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Wenn die Nacht einmal frei hat — Was ist eine Freinacht in der Schweiz und in Deutschland?

  • Wenn die Nacht einmal frei hat — Was ist eine „Freinacht“?
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 15.04.06 auf der Titelseite

    Lugano zum 7. Mal grande
    Wer über Ostern ins Tessin gefahren ist, durfte zumindest in Lugano den Freitag mit einer Freinacht beginnen: Der Hockey-Club wurde zum 7. Mal Meister, er bezwang Davos (…)

    Freinacht in Lugano

    So gab es also in Lugano vor Ostern im Anschluss an den Frei-tag eine Frei-nacht? Der Freitag vor Ostern war sowieso frei, weil es ein Karfreitag war. Mit einer der höchsten Feiertage der Christenheit, an denen vor ein paar Jahrzehnten noch in Deutschland die Kinos und Diskotheken „für einmal“ geschlossen blieben, und an dem auch der grösste Atheist oder Agnostiker kein Fleisch sondern Fisch ass.

    Doch schon der „Freitag“ hat in der Schweiz eine Bedeutung, die im Gemeindeutschen nicht bekannt ist:

    Freitag CH der; -(e)s, -e: [arbeits]freier Tag:
    Die zehn Jährchen sitzt du auf der anderen Arschbacke ab, dann gibt’s ein ganzes Monatsgehalt und drei Freitage extra! (Aeschlimann, Wellauer 163)
    (Quelle: Variantenwörterbuch S. 262)

    So wundert es uns auch nicht, dass wir noch vor dem „Freipass“ (in der Schweiz keine neue Angriffsvariante im Fussball im Finale der WM am 9. Juli gegen Deutschland, sondern eine Legitimation für etwas im Allgemeinen Unerwünschtes) und dem „Freisinn“ (was nicht „frei von Sinnen heisst, sondern in der Schweiz kurz für „Freisinnig -Demokratische Partei“ steht) auch die „Freinacht“ im Variantenwörterbuch erklärt bekommen:

    Freinacht CH die-,…nächte:
    Nacht ohne Polizeistunde, für einen ganzen Ort oder ein einzelnes Vergnügungslokal: „In der Nacht auf Samstag und Sonntag ist Freinacht angesagt“ (NLZ 20.6.01, Internet)

    Auch der Duden kennt das Wort:

    Freinacht, die (schweiz.): Nacht ohne Polizeistunde; ausnahmsweise durchgehender Betrieb in einem Restaurant.

    Selten hatten wir soviele überzeugende Funde bei Google-Schweiz zu vermelden: 15.200
    Google-Deutschland findet das Wort nur im Zusammenhang mit Fasnachtbräuchen, Masken, Walpurgisnacht oder Mainnacht. Hat dort definitiv nix mit Sperrstunde etc. zu tun:

    Walpurgis / Freinacht / Beltane 30. April
    Walpurgis ist das bekannteste klassische Hexenfest. (…) Da von der Kirchenführung eine Heilige als Namenspatronin des Festes vorgeschoben wurde, kann man davon ausgehen, daß es sich ursprünglich um ein Fest zu Ehren einer weiblichen Gottheit, nämlich der Fruchtbarkeitsgöttin Freya handelte. In Süddeutschland wird es mancherorts auch »Freinacht« genannt, die Nacht, in der alles erlaubt ist. Es ist sehr wahrscheinlich, daß hier »Frei« nicht von »Freiheit«, sondern von Freya abgeleitet ist. (…)
    (Quelle: veras-hexenküche.de)

    So unterscheiden sich die Völker: Während in der Schweiz in der Freinacht gesoffen wird bis in die Puppen, verehrt man in Deutschland unter gleichem Namen die Fruchtbarkeitsgöttin Freya. Fragt sich nun, was hier bekömmlicher ist. Freibier oder Freya?

    

    2 Responses to “Wenn die Nacht einmal frei hat — Was ist eine Freinacht in der Schweiz und in Deutschland?”

    1. Florian Wirth Says:

      lieber Jens
      Woher kommt eigentlich der Ausdruck „bis in die Puppen“? Eine Kollegin von mir , Holländerin , die mit einem Norddeutschen verheiratet ist, braucht ihn manchmal. Dann im Zusammenhang mit Schlafen. „Schlafen bis in die Puppen“ oder „im Bett liegen bis in die Puppen“. Bin gespannt auf die Erklärung
      lg Florian

    2. Administrator Says:

      @Florian
      ich bin zwar nicht Sebastian Sick oder die Duden-Redaktion, aber diese Frage ist leicht zu beantworten mit dem Duden-Redensarten:
      Im 18. Jahrhundert wurde im Berliner Tiergarten der Platz mit dem Namen „Grosser Stern“ mit Statuen aus der antiken Mythologie geschmückt. Der Berliner Volksmund nannte diese Statuen „Puppen“, und ein Spaziergang „bis in die Puppen“ war damals vom Stadtkern aus ein sehr weiter Weg. Die Wendung wurde später von der räumlichen Entfernung auf die zeitliche Erstreckung übertragen.
      Quelle: Duden 11, Seite 560-561