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Blosenberg statt Bloosebärg — Mundartwelle bei den Lokalnamen offiziell gestoppt

  • Die Nomenklatur bleibt unverändert
  • Erinnern Sie sich noch an die Blogwiese Artikel zum Thema extremmundartliche Schreibweise von Lokalnamen: „Heu, Häiw, oder Heuw — Bei Ortsnamen bitte kein Schweizerdeutsch“ und „Wohnen Sie in Fischtel oder Fistel“? Jetzt ist die Diskussion ganz offiziell beendet worden und die Umbenennungswelle gestoppt. Markus Häflinger schrieb dazu in der NZZ am Sonntag vom 17.06.07:

    Bund stoppt Dialektwelle
    Bundesamt für Landestopographie gegen zu viel Mundart auf Landeskarten. Ein monatelanger Konflikt um die Lokal- und Flurnamen in den Landeskarten scheint gelöst: Der Bund weist die Kantone an, auf extrem mundartliche neue Schreibweisen zu verzichten.
    Das Bundesamt für Landestopographie (Swisstopo) spricht sich gegen die Verwendung von extrem mundartlichen Schreibweisen in Landeskarten und Grundbuchplänen aus. Mit Schreiben vom 6. Juni hat die Landestopographie die Kantone aufgefordert, bis auf weiteres bei Lokal- und Flurnamen «keine Änderungen an der Nomenklatur» mehr vorzunehmen und wieder die 1948 vom Bund definierten Schreibregeln anzuwenden.
    (Quelle: NZZ)

  • Die Schulkarte mit dem Liebensbärg ist schon im Handel
  • Es war höchste Zeit. Die „Schulkarte des Kanton Schaffhausen“ wurde bereits gedruckt und ist im Handel. Zu ihr heisst es in der Diskussion:

    Falls diese Schulkarte als „Mundartkarte“ bezeichnet würde, wäre dagegen nichts einzuwenden. Ohne diesen Hinweis nimmt man jedoch an, dass es sich um eine offizielle Spezialkarte mit offiziellen Namen handelt, was aber nicht der Fall ist. Zum Beispiel sind Rii(Rhein) wie auch Liebensbärg anstelle Liebensberg sowie Rafzerfäld anstelle Rafzerfeld und sehr viele weitere Namen auf der Schulkarte des Kantons Schaffhausen keine offizielle Bezeichnungen.
    (Quelle: gis.hsr.ch/wiki)

    Swisstopo stoppte nun den vorschreitenden Prozess, dass so wie in Schaffhausen alle Karten der Schweiz neu erstellt werden müssten:

    Das Schreiben setzt einen Schlusspunkt hinter einen monatelangen Streit zwischen Swisstopo auf der einen Seite, Geografen und Geometern auf der anderen Seite. Die Fachleute hatten Swisstopo im Verdacht, die Mundartwelle auf die ganze Deutschschweiz ausdehnen und Tausende von Weilern, Bergen und Hügeln umbenennen zu wollen – wie zum Beispiel Rotbühl in Roopel oder Blosenberg in Bloosebärg.
    Solche Dialektformen seien für Auswärtige kaum lesbar, argumentiert die Schweizerische Organisation für Geo-Information (SOGI) im Internet. Zudem entstünden gewaltige Kosten, wenn unzählige Grundbucheinträge, Datenbanken, Register und Signalisationen angepasst werden müssten.
    (Quelle: NZZ)

  • Wer hat denn da eigentlich gestritten?
  • Erst kam die Einigung, dann der Maulkorb. Die Schweizer Organisation für Geo-Informationen SOGI darf sich in Zukunft nicht mehr äussern. Mehr noch, alles beruhte nur auf „Missverständnissen“:

    Jetzt versichert der stellvertretende Swisstopo-Direktor Fridolin Wicki, das Bundesamt habe «gar nie revolutionäre Änderungen geplant». Die Auseinandersetzung beruhe im Wesentlichen auf «Missverständnissen». Am 2. Mai haben sich die SOGI und Swisstopo in Zug zu einer Aussprache getroffen. Als Resultat davon hat Swisstopo den Brief verschickt; die SOGI musste sich verpflichten, sich nicht mehr in den Medien zum Sprachstreit zu äussern.
    (Quelle: NZZ)

    Lesen wir da nicht ein ganz klein wenig Schweizer „Harmoniebedürfnis“ und „Wir haben uns ja in Wirklicheit nie gestritten“ heraus?

  • Hunzike statt Hunzikon, Chiembärg statt Chienberg
  • Die NZZ berichtet weiter:

    Rund 50 Jahre lang gaben die Lokalnamen kaum zu Diskussionen Anlass. In den letzten Jahren jedoch haben vor allem die Kantone Thurgau und Schaffhausen unzählige Lokalnamen sehr lautnah der örtlichen Mundart angepasst. Da Swisstopo die durch die Kantone festgelegten Namen in der Regel übernimmt, änderten alleine auf dem Kartenblatt Wil (1:25 000) zwischen den Ausgaben 1974 und 2004 mehr als die Hälfte aller Flurnamen. Statt Hunzikon heisst es dort jetzt Hunzike, Beewange statt Bewangen und Chiembärg statt Chienberg.
    (Quelle: NZZ)

  • Die Französische Schweiz ist erleichtert über diese Entscheidung
  • Auch in der westschweizer Zeitung „Le Temps“ fand diese Einigung grosse Resonanz. Die Journalistin Catherine Cossy verwies auf die Schwierigkeit für Rettungssanitäter, wenn sie in die „Kehlhofstrasse“ zu einem verletzten Motoradfahrer gerufen wurden und im Navigationssystem nur noch eine „Chälhofstrasse“ zu finden ist:

    L’exemple est régulièrement cité pour démontrer la gravité du problème: les premiers secours ont eu toutes les peines à trouver le motard grièvement blessé qu’on leur avait signalé à la Kehlhofstrasse, parce qu’entre-temps, l’index des rues de la localité ne comportait plus qu’une Chälhofstrasse dans leur système de navigation par satellite.
    LeTemps 21.06.07
    Catherine Cossy: La topographie rendue folle par les dialectes
    (Quelle: zitiert nach lokalnamen.ch )

    

    12 Responses to “Blosenberg statt Bloosebärg — Mundartwelle bei den Lokalnamen offiziell gestoppt”

    1. Thomas Says:

      Trotz Harmoniebedürfnis wag ich die ketzerische Frage, ob hier ein Pronomen vergessen ging?
      „Swisstopo stoppte nun vorschreitenden Prozess (…)“
      Wobei ich nicht völlig sicher bin, ob das in meinem Sprachgefühl fehlende ‚den‘ nun tatsächlich ein Demonstrativpronomen ist. Grammatik ist lange her.
      Tüpflischiischerische Grüsse

      [Antwort Admin: Nichts Ketzerisches, schlichtweg ein Fehler den ich flugs behoben habe. Danke für den Hinweis!]

    2. mirach Says:

      auch bei mir findet die Entscheidung Resonanz, alledings nur mit einem s.

      Mir scheint diese Dialektwelle bei den Flurnamen ein bisschen selbstverliebt.
      Ganz zu schweigen davon, dass man sich doch damit selbst ausgrenzt.
      Echt deutschschweizerisch.

      [Anmerkung Admin: Danke für den Hinweis. Das „S“ zuviel war mir heute früh auch aufgefallen, ist schon korrigiert. Leider bin ich manchmal blind für solche Fehler und darum sehr dankbar für jede Mail, die mich auf sowas aufmerksam macht. ]

    3. Nessi Says:

      unser dialekt in allen ehren…..ich bin dafür, dass wir in pflegen. das muss nun aber wirklich nicht auf einer landkarte sein!
      ein karte sollte ja auch für auswärtige (oder eben gerade für diese) lesbar sein!
      ausserdem, für welchen dialekt würde man sich entscheiden?? müssten dann in allen kantonen die namen in dem entsprechenden dialekt stehen?? das wäre nun wirklich „too much“.
      ich stelle mir da die berndeutschen namen vor…. unmöglich zu lesen für fremde.

    4. Lukas Says:

      Solar, was sagst du zu diesem Stop?

      Dein blog vom 18. Dez. 06 wurde anscheinend verstanden:
      „Solange es nicht genügend Vokale gibt, um die Aussprache der jeweiligen Orts- und Flurnamen überhaupt einigermassen korrekt darzustellen, hat es trotz aktueller Dialektomanie schlicht keinen Sinn, die “angeblich korrekte örtliche Form” im Dialekt schriftlich fixieren zu wollen. Ganz abgesehen von der Entscheidung, welche der überlieferten, veralteten, differerierenden oder aktuellen Formen die offizielle sein soll. Lassens wir also wies ist.“

    5. DaniDo Says:

      Und – nicht zu vergessen – einer der grossen Vorteile des Dialekts ist, dass er so wunderbar flexibel ist. Diese wunderbare Flexibilität geht verloren, sobald man Namen etc. auf offiziellen Karten fixiert und lautmalerisch zu umschreiben versucht. Wir sind es uns schliesslich gewöhnt, dass Apfel mal epfu, öpfu, öpfel, ööpfel oder apfu heisst…

    6. solar Says:

      @Lukas

      Ich bin erleichtert!!! Begründung: Noch immer die gleiche wie oben zitiert. Plus volle Unterstützung für DaniDos Argumentation.

    7. Lukas Says:

      @solar schön das es dich noch gibt ….

      @DaniDo es scheint, dass du sogar untertreibst …. Hast du schon mal einen Flurnamen gesehen der nur „Apfel“ heisst? Die heissen doch zum Beispiel eher „Apfelmatte“ oder ähnlich. Wenn du nun die Flexibilität von Mate, Matä, Mäteli, Mätili, Matte, Mattä, Mättili usw. ins Spiel bringst, wird es sogar noch um einiges schwieriger …

    8. Jean-Louis Says:

      Vergessene Pronomen, wie „DEN“… wie….

      @Thomas Says:
      June 25th, 2007 at 10:28 am
      (… das ist doch Frühenglisch in ZH – „äs tomas säs…“)

      oder „nur mit einem s.“

      wie

      @mirach Says:
      June 25th, 2007 at 10:58 am

      Es ist doch immer dasselbe:
      Die TASTATUR IST SCHULD… [sagen Eingeweihte…Manchmal vertippt man sich….]

      Doch…

      @Nessi Says:
      June 25th, 2007 at 11:14 am

      unser dialekt in allen ehren…..

      Trotzdem sollten wir auf unsere Tastatur-Anschläge ACHTEN….
      [Wie auch PETER Achten auf seine Berichte aus dem Ausland „achtet“!!“!]

      Dann wird „alles wieder gut“!
      >> Tadellos ge-„TIPPTE“ Blogbeiträge… {es gibt noch „Korrekturwürdiges}

      Nach Studien altfranzösisches Schrifttums weiss ich zwar, wie „flüchtig“, wie „volatil“ die SchriftzeichenSetzung sein kann..

      Trotzdem sollten wir – heute – die „aktuelle Recht_Schreibung“ zu beachten versuchen….

      GottSeiDank haben wir noch „FREIRÄUME“, wie

      DaniDo Says:
      June 25th, 2007 at 2:33 pm

      einer der grossen Vorteile des Dialekts ist, dass er so wunderbar flexibel ist.

      DEMNACH KÖNNEN WIR AUF BLOGWIESE SCHREIBEN, WIE UNS „DER SCHNABEL GEWACHSEN IST“!

      [Da beginnt – eben – die TOLERANZ] >> Blosenberg statt Bloosebärg

      Grüsse an Alle
      von
      Jean-Louis
      aus
      SARKASTIKON (bei Zyniken, PLZ=9066)

      PS:
      (Hunzikon liegt in meiner Nachbarschaft….- PLZ 9067 – Da werden alle „ver-hunzt“….)

      „Ich bin mir nicht ganz sicher…“

      Es könnte sein, dass es sich hierbei auch um „HELVETISMEN“ handelt…
      [Das ist doch das Theme dieser BLOGWIESE]

    9. Ueli Says:

      ja, ich finde auch sehr gut, dass es gestoppt wird!

      Mundart in Lokalnamen sind völliger Unsinn und erschwert für uns das Leben:
      – Navigationssgeräte (wie tippt man es ein, damit es erkannt wird…)
      – Wegweiser (sonst müsste man ja alle umbauen, Wanderwegweiser nicht vergessen… )
      – Ansonsten hilft es vor allem die auswärtigen…

    10. Thomas Says:

      @Ueli

      Auch ich finde es sehr gut, dass es gestoppt wird!

      Ich frage mich nun, wer ist da aber überhaupt auf die Idee gekommen, die Lokalnamen zu ändern? Hat sich in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen niemand dagegen gewehrt und lässt man nun die Mundartnamen in diesen Kantonen einfach so bestehen?

    11. vierundachtzig Says:

      Sehr schön, ein Sieg der Vernunft!

    12. Roger unter sechszig Says:

      Sieht aus, als ob eine Minderheit bisher versucht hätte, gegen den Willen der Mehrheit mehr Mundart in den Flurnamen durchzuboxen und ist nun doch noch gebremst worden ist. Ein Sieg der Vernunft? Ja, aber auch peinlich gegenüber uns Steuerzahler, dass nicht schon früher die Bremse gezogen wurde!