Nächstes Jahr fahren wir nach Extremis — Da hat Federer gesiegt
Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 15.11.06 über den Schweizer Tennisstar Roger Federer:
„Federer siegt am Masters in extremis“.
Wow! Wir wussten ja schon, dass der gewöhnliche Tages-Anzeiger Leser es „sich“ gewohnt ist, französische Wörter ohne Probleme zu verstehen. Da wird schon mal bei den Flugbewegungen am Zürcher Flughafen „plafoniert“ was das Zeug hält, und mit Relegationsspielen hält man sich in der „Barrage“ gerade so lange auf, bis man einen „Exploit“ erlebt oder gleich „forfait“ gibt. Aber Latein? Auch das ein fester Bestandteil im Alltag der „Confoerderatio Helvetica“?
Schauen wir mal im Lehrplan für Gymnasien im Kanton Baselland nach:
Der Lateinunterricht gibt Einblick in die römische Kultur und ihre Funktion, die griechische und die christliche Antike an die europäische Kultur weiterzugeben. (..) Durch die Auseinandersetzung mit zeitlich weit entferntem und ungewohntem Denken und Handeln soll der Lateinunterricht bei den Schülern und Schülerinnen den Sinn für Fragen wecken, welche in der Antike ursprünglich gestellt wurden und die bis heute nachwirken.
(Quelle: baselland.ch)
Eine solche Frage lautet also : Wo hat Roger Federer gesiegt ? In extremis! „Weit entferntes und ungewohntes Denken und Handeln“? Das passt doch wie die Faust aufs Auge auf Federer!
Auf Latein wird in der halb-romanischen Schweiz wesentlich leichter argumentiert als in Deutschland, welches ja auch nicht schlecht fremdwortverliebt ist. Magere 35‘000 Fundstellen für „in extremis“ bei Google-DE im Vergleich zu mehr als 58.000 Funde bei Google.CH. Wobei damit in Deutschland in der Regel irgend ein Extrem-Sportarten- Ausrüsterladen bezeichnet und weniger „im letzten Moment“ gemeint ist.
Wenn wir uns die Stellen im Tages-Anzeiger genauer anschauen, stellen wir fest, dass es dabei fast immer um Sport geht, wenn etwas „in extremis“ geschieht.
(Quelle: Tages-Anzeiger)
Ein weiteres Fussballbeispiel:
Liverpool kassierte damit in extremis den ersten Gegentreffer in diesem Wettbewerb seit letzten September.
(Quelle: Tages-Anzeiger)
In Deutschland galten gute Lateinkenntnisse lange Zeit als Voraussetzung für ein Medizinstudium, heute wird das Latinum immer noch bei vielen Geisteswissenschaften verlangt. In der Schweiz ist es ein erster Baustein für die Karriere als Sportreporter. Da müssen sie aufpassen, das sie nicht schnell mit ihrem Latein am Ende sind.
In der Schweiz gehört ein gewisses Grundwissen in Latein also zum Alltag. Es wird meines Wissens in der Kantonsschule häufig noch vor Englisch gelernt. Lateinisch sind auch die Bezeichnungen von zahlreichen Organisationen, wie pro infirmis mit dem coolen Motto: „Wir lassen uns nicht behindern“, oder „Pro Senectute„, einer Schweizer Stiftung, welche im Dienste älterer Menschen steht.
Was ist es denn? Na, hätten Sie doch lieber auch mal Latein gelernt! „Pro Juventute“ ist ebenfalls eine Stiftung, diesmal aber „für die Jugend“.
November 23rd, 2006 at 8:19
Der lateinische Ausdruck „in extremis“ ist auch im französischen Sprachraum sehr bekannt. Vermutlich hat er sich so seinen Weg ins helvetische Deutsch gesucht (Google.FR : 1’480’000 Funde).
November 23rd, 2006 at 8:55
„In extremis“ meint im allerletzten Moment, wenn ich mich nicht täusche.
November 23rd, 2006 at 10:25
Zu dem Thema fällt mir http://www.inextremo.de ein :-0
November 23rd, 2006 at 13:04
Na ja, es sind nicht ja nicht nur die Sportreporter und Federer in Shanghai im Hotel Extremis. Ehebrecher werden eigenartigerweise immer in Flagranti erwischt. Liegt ca. 10km südlich Rimini. Weiss der Teufel warum immer dort.
@videoman: genau.
Die Einflüsse lateinischer (franz./it.) Sprachen ist in der Deutsch-Schweiz, vor allem Basel und Bern, schon viel grösser als in Deutschland und im täglichen Sprachgebrauch üblicher. Was für Touris den Vorteil hat, dass sie fast immer eine Antwort bekommen wenn sie sich nach dem Weg nach StÄnton (St.Anton) erkundigen. Ausser Kisuaheli, Russisch und Mandarin. Das macht uns noch Mühe.
November 23rd, 2006 at 19:32
In extremis. Quasi (L) – oder „quasiment“ en français – an der Schwelle des Todes…
November 26th, 2006 at 1:22
Ich wusste nicht, dass es in Extremis eine Tennismeisterschaft gibt. Aber es gibt noch andere solche Orte: in Flagranti soll es eine tüchtige Polizei haben und in Contumatiam ebensolche Richter …
November 27th, 2006 at 19:48
ueber barrage lachen, aber die selbe sache relegation nennen ist uebrigens nicht gerade klug…
http://de.wikipedia.org/wiki/barrage
[Anmerkung Admin: Ich möchte ernsthaft wissen, wo Du hier ein Lachen gelesen hast. Ich habe sowohl das Wort „barrage“ als auch „Relegation“ bereits hier ausführlich erklärt. Da gibt es doch nichts zu lachen. Nur zu wundern, nämlich dass viele diese Wörter gebrauchen, ohne nur im Leisesten zu ahnen, was sie da eigentlich sagen bzw. woher das kommt. ]
Dezember 31st, 2006 at 9:49
Es gibt übrigens noch mehr Organisationen, die lateinische Namen tragen.
Vorteil des Lateins (wie es auch bei Englisch wäre): Man kann ohne Übersetzungsschwierigkeiten in allen Landessprachen vom gleichen sprechen. Bei anderen Organisationen muss man den Namen auf französisch und italienisch kennen und allenfalls die entsprechende Abkürzung.
Nachteil: man muss auf der Internetseite einen Klick mehr machen, um die Sprache zu wählen.
Einige Beispiele:
pro patria
http://www.propatria.ch/
Pro natura
http://www.propatria.ch/
pro specie rara
http://www.prospecierara.ch/
pro helvetia
http://www.pro-helvetia.ch/
pro litteris
http://www.prolitteris.ch/default1.asp
pro mente sana
http://www.promentesana.ch