Was wir als Deutsche in der Schweiz vermissen (Teil 3) — Die Bierkultur
(reload vom 7.4.06)
In Deutschland gibt es praktisch in jeder Stadt eine andere Biersorte zu geniessen. Die Kölner trinken „Kölsch“, die Düsseldorfer „Alt“. Wenn Sie mal richtig Spass haben wollen in einer Kneipe der Kölner Altstadt, dann bestellen Sie lautstark, so das alle anwesenden Jecken es hören können, „eine Runde Alt für alle“.
Die Schwarzwälder trinken „Tannenzäpfchen“ oder unser Lieblingsbier, frisches „Alpirsbacher“ vom Fass. Die Bayern lieben Paulaner oder Weizenbier, bei dem es eine Kunst und Wissenschaft für sich ist, die Flasche schnell und mit Schwung so kopfüber ins hohe Weizenbierglas zu stellen, dass sie sich entleert ohne dabei allzuviel Schaum zu bilden.
Ganz oben an der Grenze zu Dänemark in Flensburg werden sie nicht umhin kommen, ein „Flens“ zu trinken, das aus der Bügelflasche, die so schön „plopp“ macht.
Diese Bierflasche wurde übrigens zum Verkaufsschlager auf Grund des „Werner“ Comix, weil dort permanent nur Bier aus Bügelflaschen gekippt wird. Nur handelte es sich hierbei nicht um die Sorte Flens (danke für die Hinweise in den Kommentaren!).
Berühmtes Zitat aus der Werner-Welt:
„Werner, Bölkstoff is‘ alle, sach mal Bescheid..“ Werner geht zur Theke und sagt: „Bescheid“. Werner kommt zurück und die Kumpels fragen ihn: „Na, hasse Bescheid gesagt?“. Antwort: „Na klar, man“
Ja, das vermissen wir manchmal in der Schweiz: Die Deutsche Biervielfalt. Obwohl man sie selten richtig geniessen kann, denn dort wo sie sich gerade befinden in Deutschland, von dort weden sie auch das Bier kredenzt bekommen. Die Deutschen nehmen sich Zeit zum Biertrinken. Und sie sind sehr skeptisch, wenn nach einer Bestellung in zu kurzer Zeit das Bier bereits serviert wird. Denn das lernen die Deutschen, sobald sie eine „Tulpe“ (so heisst das Bierglas wegen seiner Form) halten können: „Ein Pils dauert 6 Minuten“.
Schneller geht das nicht mit dem Zapfen, denn das Bier muss sich ja mit dem Schaum erst setzen können und die Deutschen schätzen eine schön geformte „Krone“ auf dem Glas. Anders als die Engländer, die ihr Glas immer bis zum Überlaufen gefüllt haben möchten und sich sonst vom Wirt betrogen fühlen. Wenn das Bier doch schneller serviert wird als in sechs Minuten, ist es entweder abgestanden oder der Wirt hat verschwenderisch die Hälfe daneben gehen lassen, statt die nötige Geduld aufzubringen.
Dazu gibt es einen alten Witz aus Helmut Kohls Regierungszeit:
Die Staatsoberhäupter Europas sind bei einem Scheich im Orient zu Gast. Der Scheich macht eine Führung durch seine Besitztümer und sie kommen schliesslich zu einem wunderschönen, vergoldeten Swimming-Pool ohne Wasser, aber mit Sprungturm. Der Scheich erklärt den erstaunten Gästen, das es sich hier um einen magischen Pool handelt. Man können vom Sprungturm aus hineinspringen, nachdem man einen Getränkewunsch geäussert habe, und schon füllt sich das Becken mit der gewünschten Flüssigkeit.
Mitterand macht den Anfang, klettert auf den Turm und sagt: „Champagner“ und springt. Das Becken ist sofort mit prickelndem Schampus gefüllt. Als nächstes klettert Craxi (Italien) auf den Turm und sagt: „Vino Rosso“, und sofort füllt alter italienischer Edelwein das Becken. Es folgen einige weitere Staatsoberhäupter, und schliesslich ist Kohl an der Reihe. Er klettert auf den Turm, sagt „Pils“ und springt. Prompt knallt er unten auf den harten Beckenboden, worauf eine Stimme aus dem Off ertönt: „Pils dauert 6 Minuten“…
Es gibt dann noch einen zweiten Teil, bei dem Kohl vor lauter Überlegen schliesslich das Gleichgewicht verliert, fällt, und im Fallen „Scheisse“ ruft, aber den lassen wir jetzt weg. Keine Witze über den Vater der Deutschen Einheit bitte.
Denn Bierbrauen ist eines der ganz seltenen noch existierenden „Polypole“, was bedeutet: Viele kleine Anbieter teilen sich den Markt, die umsatzstärksten Brauerein haben zusammen nur einen geringen Marktanteil. Anders als in Skandinavien, wo Carlsberg 1970 den letzten Konkurrenten Tuborg schluckte und seitdem praktisch den Markt allein dominiert. Zu Carlsberg gehören heute die folgenden Marken in Deutschland und der Schweiz:
* Holsten Pils
* Astra, Hamburg
* Feldschlösschen in Braunschweig, Dresden und Rheinfelden AG (Marktführer in der Schweiz)
* Hannen Alt, Mönchengladbach
* Landskron, Görlitz
* Lübzer, Lübz
* Cardinal Lager, Freiburg im Üechtland (Schweiz)
(Quelle: Wiki)
Der Trend geht also auch in Deutschland dahin, dass immer mehr kleine Brauereien von grossen Anbietern wie z. B. Carlsberg geschluckt werden. Sie behalten pro forma ihren Namen, gehören aber zu grossen Bier-Konzernen.
Es ist übrigens auch ein Gerücht, dass die Deutschen viel Bier trinken. An erster Stelle kommt in Deutschland der Kaffee, der dünner und häufiger pro Tag getrunken wird, als Bier, rein vom Volumen her:
Was trinken die Deutschen am liebsten? Kaffee ist mit insgesamt 151 Litern pro Jahr Dauerspitzenreiter beim Verzehr. Mineralwässer – vor allem kohlensäurearme Sorten – wurden im letzten Jahr deutlich mehr konsumiert (135 Liter) und verbannen das Bier (118 Liter) auf Platz drei der Rangliste.
(Quelle: fitforum.msn.de)
Zusätzlich zu den grossen Brauereien, wie z. B. die Ganter-Brauerei in Freiburg im Breisgau, gibt es zahlreiche kleine Lokalbrauereien, die das Bier in geringer Menge nur für die eigenen Gäste brauen. Wir beobachten in Deutschland, dass die hohe Anzahl solcher lokaler Brauereien oft den Rückschluss zulässt, dass die eigentliche Marke im Ort nicht so beliebt ist. Eigentlich sollte ja nix drin sein im Bier, ausser Hopfen, Malz und Wasser, gemäss dem Reinheitsgebot:
Das bayerische Reinheitsgebot wurde am 23. April 1516 von dem bayerischen Herzog Wilhelm IV. (Bayern) in Ingolstadt erlassen. Dieser Erlass regulierte einerseits die Preise, andererseits die Inhaltsstoffe des Bieres. Es galt bis 1998 als das älteste Lebensmittelgesetz.
(…)
Das bayerische Reinheitsgebot war nicht das erste Gesetz seiner Art: Von folgenden Städten ist ein Erlass überliefert, der die Qualität des Bieres betraf: Augsburg (1156), Nürnberg (1293), Erfurt (1351), München (1363), Landshut (1409), Weißensee in Thüringen (1434), Regensburg (1447), Eichstätt (1507). Einige dieser Verordnungen wurden erst in den letzten Jahrzehnten wieder entdeckt. Es ist wahrscheinlich, dass in vielen Fällen keine Zeugnisse mehr erhalten sind und diese Liste deshalb nur exemplarischen Charakter hat.
(Quelle: Wiki)
Dennoch gab es in den letzten 500 Jahren auch beim Bier den ein oder anderen Skandal wegen unerlaubter Zusatzstoffe im Gerstensaft, was aber die Freude der Deutschen an diesem Getränk nicht wesentlich trüben konnte. Bekanntlich trinken die Deutschen ihre Bier nicht stangenweise, wie die Schweizer, sondern lieber in Massen, aus einer „Mass“ genauer gesagt.
Ach, jetzt vermissen wir plötzlich das Deutsche Scharf-ß, denn ohne dies sieht es ja so aus, als ob die Deutschen nur in grossen Menschenmassen Bier trinken würden! Solches passiert vorwiegend in München, auf dem Oktoberfest. Aber das ist ja definitiv nicht in Deutschland, sondern im „Freistaat Bayern„.
Bayern ist übrigens ein dreisprachiges Land:
Gesprochen werden mehrere Dialekte aus drei großen Dialektfamilien:
Bairisch im Großteil des Landes (Nord- und Mittelbairisch, am Rand zu Tirol auch Südbairisch)
Fränkisch von etwa 3 Millionen im nördlichen und westlichen Landesteil
Alemannisch von 2 Millionen Schwaben im Westen
(Quelle Wiki)
Aber jetzt kommen wir wirklich zu weit vom Thema ab, Bayern ist nicht unser Bier. Und ein solches werden wir jetzt trinken. Prost!
März 9th, 2009 at 10:09
Hallo Jens,
waren es nicht 7 Minuten? Dies ist aber ein alte Stammtisch Weisheit die heute keine Gültigkeit hat aufgrund moderner Zapfanlagen.
Siehe
http://www.bierundwir.de/sorten/pils.htm
März 9th, 2009 at 10:35
Also wenn, dann bestellen die Schwarwälder ein Rothauser Tannenzäpfle
mit dem feschen Maidle auf der Etikette.
Tannenzäpfchen geht gar nicht, unter Zäpfchen versteht man dort etwas anderes…
März 9th, 2009 at 11:02
Zur Bierkultur: Hier die vielleicht originellste Werbekampagne für Hamburgs Kiezikone, dessen Plakate immer Stadtgespräch sind, sobald ein Neues hängt.
http://www.flickr.com/photos/8260540@N04/sets/72157600211075902/
März 9th, 2009 at 11:07
Paulaner ist nicht das Lieblingsbier der Bayern. Das Lieblingsbier ist das unspektakuläre Augustiner Hell (nicht das goldgeschmückte Edelstoff); es ist so beliebt, dass keine Werbung dafür gemacht werden muss. Auch Tegernseer Hell erfreut sich grosser Beliebtheit.
März 9th, 2009 at 11:16
Wie Bitte?
Schon wieder einer der glaubt Schweizer Bierkultur besteht aus Feldschlössen, Eichhoh, Cardinal und Calanda? Mal davon abgesehen dass Deutschland alleine durch die Grösse mehr Biere „besitzen“ muss….
http://www.sengers.ch/themen/bier/frames/bier.asp
März 9th, 2009 at 13:23
Also ich kann dir nur schon im Kanton Bern und Umgebung einige nennen:
Egger Bier, Rugenbräu, Felsenau, Aare Bier, Burgdorfer, Ölfi Bräu, Tramdepot.
Klar hat Feldschlösschen und Eichhof viele kleine Brauereien wie Cardinal und Gurten Bier geschluckt – aber trotzdem gibts meiner Meinung nach eine grosse Vielfalt…
März 9th, 2009 at 13:24
da gebe ich dir recht jens, was in der schweiz als bier ausgeschenkt wird ist nicht das ware…und ausser ein paar kleine brauereien die spezialitäten herstellen trinken wir einheitsbier!
März 9th, 2009 at 13:44
Das Bier aus den Werner Comics heisst zwar Bölkstoff, was aber umgangssprachlich Norddeutsch für Bier steht. Die Comics sind zum grossen Teil Autobiographisch, Pate für den Bölkstoff hat wirklich das Flens gestanden.
Gruss aus Zürich (von einem gebürtigen Flensburger)
http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_(Comic)
März 10th, 2009 at 6:32
Es gibt kein beliebtester Bier in Bayern, da man in Bayern in jedem Ort mind. eine Brauerei findet und die Einheimischen eben das jeweilige Bier – nach ihrem Geschmack gebraut – trinken. BESTIMMT aber kein Paulaner. Wobei selbst die Paulaner-Werbung inzwischen ja den Norddeutschen schon beibringt dass es kein „Weizenbier“ gibt, sondern nur Weissbier. Und den „Freistaat Bayern“ muss man nicht in Klammern setzen, er heißt eben so. Die Mass ist nichts „vorwiegendes“ von der Wiesn sondern die ganz normale Biergröße in jedem Biergarten. Geht man in einen beliebigen Biergarten, der in Bayern nicht aus einem Coca-Cola Sonnenschirm über weißen Plastikstühlen besteht, und bestellt ein „Helles“ dann kriegt man eine Mass Weissbier. Die Schreibweise mit Mass ist für Preußen wohl eh besser, dann sprechen sie es vielleicht endlich richtig aus („Masssss“ nicht „Maaaaaaaaaas“).
Die Bierkultur besteht außerdem nicht nur aus Alkohol. Zum Beispiel ist das Spezi nicht einfach ein Begriff für eine Mischung aus Cola und Limo wie man in Norddeutschland immer meint sondern der Markenname einer Limo aus Augsburg, wo das Spezi vor 50 Jahren von der Brauerei Riegel ursprünglich als „Spezialbier“ (dann zu Spezi abgekürzt) erfunden wurde. Sowas finden wir zB in den USA auch, dort hat das sog. „Root Beer“ mit Alkohol auch rein gar nichts zu tun.
Man sollte einen Blogeintrag nicht aufgrund von purem Hörensagen und Klischees verfassen, da fragt man sich wie fundiert die anderen Blogeinträge sein können?
März 10th, 2009 at 9:46
ein lichtblick in der schweizer bierlandschaft sind die vielen kleinen brauereien. carlsberg und feldschlösschen würde ich nicht mal trinken, wenns gratis wäre. dazu kommt, dass sich die carlsberg-mafia während der euro in basel aufgeführt hat wie eine besatzungsmacht. ich stehe auf weissbier. dieses wird zwar von calanda produziert, aber versuch mal eine flasche davon in basel zu kaufen.
März 10th, 2009 at 9:51
Der Basler aus Brunegg empfiehlt Ueli Bier. Im minderen Basel an der Rheingasse. Da kommen dem härtesten deutschen Biertrinker die Tränen!
Vor Lust natürlich.
Und dann gibst da noch Wädenswiler. Kenn ich zwar nicht aber sehr speziell sein. Und einige ander kleine Brauereien.
Und wenn ich in Bayern bin vermisss ich das Kölsche. „Kööbes, noch eins!“
März 10th, 2009 at 12:56
Es heisst Zäpfle, allerhöchstes Tannenzäpfle.
März 12th, 2009 at 10:06
„Panaché“ ist in Deutschland ein „Radler“.
Der Spezi ist/war nördlich des Weißwurstäquators meistens als „Kalter Kaffee“ bekannt. Coca Cola hat ihn unter dem Markennamen „Mezzo Mix“ auf den Markt gebracht.
„Nuttendiesel“ ist in Deutschland ein Synonym für (meist billiges) Parfüm.
Januar 5th, 2010 at 13:35
Sorry, aber man spricht in Bayern nicht nord-, mittel- oder südbayrisch. Das gibt es alles gar nicht.
Man spricht altbayrisch, niederbayrisch….usw usf.
Paulaner trinkt ein Bayer freiwillig nur selten.
Aber probiert doch mal, wenn ihr es irgendwo bekommt:
Karg, Unertl, Kloster Reutberg, Andechser…
Viel Spaß & Prost!
Januar 29th, 2010 at 18:16
Wieso bekommt man kein Pilsener in der Schweiz?
Es existiert ein Abkommen zwischen der Schweiz und Tschechien, nach welchen sich die Schweiz verplichtet, die Bezeichnung Pilsener zu schützen, dafür verwenden die Tschechen die Bezeichnung Emmentaler nicht für ihren Käse.
September 27th, 2010 at 14:22
@tom
Ach so ein Abkommen gibt es. Lustig irgendwie. So versucht jedes Land seine Marken und die Industrie zu schützen.