Vier mal Zwanzig plus Zehn? Die spinnen, die Gallier!
Heute ist der Französische Nationalfeiertagen, das Gedenken an den „Sturm auf die Bastille“ am 14.07.1789. Gute Gelegenheit, sich etwas mit diesem Nachbarn zu beschäftigen:
Auch in Frankreich ist es üblich, Telefonnummern immer in Zweierblöcken zu lesen. Der Einfachheit halber werden die mit Punkten voneinander getrennt, so wie die vier Oktetts einer IPv4 Adresse, zum Beispiel 10.11.12.13. Jedes Oktett besteht aus 8 Bits, also einem Byte. Darum heisst das englische Wort „Byte“ auf Französisch auch „octet“. Ein Gigabyte ist demnach ein „gigaoctet“. Wobei der gemeine Franzmann hier sicher eher an „gigot d’agneau“ denken muss, die leckere Lammkeule.
Einmal mehr zeigt sich, dass die Franzosen nicht jeden Begriff der Informatik übernehmen, der aus dem Angelsächsischen zu ihnen herübergeschwappt kommt. Der Computer ist ein ordentlicher „ordinateur“ und die E-Mail ist eine „courrier électronique„. Am liebsten mag ich den Begriff für die Windows-Start-Taste, welche bei der französischen Version kunstvoll zum „bouton de démarrage“ wurde, also wenn Sie so wollen zum „Anlasserknopf“.
Die Franzosen lieben es bekanntlich kompliziert, die Schweizer eher weniger. Und so kommt es, dass sich in der Westschweiz die komplizierte Art der Gallier, die Zahl „Neunundneunzig“ zu umschreiben, nicht durchsetzen konnte. Quatre-vingts-dix-neuf heisst wörtlich „Vier-Zwanzig-Zehn-Neun“, also vier mal zwanzig plus zehn plus neun, macht neunundneunzig. Die haben eine besondere Vorliebe für Mathematik, die Franzosen. Denn dort muss man diese Zahlen nicht nur lesen können, sondern auch damit rechnen!
Nicht so bei den West-Schweizern. Die sagen schlicht „nonante“ für Neunzig und „nonante-neuf“ für Neunundneunzig. Statt „soixante-dix“ für Siebzig sagen sie „septante“. Übrigens etwas, was sie mit den Belgiern gemeinsam haben. Im Wallis und im Kanton Vaud, dem „Waadt“ oder „Waadtland“ gibt es schliesslich noch „huitante“ für Achtzig (statt quatre-vingts), was sich aber in Genf, Jura oder Neuchâtel nicht durchgesetzt hat. Wenn Sie also gut Französisch sprechen und in der Westschweiz viele Freunde am Telefon finden wollen, bleiben Sie einfach bei den französischen Originalzahlen. Minutenlanges Rechnen und „Ils sont fous ces Gaulois“ Gemurmel am anderen Ende der Leitung erklärt sich Ihnen dann hoffentlich von selbst.
Ils sont fous ces Gaulois — die spinnen, die Gallier
(Bild ehapa-comic-collection.de)
Juli 14th, 2006 at 8:45
Gibt es eigentlich noch andere Sprachen, in denen man so kompliziert zählt, wie in der deutschen Sprache? Ich meine zB ein und zwanzig, sieben und achtzig, usw.
Juli 14th, 2006 at 8:54
Kleine Korrektur: die Gallier = „les gAUlois“. Starke Raucher oder Serge-Gainsbourg-Fans kennen sicher die Zigaretten „gauloises bleues“ [Goluas blö], = blaue Gallierinnen
Wieso man auf französisch nicht „bit“ ausspricht hat etwas mit Verwechslungsausschluss zu tun. „une bite“ [ün bitt] bedeutet „ein männliches Geschlechtsteil“.
Aber auch die französischsprachige Welt spart gerne Buchstaben „le courriel“ ist die Zusammenfassung für „courrier électronique“, also E-Mail. Analog gibt es auch „le pourriel, qui POURRIT la vie“ (die Mail, die das Leben schwer macht), also „Spam“ oder „Junk-Mail“
Gehen wir, Kinder der Heimat, der Ehrentag ist angekommen. Nichts begriffen? Klingt heute, am 14 juillet besser auf französisch: http://m.francophone.free.fr/marseillaise.html
Juli 14th, 2006 at 9:26
@kwyjibo:
Die Dänen zum Beispiel: en og tyve (ein und zwanzig).
Wenn du deutsches Zählen kompliziert findest, dann zähl mal auf dänisch:
50 = halvtreds = 2½ * 20
60 = tres = 3 * 20
70 = halvfjerds 3½ * 20
80 = firs 4 * 20
90 = halvfems 4½ * 20
und 100 ist nun nicht fems sondern hundred 😉
(quelle: http://home.debitel.net/user/kaij/tekst/Zahlen.pdf)
Die Norweger halten es da gegenüber den Dänen ähnlich wie die Welschen gegenüber den Franzosen:
50 = femti
60 = seksti
70 = søtti
80 = åtti
90 = nitti
Juli 14th, 2006 at 9:30
@Viking
womit wir endlich verstehen, warum Du Dich „Viking“ nennst, alter Schwede… 🙂
Juli 14th, 2006 at 9:52
@Administrator:
Lang genug hats gedauert ;), wobei ich mich eher zum dänisch/norwegischen Stamm hinzugezogen fühle. Nichts gegen die Schweden, aber die haben mir zuviele ö’s und ä’s in der Sprache 🙂
Juli 14th, 2006 at 10:36
Übrigens, wo wir bei Norwegern + Telefonnummern sind: Eigentlich zählt man auch im Norwegischen (wie im Dänischen + Deutschen) die Einer vor den Zehnern:
65 = fem og seksti
98 = åtte og nitti
Aber 1951 hat die Regierung beschlossen, dass vor allem um der Verständlichkeit am Telefon willen künftig die Zahlen wie bei den Engländern, also Zehner + Einer gebildet werden sollten:
65 = sekstifem
98 = nittiåtte
Also: Die Regierung hat versucht, den Sprachgebrauch zu regeln. Hat aber nicht funktioniert. Heute findet man beide Zählweisen nebeneinander.
Juli 14th, 2006 at 12:07
N’oublions pas le clavardage (internet chat)!
Et le verlan („à l’envers“) = back slang).
Par exemple: chanmé = méchant; Beur (2. Gen. Nordafrikaner, in Frankreich geboren) = arabe; auch „meul“, „keuf“, „keum“.
P.S. „loubard“ auf englisch = yob (back slang for „boy“)….
P.S. Re: J’ai suivi le défilé sur TF2. Magnifique!
Juli 14th, 2006 at 12:27
Mir ist aufgefallen, dass die francophonen Canadier z.T. noch weniger englische Begriffe übernehmen als die Franzosen. So steht in Canada auf den Strassen „arrêt“ und in Frankreich „stop“
Juli 14th, 2006 at 13:49
Die Ausdrücke „septante“, „huitante“ und „nonante“ stammen laut meinem uralten Sachs-Villatte Dictionnaire Encyclopédique aus dem Altfranzösischen, dem Provenzalischen:
septante = (lt. septuaginta) † jetzt noch gebr. in Belgien, der Schweiz und in Südfrankreich
huitante = † u. provenc.
nonante = † u. provenc.
Ich habe längere Zeit im Welschland gelebt und finde diese Bezeichnungen viel einfacher als die französische Zahlenakrobatik!
Juli 14th, 2006 at 15:38
…und dann beschweren sich deutsche Lehrer, dass unsere Zählweise es den Kindern ja soooo schwer machen würde…..
Juli 14th, 2006 at 15:52
@Branitar
Irgendeinen Grund müssen die Lehrer ja finden 😉
Interessant war nur, wie auch Erst- und Zweitklässler auf einmal null Probleme hatten, mit grossen Zahlenräumen bis 597 zu arbeiten, als es um die Panini-Bildchen der Fussball-WM ging 🙂
Juli 14th, 2006 at 15:56
Meine Erfahrungen mit den „Welschen“ beschränkt sich zwar auf die Zusammenarbeit der französisch-sprachigen Küche im Militär, aber oft genug wird mal „huitante“ und mal „quatre-vingt“ gebraucht. Und zwar von derselben Person.
Juli 14th, 2006 at 19:27
Die spinnen, die Franzosen.
Juli 14th, 2006 at 20:17
Alle kennen Asterix, wer aber kennt Orgetorix, den Prinz der Helvetier
(
Juli 14th, 2006 at 23:03
@Fiona:
Das gallische Wort Orgetorix heißt übrigens soviel wie „König der Totschläger“.
Juli 14th, 2006 at 23:42
Also die Englänger haben bis vor „kurzem“ auch noch one and twenty gesagt. Zumindest steht das so in meinem abgegriffenen „Pride&Prejudice“ der löblichen Frau Austen 🙂
Juli 16th, 2006 at 20:14
…und gemeinerweise ist der Canton Vaud, also das Waadtland die Waadt und nicht der Waadt.
der Besserwisser