Nicht gruselig aber guguselig — Neue Schweizer Lieblingswörter
Bei der Lektüre des „Magazins“ am Samstag stiessen wir auf dieses gar nicht so seltene Schweizer Prachtadjektiv:
Das ist mir zu guguselig
(Quelle: Das Magazin.ch)
Nein, keine neue Schreibweise von „gruselig“, dieses „guguselig“. Es gibt jede Menge Fundstellen, so wie hier auf Swissmomforum.ch
Es ist mir zu theatralisch, zu „guguselig“, zu behütend…
(Quelle: Swissmomforum.ch)
Ohne „g“ am Ende bringt es die Variante „guguseli“ sogar auf 7´310 Belegstellen bei Google.
Beispiel:
Oder s Schnuderhuhn und s Guguuseli, den manche auch Suguuseli nennen.
(Quelle: bezsins.ch)
Im Schweizer Lexikon von Michael Kühntopf finden wir es ganz ohne „-elig“:
gugus: hier bin ich, aber auch „Quatsch“ und „Unfug.
Klar, einfach „guck kuck“ oder „Kuckuck“ etwas abändern, schon sind wir bei guguseli(g).
Mit dem standarddeutschen Verb „gucken“ verbinde ich die Erinnerung an eine merkwürdige Erfahrung aus der Grundschulzeit. Ich hatte es in einem Aufsatz geschrieben, zusammen mit dem Wörtchen „kriegen“ (ohne „be“). Es wurde angestrichen als „umgangssprachlich“ und als „nicht schriftfähig“. Wieso „nicht schriftfähig“? Ich hatte es doch eben geschrieben. Geht doch.
Dass es tatsächlich Wörter in meiner Muttersprache gab, die man zwar sagen aber nicht schreiben durfte, war eine denkwürdige Lernerfahrung für mich. „Kriegen“ sagen, aber „bekommen“ schreiben. „Guck mal!“ sagen, aber „schau mal!“ schreiben. Erst mit dem Filmtitel „Kuck mal wer da spricht“
wanderte das Verb „kucken“ etwas weiter rüber in die Schriftsprachenkiste. Gesprochen hat übrigens Thomas Gottschalk, nur gesehen hat man ihn nicht, auch wenn man noch so am „Kucken“ war.
Im Kleinen erlebte ich in dieser Situation die Differenz „Gesprochene Sprache vs. Schriftsprache“, mit der Schweizer Primarschüler und auch manche Erwachsenen heute noch zu kämpfen haben.
Später hatte ich einen deutschen Kollegen, der ständig das hübsche Wort „diesbezüglich“ im normalen Gespräch verwendete. Es ist ein Wort der geschriebenen Sprache, das, so permanent verwendet, doch recht merkwürdig klingt. Jeder von uns scheint eine feine Abgrenzung im Kopf zu haben zwischen den Ausdrücken der geschriebenen und der gesprochenen Sprache.
Juli 24th, 2008 at 8:18
Naja, das mit dem Adjektiv „guguselig“ ist wohl eher der seltenere Fall. Das hat allerdings überhaupt nichts mit „gruselig“ zu tun. Ich beurteile es eher als Dialekt-Synonym für „kindlich, babysprachlich“. Vielleicht fällt jemandem bald noch ein besseres hochdeutsches Wort ein. Abgeleitet ist es aber von der Interjektion „guguseli!“
Die Googgoosalee, ä pardon, die Google-Einträge belegen dies ja auch. Das führt zusammen mit „kuck mal“ tatsächlich auf den richtigen Weg. Da ich nicht mit deutschlanddeutscher Kindersprache grossgezogen wurde, fehlt mir leider der adäquate Kinderwortschatz, um meine Aussagen passend auf hochdeutsch zu übersetzen. Da muss ich mich halt in Umschreibungen flüchten. Man kann das Spiel „Guguseli“ mit Babies stundenlang spielen, indem man sich kurz versteckt, und jedes Mal beim Auftauchen „gugus!“ oder „guguseli!“ (Guck mal/hier bin ich/hallöchen) ruft, um dann gleich darauf wieder zu verschwinden. Der Erfolg ist garantiert: Das Baby starrt unentwegt mit grossen Augen dorthin, wo ein Gesicht immer wieder verschwindet und auftaucht. Was Erwachsene nicht wissen: Es philosophiert indes über die Erstrebensewertigkeit des Erwachsenwerdens, in Anbetracht des Umstandes, dass die relative Zahl der mündigen Bürger gegenüber Babies in grossem Mass verhaltensauffällige Erscheinungen zeigen und derweil den Gehalt ihrer Sprachbotschaften, vermeintlich dem Gegenüber angepasst, diminuieren. Wenn es sich doch nur schon dergestalt ausdrücken könnte, um seine diesbezüglich negativ behaftete Meinung kontextuell geeignet kundzutun! (mit diesen Worten wohl eher schriftlich kundtun).
Apropos mündige erwachsene Bürger gegenüber Kleinkindern: da kommt mir Peach Weber in den Sinn, der mal auf einer CD den Song „Guguseli“ aufgenommen hatte: http://hitparade.ch/showitem.asp?interpret=Peach+Weber&titel=Nix+wie+G%E4x&cat=a . Darin wiederholt sich unentwegt die Textzeile „Gguguseli, guguseli, ja, du, du“, was wohl als Parodie auf übertriebene Kindersprachen-Anpassung zu verstehen ist.
Sinngemäss damit wenig zusammenhängend ist das Substantiv „(der?) Gugus“. Wie oben aus dem Lexikon entnommen, wird es synonym für „Stumpfsinn, Habakuk, Nonsens“ oder eben „Hafenkäse“ (hier kann ich endlich wieder mal auf die Blogwiese verweisen http://www.blogwiese.ch/archives/600 ) gebraucht. Übrigens gab es „Gugus“ und auch „Sugus“ http://www.sugus.ch/2007/de/erfolgsgeschichte_de.html lange vor „Google“.
Juli 24th, 2008 at 9:33
es gibt doch ein Peach Weber Lied ‚Gugguuseli‘
Juli 24th, 2008 at 10:42
Da der Kuckuck ja hinsichtlich seiner „Brutpflege“ nicht als Vorbild fungiert,werte ich das Wort „guguselig“ in Richtung „weinselig“ – also etwas außerhalb der Verantwortung ein, odrr?
Juli 24th, 2008 at 11:10
Ich korrigiere mich selbst. Zuerst werte ich, dann ordne ich ein…
Juli 24th, 2008 at 11:23
Guguseli? Das ist die Emil Ebene. ä da da da.? härzig!. e de de de¨! lueg mol wie er luegt! öd dö dö.
Juli 24th, 2008 at 12:49
In Österreich hat der Film übrigens „Schau mal wer da spricht!“ geheißen. Aber bei uns sagt auch niemand „kucken“.
Juli 24th, 2008 at 13:04
„Vergucken“ benutzt man in Deutschland auch, wenn man sich verliebt bzw. wenn man sich von jemandem besonders angezogen fühlt.
Juli 24th, 2008 at 15:06
Als Guggeere kann ich da nicht einfach schweigen…
Ich kenne «guguselig» kaum, habe es aber wohl schon gehört. Vielleicht ist es auch ein neueres Wort oder kommt regional beschränkt vor. Mir fällt nicht mal ein gutes Synonym dazu ein. «Gugus» anstatt «hier bin ich» sagt man fast nur zu Kleinkindern. «Gugus» in der Bedeutung «Quatsch» hört man hingegen überall und ziemlich oft. Der Zusammenhang, so nehme ich an, besteht darin, dass man zu Kleinkindern eben nur unwichtiges, blödes Zeug sagt, wie es der Aargauer Flachsinn-Witzereisser Peach Weber im Lied «Gugguseli» beschreibt:
http://tw.youtube.com/watch?v=awFgPaa0vvk
Apropos «Kuck mal, wer da spricht»: «Kuckmals» habe ich auch schon als ironische Bezeichnung für deutsche Touristen gehört.
Juli 24th, 2008 at 15:56
ad hoc
schade keine Zeit, muss zu diesem Ultralauf. „jeder von uns scheint eine feine Abgrenzung …. “ dazu, nein, diesbezüglich hätte ich gerne noch einiges geblogt … wahrscheinlich hatten wir das Thema aber schon zehn Mal..
Juli 24th, 2008 at 16:23
Da hat uns der Administrator Jens wieder so ein Kuckucksei gelegt.
Beim „gugus“ taucht oft eine irgendwie geartete Unsicherheit bezüglich der Redlichkeit, Seriosität, Unfug oder Quatsch auf. Nicht ohne Berechtigung! Wenn man „gugus“ etymologisch Ableitet kommt man im ursprünglichen Sinne oft auf die volksetymologische Quelle vom „Kuckuck“ (lat. cuculus, ital. cucu). Man denkt sofort an das „Kuckucksei“!
Aber die wahre hermeneutische Wurzel muss man im Bergwerkswesen suchen. Ab dem 12.-13. JH hat sich das zunächst überwiegend im alpinen Bereich befindliche Bergbauwesen mächtig in die nördlicheren Mittelgebirge ausgeweitet. Nach der Gotik mit großem Bedarf an Buntmetallen für Glocken, die neuen Städte und den allgem. Handel hat sich besonders ab dem 14.-15. JH durch die neuartige Entwicklung auf dem Waffenbereich (hier die Kanonenproduktion (durch Glockengießer!)) der Bedarf „explosionsartig“ vergrößert. Es entstanden neue und großangelegte Bergwerke u. a. im Harz, Thüringer-, Bayerischer- und Böhmer-Wald.
Im Böhmer-Wald taucht dann für die Bezeichnung der Bergwerksbeteiligungen (sog. „Gewerkschaften“) die Bezeichnung „Kux“ auf. Diese „Kux“ gibt den 128. Teil der jeweiligen Bergwerksbeteiligung an. Diese etwas „krumm“ scheinende Teilung basiert auf der jeweiligen Halbierung des Gewinnes bis in die 6. Teilungsebene (2-, 4-, 8-, 16-, 32-, 64-,128-Teilung).
Und hier liegt die Ursache des Begriffes „gugus“, der aus dem „kus“ (böhm.-slawisch für „Teil“ mit der slaw. Endungsform „-ek“ für dt. -lein, -le, -li also „kusek“ dt.: kleiner Teil /Anteil) abgeleitet ist. (http://de.wikipedia.org/wiki/Kux). Bei den Brüdern Grimm sehr schön dargestellt: Siehe unter „KUX“.
Da damals auch die lingua montana in Latein einen starken Einfluss hatte, wurde der Begriff „kusek“ wohl lateinisiert und es hat offensichtlich einen Konsonantenaustausch gegeben. Aus „kusek“ wurde mitl.lat. „cuccus“. Und hier liegt eventuell diese Namensähnlichkeit zwischen „cuccus“ für Anteil und „cuculus“ u.ä. für den Vogel und auch deren (nicht unberechtigten) Begriffsvermengung!
In dieser Zeit um 14.-16. JH haben betrügerische Handelsagenten nicht gültige „kusek, cuccuse“ auf dem Markt verkauft. Diese Kux-Bergwerksanteile hatten jedoch eine extreme Besitzerbindung und hatten also ohne Zustimmung der übrigen Anteilseigner keinen Werthaltigkeit, dadurch war jeder nicht formrichtige Erwerb ungültig. Weiteres zum Verständnis beim Grimm.
Die Verwendung des Begriffes „kusek“ hat sich in „gugus“ gewandelt und ist aus dem Norden in den heutigen schweizerdeutsch sprechenden Raum zugewandert.
Die mittelalterlichen Betrügereien ergaben den Begriff des „gugus“ als für erschlichenes, unredlich und unberechtigt an den Mann / (Frau) gebrachtes Anteilspapier. Der teuer erkaufte und dann wertlose Anteilsschein war „gugus“.
Ist doch schön ausgedrückt: „Gugus gehen“ als zu Grunde gehen. Die Händler haben den Gutgläubigen ein finanziell faules „Kuckucksei“ untergejubelt.
Da kann man schon von einer sprachlichen und sinninhaltlichen Symbiose sprechen. Eine Verwandtschaft mit „gucken, gugen“ möchte ich etwas anzweifeln, den beim „gugus“ schaut man ja etwas unwissend, ratsuchend oder auch ,,blöd“ in die Landschaft. Natürlich kommt in laufe der Jahrhunderte die Inhaltveränderung der Begriffe erschwerend zu diesem Thema „gugus“ hinzu.
Das „vergucken“ („falsches gugusen“) z. B. stamme auch aus dieser Wurzel ab, da damit die Einbussen bzw. das durch Betrug nicht gültige, somit verschwendete und dadurch wertlose „Kux“-Kapital gemeint ist. Naja, eben ein falsches Invest durchgeführt wurde.
Und nun ist es raus: So manch armer Tropf hat sich auch in der Liebe zu sehr verguckt.
Juli 25th, 2008 at 9:55
Wer Kinder oder Grosskinder hat, dem ist das Wort guguseli mehr als geläufig. Bei Säuglingen versteckt man sich hinter dem Stubenwagen oder hinter einem Tuch und wenn man wieder hervor kommt, gibt es beidseitig ein Strahlen und ein fröhliches Guguseli.
und den Deckel drauf hat Peach Weber mit seinem Song Guguseli gesetzt.
Einfach ein „gmögiges“* Wort und dabei interessiert es mich nicht mal gross, woher es kommt.
Schöne Ferien, lieber Jens und Familie!
*Bevor Ihr zuviel Zeit verliert: gmögig kommt vermutlich von mögen/gemocht
Juli 27th, 2008 at 7:07
Wer die eigenen Formate der deutschen Privatsender KUCKT, der wird feststellen, dass das Wort Gruselig von vielen Personen verwendet wird. Darunter meist: Neu ernannte Superstars, eingesperrte grosse Brüder oder ALG2-Bezieher, welche Magazinjournalisten ihre Lebensumstände zeigen.
Lukas
ps. Schmeisen ist nach der deutschen Lehrerschaft auch nicht schreibfähig
Juli 28th, 2008 at 16:42
Nicht, dass man mir hier wieder was unterstellt. Aber „guguselig“ mag schon allein lautmalerisch das bekloppteste Wort aller Zeiten sein.