Wer stiehlt schon sein eigenes Velo? — Was tun wenn das Schloss nicht mehr aufgeht?
Neulich wollte ich auf dem Heimweg am Abend mein Fahrrad Velo am Bahnhof in Bülach aufschliessen und musste feststellen, dass dies nicht möglich war. Jemand hatte, einfach so, das Schloss mit Sekundenkleber zugeklebt. Es gab keine Möglichkeit, es normal zu öffnen, selbst unter Zuhilfenahme von zwei Zangen bewegte sich nichts. Da muss es doch tatsächlich jemanden in Bülach geben, der mit einer Tube Sekundenkleber durchs Städtchen marschieren und so den Verkauf neuer Veloschlössern ankurbelt. So wie im Filmklassiker „The Kid“ mit Charly Chaplin als Glaser, für den ein kleines Kind die Glasscheiben potentieller Kunden einwarf.
Das Schloss war nicht zu öffnen. So ging ich zum nahen Velobetrieb meines Vertrauens und fragte nach der ganz grossen Zange, die mit den überlangen Griffen. Sowas habe man nicht, da reiche eine kleine Spezialbeisszange völlig aus. Nicht ganz überzeugt lief ich mit der geliehenen Minizange zurück zum verschlossenen Velo. Was glauben Sie, wie lange es dauerte, das 10 mm dicke Stahlkabel des Schlosses zu durchtrennen? 15-30 Minuten? Das dachte ich auch, aber nach genau 3 Mal zubeissen mit der Spezialzange in nur 30 Sekunden war das Stahlkabel durchtrennt.
Jetzt verstehe ich besser, warum so viele Velobesitzer in Bülach ihre Alltagsräder nur mit sehr billigen Schlössern ausstatten. Oftmals braucht man nur einen kräftigen Hammerschlag, um so ein Schloss zu öffnen. Es nutzt überhaupt nichts, ein dickeres Kabel zu wählen. Dann schon lieber ein festes U-Schloss. Bei einem solchen ist mir bereits zweimal der Schliessmechanismus kaputt gegangen. Das Schloss war mit dem Schlüssel nicht zu öffnen. Zum Glück war es nicht angeschlossen, und ich konnte es zu einer Baustelle tragen. Dort bat ich einen Bauarbeiter mit einer Flex um Hilfe. Diese Maschine durchtrennte den Stahlbügel in 20 Sekunden. Als würde man mit einem Messer durch weiche Butter fahren. Gibt es eigentlich schon eine Akku-Flex? Wäre das ideale Werkzeug für Fahrraddiebe.
Vor einigen Jahren musste ich auch mal mein eigenes Velo, dessen Ringschloss ebenfalls nicht mehr zu öffnen war, morgens um 10:00 Uhr in einer belebten Fussgängerzone mit einer grossen Zange aufbrechen. Ein Passant fragte mich noch: „Sind das hier Dreharbeiten für die Sendung `Versteckte Kamera´?“. Ein Mann aus einem nahen Kaufhaus kam dazugerannt. Ich dachte, das sei der Ladendetektiv, der mich nun gleich verhaftet für mein schändliches Tun. Stattdessen fragte mich der Mann freundlich: „Kann ich Ihnen helfen?“, tat es, hielt das Schloss für mich in einem günstigen Winkel, und als wir nun zu zweit mit Aufbrechen beschäftigt waren, da drehte sich niemand mehr nach uns um. Das musste seine Richtigkeit haben, wenn zwei Männer am hellichten Tag in aller Öffentlichkeit ein Schloss knacken.
In Bülach sieht man fast in jeder Woche irgendwo ein herrenloses Velo herumstehen oder liegen. Gestohlen für eine schnelle Fahrt, wenn in der Nacht der Bus zu teuer war oder zu lange auf sich warten liess, und dann irgendwo am Strassenrand entsorgt. Sie werden von der Polizei eingesammelt und einmal im Jahr auf einer „Gant“ versteigert. Aber nur mit Gantrotteldoppel (siehe Blogwiese)
Wer sein Velo behalten will, der gibt es in die Obhut einer bewachten Velostation oder besorgt sich zwei bis drei dicke U-Schlösser. Und für den Notfall immer eine Akkuflex in der Satteltasche mitnehmen.
November 18th, 2008 at 8:47
Ich lebte Ende Neunzigerjahre in Holland. Das Land hat 16 Mio Einwohner. Jemand erzählte mir, pro Jahr würden 18 Mio Velos gestohlen gemeldet. Ob das stimmt, weiss ich nicht, mir wurde jedenfalls innerhalb von 1 Monat ein Velo und ein Motorrad geklaut, was den Trend zum 2-Rad-Klau mindestens unterstreicht.
November 18th, 2008 at 9:46
Simone, die andere:
In Frankfurt fuhr man zu meinen Zeiten stets mit den ältesten Gebrauchträdern. Ein Freund strich sein Fahrrad mit einer hässlichen Farbe an, um es älter und weniger attraktiv erscheinen zu lassen.
November 18th, 2008 at 11:19
Klar gibt es Akku-Flex. Diese zum Beispiel: http://www.dewalt.de/powertools/productdetails/catno/DC415KN/
Es gibt wohl noch andere Hersteller.
November 18th, 2008 at 13:27
@Simone
In Darmstadt gilt: je älter und hässlicher das Fahrrad, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es gestohlen wird 😉
November 18th, 2008 at 13:58
Es geht auch andersrum … ich erinnere mich an einen Arbeitseinsatz, für den wir mobile Halteverbotsschilder aufstellen mussten. Während wir auf einer Hebebühne am werkeln waren, brachte es doch tatsächlich ein Mensch fertig, sein Velo an eines unserer Schilder anzuketten.
Weil wir weder Velo noch Schloss eschädigen wollten, mussten wir den Schildständer komplett zerlegen … ich war danach leider nicht mehr lange genug vor Ort, um das dumme Gesicht des Velofahrers zu sehen – Velo noch da, Schild weg!
November 18th, 2008 at 14:31
@Branitar:
Dann sollte man meinen Chef mal in Darmstadt an einem Laternenpfahl stehen lassen 🙂
November 18th, 2008 at 17:21
Wie froh bin ich, in einem Land zu leben, in dem – relativ – selten ein Velo geklaut wird. Ich sperre (in Aarau und Umgebung) mein Velo nie ab. Am Aarauer Bahnhof wurde es mir doch mal geklaut. Zu meinem Erstaunen stand es zwei Wochen später wieder am Bahnhof, sauber geputzt, überholt und mit Batterielichtern versehen. Ein freundlicher Polizist hat mir das Kettenschloss aufgeknackt und nach meinem Besitznachweis wieder mir übereignet. Ein Schloss besitze ich immer noch nicht.
November 18th, 2008 at 18:00
@Beat: Na ja, ob das wirklich so ein Unterschied ist zwischen D und CH ? In Zürich würde ich es auf jeden Fall gar nicht erst versuchen, das Velo ungesichert irgendwo hinzustellen.
Soweit ich mich erinnere, war das in meiner Kindheit am Bahnhof in Brig auch nicht so viel besser. Da ging ab und zu mal ein Fahrrad verloren.
November 18th, 2008 at 21:40
In der Schweiz gibt es meines Wissens keine Akku-Flex, sondern nur Akku-Trennschiibe.
November 18th, 2008 at 23:00
@ Admin
Prima Geschäftsidee, das mit der Veloschlosspromotion à la «The Kid». Hätte auch schon Namensvorschläge für Schnellveloschlossdienste:
Chaplin & The Velokid
Free Velo
Sekundenkleber-Minutenexpress
@ Beat
Seit deinem freundlichen Tipp ist in der Deutschschweizer Veloklaubranche ein erbitterter Konkurrenzkampf um die bisher nicht erschlossene Geschäftstregion Aarau und Umgebung im Gang.
November 19th, 2008 at 9:58
Ich habe neulich als Passant beobachtet, wie jemand sich mit einer Zange an einem Fahrradschloß zu schaffen machte. Ich stand unschlüssig etwas abseits und beobachtete den Menschen. Was soll man denn auch in so einem Moment tun? Ich ging schließlich hin und fragte selten dämlich: „Ist das Ihr Fahrrad?“ Die Antwort war natürlich „Ja.“ Dann ging ich wieder.
Klar lachen wir, wenn wir sowas mit versteckter Kamera im Fernsehen tun. Aber wie soll man sich da denn überhaupt richtig verhalten?
November 19th, 2008 at 11:25
hoi schoggistaengel. beim gartenbad eglisee in basel ging öfters mal ein velo verloren. wir habens jeweils nach gebrauch vor den quartierpolizeiposten gestellt.
November 19th, 2008 at 13:52
@Beat, dann stells mal in Däniken ab, dann hast Du zwei…dort habe ich übrigens vor 2-3 Wochen eine Ersatzteilaktion von zwei „Bube“ beobachtet, hatte aber keine Lust auf „hey wos isch los“ Diskussionen.
Eben woher weiss man, ob sie nicht doch nur ihr Bike flicken? Und nachher hat man wieder Kinder mit Migrationshintergrund zu Unrecht verdächtigt und ich bin ja auch Ausländer, also besser die „Schnorre hebbe“ Am nächsten Tag war ich schlauer, da lagen die „Ersatzteile“ noch rum..nächstesmal verbrenne ich mir wieder das Maul…
Das da die Schweiz also besser sein soll? Warum haben so viele ein Bahnhofsvelo? Der Vandalismus ist übrigens das grössere Probleme. An meinem Heimatbahnhof haben sie vor einigen Monaten en gros Rücklichter eingetreten.
@Branitar, ich bin Heiner und Du?
November 21st, 2008 at 12:28
@Jensk
Ich wohne in DA bin aber kein Heiner ;))
November 24th, 2008 at 8:44
@holger: Eine gute Methode wäre zum Beispiel: „Hei, das ist mein Fahrrad!“