Beim Zeus, du sollst nicht zeuseln! — Kokeln in der Schweiz
Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 8.7.06 auf Seite 15:
Kinder zeuselten
Bäretswil. – Der Grossbrand im Heilpädagogischen Institut St. Michael ist geklärt. Die Ermittlungen der Kantonspolizei Zürich ergaben, dass zwei zeuselnde Kleinkinder Heu in der Scheune angezündet hatten. (…)
(Quelle Tages-Anzeiger vom 8.7.06, S. 15)
Und wieder ein wunderbares Wort der Schweizerdeutschen Sprache gelernt: Zündelt man in der Schweiz mit Zeug, dann ist das „zeuseln“.
Die Nord- und Mitteldeutschen hingegen stehen mehr auf „Koks“, der schlecht brennt, und wenn es ums Spielen mit dem Feuer geht, dann wird dort nicht gezeuselt, auch nicht „gekokst“, sondern „gekokelt“:
Unser Variantenwörterbuch kennt sie alle beide:
zeuseln CH sw.V./hat (Grenzfall des Standards):
zündeln A CH D (ohne ost), kokeln D-nord/mittel „unvorsichtig mit Feuer spielen“: Mutter Brigitte sass in der Küche, im Wohnzimmer zeuselten Adrian und Dario. Im Handumdrehen stand das alte Haus in Flammen (Blick 25.7.1997,9)
Wir hoffen stark, dass es bei diesen beiden Varianten beschränkt bleibt und nicht plötzlich 20 weitere Verbformen für „unvorsichtig mit dem Feuer herumspielen“ auftauchen.
Grimm meint dazu:
ZEUSELN, verb., gelegentlich auftretende (H. FEDERER berge u. menschen 463) verhochdeutschte lautform des Bd. 31, Sp. 874 schweiz. züseln (STALDER schweiz. idiot. 2, 470; -ö- TOBLER appenz. 461a), welches seinerseits aus zünseln (th. 16, 623) entstanden ist. –
(Quelle: Grimms Wörterbuch)
Es steht also auch im Idiotikon, das wir leider bisher immer noch nicht finanzieren und nach Hause schleppen konnten, und ist eine „verhochdeutschte Lautform“ von „züseln“, oder „zünseln“. Ah, jetzt, ja! Und es kommt aus Appenzell, soviel ist klar.
Bei Google-CH fanden wir 162 Belege.
Zeuseln ist brandgefährlich
Langnau: Feuerwehr schult Kindergärtler auf Brandschutz
(Quelle: Zürichsee Zeitung)
oder
Zamt & Zunder zeuseln
Mit dem Stück «Cowboy, Cowboy» zeigt das Theater Zamt & Zunder ein Stück über Gewalt. Lehrpersonen wird ausführliches, theaterpädagogisches Begleitmaterial überreicht.
(Quelle: Zuonline.ch)
Auch die Schreibung mit „ä“ kommt häufig vor.
Beispiel:
Jetzt zäuseln sie wieder:
nehmt ihnen die Streichhölzer weg
Oder soll das Schweizerhaus in
Flammen aufgehen?
(Quelle: freie-meinung.ch)
Ist das nicht poetisch? Der Duden hat übrigens keine Ahnung von dem Wort, aber immerhin wird es im Deutsch (Schweiz) Thesaurus von Microsoft Word 2003 erwähnt! Ja genau, das berühmte Synonymwörterbuch aus Richmond, was in früheren Versionen zu „Puff“ das Synonym „Frauenhaus“, zu „Unternehmer“ einfach „Ausbeuter“ lieferte, und bei der Eingabe des Wortes „Realitätsverlust“ gnadenlos abstürzte. Ist aber lange nicht mehr so, da hilft kein Ausprobieren. Word ist trittsicher in Sachen Schweizerdeutsch geworden.
August 10th, 2006 at 1:07
In Berndeutsch heisst „Zeuseln“ übrigens „Bubälä“
(mit dem Feuer spielen!)
Was ähnlich dem Französischen Wort „Poubelle“
hat aber nichts mit einem Mülleimer gemeinsam.
August 10th, 2006 at 10:14
Ich kenne auch noch weitere ganz tolle Worte aus dieser Kategorie (alles Baseldeutsch):
Jetz due nid dorke! Hör uff mit dorke! Dorke, das ist zum Beispiel mit dem warmen Wachs der Kerze spielen. Oder auf Orangenschalen herumdrücken, so dass Deiner Tischnachbarin Orangenschalentropfen im Dekoletee landen. Oder mit den Fingern auf dem Adventskranz herumdrücken.
Zeuseln ist auf Baseldeutsch zündsgerle. Dieses Wort findet sich auch in der Mundartdichtung von Johann Peter Hebel! Er hat einen windigen Burschen namens Zündelheini erdichtet.
Gfätterle ist ungeschickt etwas reparieren. Wenn jemand mit zwei linken Händen sein Brillengestell flickt, dann flickt er es eben nicht, sondern er gfätterlet.
LG, Basil
August 10th, 2006 at 11:55
Es ist einfach immer wieder interessant auf dieser Seite. Habe Kollegen in Zürich mit denen ich täglich kommuniziere und freue mich immer wieder über die Erweiterung meines Wortschatzes. So habe ich gestern erfahren, dass mit Traktaten schlicht Tagesordnungspunkte gemeint sind. Eine Beschreibung ist ein Beschrieb. Mein absolutes Lieblingswort: das Bürogspähnli! Und wenn das dann auch noch kommunikativ und speditiv ist, dann ist alles in Ordnung 🙂
August 10th, 2006 at 13:00
@zwergerl:
Das mit den Traktaten ist hoffentlich einfach falsch geschrieben, sonst müsse ich an den Kollegen zweifeln. Es geht hier um Traktanden, Mehrzahl von Traktandum.
August 10th, 2006 at 13:34
@züpf:
danke für den hinweis – hast recht, war falsch geschrieben.
August 10th, 2006 at 13:58
Hmmmmm… kokeln…. *geht seine Streichhölzer suchen…*
August 10th, 2006 at 15:12
bei uns im bergischen land
heisst so was
„fiesten“.
August 11th, 2006 at 15:21
Bei uns im Schwäbischen sagt man „zündeln“
August 11th, 2006 at 18:39
Hier noch etwas Poesie zum Thema (durch die Foto mit Feuer auf dem Rasen inspiriert):
http://www.raffiniert.ch/smatter.html#hanes
an Zwergerl:
Dich dürfte diesen Artikel in der Blogwiese interessieren:
http://www.blogwiese.ch/index.php?s=traktanden
August 11th, 2006 at 18:42
nochmals an Zwergerl:
… und diesen auch:
http://www.blogwiese.ch/archives/7
August 31st, 2006 at 23:25
Zündhölzer = „Zeus(h)ündli“
🙂
Februar 22nd, 2007 at 11:05
ist eine ethimologische Verwandschaft mit d. griechisch. Gott Zeus der jeweils Feuer speit ?