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Geiz ist nicht geil — Sind Deutsche geizig?

(reload vom 6.4.06)

  • Geiz ist geil
  • Die ehemalige „Geiz ist geil“ Werbung des Saturn-Markts in Deutschland drückte für viel Schweizer genau das aus, was sie schon immer über die Deutschen dachten: Deutsche sind geizig und kleinlich beim Geldausgeben. Was stimmt an dieser Behauptung und was nicht?

  • Sehen sich die Deutschen selbst als geizig?
  • Interessant ist vielleicht zunächst mal die Selbstwahrnehmung der Deutschen. Sie sprechen zwar von „geizigen Schotten“, oder von „sparsamen Schwaben“, aber sich selbst mit dem Wörtchen „Geiz“ in Verbindung bringen, auf diese Idee würde sicherlich kein Deutscher kommen. Das Phänomen der sparsamen Schwaben, die den privaten „Häuslesbau“ anstreben, ist ein Faktum, das man nicht nur im Musterländle Baden-Württemberg beobachten kann. Auch die Friesen in der Norddeutschen Tiefebene bauen an ihrem Eigenheim, sofern es finanziell irgendwie machbar ist.

    Arm sind die Deutschen schon, im Vergleich zu den Schweizern. Denn es herrscht eine wesentlich höhere Arbeitslosigkeit, dementsprechend natürlich auch Unsicherheit und Zukunftsangst. Vielleicht ist darum eine Werbung wie „Geiz ist geil“ so erfolgreich. Denn nun kann man seine persönlichen Finanzprobleme damit kaschieren, dass man sich offiziell als „geizig“ bezeichnet und damit erst auch noch ein positives Image gewinnt.

  • Schnäppchenjäger beidseits des Rheins
  • Die Jagd nach Billigangeboten bei Aldi, Plus und Edeka ist eine Beschäftigung, die nicht nur die Deutschen lieben. Auch in der Schweiz ist es grosse Mode, nur „Aktion“ oder „Budget“ bei Migros zu kaufen. Was wir jedoch als Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz beobachtet haben, ist die Höhe der Lock-Rabatte: In der Schweiz sind 5% – 10% Rabatt schon ein Argument, einen weiten Weg in Kauf zu nehmen, in Deutschland müssen es schon 20% – 50% sein, die einen Käufer locken. Konkretes Beispiel dazu: Unser altes Fitnesscenter in Süddeutschland verlangte für den Ehepartner nur noch 50% der Jahrsbeitrags, in Zürich waren maximal 10% Ermässigung denkbar.

  • Beim Essengehen für alle bezahlen
  • Etwas, das die Deutschen nicht kennen, was wir aber in Frankreich kennengelernt haben, ist die Gewohntheit, beim Essen nicht „getrennte Kasse“ zu machen, sondern einen für alle zahlen zu lassen. Mit der Gewissheit, dass es beim nächsten Mal andersherum sein wird.

    Nun, vielleicht gehen Deutsche nicht so oft essen, und wenn, dann mit der Familie und nicht mit Freunden, wo sie in diese Situation kommen könnten. Das „Essengehen“ ist in Deutschland etwas für den Sonntag, wenn man Familienbesuch hat, oder sich die Küchenarbeit sparen möchte. Ein Ding der Unmöglichkeit in der Zürcher Agglomeration, denn Sonntags haben fast alle Restaurants geschlossen.

    Darum beobachten wir in der Schweiz das grosse Staunen, wenn plötzlich Freunde aus Deutschland jeder für sich im Restaurant zu zahlen beginnen. Es fehlt die Gewohnheit, es fehlt die Erfahrung: Beim nächsten Mal werde ich dann eingeladen. Deutschschweizer haben unserer Beobachtung nach diese Angewohnheit von den Romands und damit den Franzosen übernommen. Geht es aber um das gemeinsame Mittagessen unter Kollegen im Stammrestaurant um die Ecke, dann ist es völlig normal, dass jeder selbst für sich zahlt: „Sali-z’amme“ für „Das zahl ich jetzt alles zusammen“ hatten wir schon erläutert (vgl. Blogwiese)

  • Das geht auf meinen Deckel
  • In Deutschen Kneipen gibt es für so was einen Bierdeckel, auf dem die getrunkenen Biere per Strich notiert werden, und wenn jemand eine Runde ausgeben möchte, sagt er einfach „das geht auf meinen Deckel“. Ist ein Deutscher knapp bei Kasse, bekommt der Deckel seinen Namen und wird vom Kneipenwirt verwahrt bis zum nächsten Besuch. Das klappt aber nur, wenn man sehr guter Stammkunde ist.
    Die Engländer pflegen ihre Biere direkt an der Theke mit Bargeld zu kaufen. So ist jeder mal dran, eine Runde für alle zu besorgen und keiner bezahlt nur sein eigenes Bier.

  • Die Schweizer mögen keine Preisvergleiche
  • Es nervt die Schweizer an den Deutschen das ständige Gerede über Preise, Preisvergleiche und ihr Entsetzen, wie teuer alles in der Schweiz ist. Die Schweizer stören die Nachteile der „Hochpreisinsel“ Schweiz aber auch selbst, weil hier durch künstliche Importzölle und einem ausgeklügelten Reglement bei der Einfuhr von Waren der Binnenmarkt geschützt werden soll. Nimmt man alle Einkäufe, die Schweizer in grenznahen Supermärkten durchführen, zusammen als eine fiktive Handelskette, dann ist diese heute bereits mit ihrem Umsatzvolumen an dritter Stelle nach Migros und Coop, zu finden, gefolgt vom Denner. Vor ein paar Jahren war Denner noch auf Platz Drei.

  • Dann bin ich halt blöd und kaufe bei Volg
  • Auffallend war die Anti-Media-Markt Werbung von der Handelskette Volg: „Dann bin ich halt blöd„, mit der für den Einkauf im vergleichsweise teuren aber nahen Schweizer Einzelhandel geworben wird. Sie spielt damit direkt an auf den Media-Markt-Slogan „Ich bin doch nicht blöd“. Die Aussage „dann bin ich halt blöd“ auf den Werbeplakaten für den Einkauf bei Volg ist übrigens ironisch gemeint, nur falls das hier ein Leser aus Deutschland nicht mitbekommen haben sollte. In Wirklichkeit ist der Einkauf bei Volg nämlich für einen Schweizer eine extrem clevere Angelegenheit: Kurze Weg (es gibt fast überall in der Deutschschweiz einen Volg) und gute Preise, die das Bruttosozialprodukt steigern helfen. Blöd ist das bestimmt nicht.

    „Volg“ ist übrigens kein falsch geschriebenes „Volk“, sondern steht urprünglich für „Verein Ostschweizerischer Landwirtschaftlicher Genossenschaften“.

  • In Zürich fährt man schwarze und dunkle Autos
  • Wir glauben, dass die Ausgabefreudigkeit oder der Geiz von Deutschen und Schweizern gleichermassen direkt mit der persönlichen finanziellen Situation gekoppelt ist. Beide geben zum Beispiel gern ordentlich Geld für ein attraktives Auto aus, ob sie es sich nun leisten können oder nicht, um an Selbstwertgefühl und Prestige bei den Kollegen und Nachbarn zu gewinnen. Spötter meinen, im Raum Zürich müssen solche Autos grundsätzlich Schwarz oder Dunkelblau sein, um etwas zu gelten. Wir können das nicht beweisen, fanden aber in zahlreichen Firmengaragen überwiegend diese Farben.

  • Nur die Schwaben sind wirklich sparsam
  • Dort im Schwabenland lernten wir die „Schwäbische Einladung“ kennen:

    „Kommen Sie doch einfach nach dem Kaffee zu uns, damit Sie zum Nachtessen wieder daheim sind!“

    Und wussten Sie auch schon, was die Schwaben mit dem Opa machen, wenn er verstorben ist? Na ganz einfach: Der wird eingeäschert und kommt in eine Sanduhr, damit er noch „ebbes schafft“.

    

    12 Responses to “Geiz ist nicht geil — Sind Deutsche geizig?”

    1. Christian Says:

      Wer kennt denn die Geschichte, wie der Kupferdraht erfunden wurde?
      Vor vielen, vielen Monden fand ein Schwabe einen herrenlosen Pfennig auf der Strasse. Ein anderer Schwabe sah dies und reklamierte Selbigen für sich. Da sich beide nicht einigen konnten, stritten sie und zogen so lang an dem Pfennig, bis sich dieser verformte und siehe da: Der Kupferdraht war geboren.
      Hajo, des isch so g’wese.

    2. Anne Messerli Says:

      Apropos Essengehen mit Freunden:
      Wir – d.h. ältere Generation – machen’s so, dass wir alles auf eine Rechnung schreiben lassen und dann durch Beteiligte dividieren; egal, ob einer ein Dessert mehr oder weniger gehabt hat.
      Bewusst „profitiert“ hat dabei noch keiner.

    3. ch.atzefrey Says:

      @Anne Messerli

      Ja das schätze ich besonders. Ich bestelle aus Kostengründen (bin kein Banker) etwas Günstiges, verklemme mir vielleicht angesichts des Kassastandes gar den gemischten Salat, auf den ich Lust hätte – und am Schluss sagen die, welche sich schon einen teuren Apéro, dann den Spezialsalat und einen teuren Hauptgang etc. genehmigten, fröhlich: Ach, zählen sie sie doch einfach alles zusammen und teilens dann durch acht!

    4. ch.atzefrey Says:

      @ch.atzefrey

      Das gibts auch in Spanien, jedenfalls in Catalunya, wo meine Tochter und mein Schwiegersohn zurzeit studienhalber für 3 Jahre weilen. Als überzeugte Vegetarier im Fleischland Spanien haben sie es schwer, behauptet man doch in der Mehrzahl der Restaurants im Brustton der Überzeugung, auf dem Salatteller werde es garantiert weder Fleisch noch Fisch haben.

      Und was wird serviert: In der Mitte viel Wurstsalat oder Thonsalat und darum herum je ein kleines bisschen Maissalat und Kartoffelsalat, 1 Tomatenschnitz und 1 grünes Salatblatt.

      Gehen meine Tochter und ihr Mann mit dem Uni-Institut oder sonst Freunden in ein Restaurant, gibt es dort oft gar nichts Vegetarisches als das bekannte Stück Brot, über das mit einer halben Tomate hin und her gerieben wurde, dann Salz und ein paar Tropfen Olivenöl drüber. Das schmeckt zwar gut, aber nicht mehr so sehr, wenn man es sehr oft und ausschliesslich serviert bekommt.

      Und dann kommt das dicke Ende: Alle andern haben sich üppig mit Fleisch vollgestopft, die Rechnung wird durch Anzahl Personen geteilt und meine beiden Vegetarier müssen für ihr Tomatenspurenbrot allen andern das Fleischmenü, auf das sie aus ethischen Gründen verzichtet haben, subventionieren.

    5. Simone Says:

      @Zürcher:
      Nicht jeder Deutsche ist ein Sauschwab…schön gedichtet! Dünnes Bier gibt es aber eigentlich nur in Schweden, das so genannte „Lätt öl“. Wenn Sie noch ein wenig weiterdichten, bringe ich Ihnen zur Belohnung bei, wir man Bier mit Borte zapft.

    6. Helza Says:

      Ich habe einige liebe Freunde in Deutschland, die ich hin und wieder sehe. Nachdem wir uns das Neueste erzählt und uns ausgetauscht haben, könnte man eigentlich über irgend ein interessantes Thema reden. Doch das funktioniert nie, leider. Über kurz oder lang fängt eine oder einer an, über Preise zu reden, was in welcher Qualität wo wieviel kostet und der Nachmittag oder Abend ist futsch. Meistens sind dann auch noch fanatische Selbermacher und Heimwerker dabei und dann wird es zur endlosen Geschichte. Wie man sich am besten und billigsten den Fachmann spart, die Fliesen selber verlegt, das Auto repariert, auf dem Computer irgendwelche Freeware installiert (bis zum Absturz). Und dabei habe ich nicht den Eindruck, dass die Leute am Hungertuch nagen oder sonstwie knapp bei Kasse sind, das ist eine Grundhaltung, die wohl genetisch bedingt ist. Bloss nicht zu viel für etwas bezahlen, diese Schande würden sie niemals überleben …

    7. Helza Says:

      @chatzefrey: ich glaube nicht, dass Dein Nachwuchs sehr beliebt ist, diese fanatischen Asketen strahlen meist eine totale Lustfeindlichkeit aus und killen jede frohe (Schlemmer-)Runde. Wenn sie kein Fleisch mögen, ist das ihre Sache, die anderen aber deswegen zu diskreditieren finde ich schon etwas stark. Wer Fleisch oder Fisch isst, stopft sich nicht unbedingt voll und ist in der Mehrheit, also alles andere als anormal. Also würde Dein Nachwuchs wohl am besten allein essen gehen. Und es stimmt nicht, dass es in Spanien nur Fleisch oder Fisch gibt. Pan y tomate ist ein gesunder Snack, eine feine Torilla ist eine komplette Mahlzeit. Oder essen die sogar keine Eier? Dann sollten sie wohl dringend ein paar Multivitaminpillen einwerfen. Dann gibt es noch die grossen Pilze, mit Knoblauch gefüllt und gegrillt oder man geht zum Italiener und isst Pizza oder Pasta mit Tomatensauce. Und auf den Märkten gibt es Gemüse satt, am besten machen sie sich ihren Salat halt selber.

    8. Brun(o)egg Says:

      Schon nicht gerade grosse Küchenkultur ausser vieleicht „bei muttern. Wie überall auf dieser Welt. Aber da kommt man als Touri eher nicht dran.
      Aber etwas beleibt unerreicht: Die Vielfalt von Tappas, von denen wir uns bei Besuchen in Spanien fast ausschliesslich ernähren

    9. Michael Says:

      „Zuercher“, Geltungsbedürfnis?
      Ihr „gibbs“ ist pures Norddeutschland, inklusive Currywurst. Derjenige der sich hier über andere Orte beschwert sind vor allem Sie.

      Und weder ist Sparsamkeit eine deutsche Spezialität, wer mal in den USA gelebt hat weiss das, noch gibt es meckernde peinliche Touris nur aus dem Rheinland. Es gibt nicht umsonst zB den Begriff des „Ugly American“ der immer sagt „It’s better in the states“ – was er zB auch sagt wenn er in der Schweiz Urlaub macht.

      Ein durch und durch gebildeter Herr wie Sie wird ja auch des Englischen mächtig sein:

      „The Encarta dictionary defines „Ugly American“ as: stereotypical offensive American: a loud, boorish, nationalistic American, especially one traveling abroad, who is regarded as conforming to a stereotype that gives Americans a bad reputation.[12] In contrast, Dictionary.com defines „the Ugly American“ as: Pejorative term for Americans traveling or living abroad who remain ignorant of local culture and judge everything by American standards.“

      http://en.wikipedia.org/wiki/Ugly_American

      Vielleicht ist es Zeit für einen „Ugly_Swiss“ Artikel, der muss aber dann natürlich „Swissness“ heißen.

    10. [Helza Says:

      Soeben im ZDF gesehen: ein Beitrag über ein Restaurant in London, das keine Preise auf die Karte setzt und die Leute zahlen, was sie wollen oder für angemessen halten. Die Rechnung scheint für den Wirt aufzugehen, die Leute würden sich schämen, allzu geizig zu erscheinen und deshalb so viel bezahlen, dass es sich über alles rechnet. Das Lokal ist jeden Mittag proppenvoll. In Deutschland würde dieser Wirt innert einer Woche Konkurs anmelden müssen.

      [Anmerkung Admin: Diese Idee hatte ein korsischer Kommunisten-Koch in Paris vor 30 Jahren auch schon, hat aber nur 1-2 Jahre durchgehalten, dann war er total pleite. Zu viele Leute haben nicht bezahlt. Man durfte das Geld am Ausgang diskret in eine Schublade legen. Doch da haben sich dann immer mehr bedient, statt zu bezahlen. ]

    11. Michael Says:

      @Helza

      Berlin ist also nicht in Deutschland?

      Da gibt es das schon in verschiedenster Form, als Esslokal oder hier die sog. „Weinerei“:

      http://www.neon.de/kat/kaufen/reise/berlin/124740.html

      Ihr Kommentar geht also in die stereotype Ablage „Keine Ahnung, aber alles was schlecht ist muss ja einfach irgendwie DOITSCH sein weil man sich da am liebsten reinsteigert“…
      Mann oh Mann, keine Ahnung aber dafür umso größere Klappe.

    12. Fischkopp Says:

      Ich bezweifel das „Ein Zuercher“ auch wirklich ein Zuercher ist! Oder überhaupt ein Schweizer!
      Dafür ist sein „Vokabular“ zu „exorbitat“ und seine Schauze zu groß!