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Dem Teufel vom Karren gefallen — Neue alte Schweizer Redewendungen

(reload vom 30.4.06)

  • Woher stammt das Wort „Karren“?
  • Ein Karren ist in Deutschland ein Fahrzeug, das von Hand oder von einem Zugtier gezogen oder geschoben werden muss. Diese Bezeichnung kommt von Lat. „carrus“ und ist in der Schweiz auch als „Garette“ (von ital. carretta) bekannt.

    Eine „Karre“ ist aber auch ein altes Auto, liebevoll auch als „Rostlaube“, „Nuckelpinne“ oder „Schrottkarre“ betitelt. In Süddeutschland und Österreich kommt noch „Schnauferl“ oder „Spuckerl“ als Kosename hinzu.

    Wir lasen in der Sonntagszeitung vom 9. April 2006 auf Seite 22

    Entweder wir stellen uns darauf ein, dass wir in regelmässigen Abständen mit schockierenden Geschichten und Bildern von «Foltercamps» konfrontiert werden – überlassen aber ansonsten diese dem Teufel vom Karren gefallenen Kinder und Jugendlichen ihrem Schicksal. Oder wir lassen unserer Entrüstung Taten folgen.

    Dem Teufel vom Karren gefallen
    (Sonntagszeitung vom 09.04.06 Seite 22)

  • Dem Teufel vom Karren gefallen
  • Wir waren, gelinde gesagt, schockiert über diesen Ausdruck. Wir haben ihn noch nie gehört, und wir verstehen auch nicht, wie er in der sonst so calvinistischen Schweiz, die von Ratio und merkantilem Denken geprägt ist, bis in die heutige Zeit überleben konnte. Es klingt nach finsterem Mittelalter, nach Hexenverbrennung und einem Karren mit Verurteilten auf dem Weg zum Richtplatz.

    Es finden sich bei Google-Schweiz 346 Belege für diese Redewendung, in Deutschland hingegen nur 23, von denen der erste ein Zitat des Schweizer Dichters Jeremias Gotthelf ist:

    Dann sei ein zweiter Fall, und der sei anders. Die Lismerlise im Bohnenloch kennten alle; wenn eine dem Teufel vom Karren gefallen, so sei es die.
    (Quelle: buecherquelle.com)

    Ein paar Belege weisen auf den katholischen Teil der Schweiz:

    Dem Teufel vom Karren gefallen
    Das Roma-Mädchen, die Behörden und die Öffentlichkeit
    Die Geschichte des kriminellen Roma-Mädchens und seiner Familie ist kein Asyl-Skandal, sondern eine Häufung von sehr verschiedenen Nöten.
    (Quelle: kath.ch)

    Die Coopzeitung zitiert Viktor Giacobbo zu seiner Kunstfigur Fredi Hinz:

    Trotzdem mögen Sie Fredi, oder?
    Absolut. Er ist wirklich eine Ausnahmefigur, einer, der dem Teufel vom Karren gefallen ist. Ein Verlierer, der in der untersten Schicht lebt und nie lacht, aber trotzdem gut gelaunt und immer zu einem tiefgründigen Gespräch bereit ist.
    (Quelle: coopzeitung.ch)

    Wie so eine merkwürdigen Redewendungen so lange überleben konnten? Aber so ist das halt mit der Sprache: Ist ein Ausdruck besonders blumig oder besonders brutal, dann prägt er sich leicht ein. Also wird weiterhin in der Schweiz der Teufel seinen Karren durchs Land ziehen, auf dem Weg zum Fegefeuer, und der ein oder andere Jugendliche hoffentlich unterwegs herunterfallen.

    

    8 Responses to “Dem Teufel vom Karren gefallen — Neue alte Schweizer Redewendungen”

    1. Ric Says:

      Das ist nichts schweizerisches sondern schlicht veraltetes Deutsch.
      Teil einer längeren Phrase die da lautet „dem Teufel vom Karren gefallen und für den Galgen zu schlecht“.

    2. cocomere Says:

      Die calvinistische Schweiz gibt es nicht! Genf ist (war) calvinistisch. Die Deutschschweiz und Waadt (damals unter Berner Herrschaft) sind von der Reformation Zwinglis geprägt. Und fast die Hälfte aller Kantone blieben katholisch.
      Die Bundesverfassung von 1848 wurde sicher von den reformierten, städtischen eher liberaleren Geistern geprägt, die Schweiz blieb aber in vielen Teilen, vor allem in ländlichen Gebieten stark von einer katholischen Kultur geprägt.
      Aber auch die reformierte Landbevölkerung schien in Sachen Teufel, Aberglauben und Mythen den Katholiken nicht viel nachzustehen, es würde mich also nicht wundern, wenn die Redewendung auch in einem Buch von reformierten Pfarrer Jeremias Gotthelf stehen würde.

    3. AnFra Says:

      Wieder so ne unschuldig-qualvolle Frage vom Jens: Woher stammt das Wort “Karren”?

      Und schon schimmert ein Lösungsansatz am Horizont. Wenn man voraussetzt, die keltische, lateinische, griechisch und nordisch-germanischen Sprachen stammen aus einer gemeinsamen indoeuropäischen Sprachenfamilie ab, sind die Ableitungen dieser Begriffe etwas leichter möglich.

      Was bei unserem Deutsch und auch bei den anderen europ. Sprache auffällt, ist die sprachliche Gleichheit bzw. Ähnlichkeit verschiedenster Gegenstände mit dem Ansatz „kas, kar, kis, kir, cas, car uam“. Diese eigentlich verschiedenartige Gegenstände haben eine bestimmte Gemeinsamkeit: Sie sind immer irgend wie kasten-, kisten- und schalenförmig gestaltet und / oder haben zusätzlich auch eine volumenorientierte Form bzw. Funktion und / oder dienen zum Lagern oder Transportieren.

      Der Ursprung dieser Begriffe scheint stets „kar“ und seiner Derivate wie z. B. „kas“ zu sein.
      Bei den Brüdern Grimm ist schön beschrieben: …..kar….. gefäsz, geschirr mancherlei art, ein altes wort, einst durch alle deutschen sprachen verbreitet. goth. „kas, vas“; dann mit umlautung des s ahd. „char“, pl. „cherir“ … alts. „kar“, altn. „ker“, ags. „cere“, mhd. „kar“, dän. schwed. „kar“, norw. „kjer, kjär“, isl. „ker“…..
      Das wesentliche ist erkennbar: Es ist ein Gegenstand, welche eine Einwölbung / Senkung / Hohlraum hat, in welche man was hineintun kann. Und dies ist m. E. der Schlüssel zum „Karren“.

      Nach der Einführung der Räder haben die Indoeuropäer einen neuen Begriff für ein (heutzutage u.a. „Wagen“ genannt) neuartiges Fahrgerät benötigt. Da dieses Geräte zunächst wahrscheinlich nur eine Achse mit zwei Rädern hatte und der heutigen „Karre“ zum Ziehen und / oder Schieben durch Menschen geeignet war (z. B. SanKa Sanitäter-Karren, milit. Protze (birotta) für pferdebesp. bzw. mot. Artillerie). Als wesentliche Ergänzung wurde zusätzlich ein „Kasten“ oder eine „Kiste“ auf der Achse angebracht wurde, um so die zu transportierenden Gegenstände darin lagern zu können.
      Bei den älteren bildhaften Ansichten und archäologischen Funden (Anhang) kann man diese Anordnung des Kastens gut erkennen bzw. rekonstruieren. Und somit ist höchstwahrscheinlich auch der „Karren“ der großen vielfältigen Namensfamilien des Ursprungswortes „kar, kas“ uam. zuzuordnen.
      Hier ein Beispiel für die dt. „Kiste“ (niederl. „kist“, engl. „chest“) aus lat. „cista“, welches aus griech. „kiste“ für Korb od. Kiste stammt.
      Oder dt. „Kasten“ (niederl. „kast“, ahd. „kasto“, portugal. „kaste“ aus westgot. für ein Ablagefach) aus germ. „casa“ und altger. „cas“ für ein Gefäß.
      Über die lat.-ital. Begriffe z. B. „casa, casale, casco, casino, casella, cassa, cassetta, castello“ bracht man nicht mehr schreiben.

      Als Antwort gibt’s eine(?) Lösung: Der „Karren“ ist doch ne „heiße Kiste“!

      http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Hochdorf_keltenmuseum0815.jpg&filetimestamp=20060324174403

      http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Wagengrab.jpg&filetimestamp=20060517100355

    4. balzercomp Says:

      Also ich kenne die vergleichbare Redewendung „dem Teufel von der Schippe gesprungen sein“. Vermutlich war es ursprünglich die Hippe anstelle der Schippe, aber da heute kaum jemand noch weiss, dass die Hippe ein anderes Wort für Sense ist, wurde daraus vermutlich die Schippe (Schaufel).

    5. AnFra Says:

      @balzercomp

      Mit der „Hippe“ meinst du tatsächlich eventuell eine „Sichel“ (Hippe = Sichel!).
      Denn „hippelich“ beschreibt im mainfränkischen, insbesondere im hessischen Raum, eine schnelle und / oder etwas nervöse Hin- und Herbewegung. Eine sprachliche Vermengung / Verwandtschaft der Hippe mit der Sense ist nicht erkennbar.

      In der Allegorie wird ausschließlich der Tod mit der „Sense“ dargestellt. Das ist also sein Alleinigstellungsmerkmal. Daran, also an diesem Werkzeug, erkennt man symbolisch immer und nur den Tod. Auf allen bildlichen Todesdarstellungen ist der Tod der große Sensemann.
      Ist ja nur mit der Sense diese Leistung zu vollbringen, was so der Gevatter Hein so für ein Tagwerk erbringen muss, da die einhändig geführte Sichel kaum die benötigte Leistung ermöglicht.

      Der Bezug von „dem Teufel von der Schippe springen“ ist eigentlich eine Situationsbeschreibung, die zeitlich vor der Gegebenheit ist, bei welcher der Teufel den Todgeweihten auf den besagten „Karren“ geladen hat. Nach schweizer Sinnart kann man „dem Teufel von diesem Karren fallen“.

      Aber den restdeutschen Sinnspruch mit der „Schippe“ darf man nicht mit einer „Schaufel“ gleichsetzen. Denn der Teufel wurde nicht mit einer „Schippe = Schaufel“ dargestellt, sondern man kann ihn auf verschiedenen Bildnissen mit einer „Schäferschaufel = Schippe“ sehen. Und das ist der springende Punkt.
      Im mittelalter. Sprachgebrauch wurde für die „Schäferschaufel“ auch der Begriff „Schippe“ verwendet. (Bei den Brüdern Grimm schön nachlesbar). Denn mit dieser „Schippe“ konnte er die Menschen, welche ihm überlassen wurden, einfangen und dann auf den Karren legen.
      Die Schäferschaufel hat einen gekrümmten Fangehaken (Fußangel), mit welchem man die Schafe und die Menschen an den Beinen einfangen konnte.

      In der wikipedia wird ein Dürer-Stich („Ritter, Tod und Teufel“) gezeigt, wo man den Teufel (rechts am Bildrand) mit eine Gerät sieht, welches man im ersten Augenschein für eine kurze Hellebarte halten könnte. Es ist jedoch die besagte „Schippe“, bei der man an der kleinen Schäferschaufel den Fangehaken als doppeltes Krummeisen gut erkennen kann.

      Als Deutscher möchte ich eigentlich nicht genau wissen, warum die Schweizer seltsamerweise erst zeitlich später eine Möglichkeit haben, also wenn sie vom Karren gefallen sind, dem Teufel entfliehen zu können!

      So gesehen haben beider Basel im Kantonswappen ein arg teuflisches Zeug!

      Siehe hier

    6. Phipu Says:

      AnFra,

      Sehr interessant, ich wusste gar nicht, dass der Teufel dieselben Utensilien benützt, wie früher die Hirten und heute noch die Bischöfe – oder davon abgeleitet der liebe Samichlaus, der die Kinder beschenkt ( http://www.blogwiese.ch/archives/110 ). So betrachtet, ist es nicht erstaunlich, dass der Oberste Hirte dann sozusagen die Offiziersversion des Hirtenstabes besitzt, mit noch mehr Fang-Funktionen. Siehe Bild: http://www.stoppingthehate.com/Images9/050806_PopeBenedict_vl.widec.jpg

      Die anderen Multifunktionsstäbe, die man auch heute noch im Vatikan antrifft, wurden in der Blogwiese auch schon beschrieben:
      http://www.blogwiese.ch/archives/101

      Meine persönliche Interpretation, weshalb man dem Teufel noch zu Lebzeiten vom Karren fallen kann, ist folgende:

      Die entsprechende Person hat (bereits seit Geburt oder ab Kindesalter) charakterliche Eigenschaften, die sie schon früh für eine himmlische Karriere im Konzern „Hölle“ auszeichnen. Bei der Direktabhlong ab Werk konnte sie aber aus dem Personaltransporter (Karren/Fanghaken) mit List, die sogar jene des CEO (Teufel) übersteigt, abspringen und den irdischen Zeitgenossen das Leben noch ein paar Jahre länger schwer machen. Ab diesem Moment kommt das Sprichwort zur Anwendung, also auch für besonders renitente Kinder oder Jugendliche.

      Es ist nicht auszuschliessen, dass solche Personen in ihrem verlängerten Praktikum auf Erden, wenn sie den richtigen Lehrmeistern begegnen, sich Fähigkeiten aneignen, die ihnen eine Kaderstelle im Himmel bescheren. Aber ab diesem Moment kann man das Sprichwort nicht mehr anwenden, und das wird dann für unseren Zusammenhang irrelevant.

    7. AnFra Says:

      @Phipu

      Wunderbar, du hast es verstanden. Mit diesen Schafen – Schafsböcken – Schafss…. – blöden Schafen – Menschen hat man ein leichtes Spiel, wenn man das von dir beschriebene Rezept anwendet!
      Leider muss man etwas ungünstiges zu deiner Schreibe sagen: Diese Idee wird schon seit Jahrtausenden mit Erfolg praktiziert. Der Teufel braucht bloß einige „Schwarze Schafe“ z. B. Hohepriester von Irgendwas, Banker, Finanzberater und Politiker von seinem Karren bzw. seiner Schippe fallen lassen und dann etwas abwarten.
      Diese netten schwarzen Schafe bringen tatsächlich immer ein Mehrfaches dem Teufel, der Hölle oder auch anderen Herden oder Opfertieren, wie z. B. Kirchen (lat. pastor = Hirte!). Das ist erfolgreiches Marketing. Direkt ins Fangeisen hinein.

      Die Sache mit der Kirche ist auch etwas seltsam: Die ist eigentlich eine arg berufsspezifische Angelegenheit! Hier dominieren an den wichtigsten Stellen die Schäfer! Der Pastor hat uns als eine zu beschützende (Schaf)-Herde im Griff. Wir müssen immer wieder von unseren schafsdummen Abwegen zur Herde zurückgetrieben werden. Man umgibt uns mit wolfartigen (Schäfer)-Hunden. Wenn unser Fell für uns gut genug geworden ist, werden wir immerzu kahlgeschoren und unseres (Schaf)-Fells beraubt. Der Hirte / Pastor und der Teufel müssen tatsächlich eine erfolgreiche Zusammenarbeit haben, da beide das gleiche Fanggerät verwenden und die Taktik des Fallenlassens anwenden und auch noch die Schäfchen gegeneinander zutreiben.

      Von der Bukolik als „kultureller Hintergrund“ geht es dann nahtlos in das sog. freie und naturverbundene fürstliche „Schäferleben“ mit dem „Schäferhaus“ als Freudenhaus zur jungem „Schäfermädchen“ innerhalb eines „Schäferstündchens“ ist kein großer Aufwand mehr. Der Pan als Hirtengott steht immer im Hintergrund und der Paganismus dient als sichere Basis. Die katholisch-apostolischen Könige Frankreichs das 18. JH üben sich in der „freien Liebe beim Schäferstand“. Das verbindet mit den anderen Pastoren.
      Alle sind „nur an den Seelen der Schäfchen“ interessiert.

      Ein Studienfreund hat als Taxifahrer jeden Monat an einem bestimmten Tag einen pensionierten Pfarrer aus dem mittleren Thurgau ins „Klein Paris“ (Schäfchenhaus) nach Konstanz fahren dürfen.
      Das telefonische Kennwort für diese pastorale Betreuung lautetet: „G….., bitte Hr. Pfarrer XY holen und zum „Schäfchenzählen“ bringen!“.
      Das ist die wahre Wahrheit. Wer das nicht glaubt ist ein selber ein verirrtes / verwirrtes Schaf.

    8. devil Says:

      was heisst fix und foxi