutsch?

    3. neuromat Says:

      @ Ingo

      Frauen sind meistens „weiblich“. Im Dialekt bekommt „die Heidi“ aber schnell mal ein „es“ oder „ihm“ als Pronomen. Dies ist besonders noch bei der älteren Generation so, wenn der Mann von seiner Ehegattin erzählt: Es hätt net möge cho (zum Grillieren). Die Rigi soll auch älter sein. Frag Tellerrand, der kann jeden Tag drauf gucken.

    4. solanna Says:

      Es gibt Frauennamen, die in vielen Schweizer Regionen sächlich sind, etwa das Heidi, das Hedi, das Fränzi und natürlich alle Verkleinerungsformen (das Anneli, das Vreneli, das Theresli, das Sylveli etc.).

      Mir ist aber in der Innerschweiz aufgefallen, speziell im Kanton Luzern, dass tatsächlich alle Frauennamen den Artikel ’s (=das) und als Pronomen „ääs“ (es) haben. Da sind Frauen wohl noch heute sächlich. Seltsam, wo doch diese sächlichen Sachen gerade in dieser Region noch heute tendenziell mehr Kinder gebären als anderswo. Ein Naturwunder.

    5. Tellerrand Says:

      off topic

      Das unsägliche aktuelle SVP-Plakat bekommt internationales Echo:

      http://de.bluewin.ch/news/index.php/international/-/12698

      to whom this may concern…

    6. neuromat Says:

      @ Tellerrand

      Berner Zeitung vom 07.09.2007 (ich weiss, ich lese die falschen Zeitungen): SVP bläst zum Gegenangriff

    7. Der stahlzarte Teutone Says:

      @ off topic

      zu diesen artikeln in diesen blättern hätte ich ja gerne mal eine fastfeedbackmöglichkeit gesehen (wie bei artikeln über deutsche ;-))

      http://www.blick.ch/news/schweiz/uebles-bild-der-schweiz-in-englischer-zeitung-70907

      http://www.20min.ch/news/schweiz/story/28941286

    8. ch.atzefrey Says:

      O wie gut, dass es jetzt digitale Fotos gibt. Sofern man ab und zu ein Backup zu deren Sicherung macht, hat man sie immer schön beisammen.

      Vorher hatte unsereins immer irgendwo Fotoumschläge mit noch zu kopierenden oder jemandem zu verschickenden Fotos oder deren Negative zum wieder sauber Ablegen.

      Und irgendwo liegen sie noch heute, sodass ich an dieser Stelle keine eingescannte Ansicht einer Felswand hoch über dem Ferienort Braunwald einfügen kann. Dort hat es nämlich auf knapp 2000 m Höhe eine waagrechte Reihe ziemlich rechteckiger Löcher in ziemlich regelmässiger Anordnung in der Kalkfelswand, die ganz klar Schiesslöcher der Armee sein müssen. Sind sie aber nicht, sondern tatsächlich eine Laune der Natur.

      Hätte ich doch mehr Zeit für Ordnung oder jetzt zum Suchen 😉
      So aber müsst Ihr selber hingehen. Die Wand liegt über der Brächalp.

      [Anmerkung Admin: Solche versteckten Löcher waren schon mal Thema auf der Blogwiese, siehe hier]

    9. Brun(o)egg Says:

      Abgesehen davon, das es viel zu aufwändig, zu teuer und teilweise gar nicht möglich wäre den alten Miltärbetonschrott zu entsorgen, haben die Landschafts Toblerone die Funktion von Biotopen übernommen. Blndschleichen, Vögel, usw. lieben sie heiss.

    10. getti Says:

      Du stellst mal wieder alles so hin wie du willst. Find ich echt frech!

      [Anmerkung: Dieser Blog hat als Titel „Erlebnisse und sprachliche Beobachtungen als Deutscher in der Schweiz“, das ist sein Thema. Es sind private Erlebnisse und Beobachtungen, nicht mehr und nicht weniger. Kein Lexikon, kein neutraler Zeitungsartikel, keine Gruppenarbeit. Natürlich ist das so dargestellt, wie ich es will. Das ist doch die Idee des Ganzen. Warum sollte das frech sein? Jeder darf kommentieren, oder gern einen eigenen Blog aufmachen wie es einst Geissenpeter tat und über seine Ansichten als Schweizer in Deutschland erzählte, siehe hier]

    11. AnFra Says:

      @getti und @jens

      Habe schnell bei den Gevattern Grimm nachgeschaut: Was ist „frech“?

      Laut GWB hängt das gemeinger. Wort „frech“ mit „frank und frei“ zusammen und bedeutet „kühn, mutig und tapfer“…. sowie aber auch „dreist (Bedeutung jedoch erst in neuerer Zeit!)“. Im mhd. bedeutete „Frechheit“ lt. Duden Nr. 7 „Kühnheit“!
      Den Witz, dass die Schweizer „freches“ Geld haben, möchte ich jetzt nicht wagen!
      So gesehen kann man nur hoffen, Jens bleibt uns noch sehr „frech“ erhalten!
      Merke: Die Bananenschale wirft man besser hinter sich.