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Allfällige Umtriebe treiben uns um

  • Was treiben die Umtriebe
  • Triebe können so manches in Bewegung halten. Zum Beispiel einen Triebtäter. Auch der Triebwagen bei der Eisenbahn treibt so einiges vor sich her. „Treiben“ heisst auf Englisch übrigens „to drive„, darum ist „the driver“ = „der Treiber„, und wir müssen immer an den kleinen Kuhjungen (= cowboy) denken, der mit einer Weidenrute bewaffnet, die Kühe vor sich her auf die Weide „treibt„. Später sitzt er auf dem Kutschbock des Ochsenkarrens und treibt die Ochsen an, „he is driving„, und so wurde ein Fahrer draus.

  • Allfällige Umtriebe
  • In der Schweiz gibt es die Umtriebe. Die sind immer unangenehm, und für die muss man sich entschuldigen. Meistens in Kombination mit allfällig. „Allfällige Umtriebe“ findet sich bei Google 9.840 Mal.

    „Für allfällige Umtriebe bitten wir Sie um Entschuldigung“. So tönte (es tönen die Lieder…) es aus dem Lautsprecher der S-Bahnlinie 5, als im Oktober 2000 kurz vor dem Bahnhof Bülach die Strecke Zürich-Schaffhausen durch einen Erdrutsch unterbrochen war. Bauarbeiten an Bülachs neuem Postverteilzentrum genau neben den Bahndamm hatten den Erdrutsch ausgelöst. Die Schweizer sprachen dann vom „Unterbruch“ der Strecke, nicht von der Unterbrechung. Wir Deutsche denken bei „Unterbruch“ an den berühmten Professor Sauerbruch oder an „Schwangerschaftsunterbruch“. Vier Wochen lang mussten die Fahrgäste dieser Strecke die Unannehmlichkeit in Kauf nehmen und zwischen Niederglatt und Bülach auf Einsatzbusse (die ohne Strafzettel) ausweichen. Oh wie war das der SBB unangenehm, oh wie wurde sich da für die Umtriebe entschuldigt. Als die Strecke endlich wieder befahren werden konnte, gab es am Morgen Gipfeli und heissen Kaffee zum Mitnehmen für alle, umsonst und als Wiedergutmachung gedacht für das erlittene Ungemach.

    Verkehrsunterbrüche (ist das tatsächlich die Mehrzahl von „Unterbruch“, klingt ja wie „Einbrüche“) werden im Netz des Zürcher Verkehrsverbunds ZVV über Funk an alle Busse und Trams weitergegeben. So kann man im Bus von Oerlikon nach Wallisellen mithören, dass mal wieder am Bellevue eine Tram mit einem Auto einen Verkehrsunfall hat, genauer gesagt: „verunfallt ist„. Das passiert in Zürich fast täglich, denn die Trams fahren oberirdisch.

  • Warum fährt die Tram in Zürich nicht unter der Erde?
  • Hätte sie ja mal sollen, es gab diese Idee, doch dann hat man dazu das Volk, den Souverän, gefragt, und das Volk fand diese Idee nicht gut. Zu teuer und zu unbequem.

    2001 hat der Stadtrat eine neue Mobilitätsstrategie verabschiedet. Zentral ist das Wohl des langsamen Verkehrs – zu Fuss Gehende sollen wieder Teil des Verkehrs werden und nicht mehr wie in den 70er Jahren oft unter die Erde verbannt sein. (Quelle)

  • Und wie lief das im Ruhrgebiet?
  • Im Ruhrgebiet wurde in den 80er Jahren das Volk nicht gefragt, ob es damit einverstanden sei, die Strassenbahnlinien tief unter die Erde zu legen. Viele Jahre wurde gebuddelt und gegraben, für Millionen, die die Kommunen eigentlich gar nicht hatten. Nun kann man von Bochum nach Gelsenkirchen oder nach Wanne-Eickel weite Strecken unter der Erde fahren. Die wenigsten Menschen im Ruhrgebeit nutzen diese schnellen Verbindungen, sondern setzen sich lieber ans eigene Steuer um in einem Dschungel von Autobahnen, die den Kohlenpott von Ost nach West und von Nord nach Süd durchziehen, den Überlebenskampf aufzunehmen.

    Öffentliche Verkehrsmittel benutzen? Das ist etwas für Rentner, Schüler, Studenten und Minderbemittelte, die sich kein Auto leisten können. Das erste, was man in der Autometropole Essen sieht, wenn man den Bahnhof verlässt, ist eine Stadtautobahn. So müssen sich die Menschen in Los Angeles fühlen. Essen bekam 1991 vom ADFC, dem Fahrradclub Deutschlands, die Rostige Speiche verliehen für die fahrradunfreundlichste Stadt Deutschlands.

    Und in Zürich? Da verlassen Sie den Bahnhof um zur Fussgängerzone der Bahnhofsstrasse vorzudringen, doch eh Sie sich versehen, sind Sie schon von einer Tram überfahren worden, den die kommen hier von allen Seiten.
    Nun, es wäre ja auch möglich gewesen, unterirdisch durch die Shop Ville (wo ein Wille ist, ist auch ein Shop) zur Bahnhofsstrasse zu gelangen.

  • Wie soll man mit Umtrieben umgehen?
  • Am besten immer dafür entschuldigen, und zwar schon im Vorfeld, bevor sie überhaupt auftreten. So las ich in einer Einladung zu einer Hauseigentümerversammlung den Satz:

    Sollte der Termin aus noch nicht bekannten Gründen nicht zustande kommen können, bitte wir Sie jetzt schon um Entschuldigung für die allfälligen Umtriebe…

    Wohlgemerkt: Es war noch gar nichts Schlimmes passiert! Aber es hätte ja etwas passieren können.

    

    16 Responses to “Allfällige Umtriebe treiben uns um”

    1. Daniel Says:

      Die Zürcher Trams sind tückisch, sie haben immer Vorfahrt und werden von Jahr zu Jahr leiser. Wenn es mich eines Tages hier entleiben sollte, dann bestimmt weil mich ein Tram überrollt. Bei „allfällige Umtriebe“ im Zusammenhang mit der Schwarzfahrerwarnung im Tram hatte ich immer gedacht, es bedeutet ich zahle zusätzlich zu den 80 CHF nochmal extra Strafe, wenn ich es zu weit treibe, also gleich wieder schwarzfahre oder Schmählieder auf die ZVV singe.

    2. Administrator Says:

      Hoi Daniel,
      oh ja, stimm doch mal ein Schmählied an! Gibt es sowas auf Schweizerdeutsch?
      Gruss, Jens

    3. ein anderer Daniel Says:

      Obwohl ich die ZVV gut kenne und auch schon einiges miterlebt habe, bin ich überzeugt, dass der Fahrstil der zürcher Tramfahrer noch getoppt wird, nämlich von den basler Trammfahrern, denn was ich da schon alles erleben musste, wurde bisher noch von keinem andern öffentlichen Verkehrsbetrieb übertroffen.

    4. Chrisi Says:

      „…dass mal wieder am Bellevue eine Tram (…) verunfallt ist“

      Die Tram? Wirklich? In Bern ist es „das Tram“. Die spinnen, die Zürcher.

    5. ichbins Says:

      Chrisi, das sind die Deutschen die spinnen. Dort heisst es „die Tram“ (Tramway ist die englishe Bezeichnung im Hochdeutschen die Strassenbahn und öfter auch die Tram) Hier in Zürich heisst es wie in der ganzen Deutschschweiz, das Tram

      Übrigens sollten sich die Deutschen doch mal dran gewöhnen, dass es Zürcher gibt und keine Züricher, sonst müsste es auch Deutschländer anstatt Deutscher heissen 😉

      Mittlerweile gibt es immer mehr Leute die eine U-Bahn befürworten.
      Interessant ist auch die sehr kreative Idee (vom Namen her) des Zürkels http://www.zuerkel.ch

    6. Robin Says:

      Hallo Chrisi,
      Also ich bin Zür(i)cher und sag auch „das Tram“. Hab noch nie jemanden „die Tram“ sagen hören, ich glaub das ist Hochdeutsch.
      Ah ja, Leo weiss es wieder mal: http://dict.leo.org/?search=tram

    7. Jens-Rainer Wiese Says:

      Lieber ichbins,
      Als Deutscher muss ich immer Kompromisse eingehen, wenn ich ein Schweizer Wort verwende: „Tram“ wurde zu „die Tram“, weil ich ja auch „die Strassenbahn“ sage. „Das Tram“ wäre besser gewesen, aber das Problem ist ähnlich bei „Dschungel“, ist es „der“, „die“ oder „das Dschungel“, denn das Englische „the“ ist ja ohne Geschlechtsangabe. Der Duden erlaubt alles drei.
      Zur Tram sagt der Duden übrigens „die Tram“, schweizerisch auch „das Tram“.
      Und die Züricher? Am besten lies dazu mal den Gottfried Keller Artikel
      http://www.blogwiese.ch/67
      Gruss, Jens

    8. Gerald Says:

      In Frankfurt(Main) ist es die Tram(bahn). Und da es die Bahn ist, ist die Tram als Abkürzung auch weiblich.

    9. Joachim Says:

      Und was entgegnete der Besoffene dem Polizisten, der ihn darauf aufmerksam machte, dass die Tram um 3:15 Uhr in der Nacht nicht mehr kommen würde?
      „Und warum sind dann die Schienen noch da?!“

    10. Fredy Says:

      Ich muss hier noch zwei fatale Fehler korrigieren:

      1. Schwangerschaftsunterbruch gibts nicht. Das nennt sich Schwangerschaftsabbruch, denn die Schwangerschaft wird ja nicht wieder aufgenommen.

      2. ZVV ist natürlich kein Züricher Verkehrsverbund, sondern ein Zürcher Verkehrsverbund.

    11. Administrator Says:

      Hallo Fredy,
      gut, ich habe „Schwangerschaftsunterbruch“ in Gänsefüsschen gesetzt, denn das Wort ist genauso unmöglich wie „ein bisschen schwanger“ zu sein.
      Beim „Züricher Verkehrsverbund“ hast Du ebenfalls recht, und ich habe es korrigiert. Aber dennoch verweise ich wie immer auf Gottfried Kellers „Züricher Novellen“ (http://www.blogwiese.ch/archives/67), aber die sind lange her und sehr alt, damals schrieb man das „i“ sicher noch.
      Gruss, Jens

    12. René Nyffenegger Says:

      Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das i in „zürch(i)cher“ damals noch/wieder/schon üblich war, denn die erste Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung (12. Jenner 1780) schrieb sich auch ohne dieses i. Siehe http://www.nzz.ch/timeline/indexFlash.htm
      Aber die Zürcher sind ja nicht die einzigen, die da einen Buchstaben unterschlagen, ebenso sind Läckerli aus Basel keine Baseler Läckerli, sondern Basler Läckerli.

    13. Phipu Says:

      Die Geschichte mit dem Artikel, der vor DEM Tram verwendet wird, könnte natürlich auch mit dem in der Schweiz unumgänglichen Blick nach dem französischen Sprachraum zu tun haben. (Meine persönlich Vermutung, linguistisch nicht vergütesiegelt und warengetestet) Es heisst „le tram“ oder „le tramway“. Im deutschen Duden steht aber „die Tram“. Das englische hilft auch nicht weiter. Also kommen wir zum gutschweizerischen Kompromiss „das Tram“.
      Viel eleganter ist die Basler Lösung. Dort sagt die gesamte Bevölkerung „s’Drämmli“ = „das Trämlein“. Diminutive (Verkleinerungsformen) sind sowieso immer mit „das“ gebildet.

      An alle Basler und Basel-gewohnte: Fragen Sie um Himmels Willen in Zürich nie: „Welches Drämmli fährt ab hier nach Oerlikon?“ oder so ähnlich. Vor der erwarteten, fachkundigen Antwort werden Sie nämlich eine Korrktur entgegennehmen müssen, dass das hier übrigens Tram, und nicht Trämli heisst!

    14. viking Says:

      Und warum fährt in Zürich _das_ Tram teilweise doch unter der Erde (nach Schwamendingen, mit drei unterirdischen Tramstationen)?
      Weil der Tunnel (vom Tierspital bis Schwamdendingen) für die geplante U-Bahn nur von der Zürcher Stadtbevölkerung (nur stimmberechtigte Schweizer Bürger, keine Zürcher Burger) genehmigt werden musste, während das Gesamt-U-Bahn-Projekt durch den Zürcher Staatssouverän, d.h. das Volk des Kantons Zürich der Annahme bedurfte. Diese wollten aber (mit Ausnahme der Stadtzürcher) keine U-Bahn finanzieren. Und so kann man in Zürich auf die Länge von drei Stationen testen, wie es mit einer U-Bahn in Zürich wäre.
      (In der Zwischenzeit geht dieser Test natürlich auch mit diversen S-Bahn Linien vom HB nach Stadelhofen).

    15. SachaDH Says:

      Muss euch wirklich zustimmen. Ich finde das zürcher Trammodel der friedlichen Koexistenz (des individuellen und öffentlichen Verkehrs) auch äusserst fragwürdig! In dieser Beziehung hat mans in den deutschen Städten mit den Schottergeleisen (gibts übrigens auch in Basel und Bern) und Tunnels schon viel besser! Aber das Thema ist in Zürich leider so ziemlich Tabu, auch die entstehende Glattalbahn wird wohl höchstens einige Grasgeleise aufweisen.
      In Zürich bauen wir halt lieber einen sinnlosen 3. Tunnel vom HB (sorry Hbf) nach Örlikon als auch nur das Wort „Stadtbahn“ (im sinne Stuttgarts oä) in den Mund zu nehmen.
      Also da schäme ich mich manchmal Schweizer zu sein wenn ich an das haarsträubende Konzept der VBZ mit ihren nimmer enden wollenden Durchsagen denke!

    16. Gizmo Says:

      zitat: Fragen Sie um Himmels Willen in Zürich nie: “Welches Drämmli fährt ab hier nach Oerlikon?” oder so ähnlich. Vor der erwarteten, fachkundigen Antwort werden Sie nämlich eine Korrktur entgegennehmen müssen, dass das hier übrigens Tram, und nicht Trämli heisst!

      Warum kriege ich eigentlich immer wieder den Eindruck das man das Wort Toleranz in der Schweiz gaaaaaanz klein schreibt? Das zieht sich irgendwie immer wieder wie ein eroter faden durch alle Lebensbereiche