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Verunmöglichen Sie doch mal das Verhühnern einer Verzeigung

(reload vom 1.04.06)

  • Verzeigungen und andere Spezialitäten mit „ver“
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 19.03.06

    Die Verzeigungen wegen Cannabis-Konsum nehmen von Jahr zu Jahr zu.

    Verzeigungen

    Jetzt haben wir dieses Wort schon so oft gelesen, und wissen genau, dass man in der Schweiz nicht nach Canossa gehen muss, im Büsserhemd wie einst Heinrich IV, um Busse zu tun, falls man auf Grund von „fehlbarem“ Verhalten verzeigt wurde und eine „Busse“ auferlegt bekam, sondern dass dann eher an Bezahlung in bar oder per Überweisung gedacht ist.

    Und dennoch können wir uns nicht ganz Abfinden mit den „Verzeigungen“, denn wer zeigt da eigentlich auf was, und kann man die Verzeigungen auch verzeihen, oder sprengt das jegliche sprachliche Auffassungsgabe? Die Schweizer haben da noch ein wunderbares Wort dafür, wenn etwas „unmöglich“ gemacht wird, dann wird es schlicht und einfach „verunmöglicht“.

    Fragen wir doch das Variantenwörterbuch des Deutschen:

    Verzeigung CH die;-,-en (Recht): ‚Strafanzeige’:
    132 Lenker wurden mit Bussen zwischen 40 und 250 Franken bestraft, in 22 Fällen kam es zu einer Verzeigung beim Polizeirichter (TA 30.10.1999,15)

    Der nette Mensch, der sie verzeigte, hat in der Schweiz auch einen hübschen Namen. Es ist der „Verzeiger“, und wenn es eine Frau ist, dann halt eine „Verzeigerin“. Wir müssen unweigerlich an Stehgeiger denken, lesen wir vom Verzeiger.

  • Verunfallen und verwohnen

  • Die Schweizer scheinen eine ganz besondere Vorliebe für Wörter mit der Vorsilbe „ver“ zu haben. (Wir erinnern nur an „Ver-micelles„). So hat man in der Schweiz nicht einfach einen Unfall, sondern man „verunfallt“ und wenn sie lange in einer Wohnung gewohnt haben, dann würde man in Deutschland eine solche Wohnung „abwohnen“, so wie „absitzen“ der Strafe im Knast, während man in der Schweiz die Wohnung „verwohnt“.

    „Wer sich nicht daran stört, dass die Wohnung einen (…) etwas verwohnten Eindruck macht…, wird sich schnell wohl fühlen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger 20.3.1998, nach Variantenwörterbuch)

    Verwohnen“ bitte auf keinen gar keinem Fall mit „verwöhnen“ verwechseln, das wäre peinlich. Sagt die potentielle zukünftige Schweizer Mieterin bei der ersten Besichtigung der neuen Wohnung: „Darf ich sie auch ein bisschen verwohnen“, könnte das von einem Deutschen Vermieter als „verwöhnen“ verstanden und völlig falsch interpretiert werden.
    Haben Sie auch schon mal etwas verhühnert?

  • Haben Sie hier Hühner gehalten?
  • Wenn es sehr sehr unordentlich zugeht bei den Schweizern, wenn dann etwas „durch Unordnung oder Unkonzentriertheit verlegen, verloren oder vergessen“ wird, dann spricht man in der Schweiz von etwas „verhühnern“. Vielleicht weil so ein Huhn manchmal sein frisch gelegtes Ei nicht wieder finden kann, und es so „verhühnert“ hat? Sie haben das Wort bisher noch nicht gehört? Nun, das liegt einfach daran, dass es sehr selten so unordentlich bei den Schweizern zugeht. Wir erinnern wieder an die Erfahrungen der Schweizer im Bereich Agrartechnik (vgl. Blogwiese von gestern).

  • Von Schusseln und verschusseln
  • Wenn Sie in Deutschland übrigens ihren Schlüssel nicht mehr finden, haben sie ihn nicht verhühnert, sondern „verschusselt“. „Ich Schussel!“ wäre dann der dazu passende Ausruf. So ein Schussel kann auch ein Sprung haben, den allerdings dann eher in der Schüssel, wenn er nicht ganz richtig tickt im Kopf.

    

    9 Responses to “Verunmöglichen Sie doch mal das Verhühnern einer Verzeigung”

    1. Mare Says:

      „verschusseln“ und „Schussel“ gibt es schon auch in der Schweiz, d.h. ich kenne das Wort aus Solothurn und Bern, etwas anders ausgesprochen: Jemand ist dann nicht „schusselig“, sondern jemand ist dann „schützlig“ und ein „Schutz“.

    2. Christian Says:

      Ich meine, verwohnen in Deutschland auch schon gehört zu haben. So sonderbar kommt mir das nicht vor.
      Es gab Zeiten, da war es noch lustig zu sagen „Ich habe etwas verospelt“, um klar zu machen: Ich habe etwas verloren.

    3. Fanki Says:

      Verospelt? Ca. 50 Milliarden oder so?

    4. solanna Says:

      Auch kenne „Schutzli“ als eine Person, die sich nervös/hastig/unaufmerksam bewegt und dadurch immer wieder kleine Verletzungen davonträgt oder Beschädigungen verursacht – an sich Kleinigkeiten, aber die Vielzahl an kleinen Pannen, macht den „Schutzli“ aus.

      Im nördlichen Kanton Zürich (Weinland) nennt man den Schutzli „Schutzgatter“. Keine Ahnung, woher dieses „-gatter“ kommt oder was es ursprünglich bedeutete.

    5. Mare Says:

      @solanna
      „Schutzgatter“ sagte auch meine Mutter, aber ich dachte immer, das sei ihre persönliche Umschreibung.

    6. Simone Says:

      „Verwohnen“ kenne ich auch. Und ohne „verdanken“ kann ich mir meinen Job gar nicht mehr vorstellen.

    7. bara Says:

      Bei „132 Lenker wurden mit Bussen zwischen 40 und 250 Franken bestraft“ fragt man sich doch als ungeuebter Schwyzerdeutsch-Leser, ob die Lenker mit den Bussen oder die Busse mit den Lenkern bestraft wurden? Denn schliesslich sitzt ja immer noch der Busfahrer am Steuer, und das ist ja eigentlich – anders als beim Fahrrad – ein Lenkrad…

    8. AnFra Says:

      @solanna

      Die Verbindung vom „Schutzli“ zum „Schutzgatter“ kann hermeneutisch eventuell mit einer „heißen Nadel“ abgeleitet werden, da hier einige wichtige Informationen nicht vorliegen.
      Es ist wie in der Mathe: Ungenaue Ordinate, keine Abszisse, keine Steigung und keine Funktion, aber eine „scheinscharfe Ein-Punkt-Kurve“ kann man trotzdem in der gebotenen Vorsicht und Einfachheit darstellen (versuchen)!

      Schutz; Schutzli, Schussel, Schuß / Schuss, Schütze, Schot, Schott, Schute, (engl. Shuttle) , Schüttler, schütteln, schützen uam. haben eine gemeinsame Urquelle: im westger. / altger. „scûdan“ vom Zw. „schütten, schütteln, rütteln, (heftig) bewegen, uam“ „Schutz“ ist Wort- und Sinnverwandtschaft ua. zum „Schuss“. Dieses „Schuss“ steht für ua. eine (schnelle, heftige, hin- und her-bewegende, flaternde uam) Situation.

      Die Lösung zum „Schutzgatter“ als Bezeichung bzw. Synonym für diesen „Schutzli“ müssen wir im Mittelalter suchen.
      In dieser Zeit entwickelten sich die festungsartig ausgerüsteten Burgen mit vielen passiven Schutzeinrichtungen wie Umwallungen, Mauern, Tore und eben diesen „Schutzgattern“. Diese wurden auch als „Schussgatter“ gezeichnet, weil sie zur Verteidigungsstellung in der Art aktiviert werden konnten, dass man sie, wenn es notwendig war, auch einfach durch Schwerkraft nach unten fallen ließ.
      Diese schnelle Bewegung ist der „Schuß“. Wie beim Gebirgsbach, der einen heftigen Schuß hat, also sehr schnell, heftig fließt und in seinem Bachbett hin und her tobt! Oder auch in der Webtechnik mit dem „Schuß“. In wilden „Ritterschmonzetten“ im TV / Kino kann man diesen Vorgang des Fallens der Schutz- / Schussgatter fast immer in der Handlung sehen. Vor dem Schutzgatter ist dann an der Außenseite das Burgtor angebracht. An Burg- sowie Stadttoren kann man auf der stadtinnenorientierter Seite meist noch immer die tiefen Aussparrungsrinnen dieser Schutz-, Schuss, (Fall)-Gatter sehen.

      Und hier ist die Verbindung zum volkstümlichen Gebrauch des Wortes. Denn vergleichbar, jedoch in leichterer und einfacherer Form gab es solche Zufahrtstore mit dahinterbefindlichen „Gattern“ in den „Meiereien / Meiereihöfen“, welche von fürstlichen, kirchlichen oder klösterlichen Grundbesitzern betrieben wurden. Die waren die Großlandwirtschaften, die autark sich und den Besitzhernn mit allen damaligen Lebensmittel versorgten. Diese Meiereihöfe waren oft zum Umfeld mit einer durchgehenden Ummauerung abgetrennt. Man musste / konnte nur durch ein Tor hineinkommen. Tagsüber war üblicherweise dieses Tor geöffnet. Hinter diesem Tor war ein leichtes und einfaches Schutzgatter (Gitter- od. Zaun-Tor), vergeichbar wie bei den Burgtoren angebracht, das jedoch die Aufgabe hatte, die Flucht der am Hof bfindlichen Kleintier, wie Gänse, Hühner, Jungtiere uam. zu verhindern.

      Vermutlich kann man die Ableitung vom „Schutzli“ darin finden:
      Wenn eine Person so war, wie du es beschrieben hast, dann war sie wohl nicht in der Lage, die schwere Arbeit auf dem Felde, im Wald, an Gewässern oder bei den Großtieren durchzuführen, da sie eventuell geistig und / oder körperlich ein Gebrechen mit den aufgeführten Symtomen hatte und demzufolge nur leichte und einfache Arbeiten durchführen konnte. Sie war demzufolge unbeholfen, unbedarft, schusselig, klindlich, kindisch uam.
      Die Person „Schutzli“ führte Tätigkeiten innerhalb des Meierhofes aus, also hinter dem „Schutzgatter“. Da diese Person nur hinter dem „Schutzgatter“ tätig war, kann hier in laufe der Zeit der Namensbegriff „Schutzgatter“ auf diese Person „Schutzli“(d.h. Schutzbefohlenem) übergegangen sein.
      Es würde auch dazupassen, wenn diese Person, die nur leichte Arbeiten durchgeführt hat, auch zugleich das zuvor genannte „Schutzgatter“ auf und zumachte, wenn die Wagen, Großtiere und Personen in den Innenbereich des Hofs reinkommen oder rausgelangen wollten.

      Also war das „Schutzli“ eine Art „majorportus“, ein „Hof-Pförtner“, welches somit hinter das „Schutzgatter“ gehört und auch dort tätig war!

    9. Angela Franke Says:

      Verhühnern würde in Berlin „Verbaseln“ heißen, was wiederum meinen Basler Freund fast etwas empört.