Haben Sie auch immer die richtige Notfallnummer dabei? — 114, 114 114 oder 112?

Dezember 18th, 2011
  • Basler ohne Mario
  • Unsere Hausratsversicherung, die so dreist war und sich den Namen eines deutschen Fussballprofis zu eigen machte, teilt uns mit:

    „Ab 2012 benötigen Sie für Ihr Velo keine Vignette mehr. Das Bundesparlament hat beschlossen, diese obligatorische Haftpflichtversicherung abzuschaffen“.
    (Wurfpost der Basler.ch)

  • Schadenfall oder Schadensfall?
  • Wie jetzt, kein Schutz mehr ab 2012? Nein, ganz falsch. Wir haben ja die Versicherung:

    „Ab dem 1. Juli 2012 wickeln wir Ihren Schadenfall rasch und kompetent ab – ein Anruf genügt“

    Der Fall eines Schadens ist in der Schweiz ein „Schadenfall“, in Deutschland ein „Schadensfall“. Ohne Fugen-S finden wir ihn mit
    1.05 Millionen Belege auf Google.ch, mit „s“ sind es 2.94 Millionen Einträge. Rührend, wie uns sogar Google.ch ermahnt „Meinten sie vielleicht „Schadensfall“ und dabei die Schweizer Variante ohne „s“ rot unterkringelt.
    Schadenfall auf Google.ch
    (Schadenfall auf Google.ch)

    Nur mal kurz 1.05 Millionen Belege gefunden, und doch die Vermutung äussern, dass da was falsch geschrieben sein könnte. So tickt Google.ch. Haben die nicht ihre Europa-Niederlassung in Zürich? Dürfen die das dann? Helvetismen einfach so rot unterkringeln?

  • Im Notfall kurz auf die Vignette gucken
  • Somit müssen wir keine Velovignette mehr aufkleben. Doch die Basler denkt weiter. Sie schickt uns eine neue Velovignette mit Notfallnummer.

    „Bei einem Unfall kann rasches Handeln Leben retten. Kleben Sie unsere Sicherheitsvignette an Ihr Velo und Sie haben die Notfallnummer auch unterwegs immer mit dabei“

    Das ist doch enorm praktisch. Auf der Vignette finde ich die Nummer „Europäischer Notruf 112“, im schicken Corporate Identity Blue der Basler-Versicherung, deren URL und Logo gleich noch dazu auf das Velo geklebt wurde.
    Europäischer Notruf 112
    (Quelle: Notfall-Vignette der Basler.ch)

    Sollte ich also in Zukunft einen Unfall sehen, oder an einem solchen beteiligt sein, heisst es rasch handeln:
    1.) Velo abstellen
    2.) nach hinten laufen
    3.) Notfallvignette säubern
    4.) Nummer lesen und über das Handy anwählen.
    Vier kurze Schritte, die man sich merken sollte! Warum ich allerdings nicht einfach die Nummer gleich in meinem Handy abspeichern soll, bzw. mir die drei Zahlen eventuell einfach so merke, das erklärt mir die Basler nicht.

  • Welche Nummer wählen Sie im Notfall?
  • Eine kleine Umfrage bei Schweizer Kollegen ergab: Es ist tatsächlich nicht jedem diese Nummer als erstes geläufig:

    „Ich wähle 114“. „Du musst 0900 114 114“ wählen“. „War das nicht 110 für den Notruf?“

    Wahrscheinlich ändern die Notfallnummern ausserdem noch von Kanton zu Kanton. Es herrscht Chaos im Notfall, soviel ist sicher. Nicht mehr bei uns. Wir haben die richtige Nummer jetzt immer dabei, klebt hinten auf dem Velo. Müssen wir uns nur noch merken. Ist der „Europäische Notruf“, wird also bestimmt auch in der Schweiz funktionieren, mitten in Europa. Nicht in den USA, nicht in Asien. Gut zu wissen.

    English is easy — Ja, aber welches Englisch?

    Dezember 14th, 2011

    (reload vom 6.7.07)

  • Am besten auf Englisch, das verstehen alle
  • Häufig lasen wir bei der Diskussion, ob in der Schweiz eher Hochdeutsch oder Französisch als erste Fremdsprache intensiv gelehrt und gelernt werden sollte, das Argument, man möge doch gleich ganz auf die Einheitssprache Englisch umschalten, die würden doch jetzt schon Westschweizer aus der Romandie, Tessiner und Deutschschweizer als gemeinsame „Lingua Franca“ in allen relevanten Diskussionen bevorzugen. Die Frage bleibt jedoch unbeantwortet, „welches Englisch“, also welche Variante dieser wunderbaren Weltsprache von allen gesprochen und verstanden wird.

  • Der Held von Glasgow
  • Natürlich ist uns das Vorhandensein von Dialekten auch in Grossbritannien bekannt. Die Beatles und ihr „Liverpool-Englisch“ hat jeder schon irgendwann gehört. Ein besonders hübsches Beispiel für gesprochenes Schottisch ist nun wegen der Terror-Attacke im Juli 2007 auf den Flughafen von Glasgow bei YouTube zu betrachten. Ein jeder möge selbst hören und entscheiden, wieviel er oder sie von den Ausführungen des schottischen Kofferträgers John Smeaton versteht, der durch sein beherztes Eingreifen und seiner Beteiligung an der Verhaftung des Autobomben-Attentäters über Nacht zum Volkshelden wurde:

  • Varianten auch im Englischen
  • Das für nicht Deutsch sprechende schwer zu erklärende Verhältnis zwischen Schweizerdeutsch und Hochdeutsch ist hier übertragen einfach zu veranschaulichen. Die Unterschiede zwischen Standard- und Schottisch-Englisch zeigen einem Amerikaner deutlich, was eine „Sprachvariante“ ist. So fühlt sich ein Deutscher, wenn er in die Schweiz kommt. Irgendwie eine bekannte Sprache, aber doch ganz anders.

    Ist die Rüebli-RS eine militärische Ausbildung im Aargau?

    Dezember 5th, 2011

    (reload vom 05.7.07)

  • Was haben Rekruten mit Rüben zu tun?
  • Sprachliche Zeichen haben Bedeutung. Sie geben die „aussersprachliche Wirklichkeit“ wieder. Wer das sprachliche Zeichen nicht nur lesen sondern auch verstehen will, muss die dazu passende aussersprachliche Wirklichkeit kennen. Sonst versteht er nichts. Diese Erfahrung machten wir bei der Lektüre des Tages-Anzeigers vom 03.07.07, S. 1:

    Wieder Rüebli-RS für Mittelschüler
    Zürich. – Die populäre dreiwöchige Rüebli-RS für Mittelschüler wird im Kanton Zürich wieder eingeführt. Mit 112:34 Stimmen hob der Kantonsrat gestern einen Sparbeschluss des Regierungsrates auf, der die Haushaltskurse abgeschafft hatte. Auslöser für den Entscheid war die Volksinitiative «Ja zur Husi». Das Kantonsparlament hat dem Begehren überraschend zugestimmt. Da es sich bei der Initiative um einen ausformulierten Gesetzesentwurf handelt, wird er ohne Urnenabstimmung in Kraft gesetzt. So sieht es die neue Kantonsverfassung vor. Möglich ist aber, dass in den nächsten sechzig Tagen das Referendum ergriffen wird. Die FDP prüft dies. Dass sie einen Volksentscheid erzwingt, ist aber eher unwahrscheinlich
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

  • Nicht im Aargau, wo gibt es denn sonst noch Rüebli?
  • Wir haben in der Zwischenzeit gelernt, dass mit „Rüebli“ ein landwirtschaftliches Produkt gemeint sind, die „gelben Rüben“ aka Karotten aka Mohrrüben oder Möhrchen. Die wachsen vor allem im Kanton Aargau, weswegen dieser für seine Rüeblitorte bekannt ist und auch den Decknamen „Rüebliland“ führt.

    RS“ hingegen, auch das haben wir begriffen, steht für „Rekruten-Schule“ und ist eine streng geheime militärische Abkürzung, ähnlich wie „WK“ – Wander-Klassenreise oder Wahl-Kreis. Doch das ist noch lange nicht alles Unerklärliche in diesem Artikel. Es geht dann noch um die „Husi“, von der wir meinen zu wissen, dass es nicht die „Hausaufgaben“ sein können, denn das sind ja schon die „Ufzgi“ oder „Uffszgi“die sich nicht „Auf Ski“ durch den Wintern bewegen (vgl. Blogwiese). „Husi“ müsste laut Kontext ein „Haushaltskurs“ sein. Kein Re-Kurs, kein Abendkurs oder Sprachkurs, nein, ein „Haushaltskurs“. In Deutschland auch bekannt unter dem längeren Formulierung „Einführung in die Hauswirtschaftslehre“.

  • Gemüse rüsten in der RS
  • Doch zurück zur Rüebli-RS. Was hat Hauswirtschaften mit Karotten und der Rekrutenschule zu tun? Der Zusammenhang ist einfach als gedacht, doch ich musste erst den freundlichen Nachbarn aus der S-Bahn fragen, der es mir dann plausibel erklärte: Was macht man mit „Rüebli“ bevor man sie kochen kann? Putzen, genau, in der Schweiz wird das allerdings militärisch ausgedrückt: „rüsten“. Nicht auf- oder abrüsten, sondern Gemüse wird gerüstet, ohne Entrüstung.

    Es geht um Kochkurse für Mittelschüler, die eidgenössisch organisiert lernen sollen, wie man Gemüse putzt, und zwar zwangsweise, dazu verdonnert wie die Rekruten in der Rekrutenschule. Daher die hübsche Bezeichnung „Rüebli-RS“. Nicht ganz billig, diese Wiedereinführung der abgeschafften Kochkurse, wie wir im Tagesanzeiger lesen:

    Die Wiedereinführung der «Husi» ist teuer. Laut Berechnungen der Bildungsdirektion ist mit einmaligen Kosten von rund 11 Millionen Franken zu rechnen. In den Kurszentren müssen beispielsweise bereits verkaufte Geräte und Materialien wieder beschafft werden. Dazu sind die Zentren in Bülach und Weesen noch vermietet und müssen gekündigt werden. Zudem müssen die eingesparten jährlichen Betriebskosten von 4,2 Millionen Franken wieder budgetiert werden. Wann die ersten Mittelschüler in die Rüebli-RS einrücken können, ist noch offen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

  • Pilatus zu Pfannen — Ent-rüstet das Gemüse!
  • 11 Millionen plus 4,2 Millionen, das sind 15,2 Millionen Franken. Was kostet eigentlich eine Pilatus PC-21? Das neue Flugzeug der Schweizer Luftwaffe wird mit einem Preis von 115 Millionen Franken für 6 Maschinen angegeben, also ein zum Stückpreis von ca. 19 Millionen (Quelle Wikipedia). Reicht für ein paar Rüebli-RS, würde ich sagen. Und hat ja, wie dargelegt, auch mit „rüsten“ zu tun. Aus den Aluminium-Bauteilen lassen sich sicher klasse Kochtöpfe herstellen, und eine feste Teflonschicht für die Pfannenböden findet sich bestimmt irgendwo beim Düsenantrieb.

    Pilatus ist ein Berg bei Luzern
    (Quelle Foto: switzerland-tours.ch)

  • Wie der Pilatus zu seinem Namen kam
  • Pilatus ist, für nicht in der Schweiz Wohnende, der bekannte Ort, zu dem man läuft, wenn man von „Pontius zu Pilatus“ unterwegs ist. Hübsch ist die Geschichte, wie der heutige Berg bei Luzern zu seinem Namen kam:

    Er verdankt diesen Namen dem Statthalter Roms in Jerusalem, Pontius Pilatus, der sich bekanntlich sehr zwielichtig für die Unschuld Jesu (in der christl. Überlieferung) eingesetzt habe. Der Sage nach fand er im inzwischen verlandeten Gipfelsee (dem Pilatussee bei der Oberalp) seine letzte Ruhestätte. Überall, wo man seine Leiche zuvor bestatten wollte, traten heftige Stürme auf. Deshalb wurde ein hoher Berg wie der Frakmont ausgewählt, auf dem ohnehin fortwährend Unwetter toben. An jedem Karfreitag soll der römische Statthalter von Judäa aus seinem nassen Grab steigen und in vollem Ornat zu Gericht sitzen. Bis ins 16. Jahrhundert hatte der Stadtrat von Luzern das Besteigen des Berges unter Androhung von Strafen verboten. Pilatus sollte im Gipfelsee nicht gestört – und keine Unwetter heraufbeschworen – werden. Aber wehe, wenn es jemand wagte, etwa durch den Wurf eines Steines in das stille Wässerchen, den Pilatusgeist zu erzürnen. Dann habe es furchtbare Unwetterschläge mit schweren Verwüstungen bis nach Kriens hinunter abgesetzt.
    (Quelle: Wikipedia)

    Sie müssen jetzt nicht meinen, die Pilatus PC-21 Flugzeuge fliegen nur bei Unwetter. Sie stürzen auch nicht so häufig ab wie ihre Namensvetter. Genauer gesagt ist erst eins von den Dingern durch menschliches Versagen abgestürzt, was man von PCs nicht behaupten kann. Die Flugzeuge heissen so, weil sie von einer echten urschweizerischen Firma mit dem innerschweizer Namen „Pilatus Aircraft“ gebaut werden.