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Austrinken auf der Austrinkete

  • Auf zur Eisaufessete
  • In Deutschland gibt es traditionell fast in jedem Ort oder Stadtteil eine italienische Eisdiele, die hausgemachtes Eis verkauft. In früheren Jahren war das ein Saisongeschäft, denn wenn der Winter nahte und niemand mehr Lust auf frisches Speiseeis hatte, das nicht mit Glace-Handschuhen serviert wurde, dann schlossen die italienischen Besitzer ihre Geschäfte für die Wintermonate und fuhren in die Heimat, um dort am Eigenheim weiterzubauen. Am letzten Tag wurden alle noch vorhandenen Vorräte an die Kinder verschenkt. Das musste nicht angekündigt werden, es sprach sich sofort wie ein Lauffeuer im Ort herum. Darum war die Zahl der ausgehändigten Kugeln auch auf 2 pro Kind und Cornet Hörnchen beschränkt. Aber man durfte nach 10 Minuten erneut vorbeischauen und nochmals zwei Kugeln verputzen. In wenigen Stunden waren so alle Eisvorräte erschöpft und die Eisdielenbesitzer konnten schliessen. In der Schweiz würde so ein Event sicher als „Eis-Aufessete“ bezeichnet, nehmen wir an. Das gibt es nicht, denn die wenigen Eiscafés im Land sind ganzjährig geöffnet und leben mehr vom Café-Betrieb als vom Glace-Verkauf.

  • Was ist eine Austrinkete?
  • Doch wenn ein Gasthaus schliessen muss, dann gibt es dafür in der Schweiz ein spezielles Wort, das man in Deutschland nicht kennt: Die Austrinkete. So lasen wir im Tages-Anzeiger vom 19.08.08 auf S. 10:
    Riesenknall bei Austrinkete

    Ein Gast hat vor dem Restaurant Post in Oberkulm AG als Abschluss der «Austrinkete» einen Ballon mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Acetylengas angezündet. Die Explosion zerstörte elf Scheiben in einem benachbarten Haus.
    (Quelle: Tages-Anzeiger 19.08.08)

    Immerhin wird das Wort durch die Anführungsszeichen, die in der Schweiz wirklich nicht wie „Gänsefüsschen“ aussehen, als „nicht schriffähig“ gekennzeichnet. Ein wunderbares Wort, sollte ab sofort zum Standard erklärt werden. Das Schweizer Wörterbuch von Kurt Meyer meint dazu:

    Austrinket, der; -s, Austrinkete, die;-,-,: Abschiedsfestlichkeit bei Schliessung einer Wirtschaft oder beim Wegzug eines Wirtes

    Wahlweise also auch als männlicher „Austrinket“ zu verwenden. Es gibt sogar das Gegenteil davon, den „Antrinket“ oder die „Antrinkete“, wenn ein Lokal eröffnet wird. Die sind echt praktisch, die Schweizer. Für jedes Event ein passendes Wort.

    Für die „Austrinkete“ fanden wir bei Google-CH 1020 Fundstellen. Bei Google-DE nur 16. Für Antrinkete hingegen nur 206 Belege , bei Google-DE nur 7, alle aus der Schweiz importiert.

  • US Bürger trinken auf der US-Trinkete
  • Auch für die US-Amerikanischen Freunde in der Schweiz gibt es dieses Fest, in einer besonderen Version als „USTrinkete“, immerhin mit 882 Fundstellen bei Google-CH. Jetzt habe ich Durst.

    

    16 Responses to “Austrinken auf der Austrinkete”

    1. solanna Says:

      Und wenn im Herbst oder Winter wieder mal ein Schwein genug Gewicht auf die Waage legt und darum geschlachtet wird, preist der Gasthof an, worauf viele sich das ganze Jahr schon freuen: die Metzgete.

      Damit ist nicht, was das Wort bedeuten könnte, der eigentliche Schlachtvorgang gemeint (wie beim Velorennen „Züri-Metzgete“, wo es für die Fahrer auf – sportlerisch gemeint – „Leben und Tod“ geht). Bei der „Metzgete“ im Landgasthof geht es um das, was auch Schlachtplatte heisst: währschaftes Fleisch und Würste in Hülle und Fülle.

    2. Simone Says:

      Warum gibt es denn eigentlich in der Schweiz so wenig Eiscafés? Mit Blick auf die Italiener im Land wundert mich das. Warum muss ich zum Eisessen immer nach Waldshut flüchten?

    3. Marroni Says:

      „Abschiedsfeistlichkeit“?? Da wird doch eher gefressen denn gesoffen, oder hat der Jens sich da vertippt??

      [Anmerkung Admin: Ja, hat er. Merci für den Hinweis, ist schon korrigiert.]

    4. dampfnudle Says:

      Es gibt neben der „Aatrinkete“/dem „Aatrinket“ und der „Metzgete“ auch die „Bachete“ (Backereignis, etwa bei alten, öffentlichen Dorfbacköfen).

      Da und dort feiert man als traditionellen Brauch, an dem gezeigt wird, wie früher aus Flachs Leinengewebe entstand, die „Brächete“ (Anlass ist und war früher das Brechen der harten Stengelaussenseite des getrockneten Flachses, um die feinen Fasern freizulegen).

    5. Guggeere Says:

      Es gibt auch noch den Schwinget (dort wird dieser Hosenlupf-Sport ausgeübt), in vielen Dörfern die Dorfet (Dorffest; fand ich allerdings schon immer eine seltsame Wortbildung), der letzte Abend der Fasnacht ist die «Uuslumpete» (da reissen sich den letzten Verkleideten die Lumpen vom Leib), und wenn etwas mühsam,, ist in meinem Dialekt eine «Chripfete». Überhaupt kann man aus vielen Verben und dem Suffix -ete spontan ein treffendes Nomen bilden: «Wenns vill Lüt hät, denn gits e Troggete» (drücken = trogge), sagte z.B. Walter Roderer in seinem berühmten Sketch «Der Fackelzug». Würde mich interessieren, obs diese Art der Ableitung auch ausserhalb von Alemannien gibt.

      @ Simone: Eis ist hierzulande nur gefrorenes Wasser und nicht so begehrt, dass es sich lohnen würde, es in einem Lokal zu verkaufen. 😉 Wer stattdessen lieber Glace möchte, kommt in besseren Cafés meistens auf seine Rechnung.

    6. Guggeere Says:

      uff! Sollte natürlich heissen:
      … und wenn etwas mühsam oder harzig abläuft, ist es in meinem Dialekt eine «Chripfete». (Das war jetzt eben eine.)

    7. vegu Says:

      Ausserdem gibt es auch – wenigstens im Kanton Bern – die Hundsverlochete, ein öffentliches Event mit vielen Reden aber ohne viel Wert.

      [Anmerkung Admin: Die Hundsverlochete war schon Thema auf der Blogwiese, siehe hier.]

    8. Thomas Says:

      @Simone: was du suchst, ist eine Gelateria

    9. g.feikt Says:

      „Brächete“? Etwas gröber gesagt also eine „Chotzete“?

    10. solanna Says:

      @Simone

      Wie sagt Ihr Deutschen es eigentlich, wenn Ihr wirklich gefrorenes Wasser wollt? Das was wir Schweizer als Eis bezeichnen? Ich möchte Wassereis?

      Falls ja, wie nennt Ihr dann das, was wir als Wasserglace bezeichnen, also Speiseeis ohne Rahm. Eben auf Wasserbasis, aber mit Fruchtmark oder mindestens -saft drin.

    11. Aggel Says:

      @g.feikt: der Norddeutsche musste zweimal lesen …. und dann den Monitor putzen *prust*

    12. Phipu Says:

      Eine „Anhauete“ ist übrigens auch nicht mehr so geläufig. Hat aber herzlich wenig mit „Leute um einen Stutz anhauen“ zu tun, sondern mit „Anhau“ als erstes/letztes Stück von Nahrungsmitteln. Hier im Link auf gedruckter Seite 5: http://www.aemmitaler-ruschtig.ch/aecht_u_guet.pdf .

      Es ist zwar überhaupt nicht die Jahreszeit dafür, aber zu den Wörtern mit –ete kann man hier auch die „Chesslete“ erwähnen. Dieses Wort stammt ursprünglich vom Kessel (DE: Eimer) ab und dem davon abgewandelten Verb „kesseln“ (blechern klappern, scheppern). Die „Chesslete“ ist also etwas Lautes. Und wann ist es polizeilich erlaubt, laut zu sein? – Nein, ich meine nicht Autokorsos nach den seltenen Fussballmeisterschaften, sondern jedes Jahr – Ja, an der Fasnacht! Kurze Erklärung im folgenden Link:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Chesslete

      Und hier noch ein Bild dazu
      http://www.so.ch/fileadmin/internet/sk/sechselaeuten/beilage_sz_gt_20.jpg

      Dass da in dieser „Raglete“ http://www.berndeutsch.ch/website/de_CH/lexikon.detail.db?id=1463 Menschen auch ein paar dabei sind, denen nach grosser „Frässete“ http://zuri.net/default.asp?action=slang&slangID=3656 und „Sufete“ http://www.waebibar.ch/main.shtml?file=gallerie_party&typ=g&nr=0 auch zwischendurch eine „Chotzete“ (schon erwähnt) vorkommt, ist zur Fasnachtszeit nicht weiter erstaunlich.

      Bevor alle auch im Dialekt die Saufgelage nur noch „Binge-drinking“ oder „Botellón“ nennen, wollte ich wenigstens das mit der „Sufete“ noch loswerden.

    13. Holger Says:

      @solanna:
      Der offizielle Begriff in Deutschland ist „Speiseeis“. So steht’s auf den Verpackungen. Das ist aber so ein doofes langes Wort, und darum sagen die Deutschen dazu einfach „Eis“. Und aus dem Kontext wird dann schon klar, was gemeint ist. Ich kenne niemand, der gefrorenes Wasser essen will – also muß dann wohl Speiseeis gemeint sein. Andersherum wollen wohl die wenigsten eine Kugel Straciatella in ihrer Cola haben. Da ist also vermutlich eher das gefrorene Wasser gemeint.
      Ist doch ganz einfach. 🙂

      Und – ja -, Wassereis ist bei „uns“ das, was „Ihr“ Wasserglace nennt.

    14. Nessi Says:

      wie Guggeere schon sagte: das Suffix –ete ist ungemein praktisch. Man kann damit ganz viele passende Nomen bilden.

      Gstungete (äs Gstung = drückend voll, oder auch gemotze)
      Motzete
      Figlete (figle = putzen, meistens viel Aufwand) „das isch ä hure figlete gsii“
      Cheglete (Kegeln, nicht Bowling!)
      Suufete etc.etc.

      im Hochdeutschen wäre das Pendant -erei

      Motzerei
      Putzerei
      Sauferei
      aber mit deutlich weniger Varianten (glaube ich zumindest)

    15. Michael Says:

      Aktuell findet sich bei google.ch tatsächlich 1760 mal „austrinkete“ und 305 mal „austrinket“ – dazu aber noch 923 mal „ustrinkete“ sowie 746 mal „uustrinkete“ – in Wirklichkeit sagt ja kein Schweizer „Austrinkete“ oder „Austrinket“. Dabei handelt es sich bloss um verhochdeutschte Formen von „Ustrinkete“ (oder eben „Uustrinkete“, je nach Gegend).

    16. Phipu Says:

      Etwas, das gerade im Moment in Mode ist, ist das regionale Erntedankfest, die „Sichlete“
      http://home.balcab.ch/r.l.sperandio/schweiz_BE.html#text_08
      Wie unschwer zu erkennen ist, stammt dieses Wort von der „Sichel“ ab. Für Berndeutschanfänger lohnt es sich auch, über die anderen Worte im verlinkten Text zu rätseln.

      An Nessi:

      Interessant hätte ich gefunden, wie du die „Metzgete“ auf Hochdeutsch übersetzt, da es die „Metzgerei“ schon gibt. Tröste dich, ich weiss es auch nicht besser.