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Was ist ein Hiat? — Linguistik und Volksmusik ergänzen sich nicht

  • Als die Mädchen aus der Schlucht ins Unterland kamen
  • Neulich entdeckten ich auf einem Plakat im Unterland die Ankündigung, dass demnächst die „bayrischen Hiatamadln“ in der Nähe auftreten werden.

    Hiatamadln
    (Quelle Foto: rema-cocerts.de)

    Der Name dieser Gruppe liess mir keine Ruhe. Wie kommt denn die Linguistik nach Bayern? Denn was ein „Hiat“ oder „Hiatus“ ist, dass hatte ich im Studium gelernt. Das „t“ im Wort „Hiata“ ist z. B. einer.

  • Was ist ein Hiat?
  • Hiat bzw. Hiatus (lat.: Vokalzusammenstoß) meint in der Linguistik den Fall, dass in zwei aufeinanderfolgenden Silben der letzte Laut der ersten Silbe und der erste Laut der zweiten ein Vokal oder Diphthong sind. Solche Vokalfolgen sind oft unerwünscht und werden deshalb durch Einschieben von Konsonanten oder Lautgruppen verhindert (Hiatvermeidung). Mit diesem Prinzip lassen sich Fälle wie -n- in „amerika-n-isch“, „-es-“ in „chin-es-isch“, „-les-“ in „kongo-les-isch“, „-t-“ in „Tokio-t-er“ etc. erklären.
    (Quelle: Wikipedia)

    Da ich nicht davon ausging, dass sich die bayrischen Mädel dieser Gruppe in einem Linguistischen Proseminar zum Thema „Vokalzusammenstoss“ kennenlernte, musste es mit dem Name eine andere Bewandtnis haben.

  • Ein Hiat ist eine Kluft
  • Unser Duden half weiter, denn es gibt noch andere Bedeutungen von „Hiat“:

    Hiat, der; -s, -e, Hiatus, der; -, – […tu:s; lat. hiatus, eigtl. = Kluft]:
    1. (Med.) Öffnung, Spalt im Muskel od. im Knochen.

    Kluften, Spalten und Öffnungen, die gibt es im Gebirge in grosser Anzahl. Sind es also die „Schluchtenmädchen“, die sich da als Hiatamadln anbieten? Laut Duden hinterlässt ein Hiat keine Ablagerungen und keine Funde:

    3. (Geol.) Zeitraum, in dem in einem bestimmten Gebiet im Unterschied zu einem benachbarten keine Ablagerung stattfindet.
    4. (Prähist.) Zeitraum ohne Funde (der auf eine Unterbrechung der Besiedlung eines bestimmten Gebietes schließen lässt).
    (Quelle: duden.de)

  • Die Mädels mit den dicken Waden
  • Doch wir waren weit entfernt von der Lösung des Rätsels. Schluchten und Klüften entfernt von der einfachen wie schlüssigen Erklärung, die uns Wikipedia liefern konnte:

    Hiatamadl = Ein Volkstanz
    Der Name leitet sich von dem bekannten Tanzlied ab: „Koa Hiatamadl mog i net, hot koane dickn Wadln net, …“ (Ich mag kein Hirtenmädchen, denn es hat keine dicken Waden, …)
    (Quelle: Wikipedia)

    Jetzt schweigen wir betroffen und sinnieren angestrengt darüber nach, warum der Dichter dieser bedeutenden Liedzeilen Mädel mit dicken Waden bevorzugt. Weil die nicht so rasch weglaufen können, wenn man sich ihnen nähert?

  • Blind für den Hiaten
  • Was lernen wir aus der Geschichte? Obwohl wir aus einer Gegend stammen, in der die „Wuast“ auf der „Buaach“ gegessen wird und die „Kiaache“ im „Doaf“ steht, erkannten wir nicht den Hirten im „Hiata„. So blind macht nur Sprachwissenschaft.

    

    13 Responses to “Was ist ein Hiat? — Linguistik und Volksmusik ergänzen sich nicht”

    1. Jean-Louis Says:

      Manchmal ist WIKIPEDIA (wenn auch oftmals als „Quelle“ zitiert!!) unbefriedigend mit ihren Wiki-Angaben…

      Ich zitiere aus blogwiese…. Was ist ein Hiat(us)?

      Mit diesem Prinzip lassen sich Fälle wie -n- in “amerika-n-isch”, “-es-” in “chin-es-isch”, “-les-” in “kongo-les-isch”, “-t-” in “Tokio-t-er” etc. erklären.
      (Quelle: Wikipedia)

      Ich bleibe bei Amerika und „-isch“… d.h. „amerika-isch“…
      Bei China und „china-isch“…Auch bei Kongo und „kongo-isch“… dann reise ich im Geiste nach Fernost, um festzustellen, dass Tokio schliesslich für mich doch „Tokio-isch“ ergibt….

      Wer kommt da schon auf so eine „Schnapsidee“ von „TOKIOTER“ zu sprechen…

      Liebe Freunde…
      Wiki ist nicht schlecht… Da kommt viel G’Scheites zamm… [zusammen]
      Doch nicht immer die Wahrheit… (die ich ja auch nur SELTEN kenne….)

      Irgendwie bleiben immer noch „Lücken“ (Hiat(us) – die (us)-Ergänzung war – da, weiter oben, meine persönliche Frech-Heit….

      Bleiben wir dabei:
      Es gibt Lücken…

      Deshalb wird wohl die Erklärung eines eingeschobenen -n- oder -es- oder -les- , geschweige denn des “-t-” in “Tokio-t-er” noch erforscht werden müssen…

      Ausser du bist fan von „TokyoHotel“… oder so ähnlich….
      [Bitte um Entschuldigung: Seit den Beatles in den 60-igern verfolge ich die Musikszene „nur am Rande“…. Habe Wichtigeres zu tun… So – kurz – vor dem Abgang….]

    2. Ostwestfale Says:

      >Jetzt schweigen wir betroffen und sinnieren angestrengt darüber nach,
      >warum der Dichter dieser bedeutenden Liedzeilen Mädel mit dicken >Waden bevorzugt. Weil die nicht so rasch weglaufen können, wem
      >man sich ihnen nähert?

      Hihi, Jens! 😉
      Ich schätze sie wurden damals (vor Jahrhunderten?) bevorzugt, weil die dick bewadeten Mädchen a) kräftiger und somit körperlich leistungsfähiger waren und b) weil die dicken Waden allgemein für ein höheres Körpergewicht standen, wodurch die Frauen in Hungerzeiten weniger anfällig für Krankheit und Tod waren.

    3. Merlin Says:

      Das kann man natürlich nur wissen wenn man Bayrisch kann ;-), übersetzt heisst das Hütemädchen.

      [Anmerkung Admin: Wie, doch nix mit „Hirten-Mädchen“? Mach mich nicht schwach… ]

    4. Ostwestfale Says:

      >übersetzt heisst das Hütemädchen.

      Was für Hüte? Auf dem Bild trägt doch nur eine der Damen einen Hut… 😉

      Hach , als Kind habe ich mit Inbrunst „Teekesselchen“ gespielt. Gibt`s das Spiel eigentlich auch in der Schweiz?

      Und was die Wikipedia-Übersetzung des Liedes angeht, ist die überhaupt richtig? Da im Originaltext “Koa Hiatamadl mog i net, hot koane dickn Wadln net, …” zwei doppelte Verneinungen stehen, müsste es doch sinngemäss eher „Ich mag das Hirtenmädchen, denn es hat dicke Waden“ heissen, oder?

    5. Ralf Says:

      Vielleicht ist das Plakatt nur eine Anspielung auf das schrullige Hiatamadl Lied http://de.wikipedia.org/wiki/Hiatamadl. Hubert von Goisern’s Version war zumindest in den 90’ern in Bayern und Oesterreich sehr beliebt und bekannt.

    6. Brun(o)egg Says:

      Hirtenmädchen find ich phonetisch logisch. Ob die Damen da auf dem Poster allerdings eine Geiss von einem Schaf oder einer Kuh unterscheiden können, ist zu bezweifeln.
      Und die „Wadeln“ gsiecht mer a net!

    7. Merlin Says:

      Nach meinem oberbayrischen Verständnis kommt es von hüten, das andere wäre IMHO „Hiartnmadl“. Aber im Bayrischen gibt es ja auch etliche unterschiedliche Dialektausprägungen, im Niederbayrischen könnte es eventuell von Hirte kommen

    8. Thomas Says:

      Also man stelle sich Gustl Bayrhammer vor. Dann wird das Hiatamädel zu Hüttenmädel. Aber ich kann nicht Deutsch, von dem her bin ich da auch nicht extremst sicher.

      Kein Beitrag über das Spiegel-Experiment?

      [Anmerkung Admin: Spiegel? Gemach gemach, die Woche ist ja noch lang… ]

    9. Denier Says:

      @ostwestfale
      Meine Grossmutter (Aargauerin) verwendete sehr oft doppelte Verneinungen. Aber eindeutig als Verstärkung der Verneinung und nicht als algebraische Operation – so quasi.

    10. AnFra Says:

      Hiatamadl: Ein Wort mit exotisch-erotischem Klang / Ton.

      Die Hiatemadl ist keine Hirtenmadl, sondern HÜTEmadl. Sind natürlich auch keine Hüttenmadl.
      Die Wortentwicklung müssen wir rückwirkend aus hiate (nhbay.), hiüaten (hbay.), hüeten (mhd.), huotan (ahd.) für bewachen, aufpassen, beschützen, beschirmen, zudecken, bewahren und beaufsichtigen ableiten. Madl entspricht einer jungen Magd. Die bajuwarisch-oberländer Spracheigenart in Bayern, Tirol u.a.w. verschiebt hierbei gerne das U/Ü zu IA/A.
      Die Hütemaid hütet also das Bauernhaus, das Küchenfeuer, die Kinder der Bauernfamilie und natürlich auch die Kleintiere, wie Ziege, Hühner und Enten. Hüten ist im Tagesablauf der Magd ein zeitlich befristeter Arbeitsvorgang gewesen, denn im Gegensatz hierzu hat der Hirte (pastor) seine Großtiere meist ganztätig gehütet, auch noch für deren Unterkunft mit Übernachtung, pflegen, melken sowie zusätzlich für die Verarbeitung der tierischen Erzeugnisse gesorgt. Ein schönes Zeugnis hiervon ist noch der Senner mit seinen glücklichen Kühen und der Käseverarbeitung auf der Alm.
      Als kleiner Nachtrag ist noch festzuhalten, das ein nacktes Frauenbein bis Anfang des 20. Jh. als sehr große Anmache verstanden wurde. Das nackte Bein ist ein starkes tertiäres Sexualobjekt gewesen!
      Deshalb haben auch heuer noch viele alpinen Tanzformen die Freimachung / Andeutung der nackten / halbnackten Frauenbeine im Repertoire. Drehen und anheben der weiten Glockenröcke beim tanzen, händisches hochschlagen / anlupfen der Röcke durch kniende Burschen u.a.m.
      Denn: “Koa Hiatamadl mog i net, hot koane dickn Wadln net, …” (Ich mag kein Hirtenmädchen, denn es hat keine dicken Waden, …)
      (Verbesserter Liedtext etymologisch angepasst: Ich mag kein Hütemadl, hat sie keine dicken Wadln,…).

      Merke:

      Was dem Bauer es begehrt,
      es ihm manchmal auch beschert,
      sind die drallen Wadln,
      welche sind an feschen Hiatemadln.

    11. Chimaera Says:

      @ Anfra

      Mit meinen nativen Schwäbisch Kenntnissen war das auch meine erste Schlussfolgerung/Interpretation

    12. Schnägge Says:

      Apropos merkwürdiges Bairisch: Hier
      http://www.antenne.de/antenne/onair/aktionen/songverhoerer.php
      gibt es die witzigsten Songverhörer gesammelt von Antenne Bayern. Chris Norman singt „Oma fiel ins Klo“, Jürgen Drews „Ein Päkchen Cornflakes“… Ich liege grad unter dem Schreibtisch vor lachen. 🙂

    13. Ben Says:

      Sagma Jens – das mit dem „Hütemädchen“ sollte sich nach 2 x „Bulle von Tölz“ oder „Kottan ermittelt“ doch automatisch erledigt/erleuchtet haben. Oder haben Hochdeutsche wirklich dermassen Probleme mit diesen Dialekten?

      [Antwort Admin: Schwöre Dir, dass ich weder die eine noch die andere Sendung je gesehen habe. Ist das im „Vorabendprogramm“? Bei HIAT dachte ich tatsächlich zuerst an den Hiatus, mit „Schlucht(en)mädels“ wäre diese Erklärung ja auch möglich und passend gewesen.]