Kein Nikolaus bei den Schweizern — Schweizer Bräuche in der Adventszeit
Am 6. Dezember ist weltweit der Namenstag vom Heiligen Sankt Nikolaus. Weltweit? Nicht so in der Schweiz, denn hier bekommt der gute Mann einen ganz eigenen Namen.
Der Schweizer Nikolaus heisst „Samichlaus„! Nun, da haben doch sicher die Amerikaner ihre Finger mit im Spiel gehabt, als sie ihren „Rat Pack“ Sänger Sammy Davis jr. mit einem Schweizer Insekt sprachlich kreuzten und das Ganze mit etwas „Confederation Helvetica = CH“ in der Mitte ausstaffierten? Sami-CH-Laus? Welche Laus ist ihnen da über die Leber gelaufen? „Chonnsch druus“, oder bleibst Du lieber drinnen?
Die Wahrheit liegt in den Mechanismen der Sprach-Verschleifung verborgen. Aus Sankt-Nikolaus wurde über viele Umwege Sam-i-chlaus. „Sankt“ mutierte zu „Sam„,“ i-kolaus“ zu „i-Chlaus„. Nix mit Sammy Davis zu tun, was an sich schade ist, so käme mal ein bisschen Musik mit ins Spiel.
Ein Bischof mit Namen Nikolaus beschenkte vor vielen hundert Jahren arme Kinder mit Äpfeln und Nüssen. Später wurde er heilig gesprochen, und in Erinnerung an den wohltätigen Mann kommt noch heute der Sankt Nikolaus am 6. Dezember, seinem Namenstag, zu den Kindern. In unserer Mundart wurde aus Sankt Nikolaus «Samichlaus». Sein Knecht mit Namen Ruprecht heisst bei uns «Schmutzli».(Quelle)
Die nächste Frage, die wir uns unweigerlich stellen müssen, ist warum der gute alte Knecht „Ruprecht“ in der Schweiz eine Verkleinerungsform von „Schmutz“ verpasst bekommen hat:
Der „Schmutzli„. Nun, er kommt mit einem geschwärzten „schmutzigen“ Gesicht daher. Aus Tarngründen, damit die Kinder nicht so leicht den Nachbarn Herrn Bünzli oder den Onkel Hansruedi unter der Maske erkennen können. Samichlaus hat ja seinen fantastischen weissen Bart, um nicht erkannt zu werden. Beim „Schmutzli“ muss es schwarze Schminke zusätzlich zum Bart im Gesicht tun.
Wir finden, der sieht regelrecht zum fürchten aus. Fehlt nur noch die Sense und eine Sanduhr, dann könnte der glatt als „der Tod“ durchgehen.
Zu essen gibt es am 6.12. in der Schweiz auch etwas, und zwar „Gritibänz„.
Wie kommt er nur zu seinem merkwürdigen Namen?
Der Name „Gritibänz“ (auch „Grittibänz“ geschrieben) ist ein zusammengesetztes Wort und kann entsprechend analysiert werden. Der Wortteil „Bänz“ kann als Kurzform des Namens „Benedikt“ interpretiert werden. Dieser Name war früher sehr häufig und bot sich deshalb als Bezeichnung an, ähnlich wie das bei anderen Namen auch zu beobachten ist, die für spezielle „Komplimente“ verwendet werden. So heisst es in der Mundart beispielsweise oft auch „e Chlaus“, e Goiferludi (=> Ludwig) oder „Es isch Hans was Heiri“ (= Es läuft auf dasselbe hinaus). Auch Kombinationen mit dem Vorwort „Suuf-“ (= Trinker) sind anzutreffen.
Der erste Wortteil kommt von „gritte“, was etwa soviel wie „die Beine spreizen“ bedeutet. Aufgrund der Teigform ist das nachvollziehbar. Das Wort „gritte“ kann seinerseits weiter zurück verfolgt werden. So kannte man früher im Kanton Aargau das Substabtiv „e Gritti“ (= alter Mann, der breitbeinig geht) und auch die Beschreibung „grittlige“ mit der Bedeutung von „rittlings“. Letzlich gibt es auch Verbindungen zum Wort „grätschen“, das jedem Turner ein Begriff ist.
In Basel heisst der Gritibänz entsprechend „Grättimaa“, weil es dort dafür das Wort „grätte“ gibt und „Maa“ schlicht Mann bedeutet.
In Zürich und im Thurgau heisst das Pendent zum Gritibänz „Elggermann“. Nach der Legende hat ein geschäftiger Bäcker aus der Gemeinde Elgg diesen Teigartikel hergestellt und auf den Märkten der Umgebung erfolgreich verkauft. (…) (Quelle🙂
In Deutschland ist diese Figur unter anderem als „Stutenkerl“ bekannt, denn „Stuten“ ist der Name für das leckere Weissbrot. Was mich nicht davon abhält, den passenden Kalauer zu erzählen:
Kommt ein Hengst in eine Bäckerei und fragt: „Haben Sie Stuten“?
Ein echter „Stutenkerl“ hat eine funktionstüchtige Pfeife aus Ton mit eingebacken. Willkommen bei Jung und Alt, um damit am Nikolaustag vor den Freunden im Kindergarten anzugeben oder in der Grundschule seine ersten „Tabakpfeifen-Raucherfahrungen“ hinter der Turnhalle zu machen, von der Gelb- bis zur Grün-Phase sozusagen (Gesichtsfarbe).
Dann lieber selbstgemacht Lebkuchenmänner verzieren und niemals verzehren:
Die Süddeutschen sagen übrigens nicht „Stutenkerl„, sondern „Weckmann“ zu diesem leckeren Gesellen. Das hat einen einfachen Grund: Kaum wurde er am Nikolaustag von den Kindern im sauber geputzen Stiefel vor der Wohnungstür gefunden, ist er schon wieder „weg, man„. Ratz fatz gegessen beim Frühstück, so lange er noch frisch und geniessbar und nicht steinhart geworden ist.
Die Schweizer, speziell die aus Chur, haben noch andere merkwürdige Sitten zur Advents- und Weihnachtszeit. So verspeisen sie zum Beispiel auch die Gebeine ihrer Toten: „Totebeinli“ schmecken echt lecker und werden von den lokalen Zahnärzten gesponsort.
Dezember 6th, 2005 at 5:25
Chlaus ist die schweizerische Form von Klaus. Und wie es Namen so in sich haben, werden sie gerne gekuerzt. Nikolaus zu Chlaus oder Nik. Joseph zu Sepp, Eugen wird zu Geni, Adelheid zu Heidi etc pp.
Dezember 6th, 2005 at 9:27
Die „Guetsli/Bisquits“ (Kekse) mit dem aufgedruckten Namen „Nussstängeli“ werden je nach Dialekt „Totebeinli“ genannt. (Nur damit man’s in der Migros findet). Nach Verzehr nicht vergessen: http://www.blogwiese.ch/archives/11
Wer lieber „lebende“ Beine verzehrt, versuche mal „Meitschibei“ (berndeutsch für Mädchenbeine). http://de.wikipedia.org/wiki/Meitschibei Findet man in fast jeder Bäckerei oder Firmen-Cafeteria oder gar in Selbstbedienungs-Restaurants. Gibt’s das im Sarganserland auch? Ich bin neugierig auf den Namen „Ein Bein, zwei Beine“ heissen ja dort ja „es Boa, zwoa Böner“ oder ähnlich. Ich muss mich sicher korrigieren lassen.
Dezember 6th, 2005 at 10:48
Lieber Jens,
das ist ja eine leckere Seite! Wenn ich nicht abnehmen müßte, würde ich glatt (!) Joris Eselein anknabbern, und nicht nu an den Ohren. Beim „Schmutzli“ sah ich plötzlich unseren Landstreicher Arize vor mir: stechendschwarze Augen, dunkelgebranntes Gesicht, wilder, schwarzer Bart! Du bist ein Witzbold, von wegen „Weg, Mann!“: Weck(en) sind süddt. Semmeln, z. B. Wasserweck, Doppelweck, Laugenweck u. a. Wir schreiben Ruprecht übrigens mit 1 P. Kriegst Du präzise raus, wer eigentlich der „Pelzmärte“ ist? Das geht in Richtung Ruprecht.
Guck mal in Deine Stiefel vor der Tür!
Gruß Peter
Dezember 6th, 2005 at 11:10
Bei uns im Aargau gibt es auch Meitschibei, doch gehören diese nicht zu meinen Lieblingsspeisen.
Eigentlich wollte ich unserem Kulturinteressierten Blogautor mitteilen, dass der Samichlaus mit dem Schmutzli und den Eseln bei uns in der Region Lenzburg (Kanton Aargau) erst am zweiten Donnerstag im Dezember aufkreuzt (also dieses Jahr am 8.). Ausserdem gehört bei uns zur Chlauszeit das Chlauschlöpfe, dabei wird mit Geisseln Lärm gemacht, dass der Nikolaus geweckt wird und seine Besuche nicht vergisst 😉 .
weitere Informatinen: http://www.chlauschloepfe.ch/
Dezember 6th, 2005 at 12:32
Meitschibei gibts auch im Glarnerland. Allerdings haben die eher wenig mit Samichlaus zu tun oder?
Und Totebeinli sind die selbergemachten sowieso am besten. Die zerbeisst man eben nicht, sondern die laesst man im Mund zergehen – wie uebrigens auch die Basler Leckerli 🙂
Dezember 6th, 2005 at 13:58
Die Basler Leckerli überleben in meinem Mund selten lange genug, dass sie zergehen. Ich kann mich da einfach nicht beherrschen 🙂
Dezember 6th, 2005 at 15:19
An Peter
Jetzt habe ich den Namen Weckmann auch begriffen. Hat also nichts mit „aufwecken“ zu tun. Verwandtschaft mit „Birewegge“ (Süssgebäck mit Birnenfüllung) oder „Weggli“ (Milchbrötchen) ergeben mehr Sinn.
An Codo
Tatsächlich sind die Migros-Nusstängeli, Meitschibei und Basler-Läckerli nicht Advends-Spezialitäten. Aber die Beine zum essen passten halt so gut zum angeschnittenen Thema.
Allerdings glaubte ich, „Meitschi“ hiesse in anderen Regionen „Mäitli“ oder so.
Dezember 6th, 2005 at 16:01
Quakfrosch Says:
Ich sprühs an jede Wand: „Gritibänz, Weckmann, Stutenkerl braucht das Land!“
Dezember 6th, 2005 at 18:54
Allerdings glaubte ich, „Meitschi“ hiesse in anderen Regionen „Mäitli“ oder so.
„Maitli“, „Meitli“, „Maiteli“… 😉
Dezember 7th, 2005 at 17:52
Hmmm, das bringt mich auf die Idee, Grittibänzen zu backen…
Dezember 8th, 2005 at 1:28
Ich als AlleJahreWieder -Samichlaus will euch Kulturinteressierten nun noch erzählen, was gutschweizerisch denn am Abend so abgeht mit den Kids.
Erst wird oderntlich laut an die Tür geklopft, worauf die Kinder erschrocken erwartungsfroh kucken und ich mit Sack erst mal da reingehe. Dann tritt jedes Kind an, es wird ihm ordentlich die Leviten gelesen, wenn’s dann wirklich schlimm war, sagen wir: „Du überchunsch e Fitze!“ Weiss nicht, was Fitze ist in Hochdeutsch, vielleicht weiss es Helge, aber auf jeden Fall ist das so ein Strauss aus dünnen Ästen, die dem bösen Kinde vorzugsweise bei Unartigkeiten über den Allerwertesten gezogen werden. Habe allerdings noch nie gehört, dass ein Kind tatsächlich eine Fitze bekommen hat.
Anschliessend wird das Kind zum Samichlausversliaufsagen verdonnert, was alle Kinder nervt. Manchmal gibts trotzdem eins: Ich durfte mir gestern anhören: „Samichlaus du Superman, ich bin halt en Schmutzlifan!“ Scheissbart, ich musste so lachen.
Dann leert man den ordentlich gefüllten Sack aus (Mandarinen, Lebkuchen, Nüsse, Schoggi) und erzählt, dass man nun noch viele andere Kinder besuchen muss, was natürlich nicht stimmt.
Dezember 8th, 2005 at 9:26
Der „Grittibänz“ wird in unserer Gegend auch „Elggerma“ genannt.
Dezember 8th, 2005 at 9:39
Hallo Karin,
lies den Artikel noch mal langsam:
„In Zürich und im Thurgau heisst das Pendent zum Gritibänz “Elggermann”. Nach der Legende hat ein geschäftiger Bäcker aus der Gemeinde Elgg diesen Teigartikel hergestellt und auf den Märkten der Umgebung erfolgreich verkauft“
Lesen hilft!
Gruss, Jens
Dezember 17th, 2005 at 0:14
Kürzlich fiel mir auf, dass es auf Schweizerdeutsch keinen Ausdruck für „Weihnachtsmann“ gibt. „Wiehnechts-Maa“ klingt überaus künstlich.
Trotz aller vorwiegend amerikanischen Marketing-Bräuche, die den „Santa Claus“ (vom niederländischen „Sinterklaas“: http://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Claus) mit Weihnachten vermischen, gehört unser Samichlaus zum 6. Dezember und das Christkind zu Weihnachten. Also anders als beim „Weihnachtsmann“, „Babbo Natale“ oder „Père Noël“
Übrigens haben wir auch kenen „2. Weihnachtstag“, sondern den Berchtholdstag (Namenstag: Berchthold – analog Stephanstag am 2. Januar), sprich „Bärzelistag“
In Ergänzung zu Steff:
eine „Fitze“ oder je nach Dialekt „Ruete“ ist eine Rute aus Weidenzweigen, die tatsächlich als Schlaginstrument gebraucht ward; seit antiautoritärer Erziehung und Menschenrechtskonventionen aus den Haushalten und Schulzimmern verschwunden.
Dezember 17th, 2005 at 12:49
„Weckmann“ ist nicht unbedingt süddeutsch, sondern eher rheiinländisch. Im Badischen heißt der Grittibänz Dampedei.
http://www.bettybossi.ch/de/schwerpunkt/iwb_spkt_reze.asp
Dezember 19th, 2005 at 16:59
Ich muss mich selbst korrigieren: Es ist natürlich umgekehrt, der „2. Weihnachtstag“ ist der Stephanstag und der 2. Januar heisst Berchtholdstag. Hat das niemand bemerkt? Meine eigenen Texte nochmals durchlesen lohnt sich manchmal.
Mai 12th, 2006 at 23:20
Und wenn man hier schon vom Essen redet. In Bern gibts denn Bärner Müntschi (Berner Kuss) zum essen und zum trinken kaufen.
Mai 13th, 2006 at 17:57
und an wehnachten kommt das christchindli
September 14th, 2006 at 10:36
LACH
super witzige Beiträge
Der Weihnachtsmann ist eine Erfindung (Marketing-Strategie) von Coca-Cola. Den gibt es also erst seit 100 Jahren. Zu streng gläubigen kommt immer noch das Christkind!
Liebe Grüsse
Sylvie
Dezember 6th, 2006 at 13:45
Bringewer doch mal en annere Dialäkt ins Spil: Im Wallis nennt schich der „Grittibänz“ nämmli Brotgöich! Und schini Fröi heisst Brottampa.
Grüessji
November 23rd, 2007 at 19:24
im sundgau heisst der grättimann männele pder bonhomme.
Dezember 9th, 2007 at 14:18
mir wurde übrigens gerade von einer Basler Kollegin erzählt, den Kindern würde erzählt, der Samichlaus käme aus dem Schwarzwald und wenn sie nicht brav seien, würde er sie für ein Jahr mit dorthin nehmen. Das badische Pendant zum Gritibänz würde ich sprachlich eher als „Dambedei“ bezeichnen.
Dezember 6th, 2013 at 13:57
Warum heisst der Nikolaus in der deutschsprachigen Schweiz überhaupt Samichlaus?
Hier eine mögliche Erklärung: http://www.keltoi.ch/samichlaus.html