Sind Sie auch sauber übers Nierenstück?
(reload vom 7.6.06)
Lange mussten wir warten, um das passende Gegenstück zum „Tolgen im Reinheft“ (vlg. Blogwiese) der Schweizer zu finden. Doch dann stiessen wir im Fachblatt für das T-äglich A-ngewandte G-ebrauchs I-diom auf diesen Passus:
Giezendanner steht auf und legt Gerichtspräsident Christian Sigg Unterlagen auf dem Tisch. Sie sollen dokumentieren, dass seine Firma sauber übers Nierstück ist.
(Quelle: Tages-Anzeiger vom 24.05.06, S. 3)
Eigentlich haben Nierenstücke immer sauber zu sein. Schliesslich wollen wir sie ja essen. Es gibt sie vom Schwein genauso wie vom Rind:
(Quelle Foto: delicarna.ch)
Für uns Deutsche ist das Tollste an diesem leckeren Stück Fleisch die Tatsache, dass es überhaupt nichts mit der Niere von einem Schwein oder Rind zu tun hat, sondern das Wort „Niere“ (ohne Endungs-E) lediglich auf die Position verweist:
Grafik Wikipedia
(Zeichnung aus Wikipedia)
In Deutschland nennen wir dies sehr teutonisch-preussisch „Kotelett“:
Koteletts (von französisch côtelette für Rippchen aus französisch côte, bzw. lateinisch costa für „Seite, Rippe“) oder Karrees sind Scheiben aus dem Rippenstück (auch Karree, Rücken oder Kotelettstrang genannt) mit Knochen (…). Beim Schwein reicht der Kotelettstrang bis zur Hinterkeule. Die vorderen Koteletts werden wegen der anliegenden Rippenknochen Stiel- oder Rippenkotelett genannt, die hinteren, die auch Teile des Filets enthalten, Lummer- oder Lendenkotelett, schweizerisch Nierenstück. Dieses Teilstück ist besonders knochenarm und mager.
(Quelle: Wikipedia)
So müssen wir also keine Angst haben, Niere vorgesetzt zu bekommen, sondern können weiter von Koteletts träumen. Mag hier jemand Niere? Aber was hat ein leckeres Fleischgericht nun mit dem „Tolgen im Reinheft“ zu tun? Wir finden zwar eine Erklärung für die Redewendung „Sauber sein übers Nierenstück“:
eine weiße (o. reine o. saubere) Weste haben – sauber sein übers Nierenstück
(Quelle: proverbium.eu)
haben deswegen aber noch nicht verstanden, warum die Schweizer ausgerechnet an Koteletts denken, wenn sie eine „weisse Weste“ meinen. Mal sehen, wo sich diese Redewendung sonst noch finden lässt. Google kennt zwei Varianten: Mit und ohne Binnen-E: „Sauber übers Nierenstück“ und „Sauber übers Nierstück“. Besonders überrascht hat uns eine Fundstelle bei unserem Schweizer Lieblingsdichter, Gottfried Keller. Sie wissen schon, der Mann mit der Lizenz zum „i“ schreiben im Adjektiv „Züricher“ (vgl. Blogwiese) .
In seiner berühmten Novelle „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“, die mehrfach verfilmt wurde (zuletzt etwas unglücklich 2001, siehe IMDB ) heisst es:
nie drängte sich einer von ihnen vor oder strebte nach einem Vorteil oder nach einem Amte, und ihre größte Ehre setzten sie darein, gelegentlich einem oder dem andern »berühmten Eidgenossen« schnell die Hand zu drücken; aber es mußte schon ein rechter sein und »sauber übers Nierenstück«, wie sie zu sagen pflegten.
(Quelle: Das Fähnlein der Sieben Aufrechten)
Auffallend ist hier, das Keller den Buchstaben „e“ zwar Hochdeutsch mässig mitschreibt, die Redewendung aber mit Gänsefüsschen als eine solche deutlich kennzeichnet. Helvetismen sind verdammt schwer zu finden bei ihm!
Auf einer christlichen Website finden wir den Ausdruck ebenfalls:
Jesus hatte keine Berührungsängste. Er konnte mit allen Menschen reden. Auch mit solchen, die nach dem Urteil der Gesetzeslehrer nicht sauber übers Nierstück waren.
(Quelle: Christkath.ch)
Laut unserem Sprichwörter-Duden galt die Niere früher als Sitz der Gemütsbewegungen, auch allgemein als Sitz der Lebenskraft. Daher rühren noch die Wendung „Es geht mir an die Nieren“ oder „etwas auf Herz und Nieren prüfen“. Die Schweizer scheinen hier pragmatischer veranlagt zu sein: Wer über dem Nierenstück sauber ist, hat eine reine Weste und nichts zu verbergen. Warum das wohl so ist? Hier müssen wir passen und bitte um Ratschläge von belesenen Metzgern, Fleischern und Kotelettspezialisten.
Juni 8th, 2009 at 18:37
Den Lösungsansatz hat Jens mit dem Metzger schon recht gut gelegt, aber die Lösung kann man nicht im Schlacht-Haus finden, sondern leider auf dem Schlacht-Feld.
Um den Sinnspruch technisch nachvollziehen zu können, muss die Waffenausstattung der Reiter, Ritter, Reisläufer, Landsknechte und der Soldaten untersucht werden.
Oft wurden die Hiebwaffen (Schwert, Degen, Säbel, uam.) auf der linken Seite getragen (d.h. bei ca. 8 bis 9 Uhr, ((U-Bootfahrer, Flieger, Pfadfinger, Artilleristen uam. kennen dies))), das Messer, der Dolch und später der Degenbrecher üblicherweise bei ca. 1 bis 3 Uhr am rechten Vorderkörper.
Jedoch haben unsichere und hinterlistige Kantonisten ein weiteres Messer oder einen zweiten Dolch auf ca. 4 bis 5 Uhr verdeckt am rechten hinteren Rücken.
Dies bedeutet: Hier wird die Hiebwaffe an der sichtbaren „linken Nierengegend“ sowie die Stichwaffe an der rechten Vorderseite getragen! Der hinterhältige Meuchelmörder trägt jedoch auch noch eine zweite Kurz- oder Stichwaffe an der unsichtbaren „rechten Nierengegend“.
Und hier liegt die Lösung.
Falls man mit einem Menschen zusammen kommt, um friedlich gewisse Belange zu besprechen, werden entsprechend der Vereinbarung die Waffen nicht gezogen sein!
Wenn der bewaffneter Mensch einem gegenüber steht und seine Kleidung im Bereich der linken Niere frisch blutverschmiert ist oder an der rechten Niere sind noch Blutspuren erkennbar, kann und muss man ableiten, dass er eventuell bereits einen üblen Kampf hinter sicht hat!!
Wenn dieser Typ zugesagt hatte, keine Waffengewalt anzuwenden, wird nun die Frage aufkommen, warum aktuell seine Waffen und die Kleidung an Nahbereich der Nieren, also wo man üblicherweise seine Hieb- und Stichwaffen trägt, blutverschmiert sind!!!
Falls die rechte Nierengegend auch noch frisch blutgetränkt sein sollte, ist extreme Vorsicht geboten!!!!
Durch die Handhabung der Waffen zum Kampf und beim Zurückstecken in die Waffenscheiden werden durch diese Waffen und Hände die besagten Blutspuren auf die eigene Kleidung und Ausrüstung übertragen.
In laufe der Zeit hat sich die Ausrüstung rasant weiterentwickelt. Zu dem Schwert, Messer / Dolch ist auch noch der Morgenstern, die Kampfkeule und Streitaxt hinzugekommen, welche am Lendengürtel auf 3 Uhr angebracht wurden. Deshalb musste am Hüftgürtel ein großes Gewicht an Waffen getragen werden.
Um die „Effektivität“ des Schlachtens zu steigern, haben u.a. die Franken neuartige Waffen- und Geräteverbesserungen eingeführt. Neben dem Steigbügel dürfte die Einführung der Schärpe als Möglichkeit des Schwerttragens sein. Das schwere Schwert belastet den Gürtel nicht mehr, denn das gesamte Gewicht der links angeordneten Waffe wird von der rechten Schulter getragen. Das Ziehen und der Gebrauch des Schwertes sind wesentlich einfacher, schneller und sicherer.
Ab dem 16. JH wurden im Gürtel zusätzlich Pistolen getragen und das Schwert wurde durch leichtere Säbel, Degen uam. ersetzt. Diese leichteren Hiebwaffen wurden dann fast nur noch an solchen Schärpen getragen, die oft aus Leder oder aus hellem Tuch gefertigt waren. Dadurch war der Anblick einer entsprechend frischen Blutstelle an der Schärpe sehr augenfällig.
Drum sollte man immer überprüfen, ob der Gegenüber an seiner Schärpe, Uniform oder weißen Weste etwa nur Rotweinflecke hat, ………..
damit man nicht ein blaues Wunder erlebt, weil man glaubt, der Gegebüber sei „sauber übers Nierenstück“.