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Zugfahren in der Schweiz — Der allmorgendliche Schwarzfahrerzug in Basel

  • Was „schmökt“ denn hier?
  • Durch Bülach fährt der „Cisalpino“, ein direkter Zug von Mailand nach Stuttgart. Der Name ist Programm bei diesem Zug, denn es riecht empfindlich nach Chemieklo. In der Schweiz riecht es übrigens nicht, es „schmeckt“. Wenn etwas ein „Geschmäckle“ hat, dann weiss man nicht, ob es nun gut schmeckt oder eher gemein stinkt. Seit einiger Zeit ist der Cisalpino übrigens komplett rauchfrei. Wir finden es praktisch, mit diesem Zug in nicht mal drei Stunden bis ins Tessin nach Bellinzona fahren zu können!

  • Mit dem Rudolf Steiner nach Stuttgart
  • Es fahren auch ICEs von Zürich nach Stuttgart, einer davon heisst „Rudolf-Steiner“, nach dem Begründer der Anthroposophie, bekannt durch die Waldorfschulen, die in der Schweiz passend „Rudolf-Steiner-Schulen“ genannt werden. Es ist ein Zug mit Neigetechnik, der sich auf seinem Weg durch den Schwarzwald und die Täler der Schwäbischen Alb mächtig schräg legen kann. Dem Lokführer an der Spitze des Zuges kann man, nur durch eine Glasscheibe getrennt, bei der Arbeit zuschauen. Es ist jedoch wie im Zoo-Aquarium verboten, an die Scheibe zu klopfen, um den guten Mann nicht davon abzulenken, jede Minute einmal das „Tote-Mann-Pedal“ zu betätigen. (genannt SIFA = Sicherheitsfahrschaltung)

  • Zweisprachige Schaffner/Conducteur
  • Die Schaffner auf dieser Strecke arbeiten seit Jahren grenzüberschreitend. Ein Schweizer Schaffner beginnt in Stuttgart und fährt bis Zürich, das Team wird unterwegs nicht gewechselt. Fährt der Zug durch das Schwabenland, so heisst es nach jedem Halt: „Zugestiegene die Fahrausweise bitte“, genau ab Schaffhausen wird dann umgestellt auf: „Alle Billette ab Schaffhuuse bitte vorwiise.“ Meine ich da nicht auch herauszuhören, dass der Ton ein ganz klitzeklein wenig höflicher wird?

  • Halbtax gilt in Deutschland
  • In beiden Ländern kann man die Fahrkarte billig im Internet kaufen und gleich daheim ausdrucken. Wer von der Schweiz aus über die Grenze zu einem Ziel nach Deutschland fahren will, kann so sein Schweizer Halbtax-Abonnement nutzen und zahlt in Deutschland 25% weniger. Kinder, die in der Schweiz mit dem Junior-Ticket umsonst mitreisen, können dies auch in Deutschland tun, sofern die Fahrkarte in der Schweiz gekauft wurde und die Fahrt auch dort beginnt.

  • No more smoking im Untergrund und bald überall
  • Das Rauchen auf dem Tiefbahnhof in Zürich wurde vor einiger Zeit endlich verboten. In Lyon und auf deutschen Bahnhöfen ist es das schon seit Jahren. Mit der Einführung des Winterfahrplans am 10.12.2005 wir das Rauchen übrigens in allen Zügen der SBB verboten. Wann war dazu eigentlich das Referendum? Wann wurde dieser „Entscheid“ im Tages-Anzeiger begrüsst mit dem rituellen Bekenntnis:

    Die Meinung des Tages-Anzeigers: Der Tages-Anzeiger ist dafür

    Haben wir da irgendetwas verpasst? Wurde da vielleicht eine Regelung getroffen, ohne zuvor „den Souverän“ zu befragen? Kaum zu glauben, es geht ja „für einmal“ richtig diktatorisch zu in der Schweiz!

  • Die massenhafte Schwarzfahrpraxis in Basel
  • Jeden morgen um 07:01 fährt ein ICE mit Berufspendlern von der Uni-Stadt Freiburg im Breisgau, die eine hohe Lebensqualität aber wenig Arbeitsplätze aufweist, zur Chemie-Metropole Basel. Es sind sicher 500-700 Pendler, die in den Bereichen Medizin, EDV, Chemie, aber auch an Schulen und in Verlagen in Basel arbeiten und mit einem Monatsabonnement der Deutschen Bahn AG ganz legal bis zum deutschen „Badischen Bahnhof“ in Basel fahren.

    Und dann passiert es: Anstatt auszusteigen, die Grenzkontrolle zu passieren und legal mit einer Tram oder dem Vélo weiter zum Zielort in Basel zu fahren (es gibt auch ein paar hundert Leute, die das tun), entschliessen sich die übrigen Berufspendler jeden Morgen wieder spontan, doch nur an diesem Morgen „für einmal“ sitzen zu bleiben und bis zum Schweizer Bahnhof SBB weiterzufahren. Die Schaffner freuen sich, denn nun gilt es, „Anschlussbillette“ zu verkaufen. Die ersten 2-3 kontrollierten Pendler werden so zur Kasse gebeten. Dann sind 5 Minuten rum, der Zug kommt im Bahnhof SBB an, und alle Fahrgäste sind ruck-zuck ausgestiegen. Ein Anschlussbillett kann jeder lösen, der im Besitz eines gültigen Fahrausweises ist und sich spontan entschliesst, doch weiter als geplant zu fahren. Er muss dazu nicht den Schaffner im Zug suchen sondern kann warten, bis dieser auf seiner Kontrollrunde vorbeikommt. Dann muss sich der Fahrgast sofort direkt beim Schaffner mit seinem Wunsch melden.

  • Rückfahrt ohne Zugbegleiter
  • Auf der Rückfahrt am Nachmittag geht dieses Spielchen dann anders rum. Diesmal wissen die Pendler, dass der Zug bis zum Badischen Bahnhof praktisch ohne Zugbegleiter fährt, denn erst dort steigt das Deutsche ICE-Team ein und beginnt kurz darauf mit der Kontrolle. Für alle Fälle haben die Pendler aber dann eine Basler Mehrfahrtenkarte für das Stadtgebiet dabei, die sich im Bedarfsfall abstempeln lässt. Falls man schon im Zug sitzt, wird sie einfach von Hand mit einem Kugelschreiber ausgefüllt, denn es kann ja immer mal vorkommen, dass so ein Abstempelautomat ausser Betrieb war oder das Papier zu weich, um den Stempel auszulösen, speziell wenn man die Dinge im „Hosensack“ trägt (was schüttelt es mich vor Wohlgefallen, wenn ich diese Wort nur schreibe!).

  • Die netten Damen von der SBB-Statistik
  • Alle paar Wochen werden die Fahrgäste statistisch erfasst, emsige SBB-Damen mit Taschencomputern wollen wissen, wer alles keine Fahrkarte hat. Das sind ziemlich viele, denn das Monatsabo für die kurze Strecke in Basel kostet soviel, wie die Monatskarte von Freiburg nach Basel. Na zum Glück sitzen die da alle und warten ganz spontan darauf, dass der Schaffner endlich das Anschlussbillett verkaufen kommt!

    

    15 Responses to “Zugfahren in der Schweiz — Der allmorgendliche Schwarzfahrerzug in Basel”

    1. IG Says:

      Habe in deinem Text zwei Fehler entdeckt. Erstens habe ich noch nie einen ICE-Neigezug gesehen! Der Cisalpino ist so ein Modell. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren :D. Zweitens rate ich allen, die ihre Mehrfahrtenkarte von Hand ausfüllen, damit sofort aufzuhören. Das ist seit kurzem nicht mehr erlaubt weil es (logischerweise) zuviele Misbräuche gab.

      Wieder mal ein supper Blog. Für mich als Mitarbeiter einer Bahn doppelt Interessant 😀

    2. Fabian Says:

      Wieder mau wäutklass, diä Kolumnä!

    3. Administrator Says:

      Hallo IG,
      also ich weiss nicht wie das Ding dann heisst, das mit der Glastrennwand zum Logführer. Es legt sich jedenfalls in die Kurven wie ein Cisalpino und es verkehrt wie ein ICE. Vielleicht ist es doch keiner?
      Mit der Hand ausfüllen: Was soll man denn machen, wenn die Mehrfahrtkarte zu weich wurde, was durch Luftfeuchtigkeit, auch im Plastiketui schnell geschieht? Das ist mir oft passiert, wenn ich die Dinger in einer Hosentasche trug. Auch dass die Abstempel-Kiste nicht tut, habe ich machmal erlebt. Habe schon drauf gewartet, dass mal jemand aus Basel einen Kommentar schreibt. Ich beschrieb den Zustand vor ein paar Jahren, und bin neugierig, ob dieses Ritual immer noch jeden Morgen so durchgeführt wird zwischen Bad-Bahnhof und SBB
      Gruss, Jens

    4. Mikki Studer Says:

      Doch, doch. Es gibt sehr wohl ICE-Neigezüge. Es gab da diese berüchtigten ICE-Diesel von Zürich nach München, die nach einem halben Jahr wegen technischen Problemen wieder aus dem Verkehr gezogen werden mussten.
      Eigentlich sind alle modernen Hochgeschwindigkeitszüge Neigezüge, weil man sich dann hohe Infrastrukturkosten sparen kann (die Schienen müssen nicht ganz so gerade gezogen werden).
      Einzige Ausnahme sind wohl die TGV – weil dort die Strecken ohne Rücksicht auf Verluste wirklich schnurgerade gezogen wurden.

    5. Peter Stegemann Says:

      Die Darstellung der Strecke Basel SBB – Basel Bad muss ich etwas korrigieren. Es ist nicht so, dass dort allmorgendliche kontrolliert wuerde. Im Schnitt einmal im Quartal geraet man dort in eine regelrechte Razzia, bei der dann mit massivem Aufwand ein Grossteil des Zuges kontrolliert wird. Die Diskussionen mit den Schaffnern dabei sind wenig erbaulich, sie fuehlen sich voellig im Recht, die Hintergruende interessieren sie nicht. Uebrigens ein System, dass die DB sehr erfolgreich eingefuehrt hat: Durch die Aufteilung in mehrere Unternehmensteile fuehlt sich keiner mehr fuer den Mist zustaendig, den andere Teile angestellt haben. Das geht so weit, dass man damit rechnen muss als Schwarzfahrer behandelt zu werden, auch wenn offensichtlich ohne eigenes Verschulden eine falsche Fahrkarte verkauft wurde oder man im „hoeherpreisigen“ Zug sitzt weil der laut Bahnhofsdurchsage freigegeben ist und im Zug will das Personal nichts davon wissen – Bahnhofsdurchsage macht ja ein anderes Unternehmen.

      Aber zurueck zu meiner Lieblingsstrecke: Pikant ist hier, dass man zwar immer wieder gerne Razzien durchfuehrt, aber der Versuch, eine Monatskarte fuer diesen Abschnitt zu bekommen, erfolglos ist. Sowohl der DB-Aboservice als auch jener der SBB fuehlen sich nicht zustaendig. Bei ersteren heisst es, das sei eine SBB-Strecke, bei den zweiteren, es sei nunmal ein DB-Zug. Die einzig legale Moeglichkeit, eine gueltige Dauerkarte fuer diese Strecke zu bekommen ist ein Fahrschein der BVB, bzw. ein TNW-Ticket fuer >60 CHF. Fragt sich nur, in wessen Auftrag dort kontrolliert wird, wenn sich niemand zustaendig fuehlt?

      Was an dieser Geschichte besonders erschreckt, ist die „typisch Deutsche“ Haltung der Kontrolleure. Niemand interessiert sich fuer die Hintergruende, niemand interessiert sich dafuer die Zustaende in Ordnung zu bringen, die Verantwortung wird schulterzuckend nach oben abgewaelzt, die eigene Beteiligung am Vorgang ist korrekte Pflichterfuellung.

      Falls es noch nicht durchgeklungen ist: Ich bin 5 Jahre auf dieser Strecke gefahren und ziemlich angeschissen von dem, was ich dort erlebt habe!

    6. Administrator Says:

      Hallo Peter,
      dann doch lieber ab Badischer Bahnhof eine gemütliche Velotour durch die Fahrradstadt Basel! Beim Bahnhof SBB in der Touri-Auskunft gibt es eine extra Karte mit allen Velowegen, kostenlos!
      Gruss, Jens

    7. Peter Stegemann Says:

      Mit dem Velo durch die Stadt muss ich mir ja nun nicht antun, wenn die Bahn sowieso fast direkt an meinen Arbeitsplatz faehrt 🙂

      Hattest du mitbekommen, dass die Verlaengerung der deutschen Regionalzuege nur deshalb moeglich war, weil man einen jahrzentealten Vertrag gefunden hat, der das schon geregelt hat? Vorher hat man sich jahrelange nicht einigen koennen und ohne diesen Zufallsfund wuerden wohl noch heute alle Regionalzuege am badischen Bahnhof enden.

    8. markus Says:

      Seit wann haben wir einen Sommer-/Winterfahrplan? Habe ich da etwas verpasst?

      Die Mehrfahrtenkarten dürfen wirklich nur noch im aller schlimmsten Notfall und mit einer extrem guten begründung von Hand ausgefüllt werden. Feuchte Hosentaschen werden da wohl nicht durchgehen, da es nicht die Aufgabe der SBB ist, die „Fahrkaten“ trockenzuhalten! Ich würde die Rückseite eines solchen Billettes aufmerksam durchlesen.

    9. IG Says:

      In der Schweiz gibt es auf jeden Fall nur einmal im Jahr um den Jahreswechsel rum einen Fahrplanwechsel. Keine Ahnung wie das in Deutschland ist…

    10. Albert Says:

      lustig. einmal mehr ein beispiel für ein deutsches wort, welches wir durch ein frankophones ersetzt haben: in der deutschschweiz würde wohl niemand schaffner sagen sondern eher kondukteur oder kontrolleur…

    11. eggestei Says:

      International gibt es einen kleinen Fahrplanwechsel alle halben Jahre, im Winter, also Anfangs Dezember und im Sommer zwischen Mai und Juni, in der Schweiz ist der Winterfahrplanwechsel ja erst ein paar Jahre alt, früher wechselten wir immer im Sommer die Fahrpläne.
      Diesen Sommerfahrplanwechsel spüren wir meines Erachtens kaum, er ist so meine ich zu wissen teilweise sogar schon integriert wenn der Dezember-Fahrplan herauskommt, dann halt einfach mit einem Zusatz, in der Art: Zug verkehrt nur zwischen…
      ICE-Neigezüge gibt es wohl, es sind dies die ICE’s der Generation 3 bzw. T, die eben zwischen Zürich und Stuttgart zum Beispiel verkehren.

    12. Phipu Says:

      Wer seine Mehrfahrtenkarte schützen will, kann am Billettschalter (jeden Verkehrsunternehmens, das Mehrfahrtenkarten in diesem Format verkauft) gratis eine Schutzhülle verlangen. Grössere Plastikhüllen, wie die für z.B. Monatsabos eignen sich ebenfalls für Mehrfahrtenkarten. Man kann eine Mehrfahrtenkarte auch ins Portemonnaie (kann mich noch nicht an die neue Rechtschreibung gewöhnen) stecken; aber so, dass der Falz des Geldbeutels die nicht abgeschrägte Seite betrifft.

    13. Sandra-Lia Says:

      hm.. aso.. immer die Schwarzfahrer.. also durum wird mis GA jedes Johr türer

    14. Peter Gloor Says:

      Mikki
      Es sind nicht alle Hochgeschwindigkeitszüge Neigezüge.
      Im Gegenteil – Neigezüge gelten nicht als eigentliche Hochgeschwindigkeitszüge. Sie können einfach Kurven schneller durchfahren, und dies lediglich wegen des Passagierkomforts.

      Die gewöhnlichen ICE (1, 2 und 3) sind keine, ebenso, wie erwähnt wurde, die TGV nicht. Diese Züge fahren meist auf speziellen HG Trassen, die kaum Kurven aufweisen und keine Neigetechnik benötigen.
      Auch in Italien gibt es Eurostarzüge, die sich nicht neigen, ebenso in Italien und Spanien.

    15. giabez Says:

      @ Sandra-Lia

      wird dein GA wirklich JEDES Jahr teurer?

      @ Administrator

      wenn deine MFK (Mehrfahrtenkarte) zu weich ist, und du sie nicht mehr abstempeln kannst, dann geh doch an einen SBB Schalter. Dort kriegst du gratis für jede noch nicht benützte Fahrt eine sogenannte „Karte für einfache Fahrten“. Damit kriegst du eine einzelne Karte, die du anstelle der MFK abstempelst und dann zusammen mit der weichen MFK vorweist. Die Karte gilt für die exakt selbe Leistung wie deine MFK (sprich, lass dich nicht durch das „einfache Fahrt“ verwirren, war halt früher so).