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Weise mir, Herr, Deinen Weg — Die Wegweisung nach klareren Regeln

Weise mir, Herr, deinen Weg dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.
Psalm 86,11

  • Kirchen in der Schweiz
  • Die Schweiz ist kein rein reformiertes Land, wie wir erst kürzlich erfuhren, sondern es gibt auch sehr katholische Teile, wie den Kanton Luzern. Hinzu kommt die grosse Anzahl von 600 Freikirchen mit 150.000 Mitgliedern, die sich selbst als „Dritte Kraft“ zwischen den zwei grossen Kirchen verstehen (vgl. Freikirchen.ch)

  • 6 bis 10 Prozent Freikirchler mancherorts
  • Diese Freikirchen sind in bestimmten Gegenden stärker vertreten als anderswo, so z. B. in und um Winterthur:

    Knapp 3000 Personen in Winterthur gaben bei der letzten Volkszählung an, zu einer Freikirche zu gehören. Das sind 3.3 Prozent, was deutlich über dem Landesdurchschnitt von 2.2 Prozent liegt. In umliegenden Gemeinden wie Schlatt, Henggart, Truttkon oder Hüntwangen liege der Anteil der Freikirchler sogar zwischen 6 und 10 Prozent,(…).
    Damit sei diese Gegend eine „Hochburg der Evangelikalen“ – vergleichbar nur mit Teilen des Kantons Bern. (…)
    (Quelle: Artikel des Tages-Anzeigers, zitiert auf jesus.ch)

  • Wer weisst uns da den Weg?
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 19.07.06:

    Überarbeitetes Polizeigesetz mit klareren Regeln für Wegweisung
    (…) Umstritten war an dem Artikel vor allem die Wegweisung von Personen, die «die durch ihr Verhalten beim Publikum, namentlich bei Passanten, Anwohnern oder Geschäftsinhabern, begründet Anstoss oder Furcht » bewirkten.

    Diesen Personen weisst die Polizei nicht „den Weg“, sondern schickt sie „weg“. Gelesen sieht das fast gleich aus, wäre da nicht die Grossundkleinschreibung. „Platzverbot aussprechen“ heisst das in Deutschland. Und das wird nicht für zu prall aufgepumpte Luftballons ausgesprochen, sondern immer dann, wenn jemand „fehl am Platz“ ist:

    Nur gelegentlich müssen die Bibliothekarinnen Streit schlichten oder ein Platzverbot aussprechen. Einmal mussten sie die Polizei rufen, als eine Gruppe Mädchen randalierte.
    (Quelle: taz.de)

    Nur grade 262 Belege bei Google-CH im Vergleich zu 12.000 Bei Google-DE machen deutlich, dass „Platzverbot“ eine deutsche Angelegenheit ist.

  • Lichtstrahl, Regal, Speiche oder Wabe? Rayonverbot in der Schweiz
  • Zum Platzverbot sagen die Schweizer Behörden „Rayonverbot“, was uns am Anfang etwas verwirrte, denn das französische Wörtchen „rayon“ kann auch „Lichtstrahl“ heissen, oder „Regal“. Ist damit der Sonnenschein verboten? Oder das Warenregal im Supermarkt? Gemeint ist beim „Rayonverbot“ jedoch der „Umkreis“, der Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet. Es muss nicht unbedingt immer ein Platz sein, wie in Deutschland. Google-CH findet 597 Stellen.
    Damit ganz klar ist, um was es beim Schweizer Rayonverbot geht, gibt es dazu auch ein Merkblatt:

    Merkblatt: Rayonverbot
    Vermehrt haben wir festgestellt, dass unter dem Begriff „Rayonverbot“ ganz Unterschiedliches verstanden wird. Das Rayonverbot bzw. die Ausgrenzung von Personen, die keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen, ist in Artikel 13e des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) verankert. Der Gesetzestext lautet:
    „1 Die zuständige kantonale Behörde kann einem Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt und der die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, insbesondere zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels, die Auflage machen, ein ihm zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten.
    (…)
    (Quelle: Merkblatt Rayonverbot)

    Ganz im „Bannstrahl“ des Gesetzes also. Es geht nicht nur ums „Wegweisen“, sondern auch ums Bleiben in einem Gebiet. Dessen Grenzen werden mit Laserstrahlen, den „rayons laser“ kenntlich gemacht, vermuten wir mal.

  • Bleib nicht am Rand stehen
  • Die Schweizer Behördensprache kennt noch einen weiteren Begriff, den wir erst lernen musste. Es geht um Menschen, die in der Schweiz immer am Rand stehen. Am Rand des Schwimmbeckens, am Rand der Street Parade, am Rand des Bahnhofsplatzes. Es sind hier keine Penner, Obdachlose oder Stadtstreicher wie in Deutschland, sondern „Randständige“. Für sie gibt es in er Stadt Zürich eine spezielle Einrichtung:

    Treffpunkt city für Randständige
    Der Treffpunkt city bietet sozial randständigen Menschen mit sehr niedrigem Einkommen und einem meist schlechten gesundheitlichen und psychischen Zustand Aufenthaltsmöglichkeit, günstige Verpflegung und stundeweise Beschäftigung an. Im Rahmen der Einzelfallhilfe erhalten die Besucherinnen und Besucher Beratung, Unterstützung und Vermittlung. Mindestens einmal pro Monat finden gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen statt, bei deren Organisation die Besucherinnen und Besucher miteinbezogen werden.
    Der Treffpunkt city ist täglich von 10.15 bis 17.30 Uhr geöffnet.
    (Quelle: Treffpunkt für Randständige)

    Wir finden es besonders bemerkenswert, dass Randständige sich über dieses Angebot der Stadt Zürich im Internet schlau machen können, den Online-Zugang auf der Parkbank mal locker vorausgesetzt. Vielleicht zählt ja beim Angebot der „stundenweisen Beschäftigung“ auch ein Computerkurs dazu?

    

    10 Responses to “Weise mir, Herr, Deinen Weg — Die Wegweisung nach klareren Regeln”

    1. MSF Says:

      Kurze Anmerkung zur Reformation: Fast in jedem Schweizer Kaff, noch so klein, gibt es sowohl eine reformierte, als auch eine katholische Kirche. Meistens gab oder gibt es deswegen auch zwei Turnvereine, zwei Musikvereine, usw.

    2. Phipu Says:

      Wer Militärdienst geleistet hat, kennt einen der vielen, aber hier verlangten, Sinne des französischen Wortes „Rayon“: nämlich der geometrische „Radius“. An gewissen Abenden dürfen die Soldaten „in den Ausgang“. ( http://www.blogwiese.ch/archives/38 ).Sie dürfen aber nicht irgendwo hin gehen, um ihre Freizeit-Biere zu trinken; sondern es ist ihnen nur erlaubt, sich innerhalb des „Ausgangsrayons“ zu bewegen; also auf der Landkarte in einem Radius, der einen Kreis (oder eine geographisch angepasste Form) um die Kaserne herum bildet. http://www.google.ch/search?hl=de&q=ausgangsrayon&meta=

      Das mit dem Regal im Warenhaus (die Abteilung) trifft tatsächlich auch zu: (weniger im Sinn von „…-verbot“) Die Lautsprecherdurchsage Einkaufszentrum kann lauten: „Liebi Chundine und Chunde, chömed Sie im RAYON Parfümerie vo eusne tolle Superaagebot cho profitiere …“

    3. Geissenpeter Says:

      Die Schweiz ist nur nicht nur kein rein reformiertes Land, sondern zu ziemlich genau 50 Prozent reformiert und katholisch – wie ein anderes Land in Europa: Deutschland.

    4. kaba Says:

      @MSF das stimmt so nicht. es gibt kantone, wo tatsächlich jedes kaff sowohl eine reformierte als auch eine katholische kirche hat.
      andernorts, z.b. in der innerschweiz oder im wallis, ist eine klare mehrheit katholisch und reformierte kirchen sind eine seltenheit.
      zum thema katholisch vs. reformiert hier noch eine kleine erinnerung: die gründung des bundesstaates folgte 1848 in der schweiz auf einen bürgerkrieg zwischen den katholisch-konservativen und den reformierten-liberalen. siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sonderbundskrieg.

    5. Branitar Says:

      Es gibt im Russischen auch ein Wort das wie Rayon klingt und ebenfalls sowas wie Umkreis oder Gebiet bedeutet, wennich mich nicht irre. Da hatte wohl vor 300 Jahren die Mode der Adligen, Französisch zu sprechen, ihren Einfluss auch auf die russische Sprache.

    6. Frank Says:

      Ich nehme mal stark an, daß „stundenweise Beschäftigung“ auch in der Schweiz falsches Deutsch ist.

    7. Michael Says:

      @MSF&kaba: ich habe noch nie ein Dorf mit nur einer der beiden Kirchen gesehen. Aber man sieht sehr leicht ob es sich um eine reformierte oder katholische Gegend handelt: die grössere Kirche repräsentiert die jeweils „herrschende“ Religion. Zumindest in der (kahtolischen)Zentralschweiz ist die (reformierte) Kirche nicht immer leicht zu finden weil sie meistens eher eine Kapelle ist und nie beim Dorfplatz steht. In Lausanne und Bern hingegen ist jeweils die (reformierte) Kathedrale und das (reformierte) Münster kaum zu übersehen.

      Im Kanton Luzern sind die doppelten Institutionen (zwei Turnvereine etc.) politisch (CVP und die Liberalen), nicht religiös zu begründen. Sogar entsprechende Banken gab es bis 1996, die dann fusionierten.

    8. viking Says:

      @Michael Komm mal ins Zürcher Unterland und such in den Dörfern die katholischen Kirchen (z.B. Dielsdorf und Bülach). In den (zumeist) kleineren Dörfern findest du sehr oft (wenn überhaupt) nur eine reformierte Kirche.

    9. Giorgio Girardet Says:

      Die Schweiz ist der einzige Staat in Europa, der seit Jahrhunderten katholische, reformierte und gemischte Territorien vereinigt. Alle Glaubensgemeinschaften zusammen begehen den eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, der neben Weihnachten und Ostern in allen Landesteilen als hoher Feiertag gilt. Die Geschichte des schweizerischen Bettages findet sich unter:

      http://www.uerte.ch/bettagsmandat.htm

    10. coatilex Says:

      Es kommt zwar sehr spät, aber der mangelende Googleerfolg für „Platzverbot“ mag auch daran liegen, dass es eigentlich Platzverweis heißt.. siehe Wikipedia:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Platzverweis