Kann man Haferkäse essen? — Etymologie eines Schweizerdeutschen Ausdrucks
Wer kennen „Haferflocken“, vor allem die aus Köln. Als Kind waren sie für mich eine frühe Art von „Müesli“, denn diese Schweizer Erfindung mit dem zusätzlichen „e“ nach dem „ü“ gab es erst ab den 80ern in den ersten Bioläden im Ruhrgebiet zu kaufen, und zwar als „Müsli“ ohne „e“. Vom Herrn Bircher-Benner und seinem kleinen Mus bzw. kleinen Mäusen hatten wir nichts mitbekommen, so hoch im Norden. Es gab ausschliesslich Kölnflocken mit Rosinen oder Nüssen, und natürlich viel Zucker. Damit es nicht so dröge schmeckt und die alkoholische Gärung im Darm so richtig in Gang kommt. Besagte „Kölnflocken“ kamen aber überhaupt nicht aus Köln am Rhein, sondern schrieben sich aber mit „ll“ und wurden von Peter „Kölln“ in Elmshorn hergestellt.
Der Legende nach reiste der Firmengründer Peter Kölln Anfang des letzten Jahrhunderts nach München. Ihm gefiel das blau-weiße Rautenmuster der bayerischen Flagge so gut, dass er auch seine Flocken aus Elmshorn in blau-weiße Packungen füllen wollte. Aber BMW war schneller und hatte die blau-weißen Rauten in seinem Logo schon verwendet. Peter Kölln wählte stattdessen die Farben Dunkelblau und Hellblau. Die Packung sieht seitdem viel schöner aus als der Inhalt, der gekochte.
(Quelle: goethe.de)
Sind das Haferflocken mit Käse? Das Wort entdeckten wir neulich in der City-Regionalausgabe Stadt Zürich des Tages-Anzeigers:
Die Stadt bewilligt nicht jeden Haferkäse
(Quelle: Tages-Anzeiger 02.06.07)
Das Wort findet sich in diversen Schweizer Beiträgen, Artikeln und Leserbriefen. Hier eine kleine Auswahl von Fundstellen:
„für jeden haferkäse wollt ihr gesetze und in einer anderen diskussion beschwert ihr euch über die drangsalierung des staates !!!“
(Quelle baz.ch)
Ich wähle schon gar nicht mehr, weil der Kantonsrat mittlerweile überflüssig ist und wir über jeden Haferkäse abstimmen.
(Quelle: evp.nzzvotum.ch)
Sie müssen schon einen argen Haferkäse bringen und ein anderes Land etwas Bombastisches, um mich umzustimmen
(Quelle: hitparade.ch)
Dem Kontext nach muss es sich bei „Haferkäse“ um ein Synonym für „Mist“ oder „Unsinn“ handeln. Aber kann das schon alles sein? „Haferkäse“ wird vom Deutschen Rechtswörterbuch so erklärt:
Haferkäse:
Wohl eine Abgabe
(Quelle: DWR)
Doch bei der weiteren Suche tun sich plötzlich etymologische Abgründe auf, ungeahnte Querverbindungen zu Wörtern, die so gar nichts mit „Hafer“ aber mit „Hafen“ zu tun haben. Denn „Haferkäse“ steht nahe bei „Hafengeld“, das ist abgeleitet aus „Havarie“, ein Wort mit abenteuerlicher Geschichte:
Havarie […v…] die; -, …ien (über niederl. averij, fr. avarie aus gleichbed. it. avaria, dies aus arab. ‚awārīya „durch Seewasser beschädigte Ware“ zu ‚awār „Fehler, Schaden“;Bed. 2 wohl nach russ. avarija›
(Quelle: duden.de)
Der Fehler, der Schaden, das Schadensgeld, der Unsinn, der Mist. Passt doch alles wunderbar zum Schweizer „Haferkäse“, oder? Natürlich ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit, aber einmal mehr sehen wir, wie eng verzahnt die europäischen Sprachen und das Arabische sind. Auch das englische „Average“ ist unmittelbar aus dem „Hafengeld“ und der „Havarie“ abzuleiten:
average ‹engl.; : mittelmäßig, durchschnittlich (Bez. für Warenqualität mittlerer Güte).
Average der; – ‹aus gleichbed. engl. average, dies über mittelfr. avarie „Seeschäden,Hafengeld
(Quelle: duden.de)
Ist nun alles geklärt? Dann essen wir weiter Haferflocken und lassen die Finger vom Haferkäse, denn das Wort schmeckt uns zu sehr nach Seewasser.
Nachtrag:
Die ersten Kommentare erwähnen, dass neben „Haferkäse“ auch „Hafenkäse“ gebräuchlich ist. Ein „Hafen“ oder „Haferl“ ist im alemannischen-süddeutschen Sprachraum die Variante für „Topf“ (im Norden „Pott„). Die Verwendung bleibt sich ansonsten gleich, die Verwandtschaft zu „Hafengeld“ liegt ebenfalls nahe.
Juni 5th, 2007 at 0:50
Jetzt bin ich aber überrascht – „Haferkäse“? Für mich ist das „Hafenkäse“, und das bringt massig Fundstellen in Google.
Ich war auch immer der Meinung, Hafenkäse wäre ein Synonym für Quark (Käse im Topf)…
Juni 5th, 2007 at 6:08
Es handelt sich hier um HafeNkäse und nicht um HafeRkäse und bedeutet soviel wie Blödsinn. Hafen hier dürfte wohl nicht von der Schiffsanlegestelle abgeleitet sein sondern von Hafen als Gefäss.
Juni 5th, 2007 at 6:47
Also ich kenn eher den Ausdruck Hafenkäse denn Haferkäse, meint aber das gleiche.
Juni 5th, 2007 at 7:18
Hafenkäse ist der Käse, den man im Hafen herstellt, also Quark, in Österreich heisst er Topfen. Es ist also leicht herzustellender, von jeder Hausfrau zu bewältigender Käse. Und so etwas ist dann eben Unsinn.
Juni 5th, 2007 at 8:46
Es ist ja schon entdeckt worden: Es heisst wohl eher Hafenkäse. Hafe, Häfeli, Häfli hat admin für Topf schon nachgetragen.
Es gibt aber doch auch die „Häfelischuel“. Kann da mal jemand weiter helfen. Wird dort den Schweizer Kindern gezielt Unsinn beigebracht? Oder dürfen alle nur Käse zum Z’nueni „habere“ und keinen Haberbrei und kein Habermues im Habersack mit sich führen.
Mir wird nun aber vor allem klar, was die da im Fernsehen die ganze Zeit von einem „G Haf Gipfel“(i) reden. Es dreht sich eben alles nur ums Essen.
Juni 5th, 2007 at 8:56
@mare: Soweit ich weiss ist (schweizer) Quark und (österreichischer) Topfen mindestens geschmacklich überhaupt nicht das selbe. Während Quark weitgehend geschmacksneutral ist, hat Topfen was „käsiges“ dh. eine eher salzige Note. (Irritierenderweise wird er in Österreich trotzdem als Dessert serviert)
Juni 5th, 2007 at 9:33
Au wiea, Jens, da bist du (und die, die so was ruhigen Gewissens schreiben können) deiner eigenen Deutschen Zunge auf den Leim gegangen. Wenn es zu Deutsch „Haferkäse“ wäre, dann würde man das r natürlich im Gegensatz zu nördlichen Aussprachevarianten deutlich hören. Als Ergänzung dazu möchte ich noch erwähnen, dass man mindestens in meinem Dialekt „Haber“ mit b zu „Hafer“ sagt. Davon abgeleitet gibt es auch das Verb „habere“ (hafern), für „essen“. Dies stammt vermutlich aus dem Pferdevokabular. Und „Haberchäs“ ist Habakuk!
Noch schlimmer ist, dass es sogar Schweizer gibt, die so einen Hafenkäse schreiben können. Dieses Wort hat nichts mit Hafer zu tun. Gut, den meisten heutigen urban aufgewachsenen Generationen kann man es nicht verübeln, wenn sie nicht mehr wissen, wie man Käse herstellt, und was Hafer eigentlich so genau ist. Das kommt ja schliesslich alles aus einem Plastiksäckli in der Migros.
Dieser Ausdruck tönt mir ziemlich nach Basel-typisch. Deshalb nun die Anfrage an alle Basler (und andere Nordwestschweizer): Sagt ihr zu „Hafer“ auch „Haaber“? Solch „sauberer Dialekt“ (siehe Blogwiese am 1.6.) würde ja schon einige Falscheinträge im Internet vermeiden.
Ich empfehle deshalb dringend die Suche nach (Anzahl Google-Einträge):
Hafechäs: (466)
Hafenkäse: (432)
Hafekäs: (40)
Haafekäs: (3)
Es lohnt sich, anschliessend unter „Haafekäs“ die Einträge anzuklicken. Da werden auch badische und Elsässer Quellen zitiert. Meine vermutete A.O.C (apellation d’origine contrôlée = geografische Herkunftsbezeichnung) im Raum Basel ist also nicht ganz falsch.
Aus einem Diskussionsforum in Wikipedia:
Hafenkäse [Bearbeiten]
Du hast natürlich recht, den Artikel zu sperren. Der Editwar war nicht angebracht. Aber ich bitte dich, nun selbst zu prüfen, ob meine Hinzufügung richtig war oder nicht. Sozusagen als Schiedsgericht. Freundliche Grüsse –84.73.158.38 16:57, 29. Jul 2006 (CEST)
Nicht jede Wortschöpfung, die sich jemand hat einfallen lassen, müssen wir aufnehmen. Gerade mal 676 Treffer bei Google überzeugen mich nicht. — tsor 17:04, 29. Jul 2006 (CEST)
Vielleicht solltest du die diversen schweizerischen Versionen wie Hafechäs, Haafechäs, Hafekäs, Haafekäs hinzunehmen. Ausserdem ist es ein Wort, das nur in der Umgangssprache verwendet wird. Aber ich kann dir versichern, es ist ein absolut übliches Wort. Hier noch ein Zeitungsbeleg: [27]. –84.73.158.38 17:11, 29. Jul 2006 (CEST)
Auch Grimms Wörterbuch erwähnt den „Haferkäse“ in keiner Weise. Dagegen den „Hafenkäse“:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemmode=lemmasearch&mode=hierarchy&textsize=35&onlist=&word=Hafen&lemid=GH00599&query_start=1&totalhits=0&textword=&locpattern=&textpattern=&lemmapattern=&verspattern=
Übrigens lenkt der Kommentar von Mare in die von mir verteidigte Richtung. Was hierzulande Quark heisst, ist in Deutschland eine weitere Unterart von Käse aber in Österreich Topfen. Was ist denn ein „Topf“ anderes als ein „Hafen“
Siehe Bild in diesem Artikel (Achtung Appetitlichkeitsminderung):
http://www.blogwiese.ch/archives/575
Juni 5th, 2007 at 9:54
Kölln-Schmelzflocken – Kindheitserinnerungen …, aber weitervererbt. Jede Reise zu den Kindern in USA: „Bitte bring ’s Päckli Köllnflocken mit.“
Und was ist mit „Hafechabis“? Das ist mir viel geläufiger. Ich kannte nur: „Verzell nit so ’nen Stuss“, bis ich in der Inner-CH vernahm: „Sepp isch aberr Chabis“, gesteigerte Form: „So’n Hafechabis“.
Sympathisch, lehrreich, lustig, nachdenklich dieser blog, manchmal ein „Aha-Erlebnis“ oder „Wusst ichs doch!“ Erst Diana Jörg führte mich auf DRS 1 dahin.
Juni 5th, 2007 at 10:59
im Dialekt nennt sich das Ding ‚Hafechäs‘. Und das isch kei Hafechäs.
Juni 5th, 2007 at 11:11
Bis anhin kannte ich auch nur Hafe(n)chäs –
von nun an nur noch Haferchäs. Die Ableitung ist eine zu grosse Versuchung:
Haferkäse – Havarie – Hafen – Hafenkäse
grossartig
Juni 5th, 2007 at 11:18
Auch mich ist es eindeutig „Hafenkäse“. Dass es die Schreibweise mit R gibt, war mir bis anhin nicht bewusst.
Juni 5th, 2007 at 11:19
Kann ich mir kaum vorstellen dass Haferkäse etwas mit haverien zu tun hat. Die frage ist blos: Wie ist das Wort aus den Niederlanden in die urchige Schweiz gekommen? Eigentlich müsste das Wort in Binnenschifffahrtsakten zu finden sein. Werde das auf meine „Duisburg to do list“ schreiben.
Danke für die Aufklärung
Lukas
Juni 5th, 2007 at 11:28
Ich schliesse mich mare’s Meinung an.
Belegstellen bei Google:
431* HafeNkäse (davon 261 aus der Schweiz)
347* HafeRkäse (davon 31 aus der Schweiz – wahrscheinlich Deutsche „Über“siedler:-)
1* Haferkäs (1* Schweiz)
16 Haferchäs (8* Schweiz
ABER
492* Hafechäs (391* Schweiz)
2* Hafekäse (2* Schweiz)
Hafechäs/Topfen/Quark gehört übrigens zu den Frischkäsen.
Im Gegensatz zu den Hartkäsen benötigen sie weder tägliche
Pflege (Würzen, Salzen, Wenden) noch Zeit zur Reifung (bei Hart-
käsen Jahre).
Als Steigerungsform zu Hafechäs/Topfen/Quark gibt es noch
„alter Hafenkäse“. Sozusagen Quark über dem Verfalldatum.
Wie das schmeckt – kann jeder im Selbstversuch probieren. 😉
http://www.blick.ch/news/multimedia/artikel32747
Also Jens erzähl uns nicht noch weiteren Hafenkäse/Quark
sonst wird’s dann noch ein alter Hafenkäse.
Ganz schön mutig, wie Du im Käseland-Schweiz uns einen
Haferkäse (durchgestrichen) Hafenkäse verkaufen willst. 😉
Juni 5th, 2007 at 12:51
Alles Quark, also Topfen
Alles Piffkaas oder wie man das schreibt. Klingt jedenfalls nierderländisch.
Alles Hafenkäse.
Irgendwie ist das doch alles recht ähnlich.
Juni 5th, 2007 at 12:51
@neuromat
Heutzutage tut sich die Deutschschweiz noch immer schwer damit, vorschulische ausserhäusliche Kinderbetreungsangebote zu schaffen. Meine Mutter (Jahrgang 1923) wuchs in einem Bauerndorf im nördlichen Kanton Zürich auf. Dort betreute eine Kindergärtnerin – vom ganzen Dorf Tante Lina genannt und bestimmt schon seit spätestens 1910 im Amt – die Kinder ab ca. 3 Jahren. Manche mussten wohl noch auf den Topf (Mundart Hafe) gesetzt werden.
Meines Wissens existierte diese Kinderbetreuung dort schon zu Zeiten meiner Grosseltern (also Ende des 19. Jahrhunderts) und hiess – als Gegensatz zur richtigen Schule – immer Häfelischuel.
Vielerorts wurde und wird – heute eher spöttisch – der Kindergarten Häfelischuel genannt, obwohl unterdessen die Kleinen in diesem Alter nicht mehr auf den Topf gesetzt, am Nachmittag hingelegt und einfach spielerisch gehütet, sondern kompetent gefördert und geschult werden. Früher ging es wohl eher darum, dass alle verfügbaren Kräfte, auch die Grossmütter, beim Heuen, Ernten und den Rebarbeiten etc. uneingeschränkt eingesetzt werden konnten.
Juni 5th, 2007 at 13:00
@neuromat:
Häfelischuel = Kindergarten, also Kinder die noch fast auf den Hafen = Töpfchen gehen.
Bei uns hiess es auch Gfätterlischuel oder kurz Gfätti, gfätterle ist irgendwie an etwas rumbasteln, ohne ein ‚zählbares‘ Resultat.
Juni 5th, 2007 at 13:30
@ Sprotte
„Und was ist mit “Hafechabis”? Das ist mir viel geläufiger. Ich kannte nur: “Verzell nit so ‘nen Stuss”,“
was soll damit sein: is alles kappes
is auch klar dass Jens einen vor den Kappes kriegt mit seinem komischen Hafe(r) statt Hafen, wenn er son Bohei um den Firlefanz macht. Muss er seinen Dez getz einziehen. Vielleicht wollte er uns aber auch nur ver“kohl“en oder er musste als Kind zu viel von diesen Flocken da essen. Von wegen Kappes und Kohl: Weiss jemand, wo in der multikulturellen Schweiz man gepflegt Grünkohl und Pinkel essen gehen kann?
Juni 5th, 2007 at 14:09
Lukas schrieb:
>Kann ich mir kaum vorstellen dass Haferkäse etwas mit haverien zu tun
>hat. Die frage ist blos: Wie ist das Wort aus den Niederlanden in die
>urchige Schweiz gekommen?
Eine gewisse Beziehung zwischen Haf-er-käse und hav-erie sehe ich schon, wenn auch etwas anders als es Jens tat.
Wie uns unsere Mitschreiber mitgeteilt haben kommt das Hafer im Haferkäse weniger von Havarie als vielmehr vom Hafen (als dem Topf/ das Gefäss). Wenn man den altgermanischen Wasser-Hafen im weitesten Sinne auch als „geschützte Meerenge zum Lagern von Schiffen“ versteht könnte man sich so den Gefäss/Topf-Hafen ableiten (aber das ist natürlich sehr spekulativ, ich weiss). Da Hafen (Altniederdeutsch/Althochdeutsch: havan) ein sehr altes Wort ist (kommt vermutlich widerum von haf/hav (Meer), schätze ich, dass es die Alemannen bei ihrer Wanderung südwärts einfach schon dabei hatten als sie in die heutige Schweiz kamen.
In Kurzfassung sieht meine Herleitung also so aus:
haf – haven – Hafen – Hafer – Haferkäse
Juni 5th, 2007 at 14:53
Zur Ehrenrettung von Herrn Wiese muss man sich einmal den google-Vergleich auf der deutschen Zunge zergehen lassen:
434 (55%) Fundstellen von „Hafenkäse“ vs. 350 (45%) von „Haferkäse“ auf google-Schweiz. Es scheint also auch in der Schweiz eine ganze Reihe von Mundartsprechern zu geben, die Schwierigkeiten haben dürften, eine vernünftige Erklärung des Begriffs und seiner Herkunft geben zu können. Aber ganz Basisdemokratisch hat die Mehrheit recht und damit gut 😉
Juni 5th, 2007 at 15:05
@nadjagn Natürlich ist der schweizerische Pflüdiquark nicht dasselbe wie Topfen. Was dem Topfen ebtspräche, heisst in der Schweiz wohl eher „Ziger“, nicht „Schabziger“, einfach „Ziger“.
Juni 5th, 2007 at 15:07
@Phipu: Natürlich sage ich noch „Haber“, aber ich höre auch schon junge Leute „Hafer“ und „Haferflocken“ sagen.
Juni 5th, 2007 at 15:14
und hier noch einen aktuellen Hafenkäse von einer ganz anderen Figuranten Spielwiese frei nach dem Motto wir simulieren Arbeit.
«Deshalb ist es spannend zu imitieren, wie sich schweizerische Europa-Parlamentarier aktiv in die Debatten einbringen könnten»…fiktive Änderungsanträge formulieren und mit ihren Ratskolleginnen und -kollegen abstimmen.
http://www.tages-anzeiger.ch/dyn/news/schweiz/758500.html
Juni 5th, 2007 at 16:40
O je, Hafer- und Hafenkäse durcheinander gemixt.
Den „Haferkäse“ sollte man im sprachliche Vergleich zum „Leberkäse“ sehen, der nun garantiert auch keinen „Käse“ enthält. Der Leberkäs wird als rohes Brät in einer kistenförmigen Form gebacken. Dieser „Käse“ muss ursprünglich vom altgerm. cist, cest, cyste, für Kasten, Kiste oder Behältnis abgeleitet werden. Entstanden ist es lt. Grimm WB vielleicht aus „kas“, der gothischen und Urform von „kar“.
Im alemannischen Sprachraum hat man den berühmt-berüchtigten Fall, des man den Buchstaben K als „CH“-Aussprache vorfindet. Aus Kiste / Kasten wird im Oberdeutschen eine Chischte, Chäst, Chaschte u.ä., jedoch irgend wann geschrieben Käs, oder auch andersum. So kann aus dem Kasten ein Käs werden.
Der Hafer in der alten Sprachform als Haber hat im Grimm WB einige Fundstellen, die einen guten Lösungsansatz beinhalten. Dies ist die Haberkiste und der Haberkasten. Der Hafer/Haber wurde in Kasten gelagert, damit kein Haferkorn verloren gehen kann. Da damals das Geld oft auch in Kisten/Chisten gelagert wurde, scheint es sich im gesamten Begriffsumfeld anzudeuten, dass sicherlich so mancher Zeitgenosse einen Haferkasten/Haberkäs seiner Pferde als seine volle Geldkiste vorgeführt hat.
Ein Sprichwort für den Haberkasten: ich will drauf los gehen wie der bock auf den haferkasten. Für die Haberkiste: springen so artiglich zum sattel hinein wie der bock auf die haberkiste. Anderorts heißt es: er setzt den bock zum gärtner.
Das Sprichwort: Ihn sticht der Hafer muss als Fresswunsch der Pferde, Esel und Ziegen für dieses feine Futter angesehen werden und für die Spitzbuben um an das Geld in den Kisten anderer Leute zu kommen.
Es ist hier wohl nicht der Hafenbezug mit der Havarie zu sehen, sondern der wertlose, minderwerte und mistige Inhalt einer großen Futterkiste für Hafer, jedoch nicht der versprochene, vermutete, erwünschte und oft erwartete geldwerter Inhalt der Geldkisten.
Der Traum vom Geld ist platzt, so ein „Haferkäs“.
Der „Hafenkäse“ kann eigentlich kein frischer Weichkäse sein. Der Ansatz hierzu hat sich bei der Erinnerung an unseren Grundschullehrer ergeben, welcher in großer Wut immer „Hafenkäs“ zur äußersten Verneinung gesagt hatte. Er als schwarzwälder Uralemanne hat gewusst, was der sinnfällige Inhalt war: alter, vergammelter, stinkender und kaum geniesbarer Käse (jetzt der richtige!). D.h.: Das wird nix!!!
Eine gute Fundstelle im Grimm WB bezeugt dies: hafenkäsz, alter fauler käsz, so man stücklin von altem käsz in ein hafen zůsamen legt, und wein darüber schütt, und also läszt graaten und in einanderen faulen. Dieser alte Käse wurde in einem „Hafen“ (Topf/Teller) aufgearbeitet und in neuer „veredelter“ Form gegessen. Allgemeiner schwäbischer Lebensspruch: Nix verrecke la.
Da der Name Käse (der richtige!) aus dem römisch/lateinischem Umfeld aus „caseus“ entlehnt ist, ist durch die Gleichheit/Ähnlichkeit der Namen für Kasten (Chasten, Käs) und den Käse (Chäs) in laufe der Jahrhunderte sowie durch die Volksetymologie zu einer heillosen Verwirrung um die Begriffe Käse, Käs, Chäs uam. nach Sprachlautigkeit und Inhalt gekommen.
Hoffentlich ist nun der gordische „Käse“ gut zerschnitten und in bekömmliche Happen zerlegt. Wohl bekommts.
Juni 5th, 2007 at 17:07
Hoi zäme!
[Ein kleiner Beitrag zur Phonetik:]
Im Berner Dialekt (Bärndütsch) heisst es: HafeRchäs.
Juni 5th, 2007 at 17:46
Der Hafer heisst in meinen verschiedenen Familiendialekten sowie in den passiv durch Regionen-Hopping in der Deutschschweiz jeweils jahrelang lange erlebten überall Haber.
Im Hafen ist Tee oder Milch oder Kaffee. Ist er flacher und ohne Ausguss, dafür mit Sitzrand, ist er für deren Wiederausscheidung.
Der Mumpitz hingegen wird Hafechääs genannt.
Juni 5th, 2007 at 18:04
Habe da gerade einen interessanten Kulturkampf entdeckt, der mancher Auseinandersetzung in den Beiträgen und Kommentaren der Blockwiese nicht unähnlich ist:
http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/artikel/962/116846/
So als Blick über den Tellerrand Deutsch-Schweizer Befindlichkeiten 😉
Juni 5th, 2007 at 21:36
Ich weiss, ich habe mich schon lange nicht mehr gemeldet. Dazu fand ich einfach die Zeit kaum mehr. Die Blogs habe ich aber immer zumindest überflogen. Wo es sich um sprachliche „Probleme“ handelt, schau ich meistens etwas genauer hin.
Phipus Anfrage an die Nordwestschweizer hat mich dazu bewegt, wieder einmal etwas von mir hören resp. sehen zu lassen.
Ich habe noch nie etwas weder von Haberkäse noch von Haferkäse gehört, so etwas ist für mich klar „Hafechees.“
Als Kind habe ich sehr viel Haberflöckli gegessen, trocken mit Zucker gemischt oder mit Milch. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die meisten heutigen jungen Schwarzbuben wenn schon Haferflöckli habern.
Juni 5th, 2007 at 23:52
Was so ein Hafer- oder Hafenkäse in der Zeitung am Samstag morgen alles auslösen kann. Nach einem feinen Habermüesli mit darauffolgender Diskussion schrieb ich einen Kommentar auf dieser Wiese. Und es ist spannend, was aus so viel Quark alles heraus kommen kann. Vielen Dank Jens für den Beitrag und all den anderen für die vielen Hinweise!
Juni 6th, 2007 at 0:03
Alle Schweizer mal weghören, das ist was internes….
Hallo Jens, ich sehe immer wieder, dass du als Ruhrgebietler mit deiner „norddeutschen“ Herkunft kokettierst. Nichts gegen das Ruhrgebiet, schön grün da, aber Norden is dat nun ja nich gerade. Zürich liegt ja auch nicht in der Ostschweiz.
Für die Bayern bist du selbstverständlich ein Preusse, aber der Norden hört für uns „echte Norddeutsche“ knapp über Bielefeld auf. Osnabrück gehört noch eben dazu. Habt ihr bei Mutti in der Küche NDR gehört? Nein, siehst du: WESTdeutscher Rundfunk, EinsLive und so. Karnevalland, Alaaf und Hellau, Spatz vom Walrafplatz und so weiter. Sind doch von euch immerhin noch so an die 600km bis zur Nordgrenze.
Vorschlag: bleiben wir doch bei Westdeutsche. Das mit dem Osten und Westen kam doch alles viel später. Muss man sich doch nicht für schämen, plötzlich Westdeutscher zu sein, oder?
[Anmerkung Admin: Recht hast Du. Schon Herbert Gröhlemeyer sang „Tief im Westen“, als er von Bochum sprach. Doch alles ist relativ. Für die Menschen im Süden ist der Ruhrpott der Norden, für die Menschen im Norden ist es eher der Westen. Ich wollte mit meiner „norddeutschen“ Herkunft nicht kokettieren, sondern es einfach verständlich machen. Ja, wir haben NDR gehört, und natürlich auch WDR. Und Hamburg liegt näher als Frankfurt]
Juni 6th, 2007 at 8:27
An AnFra
Interessante Recherche. Zur Vervollständigung müsste an dieser Stelle noch ergänzt werden, dass hierzulande das Wort „Leberkäse“ etwas fremd tönt. Hier kennt man praktisch ausschliesslich den „Fleischkäse“. Wer die Übersetzung auf Französisch sucht, stösst auf alle Sorten von „terrine/paté de viande“ oder so. In der Westschweiz aber benützt man den (erstaunlicherweise in keinem der mir bekannten Wörterbücher erwähnten) Ausdruck „fromage d’italie“ (Italienkäse). Hier kann man leider keinen Hinweis an Kiste mehr erkennen.
Juni 6th, 2007 at 14:16
Jens Leib- und Magenblatt (Tagi) bringt heute in der City-Ausgabe Licht ins Dunkel (glücklich die Unterländer mit Tagi-Abo und epaper ;)). Laut H-P. Schifferle (Chefredaktor des Idiotikon) ist nur Hafenkäse historisch belegt (erstmals Mitte des 16. Jh.) Auf die Frage, ob Haferkäse also falsch ist:
(Zitat Tagi) “ «Nein, es ist nicht falsch», meint der Sprachexperte. Da das Wort – vor allem in Texten jüngerer Zeit – so oft erwähnt werde, sei es als «volksetymologische Umdeutung» zu verstehen. Es werde auch fast ausschliesslich im Sinne von «Mumpitz » oder «Chabis» gebraucht. Schlecht ist das nicht, wie er durchblicken lässt. Auf diese Weise – in diesem Fall durch eine undeutliche Aussprache von n und r – entwickelt das Volk die Sprache. Und irgendwann muss auch der Duden nachziehen.“
Juni 7th, 2007 at 16:15
@Phipu
Als Nachtrag möchte ich noch festhalten, dass in Grenznähe zur Schweiz vom Hochrhein, über den Bodensee bis ins Allgäu überwiegend dieses Lebensmittel umgangssprachlich Fleischkäse genannt wird. Oberhalb dieser Linie wird in den württembergischen, niederschwäbischen und fränkischen Gebieten der Fleischkäse meist Leberkäse genannt.
Interessantes zum Fleisch-/Leberkäse lässt sich auf der folgenden Seite abrufen.
http://www.fleischwirtschaft.de/fleischundwurst/fragenantworten/pages/show.prl?id=53&backid=0&currPage=4
Über den Namen „fromage d’italie“ (Italienkäse) lässt sich indirekt eine Ableitung zur Verwendung einer Brotform (Backform, Brotkasten) erschließen. Da er ja in solcher Art von Kastenformen gebacken werden muss.
Juni 8th, 2007 at 12:58
Haferkäse – so en Hafechääs!! 😉
Juni 10th, 2007 at 11:24
Wie meine Vorredner schon sagen: Haferkäse gibts nicht. Hafechäs oder Hafenkäse in Schriftsprache. Dass damit eigentlich Quark gemeint ist, war ich mir bisher nicht bewusst.
Die Version ‚Hafechabis‘ ist mir bisher auch nie begegnet, allerdings war in meiner Kindheit ‚Chabischäs‘ sehr vertraut! Und all die Synonyme meinen dasselbe: Stuss = Blödsinn = Hafechäs = Chabischäs = Chabis = Quark (mach nid sonen Quark!) = Dummheit etc.
September 24th, 2007 at 19:47
Äquivalent zu Hafechäs auf Berndeutsch (und eines meiner Lieblingswörter): Chutzemischt
(von Chutz=Kauz, Rest selbsterklärend). Und hier noch eine Herausforderung die hoffentlich zu einem neuen Eintrag führt: Äckegschtabi.
Gruss aus Bern
August 28th, 2009 at 12:45
Im französischen (Bretagne) gibt es den Ausdruck „crème d’avoine“ und den kann man essen. Wird zum backen von Sablées gebraucht. Sehr feines Hafermehl.
Januar 28th, 2010 at 17:51
@neuromat
Häfelischuel ist der Kindergarten! Dort lernt man nicht mist, sondern die Kleinen gehen noch nicht auf die Toilette; sie erleichtern sich auf dem Häfeli…
Gruess us Baasel
Juni 4th, 2010 at 10:57
Hafechäs ist ein Baslerdeutscher Euphemismus für Scheissdreck.
Hafe = Toilette, und der Käse ist in diesem Fall ein Euphemismus für Stuhl.
MfG