Deutsch am Rande der tunesischen Wüste
Die Geschichte mit den Deutschen in Strasbourg erinnerte mich an einen Aufenthalt auf der Ferieninsel Djerba, im Süden von Tunesien, welches zu den Maghrebstaaten in Nordafrika gehört. Dort kam in einem Strassencafe der tunesische Kellner und fragte mich sofort auf Deutsch nach meinen Wünschen. Hatte ich denn das grosse „D“ auf die Stirn tätowiert, oder einen Schwarz-Rot-Goldenen Schminkstift benutzt? Nicht einmal ein Versuch wurde auf Französisch gestartet, obwohl Djerba auch eine bei den Franzosen beliebte Insel ist. Als Deutscher zu Gast im Norden von Afrika löste das bei mir gemischte Gefühle aus. Ist es wirklich nur eine Minderheit von Deutschen, die im Ausland ihr Schulfranzösisch zu sprechen wagt? Wer mit einem Billigflieger für 349 Euro nach Djerba fliegt, gehört wahrscheinlich nicht dazu und erwartet für sein Geld, dass er sich nirgends auf die Anstrengung gefasst machen muss, eine Fremdsprache zu sprechen.
Generalfeldmarschall Erwin Rommel, von den Engländern „desert fox“ genannt wurde, Vater des späteren Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel, zog hier im Februar 1941 durch Tunesien auf dem Weg nach Ägypten:
Die britische Großoffensive Crusader am 19. November 1941 zwang Rommel zum ersten Mal zum Rückzug. Daraufhin verkürzte er die Nachschublinien, führte Verstärkung herbei und bluffte die Engländer. Er ließ Panzerattrappen auf Volkswagen montieren, die ständig im Kreis fuhren. Die dabei aufgewirbelten Staubwolken sollten das Herannahen eines großen Panzerverbandes anzeigen, woraufhin die Briten ihren Kampf abbrachen und sich zurückzogen. Dadurch stand er im Januar 1942 wieder in dem Gebiet, von dem aus sein Afrikafeldzug Anfang 1941 begonnen hatte.
(Quelle: Wikipedia Rommels Afrikafeldzug)
Im „ordentlich Staub aufwirbeln“ waren Deutsche also auch schon früher ganz gut.
Deutsche, die in Tunesien, Marokko oder Ägypten tatsächlich mal mit älteren Einheimischen ins Gespräch kommen, können heute noch merkwürdige „Zeugnisse der Hochachtung“ vor den Deutschen zu hören bekommen. Es ist eine Mischung aus Bewunderung für die Erfinder von Mercedes Benz, den Bekämpfern der Ex-Kolonialherren aus England, Frankreich und Italien, sowie den Organisatoren der Judenvernichtung. Für die Araber sind wir ein tolles Volk. Was die selbsternannten „germanischen Herrenmenschen“ nach einem Sieg in Europa mit den Völkern des Maghrebs und des Vorderen Orients angestellt hätten, wurde offensichtlich im Geschichtsunterricht dort nicht genauer erklärt.
August 8th, 2006 at 4:53
Die Sache mit dem „Judenvernichter/tollen Volk“ in Tunesien kann ich bestätigen. Diese Aussage war als Kompliment gedacht! Da ich mich als Schweizer und auf französisch nicht auf eine mir peinliche Diskussion einlassen wollte, blieb mit nur ein süss-saures Lächeln. In dieser Richtung den Vogel abgeschossen haben allerdings Kinder in Polen, die mich mit „Heil Hitler“ begrüssten.
August 8th, 2006 at 5:44
Jens,
hast Du irgend welche Belege für Deinen letzten Satz? Ich meine nicht die angeblich fehlende Erklärung. Der Satz passt nicht zu der ausgezeichneten Qualität Deines Blogs.
August 8th, 2006 at 8:03
Das mit Djerba würde ich nicht allzu ernst nehmen. Ich wurde in Tunesien schon vor 30 Jahren im Souk auf Schweizerdeutsch angesprochen, auch im Hotel kam man mit „chönnt ich no es Löffeli ha“ bestens durch.
August 8th, 2006 at 9:00
Die Erfahrung, ungefragt auf deutsch angesprochen zu werden, kann man auch im eigenen Land haben (kostet unter Umständen sogar weniger als EUR 349,-):
Ein welscher (also französisch sprechender) Freund hat mir schon mal geklagt, dass er es im Tessin immer besonders hasse, wenn er – da er nicht typisch italienisch aussieht – gleich in jeder kommerziellen Beziehung ungefragt auf deutsch angesprochen werde. Er könne nämlich genau gleich schlecht deutsch wie italienisch (typisch schweizerisch-bescheidene Untertreibung). Er wolle schliesslich im Tessin sein italienisch etwas trainieren. Abgesehen davon würden nämlich viele Tessiner auch sehr gut französisch sprechen.
Dieses Ungefragt-auf-deutsch-schalten haben die Deutschschweizer (und allenfalls einige deutsche Gäste) zu verantworten. Viele dieser Svizzeri tedeschi nehmen sich nicht einmal die Mühe, im anderen Sprachraum nach der eigenen Sprache zu fragen (Thema des gestrigen Eintrags). Der Fragesatz „Sprechen Sie deutsch?“ wäre auf italienisch sogar noch kürzer und gar nicht so schwer, auswendig zu lernen: „Parla tedesco?“
August 8th, 2006 at 11:30
Wer heute einsprachig ist, ist – sozusagen – weg vom Fenster.
Nach dem Motto „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“…
August 8th, 2006 at 12:40
‚Die Sache mit dem “Judenvernichter/tollen Volk” in Tunesien kann ich bestätigen‘ – auch hier gilt, was immer und überall gilt: verallgemeinern kann man nicht. Natürlich denken nicht alle Tunesier oder Araber so. Trotzdem ist es leider richtig, dass diese Meinung dort von gewissen Leuten offen geäussert wird. Das kann dadurch erklärt werden (nicht entschuldigt!), dass die Ereignisse im Nahen Osten von den Arabern als jahrzehntelange Demütigung (durch die Juden und den „Westen“) gesehen werden.
August 8th, 2006 at 13:09
Also ich bin ja dafür, daß sich die Welt darauf einigt Deutsch zu sprechen. 😉
August 8th, 2006 at 14:59
@Holger Ehrlich: Es würde doch schon reichen, wenn wenigstens die Schweizer Deutsch sprächen 😉
August 8th, 2006 at 16:26
Zum Thema „zweifelhafte Beliebtheit“: Hat nicht Heinrich Böll auch einmal aus Irland über solche Erlebnisse berichtet? Ich glaube, im Pub wurde ihm als Deutscher gratuliert, weil die Deutschen die Engländer bekämpft haben („Irisches Tagebuch“?).
August 8th, 2006 at 16:53
Das kann ich nur bestätigen! Wenn die Deutschen sich schon in der Schweiz nicht wohl gefühlt haben während der WM, sollten sie mal die Engländer hier in Irland fragen!!! Und dasselbe gilt in Schottland!! Alles, hauptsache keine Engländer!!
August 8th, 2006 at 20:08
>>Für die Araber sind wir ein tolles Volk.